Archiv: 2012 Transmongolia

49. Tag: Sonntag, der 16. September 2012

Freitag, den 21. September 2012

Auf der Mauer

43 Kilometer von Kangzhuang zum Mingstausee bei warmen 25 Grad und vielleicht 200 Höhenmetern, Besteigung der Großen Mauer bei Badaling, gemeinsam mit zwei Millionen anderen Touristen

Die gestrigen Kilometer machen sich dann am Morgen doch ein wenig bemerkbar, so richtig Lust in die Pedale zu treten haben wir nicht, müssen wir auch nicht, denn bis zur Großen Mauer in Badaling sind es gerade einmal 10 Kilometer. Wir haben Glück, dass wir recht zeitig am Morgen eintrudeln. Obwohl der Parkplatz unter dem Gemäuer noch nicht einmal halbvoll ist, tummeln sich gefühlte zwei Millionen Chinesen hier. Busladungen volle Touristen werden ausgeworfen. Man hört Dialekte aus dem Süden, dem Norden, dem Osten und dem Westen. Deren Reiseleiter sind mit Fähnchen und tragbarem Lautsprecher ausgerüstet und die Gruppen werden fast im Laufschritt die Treppen hinauf und hinunter gehetzt. Dazwischen ein paar Langnasen und eine Gruppe von Angolaner sorgt für aufsehen. „Mein Gott sind die schwarz und dick!“ höre ich ein paar Mädchen tuscheln. Trotzdem wollen sie sich mit den Angolanern fotografieren lassen, oder gerade deshalb.

In der Pekinger Umgebung gibt es fast ein Dutzend mehr oder weniger bekannter Mauerstücke, die man von der Hauptstadt aus besichtigen kann. Badaling ist der beliebteste oder zumindest der meistbesuchte. Die Mauer kommt hier recht spektakulär über die Berge hinunter ins Tal, dort befindet sich um das Tor eine Fortanlage und dann windet sich der Wall wieder auf der anderen Seite den Berg hinauf. Seit mehr als 30 Jahren hat man hier an der Logistik gearbeitet. Es gibt auf beiden Seiten gigantische Parkplätze, eine Autobahn führt hierher und auch die Eisenbahn stoppt hier. Inzwischen hat man auf beiden Seiten Lifte gebaut und rundherum gibt es Restaurants und Hotels.

Der Verdacht liegt nahe, dass die modernen chinesischen Mauerkonstrukteure hier mehr als nur Restauration betrieben haben. Einige böse Zungen behaupten sogar, die Mauer habe hier gar nicht entlang geführt. Uns und den Chinesen ist es egal, denn nur wer einmal im Leben die Mauer beklettert hat, der ist ein „richtiger Chinese“. Für mich ist der Abschnitt eigentlich wegen des bunten Getümmels am interessantesten. In Doppelreihen schiebt sich das bunte Volk nach oben und wieder nach unten und überall klicken die Fotoapparate und die Handykameras. Gut, dass sich bei den vielen Fotos die Landschaft nicht abnutzt, denn sonst wäre hier alles weiß wie Schnee und selbst die hohen Berge wären komplett „wegfotografiert“.

Wir genießen das bunte Treiben und steigen bis zum fünften Turm hinauf, die Sicht ist wirklich spektakulär. Auf beiden Seiten bis zum Horizont der Schutzwall gegen die Steppenvölker voller bunter Punkte. nach zwei Stunden sind wir wieder unten angekommen, wo es noch voller geworden ist. Mit den Rädern gelingt es uns dann sogar durch die Fußgängerzone zu fahren und durch das Tor zu schlüpfen. Dann geht es in schneller Fahrt nach unten der Hauptstadt entgegen. Doch dort wollen wir noch gar nicht hin, sondern nur zum Stausee an den Minggräbern, die wir morgen besichtigen wollen.

Das Abendessen ist wieder einmal grandios. Unweit des Sees gibt es ein hervorragendes kleines Grillrestaurant. Wir bestellen fast alles, was sich grillen lässt: Lammfleisch, Hühnerherzen, Aubergine, Pilze, Schnittlauch …. und schleppen uns dann mit vollem Bauch zum Hotel zurück.

 

 

48. Tag: Samstag, der 15. September 2012

Montag, den 17. September 2012

Der lange Marsch

152 Kilometer von Yuxian nach Kangzhuang, 800 Höhenmeter bei optimalen Bedingungen und sonnigen 20 Grad

Da wir heute unseren letzten langen Tag haben brechen wir recht zeitig auf und lassen unser „kleines Paris“ hinter uns. Heute ist noch einmal ein optimaler Radeltag, die Sonne scheint, aber es sind nur angenehme 18 Grad. Obwohl die Straße fast eine Autobahn ist, gibt es nicht all zu viel Verkehr und man kommt gut voran.

Langsam kommen wir ja in die Umgebung der Hauptstadt, doch davon merkt man eigentlich recht wenig. Es gibt immer noch viele kleine Dörfer und die ganze Region ist sehr landwirtschaftlich. Vor allem wird Mais angebaut. Recht bergig ist es auch, aber die Straße verläuft nur gemütlich ansteigend im Tal entlang.

Zum Mittag hatte ich ein richtig mieses Lokal im Auge, zu dem es keine Alternative gibt und dort ziehen wir auch ein. Aber statt einer lausigen Nudelsuppe können wir drei oder vier richtig gute Gerichte ordern und sind mehr als zufrieden. Vielleicht hat das meckern im letzten Jahr geholfen.

Nach dem dicken Essen schleppen wir uns auf einen kleinen Pass noch einmal 300 Höhenmeter nach oben, danach geht es richtig bergab in einen weiten Talkessel. Die Temperatur steigt noch einmal ordentlich an und auch die Landwirtschaft hier ist viel abwechslungsreicher. Neben dem Mais wird auch sehr viel Obst angebaut, vor allem Wein. Und man versucht sich auch in der Produktion besserer Tropfen, einigen der Güter hat man französische Namen gegeben, na gut, wir sind ja auch nur einen Tagesritt von „Klein Paris“ entfernt.

Unten im Tal liegt dann der Guanting-Stausee, oder das was davon übrig geblieben ist. Viel Wasser plätschert nicht in dem einstmals recht großen See. Dafür hat der Bauwahnsinn aber zugeschlagen. Über mehrere Kilometer am See errichtet man Satellitenstädte und Siedlungen für Neureiche. Riesige Villenviertel werden aus dem Boden gestampft. Die gegend ist zwar nett, aber eigentlich kann man nicht viel machen, der See liegt ein oder zwei Kilometer weg, die Berge rundherum sind eher karg und laden auch nicht zu langen Wanderungen ein und die nächsten Städte liegen alle eine knappe Autostunde weg. Die Baustellen machen deshalb einen eher trostlosen Eindruck und würden mich eher abschrecken. Ich bin wirklich gespannt, wie sich die Gegend hier entwickelt.

Da unsere Übernachtung im letzten Jahr nicht so toll war, hatten wir beschlossen, in diesem Jahr einen neuen Platz zu suchen. In dem kleinen Ort in der Nähe des Sees sieht es aber gar nicht gut aus, das einzige Hotel am Ort wird umgebaut und hat deshalb geschlossen. Obwohl wir schon 140 Kilometer in den Beinen haben, fällt der Entschluss noch 15 Kilometer weiter bis in die nächste Stadt zu radeln, nicht zu schwer. Dort finden wir dann auch recht schnell eine passende Unterkunft und haben morgen dann einen kürzeren Tag vor uns.

Entgegen meiner Gewohnheit, nicht in Hotelrestaurants zu essen, tun wir das heute doch einmal, denn zu einem längeren Spaziergang haben wir keine Lust mehr. Und auch hier werden wir positiv überrascht, vor allem die Lammrippchen, gegrillt nach Art des Hauses, waren ein Traum.

Am Abend stelle ich fest, dass wir ganz nebenbei auch die längste Tagesetappe der Tour gefahren sind, wir haben die Ausfahrt aus Ulaan-Baatar in die Steppe noch um einen Kilometer getoppt.

47. Tag: Freitag, der 14. September 2012

Montag, den 17. September 2012

La Tour Eiffel de petite Paris en Chine

96 Kilometer von Hunyuan nach Yuxian, 560 Höhenmeter bei sonnigen aber kühlen 16 bis 20 Grad

Rund um Beijing gibt es genug Landschaften für lange Fahrradtouren, die einen mehrere Wochen beschäftigen können. Touristisch wirklich erschlossen sind vor allem die Gebiete nördlich von Beijing, entlang der Großen Mauer bis hin zum Gelben Meer. („Kaiserliches China“). Doch landschaftlich ist es in die östliche Richtung ebenso schön, dafür hat man weniger Verkehr, wenige Touristen und so gut wie keine Ausländer. Dafür gibt es links und rechst der Straße schöne kleine Dörfer und ab und an steht auf den Hügeln noch der Lehmsockel eines alten Signalturms. Überall sind die Bäuerlein auf den Feldern, auf denen vor allem Mais angebaut wird und auf der Straße wird man ab und an von einem Eselskarren und dessen Lenker bestaunt. Ansonsten passiert nicht viel an diesem Tag durch die leichte Berglandschaft westlich von Beijing.

Eine Überraschung bietet dann unser Zielort. Schon von weitem erkennt man den Fernsehturm im Zentrum der Stadt, es ist wie ein Dejavu, diese Stahlkonstruktion habe ich doch schon einmal irgendwo gesehen, allerdings ein bisschen größer. Hinter diesem kleinen Eiffelturm befindet sich eine belebt Geschäftsstraße mit viel kleinem Handel und weiter hinten liegt eine nette kleine Altstadt mit richtig viel Leben. In zwei Dingen unterscheidet sich die Stadt vom „richtigen“ Paris, es gibt keine Baguettes und Käse und niemand spricht Französisch. Zurück von unserem Stadtbummel wird es langsam dunkel und der Turm ist mit bunten flackernden Neonlichtern erleuchtet, auf dem zentralen Platz erschallt laute Musik und es wird gesungen. Eine Gruppe in rot gekleidete Frauen singt neben chinesischen Volksliedern auch Hymnen an den Großen Vorsitzenden Mao Tse Tung. Das Interesse der vielleicht dreihundert Leute drumherum ist groß, uns reichen 10 Minuten des Gesangs in schrillsten Tönen. Pünktlich um 22 Uhr wird die Musik ausgeschaltet und die Bürgersteige werden hoch geklappt, dann ist es ruhig bis morgens um 6 Uhr, wenn die Beschallung für die zahlreichen Frühsportler auf dem Platz wieder hoch gefahren wird.

46. Tag: Donnerstag, der 13. September 2012

Montag, den 17. September 2012

Die gute Tat von Hunyuan

22 Kilometer zum taoistischen Hengshan-Berg und wieder zurück, 8 Kilometer Wanderung und 1000 Höhenmeter, die Hälfte davon zu Fuß, bei wechselhaftem Wetter und 20 Grad

Heute nun der zweite Versuch zum taoistischen Heiligtum Hengshan, das Wetter sieht ein wenig besser aus als gestern und wir schwingen uns fröhlich aufs rad und strampeln wieder am Hängenden Kloster vorbei und dann ordentlich nach oben bis zum Eingang und Parkplatz des hengshan Gebietes.

Obwohl einer der fünf heiligen Berge des Taoismus, hält sich der Andrang in Grenzen. Die meisten Touristengruppen werden nur zum Hängenden Kloster gescheucht und hetzen dann weiter zum Wutaishan, dabei gibt es hier auch genug zu sehen. Taoistische Kloster und Tempelanlagen sind in der Regel weniger spektakulär als buddhistische, dafür suchte man sich aber eher spektakuläre Landschaften und die unzugänglichsten Plätze zum Errichten der Tempel aus.

Die Ursprünge des Taoismus gehen zurück bis ins 4. Jahrhundert vor unserer Zeit, die ersten Gebäude hier am Hengshan sollen auch auf diese Zeit zurückgehen. Viele Schulen des Daoismus streben Unsterblichkeit an, dazu haben sich die Meister dann in die Berge zurückgezogen und an sich selbst herumexperimentiert. Bei einem solchen Experiment ist dann auch wohl der Tofu, mein so geliebtes Lebensmittel entstanden (siehe auch: www.tomtomtofu.com).

Der Weg zu den Tempel führ vorbei an an einer bildschönen Landschaft. Es gibt sie also wirklich und nicht nur auf mal mehr oder weniger kitschigen Bildern in Chinarestaurants auf der ganzen Welt (außer in China). Steile Berge, Gipfel in Wolken eingehüllt und knorrige Kiefer auf kargen Felsen. Vor allem letzteres bekommen wir reichlich zu sehen.

Die Tempel sind in Felsspalten eingekeilt und fast ebenso spektakulär wie das Hängende Kloster vom Vortag. Langsam kämpfen wir uns bis zum höchsten Aussichtspavillon vor, dann schlägt das Wetter langsam um und zwingt uns zur Rückkehrer. Bei leichtem Niesel erreichen wir die Stadt noch bevor es am Nachmittag richtig stark gewittert.

Eigentlich hatten wir heute einmal das Lokal wechseln wollen, doch wieder zieht es uns in unsere Stammkneipe. Kaum sitzen wir in dem kleinen Lokal, rumpelt es vor der Tür ein wenig. Ein Chinese war mit seinem großen koreanischen Geländewagen beim Rangieren über ein Kante gefahren. Nun hing das Fahrzeug hinten halb in der Luft und vorne im Graben mehr als einen Meter tiefer. Der Fahrer war total aufgelöst, seinen schönen teuren Wagen so in der Luft hängen zu sehen und schnell sammelt sich ein kleiner Auflauf von Leuten, aber so richtig helfen kann keiner. Man fummelt ein wenig mit dem Wagenheber herum, aber das bringt eigentlich nichts. Wir haben uns auch mit nach draußen begeben und plötzlich habe ich eine Idee und frage unser Autokenner Wolfgang: „Sach‘ mal, der hat doch Allrad, oder?“ Und damit war dann alles kinderleicht,

ich lasse den Fahrer die Heckklappe öffnen und unser (dicklicher) Fahrer Zhang und ich steigen auf die Stoßstange. Schon im nächsten Augenblick neigt sich der Wagen wieder in die Waagerechte, der Fahrer fährt vorsichtig rückwärts und hat schnell wieder alle Räder auf dem Asphalt. Die Freude bei allen Beteiligten ist groß und hier schnell noch Grüße an meinen Physiklehrer!

46. Tag: Mittwoch, der 12. September 2012

Donnerstag, den 13. September 2012

Wie ein Schwalbennest…

6 Kilometer zum Xuan Kong Si vor der Stadt, Besichtigung des Hängenden Klosters und Ruhetag bei zu kaltem, wolkigen Wetter und Sturmböen

Über Nacht hat es sich merklich abgekühlt und am Morgen war noch etwas Sonne, aber der Himmel zieht schnell zu und bei höchstens 11 Grad kommen wir schnell ordentlich ins frieren. Dabei steht heute nur ein Abstecher auf dem Programm.

Weltberühmt ist das Schwebende/Hängende Kloster bei Hunyuan. Irgendwann in der Han Dynastie wollte ein Mönch seine Ruhe haben und hat sich mitten in einer steilen Felswand eine kleine Klause errichtet, einziger Zugang per Seil von oben, Versorgung über Seil nach unten. 600 Jahre hatte er dann seine Ruhe, dann wurde aus der Klause eine Anlage, die systematisch erweitert wurde. Akrobatisch, auf langen dünnen Holzbalken ruhend, „klebte“ man ein Tempelchen nach dem anderen an die Wand, verbunden mit steilen Treppchen und Leitern.

Heute ist es vorbei mit der Ruhe am Hängenden Kloster, denn als eine der Hauptattraktionen in der Provinz werden täglich mehrere tausend Touristen über die schmalen Treppen durch den Tempel gescheucht. Ab 11 Uhr herrscht überall Stau, blockiert von einigen Leuten, die sich aufgrund von Höhenangst partout keinen Schritt mehr vorwärts oder rückwärts bewegen wollen oder können. Sehenswert ist und bleibt der Tempel trotzdem immer noch und zwar aus allen Perspektiven, vom Taleingang in der Mitte der schroffen Steilwand oder von oben auf der, scheinbar, wackeligen Holzkonstruktion mit 45 Metern Luft unter den Füßen.

Leider war der Rundgang nichts zum Aufwärmen und so beschließen wir den Hengshan Berg, der sich ein paar Kilometer weiter befindet und ein daioistisches Heiligtum ist, auf den morgigen Tag zu verschieben.

Mir ist es ganz recht, denn bei der Abfahrt gestern habe ich mich ordentlich verkühlt und huste und spucke, wie ein richtiger Chinese um die Atemwege wieder frei zu bekommen. Martina und Wofgang genießen die Atmossphäre in der quirligen kleinen Stadt, durch die Modernisierungswalze noch nicht hindurchgekommen ist. Abends enden wir dann in dem kleinen Lokal, in dem wir gestern schon sehr gut gegessen haben und im vergangenen Jahr auch, da waren wir an drei Tagen hintereinander nur in diesem Lokal und auch in diesem Jahr konnten die Wirtin und ihr Mann in der Küche wieder komplett überzeugen, deshalb werden die drei Sterne für chinesiche Hausmannskost mit Begeisterung wieder vergeben.