6. Tag: Samstag der 4. August 2012

Montag, den 6. August 2012

Im Delta der Selenga

Ruhetag in Posolskoe, Botsausflug ins Delta der Selenga, Spaziergang im Dorf und sonst nicht viel bei wechselnden Winden, leicht bedeckt 20 bis 25 Grad, 97 Höhenmeter

Leider hatten wir keine Zeit vereinbart fürs Yoga, so mache nur im Zimmer ein paar Sonnengrüße, denn ich hatte zu lange und zu gut geschlafen um noch an den Strand zu gehen. Das Frühstück ist gewöhnungsbedürftig, gestern hatte es noch Milchreis gegeben, heute ist es „Gretschka“, Graupenbrei mit Zucker und etwas Quark.

Um 9 Uhr quetschen wir uns dann zu fünft plus den Fahrer Michail, einen kräftigen Burjaten in den 20 Jahre alten Lada Niva und tuckeln 15 Kilometer über schlechte Straße zwei Dörfer weiter und dann auf einem Feldweg zu einem Gehöft an einem Flussarm. Hier wohnt Michail mit seiner burjatischen Familie, die eigentlich eine Landwirtschaft mit 50 Kühen betreibt. Auf der Wiese am Flussarm liegen noch eine Menge kleiner Bootswracks und ein oder zwei noch gangbare Kähne. In eines mit einem modernen Motor bestückt steigen wir dann, es ist nur wenig bequemer als der Niva zuvor.

Mehr als zwei Stunden kreuzen wir dann in kleinen und größeren Flussarmen, es gibt viel Schilf, viele gelbe Blumen auf dem Wasser und viel Vogelgetier, welches mit Lärm und Wellen des Bootes aufscheuchen. Das Wetter ist leider nicht so schön wie am Vortag, es ist bedeckt und weiß nicht so recht, ob es ein wenig regnen soll und im Fahrtwind wird es schnell sehr frisch, so haben wir recht schnell alle verfügbaren Sachen am Körper. Wir bekommen einen schönen Überblick über die Größe des Deltas und auch an den Flussbiegungen gibt es heilige Orte und wir opfern den Schamanen ein Rubel, die in Wasser geworfen werden. Vor allem im Frühjahr und Herbst muss es hier noch reger zugehen, wenn zwischen 4 und 7 Millionen Zugvögel hier Rast einlegen. Dass wir die seltene Baikalrobbe zu Gesicht bekommen hatten wir nicht erwartet und natürlich haben wir sie auch nicht gesehen.

In den 80er Jahren war hier im Selengadelta eine große Zellulosefabrik errichtet worden, die wegen der massiven Verschmutzung des Baikalsees unrühmliche Berühmtheit erlangte. Davon bekommt man aber glücklicherweise nichts mit, was auch an der Selbstheilungskraft des Sees liegt. Durch seine niedrige Wassertemperatur kann mehr Sauerstoff gelöst werden, als in warmen Gewässern und so enthält der See reges Leben. Für die Sauberhaltung sorgen vor allem winzige Krebse, die man mit Flohgröße auch nicht zu sehen bekommt, die sämtliche biologischen Abfälle in kürzester Zeit vernichten. Michail schippert uns dann durchgefroren wieder zurück und wir sind froh über den überheizten Lada, der uns zum Mittag wieder nach Posolskoe zurück bringt. Schön, dass es wieder Omul-Fisch gibt, das ist die im Baikal vorkommende Lachsart, die in allen Varianten immer wieder sehr lecker ist.

Am Nachmittag schlendern wir durchs gesamte Dorf. Gleich neben dem Guesthouse befindet sich der ehemalige Motorenstützpunkt. Hier gammelt die Technik der 80er Jahre schrottreif vor sich hin. Landwirtschaft wird nicht mehr sehr viel betrieben in der Region, lediglich gehört ein Kartoffelfeld zu jedem Hof. Viele Häuser und Scheunen sind recht windschief, einige der schönen Holzhäuser sind blau oder grün angemalt und nett anzusehen. Das kleine denkmal für die gefallen Soldaten des Zweiten Weltkrieges gammelt vor sich hin, ebenso wie einige andere Gebäude und die Straßen. Trotzdem ist es ein nettes Dorf im Vergleich zu den Siedlungen an der M 55, an der Haupttrasse. Im Kloster bekommen wir nicht zu viel zu sehen, da heute kein Gottesdienst abgehalten wird und das Gelände um die Kirche ist auch nicht sooo interessant. Lediglich eine chinesische Reisegruppe belebt das Areal und als wir wieder gehen erscheint eine fröhliche Hochzeitsgesellschaft und lädt uns auf eine kurze Fotosession ein. Am Nachmittag treffen wir dann auf Julia aus Ulan-Ude, die unseren Russlandaufenthalt organisiert und uns dann in drei Tagen in der Stadt wieder in Empfang nehmen wird.

Der späte Nachmittag vergeht dann ruhig, für einen weiteren Spaziergang ist es zu frisch und zu windig, aber dadurch habe ich zeit endlich einmal wieder zu schreiben und meine Bilder aufzuarbeiten, auch wenn es Internet erst übermorgen wieder in der Stadt gibt. Zum Abendessen gibt es natürlich wieder Fisch, als Vorspeise in einer leckeren Pastete und als Hauptgang als Bulette zu Kartoffelbrei und Salat und es schmeckt wieder ganz ausgezeichnet. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass mir langsam Kiemen wachsen.

5. Tag: Donnerstag, der 2. August 2012

Montag, den 6. August 2012

Tuman II (Nebel II)

stattliche 115 Kilometer von Tanchoi nach Posolskoe, bei dichtem Nebel und frischer Kühle am Morgen, am Nachmittag Sonne bis 30 Grad und zum Schluss idyllische Strecke durchs Selengadelta, 800 Höhenmeter

Während ich wie tot geschlafen habe, erzählt Martina von regem leben auf der Dorfstraße und von Zügen im vier Minuten Takt auf der Transib-Strecke. Ich mag den Kascha zum Frühstück, Milchreis, einige nicht, aber wir sind eben in Russland in einer Herberge. Draußen ist das Wetter nicht viel besser als am Vortage, es sieht nach Regen aus und ist nebelig. Dafür kommen wir gut voran, zumindest bis zur Baustelle, die es schon im letzten Jahr gab. Hier sind eben keine chinesischen Straßenbauer am Werk, die 200 Kilometer Trasse in einer Saison durchziehen können. Es ist etwas schlammig, aber das ist tausendmal angenehmer als an trockenen Tagen von den Trucks eingestaubt zu werden. Der Verkehr ist interessanterweise wesentlich ruhiger als am Vortag und die Fahrer halten recht vernünftigen Abstand zu uns Radlern. Leider lässt der dicke Nebel die Landschaft nicht im besten Licht erscheinen, man sieht eigentlich gar nix, deshalb stecke ich mir die Musik in die Ohren, die ich eigentlich für die langen Wüstenetappen geplant hatte. Mein Sohn hatte mir noch fast 2 GB Musik nach meinen Wünschen zusammengestellt und so geht es musikalisch kreuz und quer durch die 80er und 90er Jahre, durch die Schlammstrecke passenderweise mit ACDC und Billie Idol.

Das Mittagessen in der Raststätte motzen wir mit einem geräucherten Omul Fisch aus dem Baikal, sowie Erdbeeren und Blaubeeren auf und wenig später schlägt das Wetter innerhalb von Minuten um. Es klart auf, zwar haben wir einen leichten Gegenwind, aber auch strahlenden Sonnenschein und gute 28 Grad. Die Birken leuchten und links schimmert der blaue Baikalsee durch die Bäume. Auf der rechten Seite liegen sanfte Hügelketten, wunderschöne sibirische Landschaft und pures Fahrvergnügen, denn wir haben die Hauptstraße verlassen. Nach einer halben Stunde taucht dann die Kirche von Posolskoe auf und wenig später sind wir in unserem Guesthouse.

Die burjatische Familie ist nett und das Abendessen lecker, es gibt wieder frischen Fisch aus dem Baikal und danach machen wir uns auf einen Spaziergang auf und wandeln am Ufer des Sees entlang. Ein wenig kann man das andere Ufer erahnen, der See ist hier vielleicht 10 Kilometer breit, doch das ist nichts zu seiner Länge mit über 600 Kilometern. Auf den Wiesen am Ufer stehen zahlreiche Zelte und die meisten der Russen auf Urlaub bereiten gerade am Feuer das Abendessen, zumeist brodeln Fischsuppen in den Töpfen über dem Feuer. Der Spaziergang in der warmen Abendsonne ist nach einem langen Radeltag sehr entspannend. Als die Sonne dann im See versunken ist, kehren wir zur Herberge zurück. Verdient müde warten die Betten auf uns. 350 km haben wir in den letzten drei Tagen und es war auch recht bergig. Unseren morgigen Ruhetag haben wir uns also mehr als verdient.

 

4. Tag: Donnerstag, der 2. August 2012

Montag, den 6. August 2012

Tuman I (Nebel I)

113 Kilometer von Sjduljanka nach Tanchoi bei leichtem Regen und Nebel, bergige 770 Höhenmeter bei 15 bis 20 Grad

Das Wetter sieht nicht sehr gemütlich aus und es ist mit 15 Grad auch recht kühl, wir packen uns ordentlich ein und ziehen nach dem Frühstück los. Die Berge von gestern stecken doch noch ein wenig in den Beinen und gleich am Morgen erwarten uns schon wieder die ersten Hügel. Eigentlich ist die Strecke sehr schön, rechts müsste ein Gebirgszug liegen und links der Baikalsee, doch von beidem sehen wir nichts. Lediglich die Flussläufe die wir überqueren, mit ihrem klaren Wasser, lassen etwas von der landschaftlichen Schönheit bei besserem Wetter erahnen. Nach einer halben Stunde beginnt es auch noch zu regnen, aber nach einer weiteren halben Stunde hört es auch wieder auf. gegen Mittag haben wir das Gefühl, das die Sonne vielleicht doch noch die Wolkendecke aufbrechen könnte, aber sie tut es nicht.

Zwischen Straße und Baikalsee verläuft auch die Strecke der transsibirischen Eisenbahn, aller fünf bis zehn Minuten rauscht ein Zug vorbei. Selten ein Personenzug, meistens lange Güterzüge, oft mit Ölwaggons, manchmal mehr als 80 davon hintereinander. Von Moskau sind wir hier schon 6000 Kilometer entfernt und bis nach Wladiwostok kann man die Bahnlinie noch einmal mehr als 2000 Kilometer lang verfolgen.

An der Straße gibt es nur wenige Dörfer oder Siedlungen, reich sind die Leute hier nicht, die Holzhäuser sehen zwar nett, aber meist recht schäbig aus. An den Bushaltestellen und Rastplätzen für die Autos sitzen reihenweise ältere Frauen und Männer und verkaufen Pilze und Erdbeeren oder geräucherten Omul. Der Omul ist ein lachsähnlicher Fisch, der nur im Baikalsee lebt.

Gegen 17 Uhr erreichen wir Tanchoi und übernachten im Gästehaus der Nationalpark-Verwaltung. Die Herberge hat den Charme einer Jugendherberge, aber die Leute sind nett und wir bekommen ein ordentliches Abendessen. Danach drehen wir noch eine Runde durch das kleine Dorf im Nebel und steigen über die Gleise an den See. Auch hier ist nicht zu viel zu sehen, aber es ist schön am Strand entlang zu laufen und das Rauschen der Wellen zu hören, die aus der Nebelwand nur wenige Meter vor uns auftauchen.

Am Bahnhof kehren wir dann wieder zurück. Leider kommt jetzt gerade kein einziger Zug vorbei, obwohl noch einige Leute auf einen Regionalzug warten. Dafür herrscht vor dem kleinen Laden auf dem Vorplatz reger Andrang. Meist kommt ein Lada mit dröhnender Musik angebraust, jemand springt heraus und holt im „Magasin“ schnell noch eine Flasche Schnaps.

Auch wir haben heute Abend mit dem Fahrer eine halbe Flasche mit dem „Wässerchen“ gelehrt und das bildet eine gute Grundlage für einen gesunden Schlaf. Da es heute nicht einmal halb so viele Höhenmeter waren, war der Tag auch nicht so anstrengend, wie der gestrige.

3. Tag: Mittwoch, der 1. August 2012

Montag, den 6. August 2012

Berge ohne Ende

harter Radeltag von Irkutsk nach Sjudljanka, 113 Kilometer und deftige 1747 Höhenmeter !!! bei wechselhaften Wetter und Temperaturen zwischen 18 und 28 Grad

Endlich ist es soweit, wir sitzen auf den Rädern und können losradeln! Die Bedingungen sind optimal, es ist leicht bewölkt bei vielleicht 20 Grad. In Irkutsk und aus der Stadt heraus herrscht straffer verkehr, aber wir haben selten das Gefühl, dass es gefährlich sein könnte. Der Abstand, den die Autos beim Überholen halten ist nicht all zu groß, aber es wird nie richtig dicht, also nur ein wenig gewöhnungsbedürftig. Die russischen Straßen sind schlecht und ziemlich löcherig, aber das macht auch den Autofahrern mehr zu schaffen als den Radlern.

Von Anfang an geht es mäßig bergan, wir haben heute ein ziemliche Mittelgebirge vor uns und sind mental vorbereitet. Ob wir körperlich vorbereitet sind, das wird sich am Abend zeigen. Es ist schon etwas komisch eine zweimonatige Radtour mit dem nominell härtesten Höhenprofil am ersten Tag zu fahren, aber es geht nicht anders. Bis zum nächsten Ort mit Übernachtung sind es nun mal 110 Kilometer und dazwischen liegen eben die Berge.

So haben wir dann nach 25 Kilometern den ersten Pass geschafft und es geht wieder ziemlich weit runter und dann flugs an den nächsten Anstieg, der geht wieder auf fast 900 Meter nach oben. Von da an ist es dann kräftige Hügelei, 200 Meter runter und dann 300 wieder nach oben. Auch ist es warm und sonnig geworden. Erst nach über 70 Kilometern gibt es wieder eine Raststätte und wir sind ordentlich hungrig. Das Programm in den Raststätten kenne ich noch vom letzten Jahr. Soljanka oder Borschtsch als Suppe, Bulette zu Reis oder Kartoffelbrei, Spiegelei mit Brot oder Wurst, dazu kalorienreiche Salate. Für meine Gruppe ist alles neu, also kein Problem, aber im letzten Jahr nach zwei Monaten auf der russisch-sibirischen Piste hat man sich alles über gegessen, doch das ist ja für mich nun auch schon eine Weile her.

Nach dem späten Mittag bergt es weiter, immer hoch und runter und zwei Mal über die transsibirische Eisenbahn. An einigen Stellen, an einer Quelle und an den Pässen hat man bunte Stoffstreifen an die Bäume gebunden und die Autofahrer werfen Münzen aus den Autos auf die Straße. Das sind heilige Stätten der Burjaten und Ewenken, deren Religion, der Schamanismus sehr naturverbunden ist und so stiftet man den geistern die die Bäume, die Gewässer oder die Berge und Steine beleben eine kleine Gabe.

Endlich dann der letzte Pass und wir radeln in eine kühle Wolke und in dieser bleiben wir dann auch, dichter Nebel zieht vom jetzt schon nahen Baikalsee herauf. Wir biegen um die Ecke und müssten dann eigentlich eine gigantische Aussicht haben, aber alles ist grau und verhangen und im Dunst; schade, schade. Auch die Verkäufer von geräuchertem Fisch besetzen nur ein Drittel der Stände, weil das Geschäft bei dem trüben Wetter nur mäßig läuft.

Die letzten Kilometer ziehen sich ewig hin, die Berge sitzen in den Knochen und wir sind froh, als wir unser Quartier erreichen. Müde sind wir, aber es hätte schlimmer kommen können, letztlich hatten wir den ganzen anstrengenden tag über angenehme Radeltemperaturen.

Das Guesthouse beherbergt ein Museum für Mineralogie oder auch umgekehrt. Wie auch immer, haben der Hausherr und seine herrische Chefin über 40 Jahr aus aller Welt Minerale zusammen getragen, sortiert und klassifiziert. Eine beeindruckende Sammlung hübscher „Steine“. Untergebracht sind wir in einem Nebengebäude in netten Zimmern im 70er Jahre Stil. Eine Dusche gibt es nicht, aber eine Banja, also eine Art Sauna mit einem großen Pott heißem Wasser und kaltem Wasser, mit dem man sich wechselweise übergießen kann, das ist mindestens ebenso erholsam wie eine heiße Dusche. Nach dem Abendessen raffen wir uns dann mit letzter Kraft zu einem Rundgang durch das Museum auf und fallen dann mehr als rechtschaffen müde in die Betten.

2. Tag: Dienstag, der 31.Juli 2012

Dienstag, den 31. Juli 2012

Wer zum Teufel ist Erich Hartmann

Stadtspaziergang und Rundfahrt durch Irkutsk, Foodshopping auf dem Markt und abendliches Picknick und Wodkatrinken am Ufer der Angara bei sommerlichen sonnigen 28 Grad

Gut sind wir, denn wir starten den Tag mit 30 Minuten Yoga auf dem Flur des Hotels, zur körperlichen Ertüchtigung nach dem langen Flug und zur Erbauung des Etagenpersonals noch vor dem Frühstück.

Pünktlich um 10 Uhr wartet dann Slawa, unser Stadtführer, und wir starten mit einem Spaziergang an der Duma vorbei und den wichtigsten russisch-orthodoxen Kirchen vorbei zum Ufer der Angara mit dem neu errichteten Kosakendenkmal zum 350 Jubiläum der Stadtgründung im letzten Jahr. Die erste Siedlung am Fluss wurde von den verwegenen Reitern hier gegründet. Die schönen Verwaltungsgebäude haben wir einem Stadtbrand zu verdanken, der das hölzerne Zentrum im 19. Jahrhundert vernichtete, danach entstanden die klassizistischen Bauten und Irkutsk wurde zum „Paris Sibiriens“. An der ewigen Flamme zum gedenken an den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg gegen die deutschen Faschisten werden heute die Polizeitruppen vereidigt und so bekommen wir stramme Jungs in Uniformen und fesche Mädels in Highheels zu sehen, die Vereidigung an sich ist so langweilig wie alle Vereidigungen der Welt, so dass wir schnell weiterziehen.

Geschichtlich interessant wird es im Dekabristenmuseum, im Dezember 1825 hatte sich eine russische Elite gegen den Zaren erhoben, die Offiziere hatten den Eid auf den Zaren verweigert.

Die Anführer hat man gehängt, die anderen Teilnehmer nach Sibirien verbannt. Die Frauen durften entscheiden, ob sie mit in die Verbannung gehen, nur eine Dame von 29 hat sich entschieden „zu Hause“ zu bleiben. Eigentlich waren die Verbannten die meisten ihrer Bürgerrechte los, durften keinen Kontakt zur Außenwelt haben, ebenso kein Eigentum und Besitz; aber das Wohnhaus eines der Teilnehmer zeigt einen doch recht gehobenen und kulturvollen Lebenswandel und die Dekabristen bildeten sozusagen eine Parallelhighsociety zum lokalen Adel. Beziehungen wurden durch die Frauen gepflegt, die den Kontakt halten durften, es entstanden eigene Schulen und Stiftungen und auch die Beziehung zur Provinzregierung war nicht schlecht. Damit hatte der Zr zwei Probleme gleichzeitig los; zum einen waren die Rebellen sehr weit weg vom Zentrum der macht und ohne Einfluss auf die Politik, zum anderen wurde die intellektuelle Elite in Sibirien entscheiden gestärkt und die Entwicklung des Landesteiles vorangetrieben, denn nur wenige wollten hier freiwillig hin. Durchs Museum werden wir von einer strengen Aufseherin gepeitscht, die den Job wohl schon in Sowjetzeiten erledigt hat.

Der Wissensdurst ist gestillt und wir lassen uns wieder am Markt absetzen; jetzt heißt es Einkaufen fürs abendliche Picknick, wir wollen es richtig russisch und legen los. Zuerst die Grundlagen: Kaviar, Wodka, Sekt und Brot, dazu noch Käse, Speck und Räucherfisch, abgerundet mit Roter Beete, Radieschen und Gurken und Zwiebeln und Knoblauch dürfen auch nicht fehlen.

Nach einer Pause suchen wir dann eine flaches Stück Ufer, die Stelle scheint auch bei den Irkutskern beliebt, denn es sind auch ein paar Russen zum Baden und ein paar weiter zum Trinken und Baden hier, die letztere gesellt sich relativ schnell zu uns und dann geht es in grottigem Englisch und meinem mittelschlechten Russisch durch Politik, Kultur und Weltgeschichte. Michael ist Bauarbeiter und hat schon gut vorgetrunken, und erzählt uns die Legende von der Entstehung des Flussnamens Angara. Angara, eine Frau war schrecklich verliebt in den Jenissei, der ebenfalls ein großer Fluss in Sibirien ist, doch der Vater, der Osero Baikal, der Baikalsee war dagegen. Mit Hilfe eines Schamanen jedoch konnten Angara und Jeniseiy und die Angara konnte fliehen. Noch heute gibt es den Schamanenstein bei Liswijanka am Baikalsee und die Angara, der einzige Abfluss des See mündet in den Fluss Jeniseeiy.

Konstantin ist Ingenieur und interessiert sich für Fliegerei. Er verehrt einen deutschen Flieger namens Erich Hartman und hat sich von ihm sogar ein Bild an die Wand gepappt, gleich neben Herman von Richthofen, den Namen hat man ja schon einmal gehört, auch bekannt als „Roter Baron“ und der bekannteste Jagdflieger im Ersten Weltkrieg. Während wir letzteren kennen, sagt uns Hartmann überhaupt nichts, aber wir versprechen den Dreien unsere Wissenslücke schnellstmöglich zu schließen und tippen auf einen Flieger im Zweiten Weltkrieg.

Und genauso war es: Erich Hartmann war Offizier der Seutschen Luftwaffe und mit 352 Abschüssen der erfolgreichste Kampfpilot aller Zeiten. Das hat ihm dann aber auch eine Verurteilung als Kriegsverbrecher in Russland eingebracht und mehr als 10 Jahre in einem sowjetischen Arbeitslager. Nach seinem Tod wurde er jedoch wieder rehabilitiert.

Der Dritte im Bunde, Georgi, mit italienischer Abstammung erweist sich als musikalisches Talent und schmettert uns ein paar improvisierte Melodien. Als schwer erweist es sich der weiteren Einladung zum Trinken in ihrem Haus zu entgehen. Wir schieben unsere morgige zeitige Abreise vor, brauchen aber doch jede Menge Überzeugungsarbeit.