86. Tag: Sonntag, der 10. Juli 2011

Sonntag, den 10. Juli 2011

Tag in Lila

122 km von Kranojarsk nach Ujar, 941 hm mit kräftige Anstiegen, Sonne und manchmal dicke Wolken bei 17 Grad, nur auf der M 53, Zelten bei Ujar

Heute gehen wir es ganz gemütlich an, zuerst noch einmal ausgiebig frühstücken und dann zusammenpacken. Erst um 9.30 Uhr kommen wir los und rollen über die lange Brücke über den Jinissej. Auf der rechten Seite leuchtet noch einmal die „Rote Klippe“, der die Stadt ihren Namen verdankt.

Am Rande der Stadt gibt es einen großen Chinamarkt und sogar einen chinesischen Verkäufer treffen wir vor einem chinesischen Brunnen mit rotem Drachen. Hinter dem Markt sind wir dann endgültig aus der Stadt heraus, die sich doch noch einmal fast 20 Kilometer hin gezogen hat und müssen nun erst einmal wieder an Höhe gewinnen. Da es neben der neuen M53 hier auch noch die alte Straße gibt ist das für uns nicht all zu unangenehm und wir haben Ruhe vor den LKW und Autos, dafür gibt es natürlich mehr Insekten, als auf dem gut befahrenen Highway.

Faszinierend sind heute den ganzen Tag die Wiesen, hier steht ein lila kraut in vollster Blüte und verzaubert die Landschaft. Auf manchen Flächen ist dann kilometerweit nichts anderes zu sehen und ich bedauere ein wenig, dass die Sonne sich hinter den Wolken versteckt hat. Sie komme erst am späten Nachmittag hervor und bringt alles zum leuchten, unendliche Wiesen mit Lila und gelben Tupfern dazwischen und das sind dann solche Momente, in denen man sich freut die lange Reise unternommen zu haben.

Unterwegs stoppt uns ein Schweizer mit Jeep, er will bis Wladiwostok durchfahren und ist, nachdem er sich von seinem Partner getrennt hat allein unterwegs. Er braucht dribngend jemand zu erzählen und kaut uns deshalb ein Ohr ab, nach einer halben Stunde kennen wir die gesamte Lebensgeschichte, inclusive der seines Freundes „Schorsch“, der Hosen verkauft, des Bruders der Mutter, der wohl in einem russischen Kriegsgefangenlager ums Leben gekommen ist, das letzte war ein Brief von 1943, wegen dessen die Mutter sechs Stunden von der Schweizer Polizei verhört wurde und das sein Mitfahrer mit dem anderen Auto nicht Duschen wollte……..

An der Raststätte von Ujar kommt dann die Enttäuschung, es gibt keine Übernachtungsmöglichkeit hier an der Straße. im Ort, ein paar Kilometer nach rechts soll es aber ein Hotel geben. Wir biegen ein und finden auch das Gebäude. Aber es gibt nur ein Zimmer mit zwei Betten, also ist heute wieder einmal Zelten angesagt.

Wir besorgen uns im Laden um die Ecke Lebensmittel und machen vor dem Verwaltungsgebäude des Stahlbetonwerkes von Ujar am Springbrunnen eine lange Essenspause, bevor wir dann wieder zur Hauptstraße zurückkehren. Dort gab es einen schönen See und ein paar schöne Wiesenstücken. Das Aufkommen an Insekten ist erträglich und wir steigen auch einem langen Tag müde in die Schlafsäcke. Vom Zelt aus kann ich dann noch einen schönen Sonnenuntergang beobachten und träume dann von einer langen Duschorgie.

85 Tag: Samstag, der 9. Juli 2011

Samstag, den 9. Juli 2011

Stadt des Sozialistischen Klassizismus

Ruhiger Ruhetag in Krasnojarsk

Das Frühstück bietet alles, was man auf einer Reise braucht: guten Kaffee, Salate mit Vitaminen, Zucker für Seele und Beine, ordentlichen Käse, heiße Würstchen……, danach braucht man erst einmal wieder eine halbe Stunde Pause, um sich bewegen zu können.

Nach den langen Tagen im Altai versuchen wir dann die urprünglichen farben der T-Shirts wieder herzustellen, was aber nur noch ansatzweise gelingt, auf den Fotos fällt der Dreck nicht ganz so auf, da kann man mit einem Bildbearbeitungsprogramm noch einmal nacharbeiten.

Mittags brechen wir dann zu einem Rundgang durch die Stadt auf und bestaunen die klassizistischen Fassaden aus der Stalinzeit. Seit der Perestroika hat sich auch hier noch niemand die Mühe gemacht, die Straßennamen zu ändern und so gibt es immer noch neben der Karl-Marx Allee eine Straße der Diktatur des Proletariates. Um die Ecke ist die Friedensstraße, aber hier findet man schicke Boutiquen und auch ansonsten gut ausgestattete Läden, man sollte sie vielleicht umbenennen in Straße der Diktatur des Geldes.

Am Leninplatz grüßt ein freundlicher Lenin ungerührt die Leute, die in den Volkspark mit Kind und Kegel strömen. Hier findet ein Sommerfest mit Karussells und bunten Spielebuden für die Kids statt. davor kann man ein auf Zebra getrimmtes Pony reiten.

Wieder sehr schön sind die in der Stadt verteilten Bronzefiguren, was im gesamten land sehr beliebt zu sein scheint. Also, liebe arbeitslose Bronzekünstler in Deutschland, hier gibt es einen guten Markt für eure Kunstwerke.

Am Ufer des Jenissej schlendern wir dann am späten Nachmittag zurück zum Hotel, jetzt heißt es schon wieder zusammen packen und für mich den Rest der Schreibarbeiten zu erledigen. Mit inzwischen sechs Stunden Zeitverschiebung wird das immer ungünstiger, vor Mitternacht komme ich nicht ins Bett, wenn ich noch irgendjemanden erreichen will.

Gerhards gesicht ist in den letzten Wochen schon wieder gut hinter dem Bart verschwunden, im Hotel gibt es eine Friseuse (Frisörin), die traut sich aber nicht ran; allerdings überlässt sie mir die Maschine und ich kann wieder einmal eines meiner wenig genutzten Talente entfalten, nach 10 Minuten Sensengang erkennen wir Gerhard alle wieder.

Morgen starten wir dann auf die letzte große Etappe im Land, es sind noch satte 1000 Kilometer bis nach Irkutsk, dort haben wir uns dann drei Ruhetage am Baikalsee erarbeitet und dann stößt auch schon die Gruppe für den Abschnitt durch die Mongolei nach Beijing zu uns. Für uns wird es leichter, denn es gibt dann auch wieder Begleitfahrzeug. Doch vorher warten noch ein paar kräftige Altaiausläufer auf uns und auch das Wetter soll langsam wieder wärmer und dann ganz heiß werden. Internet wird es wohl auch nicht geben und so melden wir uns wieder einmal ab bis zum 20. oder 21. Juli.

Und noch ein kleiner Tipp, auf meinem Facebook – tomtomtofu heiße ich dort- habe ich zwei wunderschöne Videoclips gefunden, noch aus alten DDR Zeiten stammend, aber wunderbar zum Thema passend!

84. Tag: Freitag, der 8. Juli 2011

Freitag, den 8. Juli 2011

Langer Ritt zum Mittelpunkt Russlands

193 km Marathonritt von Atschinsk nach Krasnojarsk durch die Berge des Altaiausläufers mit dicken 1100 hm, leichter Rückenwind, Sonne und Wolken bei idealradlerischen bis 17 Grad

Was für ein Tag! Als wir gegen 21 Uhr die letzte Hügelkuppe hinauf geklettert sind liegt die Stadt Kranojarsk vor uns und damit erreichen wir die geografische Mitte Russlands. Als die UdSSR noch bestand, war dieser bereits in Novosibirsk, aber mit der Schrumpfung des Reiches nach der Perestroika hat es sich hierher verlagert.

Die Sonne scheint auf die Berge und über dem Jenissej ragt ein steiler Felszahn in den Himmel. „Schöne Klippe“ heißt die Stadt deshalb auch.

Eigentlich hatten wir gar nicht geplant, heute schon in Krasnojarsk anzukommen, aber es lief seit dem Morgen recht gut. Mit einer Portion Milchreis im Magen kommen wir erst durch die Industriestadt Atschinsk und dann die ersten kräftigen Berge nach oben. Dort erwarten uns schöne Kiefernwälder, natürlich mit vielen Birken zwischendrin und ab und zu führt die gut ausgebaute Straße über kleine Flüsschen. Langsam hügeln wir uns auf 350 Höhenmeter nach oben, aber mit der leichten Rückenwindunterstützung radelt es sich mehr als leicht und nach jedem Hügel kommt eine berauschende Abfahrt. Manchmal ist die Straße wieder über mehrere Kilometer und Hügel schnurgerade und es wäre sehr anstrengend, hier bei Gegenwind entlangzukriechen.

Unseren Zielort Kosulka erreichen wir gegen Mittag nach 80 Kilometern, dort gibt es leckere Schichttorte, von der ich eine Runde spendiere, schließlich hatten wir in den letzten Tagen Halbzeit und haben es einfach verpasst. Wir überlegen hin und her, ob wir weiterfahren oder nicht. Bis nach Kranojarsk sind es noch 100 Kilometer und es wird weiter hügelich bleiben. Eine weitere Raststätte mit Hotel soll es aber dazwischen auch nicht geben. Hier sieht es in dem Motel aber auch nicht so toll aus und der Rückenwind unterstützt uns ebenfalls kräftig. Also, was soll es, rauf auf die Räder und zur Not haben wir die Zelte dabei. Kaum sitzen wir auf den Rädern schlägt der Plattfußteufel bei mir wieder zu, doch heute ist es ein Klassiker, kleine Glasscherbe, die Ursache ist schnell auszumachen und zu entfernen, Flicken auf den Schlauch und nach 20 Minuten rollen wir dann wirklich weiter gen Osten.

Mehr als wunderbar segelt es sich bis Kilometer 110, dann ist die Energie vom Kuchen aufgebraucht und wir kehren noch einmal auf russische Buletten und Kartoffelbrei ein und beschließen: Wir zelten nicht, sondern blasen durch bis nach Krasnojarsk, nur noch 60 Kilometer!

Besonders verwunderlich stimmt mich ein buddhistischer Chorten etwas entfernt auf einer Wiese. Wie kommt ein weißer Stupa hier nach Sibierien, mit fein säuberlich abgespannten Gebetsfahnen, bis Tibet oder zumindest in die Mongolei haben wir doch noch ein ganzes Stück zu radeln.

Und so kommt es, dass wir dann doch etwas müde den letzten Abstieg nehmen und in der abendlichen Sonne (es bleibt hier bis 23 Uhr hell!) ins Zentrum einrollen. Die letzten Kilometer vor der Stadt waren etwas stressig, denn uns rollte eine unendliche Kolonne von Wochenendausflüglern entgegen, die heute am Freitag die Stadt in Richtung Datscha verlassen. Doch dann kommt die Stadtautobahn und die Vorstadt. Hier gibt es kaum noch einen Menschen auf der Straße und die sozialitischen Ziegelbauten verbreiten eine fast gespenstische Athmossphäre. Die Leute sind ja auch vor zwei Stunden alle aus der Stadt ausgerückt; der rest scheint sich auf dem Zentralplatz zu versammeln. Hier hört man aus Lautsprechern klassische Musik, dazu sprudeln rhytmisch die Springbrunnen und ein Laser malt bunte Bilder in die feuchte Luft.

Wir haben aber kaum mehr ein Auge dafür, sondern lechzen der Dusche und dem Bett entgegen, ich erst einmal noch zwei Stunden dem Internet.

83. Tag: Donnerstag, der 7. Juli 2011

Donnerstag, den 7. Juli 2011

Schönes Sibirien

128 km von Tjaschinski nach Atschinsk, hügelig durch weite Landschaft, sehr kühl und wolkig mit ein wenig Sonne bis 16 Grad

Erstaunlich, dass man nach einer recht schrecklichen nacht am Morgen doch recht frisch sein kann, zumal auch das Frühstück wieder recht mager ausfällt, es gibt keine Blinui, also Pfannkuchen, sondern nur Suppen oder Plow. Plow ist ein typisch asiatisches Reisgericht, eigentlich mit Lammfleisch zubereitet, aber hier gibt es das mit Schweinefleisch und das ist schon etwas komisch für ein moslemisches Gericht, das ist dann ein bisschen so wie ein Schweinefleischdöner.

Wieder sind wir zeitig auf der Straße und das kühle Wetter hält weiter an. So kommen wir recht zügig durch die Landschaft und die ist heute, wie eigentlich immer in den letzten Tagen, sehr schön. Links und rechts blühen reichlich Blumen und es gibt mehr und mehr Wälder und immer weniger Orte. Die wenigen Orte kann man manchmal nur in ein oder zwei Kilometer von der Straße entfernt erahnen, die hauptstraße geht weitestgehend immer nur durch die „Prärie“.

Nach 40 Kilometern gönnen wir uns dann ein zweites Frühstück und sind dann weiter mit einem guten Schnitt unterwegs. Eigentlich war heute nur ein kurzer Tag mit 75 Kilometern bis nach Bogotol geplant, aber es läuft richtig gut und die einzige Übernachtungsmöglichkeit befindet sich noch im Bau und ist vielleicht 2014 fertig, wenn ich hoffentlich hier wieder durchkomme.

Nachmittags wird die Landschaft wieder weiter und offener, rechts von uns liegen schon wieder etwas höhere Altaiausläufer, die uns nun schon seit drei Tagen begleiten.

Die Stadt Atschinsk grüßt schon aus weiter Ferne mit einer riesigen Abraumhalde und hohen Schornsteinen. Was hier abgebaut wird, lässt sich nicht herausbekommen. Wir beschließen nicht in der Industriestadt zu nächtigen, sondern stoppen an der ersten Raststätte vor dem Ort, wieder einmal genau rechtzeitig vor einem Regenguss. Die raststätte ist recht klein und ordentlich, allerdings muslimisch, das heißt, wir werden auf ein Bier zum Abendessen verzichten müssen. Der Service ist ganz nett und flott und auf meinen Wunsch bereitet die Köchin schon mal Milchreis für den nächsten Morgen vor. Erstaunlich, erstaunlich, kaum wird das Business privat, werden die Leute auch flexibler, während man so oft noch den Eindruck hat, dass an einigen Stellen die Kunde vom Ende der Sowjetunion und des Sozialismus noch nicht bis hierher vorgedrungen ist.

Die langen Etappen machen sich schon bemerkbar, denn nach der Ankunft passiert nicht mehr viel. Meine Gruppe legt sich nach der Ankunft immer gleich aufs Ohr und dann gibt es Abendessen und danch werden alle wieder gleich müde, es wird Zeit, dass der nächste Ruhetag kommt!

82. Tag: Mittwoch, der 6. Juli 2011

Mittwoch, den 6. Juli 2011

Graue weite Weiten

121 km von Krasnui Jar nach Tjaschinski, 400 hm , bewölkt und kühl und grau bei 17 Grad, mittlerer Verkehr auf der M53

Heute ist nicht so richtig mein Tag, der wieder recht zeitig beginnt. Ich höre schon und halb sechs die Dusche rauschen und springe sofort ins Bad, damit noch etwas heißes Wasser übrig bleibt und nicht wieder vom Nachbarzimmer alles weggeduscht wird, danach schlafe ich noch mal ein und werde gerade im schönsten Traum wieder geweckt.

In der Stolowaja unten ist das Frühstücksangebot nicht besonders toll und eine mittelmäßige Soljanka und drei halbe Scheiben Brot sind nicht so der Bringer.

Draußen regnet es nicht mehr, aber es ist recht grau, als wir wieder auf die Piste kommen. Die Landschaft wird wieder etwas eintöniger und bleibt auch den ganzen Tag so. Es gibt ab und zu ein paar schöne Hügel, die für Abwechslung sorgen, aber ansonsten ist heute ein reiner Arbeitstag, also treten, treten, treten. das geht zwar recht gut, weil der leichte Wind wieder von hinten weht. Bei schönem Wetter wären vielleicht ein paar Fotomotive herausgesprungen in der weiten Landschaft mit sanften Hügeln, aber so eben nicht.

Die Stadt Mariinsk kündigt sich zwar per Plakaten als Stadt der Museen an, aber erst kommen reihen wiese nur mehr oder weniger hübsche Holzhäuser und die Straße durchs Städtchen ist ein Zumutung, Holperpiste mit riesigen Pfützen vom gestrigen Regen. Die Stolowaja, also ein Bistro ist eher mäßig und nach 80 Kilometern haben wir recht großen Hunger. danach ist der Bauch voll und die Beine wollen nicht mehr treten, müssen aber.

Etwas Abwechslung bringt ein rasender Reporter, der uns in der Stadt gesehen hat und Umgehend Kamera und Stativ in den Lada geworfen hat und uns am Ortsausgang abfängt. Ein schnelles Interview und dann geht es weiter. Es sieht so aus, als ob es jeden Augenblick regnen will, dann kommen schon zwei oder drei Tropfen und dann doch nichts mehr. Also rein in die Regenklamotten und dann wieder raus, weil man drei Kilometer weiter bis zum Umfallen schwitzt.

Gut, dass ich mein GPS-Gerät am Lenker habe, das sieht man dann schön, wie der Zielort näher kommt und freut sich auf das Ende des Tages. Die Raststätte ist recht mies, die Zimmer haben keine Fenster, was bei dem kühlen Wetter kein Problem ist. Die Dusche ist ein Abenteuer, aber schön heiß. Die anderen fallen in den Tiefschlaf und ich gehe runter in die Stolowaja und kann meine Notizen nachholen, bevor alle zum Essen eintrudeln. Das eh schon magere Menü ist schon recht ausgedünnt und es gibt dieses nicht und jenes nicht und dieser Salat ist auch alle und Eierkuchen und Milchreis morgen zum Frühstück sowieso nicht. Die hübsche Bedienung sorgt am Abend für etwas optische Abwechslung, aber ansonsten klingt ein doch recht öder Tag im zimmerlosen Fenster aus. Schnell schraubt sich die Temperatur dann doch noch auf 30 Grad hoch und es wird erst gegen Morgen erträglicher.

Naja, man kann ja nicht immer nur gute Laune haben und morgen früh sieht wieder alles ganz anders aus.