142. Tag: Sonntag, der 4. September 2011
Sonntag, den 4. September 2011Im Lichte der Buddhas
Ruhetag am Wutaishan mit Wanderung zu zwei großen buddhistischen Klöstern
Am Morgen haben sich alle Nebel verzogen und wir realisieren erst einmal in welch schöner Landschaft wir gelandet sind. Taihuai liegt in der Talsohle eines tiefen Tales hier inmitten des Wutaishan Gebirges. Zu beiden Seiten geht es grüne Berge weit nach oben und dort liegen romantisch eingebettet einige der 47 Klöster. Selbst für buddhistische Profis wäre es unmöglich, all diese in einer Woche zu besichtigen.
Doch bevor wir unsere kleine Wanderung beginnen, haben wir erst einmal noch Frühstück mit 444 anderen Chinesen im Speisesaal des „Betriebsferienheimes Roter Oktober“. Die Frühstücksausgabe hat Erlebnischarakter und erinnert an den Romantitel von Thomas Mann „Wer einmal aus dem Blechnapf isst“. Jeder bekommt ein Blechtablett und darf dann an den kalten und warmen Gerichten vorüberziehen, vor allem an den Rühreiern wird gut gedrängelt und es dauert ewig, da die Chinesen einen Daibiao, Abgeordneten, gesendet haben, der gleich mal 32 Eier einsackt. Die Nacht im Hotel war auch gekennzeichnet durch krakeelende chinesische Wochenendtouristen und seit 6 Uhr morgens springen die Etagenmädchen mit laut krächzenden Walki-Talkis durch die Gänge: „Krächz, krächsz, 406 gibt das Zimmer zurück! krächz“, „Krächz, da fehlt ein Handtuch!“, „Krächz, das soll im Wandschrank liegen!!
Gestern hatte ich schon Krieg an der Rezeption wegen des Internets. In jedem Zimmer gibt es einen Computer und dieser muss jedes Mal beim Einschalten angemeldet und beim Ausschalten abgemeldet werden, aber vorher muss man sich mit Ausweis registrieren lassen. Aber Chinesen haben nun mal keinen Ausweis und deshalb bekommen wir keinen Zugang. Erst als ich nach 20 Minuten Diskussion sauer werde und der Dame sage, sie soll jetzt auf der Stelle ihren Chef anrufen und sich eine entsprechende Handlungsanweisung geben lassen, geht es dann doch.
Dann ist es Zeit für unsere buddhistische Erleuchtung und wir ziehen zuerst zum Tempel, der auf einem Hügel dem Hotel gegenüber thront. Es ist der Nanshan Si und entstammt aus der Yuan-Dynastie und ist damit einer der ältesten Tempel im Gebiet. Wie eine Festung thront der Tempel am Berg und erstreckt sich über drei Ebenen. Beeindruckt schlendern wir durch das Gemäuer und lassen die Namen der Tempel auf uns wirken: „Tempel der höchsten Erbauung“ und „Tempel der Güte und Tugend“. Die Hallen sind mit vergoldeten Buddhas ausgestattet und wir treffen auch wieder auf die Guanyin, den Boddhisatva der Barmherzigkeit, die einzige weibliche Inkarnation im buddhistischen Götterreigen. Da der Tempel recht weit oben liegt ist er nicht zu überlaufen, denn der chinesische Tourist an sich ist recht lauffaul, wo man nicht hinfahren kann oder hingetragen werden kann, da trifft man kaum noch auf Leute. Deshalb sind die Mönche recht offen und redselig und freuen sich noch über die Besucher. Sie lassen sich auch wenig stören beim Ausprobieren ihres neuesten Spielzeuges, eines funkgesteuerten Hubschraubers, ob das dem Karma sehr zuträglich ist, möchte ich wohl in Frage stellen. Fakt ist, alle Beteiligten haben Spaß daran.
Unten am Berg gibt es ein paar schöne kleine winzige Hotels, jeweils nur mit 10 Zimmern und einem kleinen Restaurant. Im Hof ist es nicht nur sehr angenehm und ruhig, auch die Preise sind nicht unerträglich überhöht.
Am Nachmittag steht dann der größte Tempel im Ort auf dem Programm. Der Tayuan Si ist schon von weitem an seinem großen weißen Stupa zu erkennen und damit auch das Wahrzeichen des Wutaishan Gebietes. Hier ist mehr als reger Betrieb, einmal die chinesischen Touristen, aber auch die Pilger aus allen Teilen des Landes unter anderem auch einige Tibeter, die sich in den Gesichtszügen und traditionellen Sachen deutlich von den Chinesen abheben. Rund um den Stupa rotieren die Gebetsmühlen und vor dem Tempel „polieren“ die Hardcore-Pilger die Steine mit tausenden von Gebeten am Tage, Aufstehen, Hinlegen und ein Stoßgebet und wieder Aufstehen und Hinlegen. Dazu tragen die Pilger dann eine entsprechende Schutzkleidung aus Knieschonern und Handschuhen.
Am Abend ist in der Stadt auf dem Markt richtig was los, es wir in einem Hof für die Leute aus dem Ort eine Peking Oper dargeboten. In bunten Kostümen rezitieren die Darsteller ihre langen Arien, ein für europäische Ohren eher interessantes als melodisch schönes Erlebnis, zumindest für mich. Auf der anderen Straßenseite dagegen ist ein mongolischer Grillstand und der Grillmeister avanciert zur Gegenattraktion. Aus zwei großen Lautsprechern ertönt Popmusik und tanzend wendet der kräftige Mongole rhythmisch die Grillspieße unter entsprechendem Zuspruch des Publikums, was sich verkaufstechnisch für ihn auch lohnt, der der Grillstand 50 Meter weiter unten ist praktisch verwaist und qualmt einsam vor sich hin und der einzige Unterschied ist: die Präsentation!( BWL für Grillmeister)