51. Tag: Sonntag, der 5. Juni 2011

Sonntag, den 5. Juni 2011

Einarmiger Pirat im Gegenwind

86 Kilometer im Gegenwind von Laischewo nach Tschistopol, 400 hm bei Regenschauern, Wolken und ab und zu Sonne und Temperaturen zwischen 15 und 21 Grad

Am Morgen regnet es noch nicht, aber es bahnt sich auf alle Fälle an. Von Osten ziehen dunkle Wolken heran und dann fängt es an zu tröpfeln und zu schauern. Ab und zu hört es wieder auf, aber wir haben ordentlichen Gegenwind. Lediglich über den gigantischen Damm über den Tscheljabinker Stausee haben wir Glück und der Wind kommt seitlich von hinten.

Meine Sehne im Arm, die mir schon von Anfang an zu schaffen macht, schmerzt inzwischen so, dass ich nachts aufwache. nachdem wir Massage, Bewegungstherapie, Kühlung und Warmhalten, sowie Akupunktur probiert haben, bleibt nicht mehr so viel übrig: Ruhig Stellen! Das ist natürlich beim Rad fahren nicht so einfach, aber ich habe in China schon mal einen einarmigen Radfahrer getroffen und bei dem ging es auch. Also hänge ich meinen rechten Arm in einen Packriemen und stelle den Lenker höher. Einfach ist es nicht, mit nur einer Hand um die Löcher herumzumanövrieren, aber mit der zeit gewöhnt man sich daran. mal sehen, wie lange ich das durchhalte und ob es etwas bringt.

Der Tag heute ist an sich wenig aufregend, sondern einfach nur anstrengend gegen den Wind. Selbst für die Landschaft haben wir heute kaum einen Blick, ist ach nicht zu weltbewegend, viele Getreidefelder rechts und links der Straße. Links liegt der Stausee meist ein oder zwei Kilometer weg, aber wegen des Wetters ist davon nicht so viel zu sehen. Erst am Nachmittag wird es wieder schön und wir haben wieder eine nette Begegnung. Ein Fahrzeug hat wegen uns gestoppt und die Russen auf Erholungsfahrt verteilen Kaffee und Piroschkis an uns. Wir freuen uns und der Kaffe gibt dann Energie für die letzten 15 Kilometer.

Die Aussagen zur Fähre in Tschistopol sind unterschiedlich, es gibt eine und dann wieder nicht, es soll dann aber kein Fähre sein, sondern nur ein Boot und fährt zwei Mal am tag. Die Zeiten waren nicht heraus zu bekommen. Ich gehe noch einmal durch die Karten und wir entscheiden am Südufer des Stausees zu bleiben, laut GPS geht die Straße durch. Die Strecke ist wohl ein wenig länger, aber auf der anderen Seite erspart es uns einen halben tag auf der M7.

Auf den Sonntagabend ist nicht viel los in Tschistopol, wir schlendern noch einmal bis zum „Meer“ und bewundern wieder einmal die Widersprüche, das sind die Anfänge einer prächtigen Uferpromenade auf der einen Seite und die wahllos im Unkraut verwachsenen Betonstücken im verwilderten Park. Klassizistische Gebäude leuchten in tollen Farben und beherbergen ein Kino und eine Versicherung. daneben fallen die Holzhäuser zusammen und an kleinen hässlichen Blechbuden werden Blumen und Alkohol verkauft. Die Jugendlichen der Stadt kreuzen mit ihren alten Ladas immer von rechts nach links durchs Zentrum, um wen auch immer oder nur sich selbst zu beeindrucken oder fahren ein rennen mit quitschenden reifen auf der Hauptstraße, der Sprit ist halt sehr billig im Lande.

Am zentralen Platz gibt es eine „Taverna“, drinnen ist alles toll eingedeckt, die Preise sind angenehm und wir sind die einzigen Gäste in dem Saal bei drei Bedienungen. Wir genießen unsere kleinen Schweinsteaks und unsere Salate und bleiben wirklich die ganze Zeit alleine im Lokal. Danach geht es zurück zum Hotel, frühstücken müssen wir morgen wieder auf dem Zimmer, da es im Hotel nichts gibt.

50. Tag: Samstag, der 4. Juni 2011

Samstag, den 4. Juni 2011

Hohe Luftfeuchtigkeit am Kamaufer

70 Kilometer von Kasan nach Laischewo, 200 Höhenmeter auf erst belebter dann ruhiger Straße, erst sonnig dann Regen, später Gewitte

Alles im Leben hat seinen Sinn, auch der Idiot an der Kreuzung, nach links geht es straff den berg hoch, nach halb rechts flach weiter. beides könnte richtig sein. „Prjamo, prjamo!“ – also geradeaus sagt der Idiot und wir lernen jetzt das schlecht asphaltierte Industriegebiet kennen.

Nach 3 Kilometern ist dann sicher, dass wir verkehrt sind, wir hätten doch den >Berg hoch gemusst. Wieder zurück treffen wir dort auf Farid, der gerade mit dem Rad auf dem Weg zu einem Fahradfestival ist. Wir müssen mitkommen. Es liegt nicht weit ab vom Weg und wir haben ja eh nur 70 Kilometer zu fahren, also sehen wir uns das an.

Es gibt in Kasan einen nigelnagelneuen Unicampus mit Unterkünften für 14.000 Studenten, in zwei Jahren finden hier die Studentenweltmeisterschaften statt und Kasan will sich damit profilieren. Farid ist der Typ des überdurchschnittlich begabten Studenten mit hoher sozialer Kompetenz und Durchsetzungsvermögen, er führt uns durch den Campus und dann zum Treffpunkt der Radfahrer. Vor einer kleinen Bühne haben sich vielleicht 50 Radler versammelt, es gibt ein kleines Programm, ich muss auch ein paar Worte zu meiner Reise sagen, dann werden Fotos gemacht und dann beginnt für die Kasaner Radler eine Sternfahrt, die wieder zum Kreml führt, wo ein paar hundert Leute erwartet werden. schade, schade, dass es nicht in unserer Richtung liegt. Aber kasan als Stadt hat mir sehr gefallen und die Uni ist auch beeindruckend, vielleicht sollte ich hier mal versuchen, ein halbes Jahr Deutschunterricht zu geben.

Endlich sind wir dann auf dem richtigen Weg aus der Stadt. Die Straße ist auch recht groß, aber es gibt kaum Schwerverkehr und der Seitenstreifen ist gut ausgebaut. Während wir nach Süden kommen verdichten sich langsam die Wolken und als wir dann die letzten 16 Kilometer auf kleiner Straße übers land tingeln, fängt es an zu regnen.

In Laischewo am Ufer der Kama gibt es ein kleines Hotel mit moderaten Preisen, recht gemütlich und so steigen wir hier ab. Es ist gerade 14 Uhr, draußen regnet es und so haben wir Zeit für ein kurzes Schläfchen. Dann drehen wir eine Runde durchs Dorf. Viel gibt es nicht zu sehen, eher ist es etwas trist. Überrascht werden wir lediglich von einem Gewitter mit heftigem Wolkenbruch. Innerhalb von drei Minuten gehen hier bestimmt 50 mm Niederschlag nach unten, dann kommt die Sonne wieder für eine halbe Stunde heraus. Am Ufer der Kama blicken wir dann fast hinaus aufs Meer, das andere Ufer des Kuibyschewer Stausees lässt sich nur erahnen.

Unten im Hotel wird Geburtstag gefeiert, eine Elena wurde gerade 20 und wir werden dazu eingeladen. Natürlich gibt es jeder Menge Wodka zu trinken und leckere Salate zu essen. nach zahlreichen Runden auf Gastfreundschaft, das Geburtstagskind, auf die tatarischen und russischen Frauen sowie auf das Leben an sich und im Besonderen haben vor allem die russischen Männer genügend getankt und nach einem kleinen Feuerwerk verabschiedet man uns und beginnt eine kräftige Keilerei auf der Straße.

48. Tag: Donnerstag, der 2. Juni 2011

Donnerstag, den 2. Juni 2011

Bissige Hügel an der Wolga

149 Kilometer von Krasnomaiskoe nach Kasan, fast 900 Höhenmeter mit langen bissigen Anstiegen, wieder viel Schnellstraße und viel Verkehr bei sonnigen bis zu 25 Grad

Schon um 5 Uhr scheint die Sonne ins Zelt und kitzelt uns wach. Draußen hängen an den Gräsern große Tautropfen und es ist noch frisch. das Zusammenpacken dauert beim ersten Male noch eine Weile und will noch geübt werden.

Nach 20 Kilometern ist dann schon wieder Schluss mit beschaulichem Fahren in schöner Landschaft, bis Kasan werden wir von der Haupttrasse nicht mehr herunterkommen. Dazu kommt dann wieder teilweise richtig schlechter Asphalt mir riesigen Löchern, man ist nur auf die nächsten 10 Meter fixiert und auf das Geräusch des nächsten heran donnernden Trucks und den Windsog, der einen erst nach links und dann wieder nach rechts drückt.

Dazu kommen noch diverse Anstiege, als Thüringer und jemand der gerne in den Bergen fährt, sind die bissigen Anstiege über 1,5 km mit 6 oder 7% Steigung kein Problem, aber für jemanden der aus Hamburg kommt und sonst nur plattes land gewöhnt ist, da ist ein solcher Hügel schon ein kleiner Everest. Über den tag sammeln wir dann auch fast 1000 Höhenmeter zusammen.

Auf Kasan zu hat man dann dafür tolle Ausblicke auf die Wolga, rundherum steht alles in wunderbarem Grün und überall gelbe Blumen. Hoffentlich gibt es das hinter Kasan auch noch, wenn wir übermorgen über kleinere Straßen fahren.

Gegen halb sieben erreichen wir dann langsam die Stadt und es ist ein toller Anblick in der Abendsonne. Die weißen mauern des Kasaner Kreml und dann ein Ensemble aus Moschee und russisch-orthodoxen Zwiebeltürmchen.

Die Hotelsuche wird ein Kampf. Der erste Laden ist noch tiefsozialistisch und ohne warmes Wasser, die Rezeption mehr als unhölflich. Das zweite Hotel ist richtig schön, aber augebucht. Das dritte ebenfalls ausgebucht, der Empfang noch dazu mehr als unfreundlich. Ich sammle ja noch Adressen fürs nächste Mal und der Dialog dort wie folgend:

-„Haben Sie freie Zimmer?“

-„Nein, ausgebucht!“ Dame wendet sich ab.

-„Wie viel kostet ein Doppelzimmer hier?“

-„Wir sind ausgebucht!!!“ Böser Blick von der Seite.

-„Das habe ich verstanden, möchte aber trotzdem wissen, wie viel ein Zimmer kostet.“

Die Dame rattert in Höchstgeschwindigkeit ein paar Zahlen runter.

-„Können Sie bitte noch mal langsam, zum Mitschreiben“ Ich versuche zu lächeln.

Wütend greift sie einen Stift und schreibt mir drei Zahlen auf.

-„Was ist jetzt was?“ hake ich noch einmal nach.

Sie möchte mich wohl gerne schlagen, aber dazu hätte sie ja vom Stuhl aufstehen und zu mir rüberkommen müssen.

Ich setze noch einen drauf: „ Gibt’s hier Internet?“

Hasserfüllter Blick: „Nein!“

-„Na dann, vielen Dank und schönen Tag noch!“ Keine Antwort.

Protagonist verlässt grinsend die Bühne, Dame wendet sich kopfschüttelnd wieder einem Papier zu. Vorhang.

Das nächste Hotel ist schweineteuer und chic und hat nur Einzelzimmer und endlich, endlich werden wir beim nächsten versuch fündig. Von außen sieht es auch noch recht sozialistisch aus und auch in der Halle des „Tatarestan“ sieht es ähnlich aus. Aber es gibt Zimmer und die Dame hinterm Rezeptionsfenster taut zunehmend auf, führt uns dann persönlich durch den Hintereingang zum Parkplatz für die Räder und ist regelrecht bemüht. Wir sind begeistert und die Zimmer sind gut.

Abends dann nur noch einmal über sie Straße. Wir landen in einem netten Studentenlokal, alles ist schon ausverkauft, aber wir bekommen noch große Portionen an Nudeln und Salat und Bier. Was will der Radfahrer mehr nach einem langen, warmen Tag.

47. Tag: Mittwoch, der 1. Juni 2011

Mittwoch, den 1. Juni 2011

Durchs Feld am roten Haus vorbei….

147 km von Lwowo nach Krasnomaiskoe, erst M7, dann Nebenstraße und Feldwege, 870 hm bei Sonnenschein bis 22 Grad

Gleich von Morgen an brummt der verkehr dicht an dicht. Der Wind kommt von der vorderen linken kante und verstärkt somit den Sog eines jeden Trucks. Dazu kommt, dass die Straße stellenweise sehr löchtig ist und der asphaltierte Seitenstreifen meist nicht mehr vorhanden. Die Lkw blasen weiter auf 20 cm Entfernung vorbei und der Luftsog reist einen erst in Richtung Truck und drückt einen dann wieder weg. Dann kommt auch noch Baustelle und es wird noch enger, wir müssen wieder im Block fahren und den verkehr ganz ausbremsen, den sonnt landet noch einer von uns im Graben. Nach zwei Stunden sind wir uns mehr als einig, dass wir von der Straße runter müssen. Eine Parallele Route gibt es nicht und wir versuchen es erst einmal mit einem Haken durchs Land. Der ist zwar sehr schön zu fahren, bringt uns aber auf 10 km vorwärts genau soviel Umweg. Aber es war sehr erholsam, die Straße wurde immer kleiner, dann war es nur noch ein Feldweg durchs Dorf und hier grüßt dann auch jeder. Interessant ist, dass die Leute hier glauben, woher wir kommen, wohin wir wollen und das wir alles mit dem Rad machen, während uns in den Städten oder auf den Parkplätzen an der M7 immer Mistrauen entgegenschlägt, so weit kann man schließlich gar nicht radeln.

Zurück auf der M7 studiere ich noch einmal die südlich Anschlusskarte und ändere unsere Planung für die nächsten 2 Tage und so können wir dann wieder eine kleinere Straße wählen. Nach ein paar Kilometern beginnt dann das Theater, wir sind hier in der Republik Tschuwaschien und die russischen Kartennamen stimmen oft nicht mit den tschuwaschischen überein und Ortskenntnisse, die über 5 km hinaus gehen hat niemand. Letztlich kommt uns ein Polizist zu Hilfe und so kommen wir auf die richtige Route, später wird es noch einmal schwierig, als es heißt 5 km durch die Pampas oder 18 Kilometer außen rum. Ein Russe auf dem Moped erklärt uns den Weg: runter, dann über die Brücke und dann links, am roten Haus vorbei und dann kommt wieder Asphalt…unbedingt am roten Haus vorbei. Wir also runter und über die Brücke, aber es gibt keinen Weg nach links, nur einen schmalen Feldweg, den kann er ja wohl nicht gemeint haben. Kaum sind wir weitergefahren kommt unser freundlicher Motorradrusse noch einmal angepfiffen, er hat uns beobachtet und geahnt, dass wir verkehrt fahren und bringt uns wieder auf die Strecke. Dann geht es 2 km wild durch die Felder und wirklich am roten haus vorbei und dann beginnt wieder der Asphalt.

In Perwomaiskoe laufen wir den Dorfkonsum an und besorgen uns Brot, Wurst, Käse und Getränke fürs Abendbrot. Ein Hotel gibt es im Umkreis von 50 km nicht, auch ansonsten keine andere Herberge, aber das Wetter ist toll, also wollen wir zelten. Vor dem Konsum zeigt sich, dass die ganze Alkoholikergruppe des Dorfes in Deutschland ihren Wehrdienst abgeleistet hat, einer war in Saalfeld, einer in Cottbus und einer bei Dresden.

Hinter dem Dorf gibt es einen kleinen Fluss und dann kommt ein schöner Weg in die Wiesen und eine schöne flache Stelle, direkt an einer wackeligen Hängebrücke. Ein idealer Zeltplatz. Viel Zeit haben wir nicht mehr, wir bauen unsere zelte auf und essen unsere Käsestullen, dann geht die Sonne unter und es wird kühl und wir verziehen uns müde in die Schlafsäcke. Draußen ruft endlos ein Kuckuck und die Frösche geben ihr abendliches Konzert, aber nach knapp 150 Kilometern kann man dabei recht gut einschlafen.

46. Tag: Dienstag, der 31. Mai 2011

Dienstag, den 31. Mai 2011

Über die Wolga

140 Kilometer von Nishny Novgorod nach Lyskowo und dann noch bis Lwowo, auf sehr schöner Nebenstraße bis nach Makarewo, dann mit der Fähre über den Fluss, sonnig bei 22 Grad

Da Nowgorod auf dem erhöhten Wolgaufer liegt, sehen wir noch lange die Silhouette der Stadt. Die Kuppeln der Sakralbauten im und um den Kreml leuchten und glitzern golden in der Morgensonne. Aus der Stadt heraus fahren wir durch die sozialistischen Vororte, Plattensiedlungen aus den 70er und 80er Jahren. Allerdings auch hier ist die Sanierungswelle schon über die Gebäude gerollt, ich bedauere es ein wenig, denn ich wollte noch ein paar wunderbare schwarz/weiß Aufnahme von tristester Platte haben. Naja, vielleicht klappt es auf der anderen Seite des Urals. Allerdings darf man nicht zu nahe hinsehen, denn so mancher Schutthaufen, der zwischen den Gebäuden schon 15 Jahre lagert ist inzwischen vom Löwenzahn überwachsen und viele Wege sind und werden wohl ewig Trampelpfade bleiben. Es ist halt die ewige russische Schlamperei. Als wir vorgestern im Hotel eingecheckt hatten und sich der Prozess ewig hingezogen hat, meinte ich zu Barbara, dass ich jetzt begriffen habe, warum die Chinesen und die Vietnamesen die Russen wieder aus dem Land rausgeschmissen haben. Und es ist wirklich so, während seit meiner ersten großen Tour vor 19 Jahren Russland schon genauso vor sich hin dümpelte, war China damals noch ein Wüste in vielen Beziehungen. Heute hat China Russland weit zurück gelassen, was Industrialisierung, Landwirtschaft, Lebensstandard (der breiten Masse), Infrastruktur ganz besonders, sowie Tourismus und Service betrifft. Und Vietnam, das ja schwerere Vorraussetzungen und einen noch späteren Start in den Pseudokapitalismus hatte ist auf dem Wege mit mächtigen Schritten.

Wir holpern dann also mit sehr viel Verkehr aus der Stadt, biegen dann aber auf eine kleine Straße ab. Diese führt uns 80 Kilometer nur durch kleine, schöne Dörfer, Birkenhaine und Kiefernwälder. Es ist sooo erholsam nicht auf der schrecklichen M7 zu brettern, wo man jedes Auge für die Landschaft verliert, weil man sich nur auf den schmalen Seitenstreifen und die Löcher konzentrieren muss.

In Makarewo gibt es ein großes Kloster direkt an der Wolga, leider verpassen wir die Führung und so können wir nur in dem verwilderten garten herumlaufen. Auch hier wieder der Widerspruch. Die Kuppeln der Kathedrale sind vergoldet und zwischen den Gebäuden sammelt sich der Müll und einige Nebengebäude sind am Zusammenbrechen.

Wir haben Glück, es gibt hier eine Föhre über die Wolga und die fährt sogar eine Stunde später. Bis dahin liegen wir noch ein wenig in der Sonne, nachdem wir den nahe liegenden Laden geplündert haben.

Die Überfahrt dauert 45 Minuten und niemand kommt kassieren, erst beim Verlassen des Kahns stoppt uns die Schiffsmatrone mit stinkiger Laune, wo unsere Tickets seien, der Kommunismus sei vorbei. Wegen der Fahrzeuge auf dem Schiff hatten wir das Kassenhäuschen nicht gesehen. Wegen des rauen Tones der Dame, spielen wir kurz mit dem Gedanken, einfach aufzusteigen und weiter zu radeln, hinterlassen dann aber doch unsere 25 Rubel pro Rad.

In Luiskowo gibt es ein sehr schäbiges Hotel, ohne Dusche und mit Gemeinschaftstoilette, betrieben von zwei Damen, die hier auch schon mindestens 20 Jahre arbeiten oder besser: Dienst schieben. Als ich nach einer Karte oder Telefonnummer frage (ich sammle ja die Adressen für die nächste Tour), dreht sich die eine um und fragt ihre Partnerin: „Sag mal, ham’ wir hier Telefon?“-„Was fürn Telefon?“ Schnell verabschiede ich mich und empfehle noch das Hotel-Schild gegen ein Museums-Schild auszutauschen.

Noch einmal folgen 30 freudlose Kilometer auf der M7, die Trucks blasen an uns vorbei und der Krach ist unglaublich. Nach der guten Erfahrung mit der Nebenstrecke muss ich mir etwas einfallen lassen, aber so richtige Parallelstrecken gibt es nicht und so erhöht sich immer gleich die Kilometerzahl massiv, der Weg am Nordufer der Wolga heute war bestimmt 30 bis 35 Kilometer länger als der Highway.