Archiv: 2011 Transeurasien

32. Tag: Dienstag, der 17. Mai 2011

Dienstag, den 17. Mai 2011

Mit Rückenwind zum nördlichsten Punkt

95 Kilometer von Solzy nach Weliki Novgorod bei straffem Lüftchen von hinten, auf Haupt- und Nebenstraße mit 21,5 km/h im Schnitt, Wolken, Sonne und drei Tropfen Niesel bei bis 15 Grad, Stadtspaziergang

Heute hätten wir kein Begleitfahrzeug gebraucht, sondern ein Begleitboot, zumindest am Anfang. Denn in den Mehr-Löcher-als-alles-Andere-Straßen steht das Wasser und wir schlängeln uns im Slalom drumherum. Später wird es ein wenig besser, dann wieder schlechter und wieder besser. Aber uns treibt der Wind ordentlich voran.

Der Winter ist in der Gegend noch nicht lange vorbei, überall steht das Wasser recht hoch. Die ganze Landschaft ist von Wasser geprägt. Wiesen gehen über in Sümpfe und Seen und Flüsse sind über die Ufer getreten und Bäume und Büsche ragen als Inseln heraus. Gegen den Himmel, an dem wilde Wolken dahin treiben, ein toller Kontrast.

Meine Karte gibt für die letzten 40 Kilometer eine Nebenstraße her, am Abzweig vor einem laden frage ich die Gruppe anonymer Alkoholiker, ob man da lang könne. Alle stimmen zu – und haben sogar Recht.

Wir erleben ein kleines Wunder. Die Straße ist in super Zustand und Verkehr gibt es praktisch nicht. Nach 5 Kilometern sind wir direkt am riesigen Ilmen-See und fahren am Ufer entlang oder besser, lassen uns vom Rückenwind treiben.

Die Landschaft ist rundherum ist geprägt von feuchten Wiesen und Seen und es ist wirklich ein Hochgenuss, hier zu radeln. Sie Straße zieht in schönen Bögen durch die anmutige Sumpf und Wiesenlandschaft. Mit dem Schub von hinten gleiten wir nur so durch die Landschaft und können uns gar nicht satt sehen. Dazu dann das wilde Spiel der Wolken am Himmel und so kommen wir unserem Ziel heute sehr schnell nahe. Kurz vor Nowgorod liegt dann das Yurev Kloster noch am Weg. Die Kathedrale ist so kalt, dass der Atem kondensiert und wir bestaunen die Fresken an den hohen Wänden.

Gleich neben dem Kloster gibt es noch ein Freilichtmuseum, aber die Gruppe meutert und will keine Kultur mehr, sondern eine Dusche und Wäsche waschen. Ganz so schlimm ist es nicht, aber es sah ein wenig nach regen aus und ohne das Museum haben wir noch die Chance, trocken anzukommen.

Mit Nowgorod erreichen wir den nördlichsten Punkt unserer Reise, bis nach Moskau geht es dann gen Süden und dann nur noch unendlich weit nach Osten.

Wir treffen uns noch auf einen langen Spaziergang, das Zentrum der Stadt ist abgesehen vom Kreml eher dörflich und nach einer Stunde sind wir einmal rundherum. es gibt viele kleine Dörfer und der Kreml hat auch viele bauten, incl. der Sophia-Kathedrale und dem 1000-Jahre-Russland-Monument, aber das alles werden wir uns morgen noch einmal in Ruhe und bei besserem Licht und hoffentlich ohne Nieselregen ansehen. Den Tag beenden wir in einem netten Bistro-Restaurant bei üppigem Mahle und ich werde wohl heute Abend in den sauren Apfel beißen und die 100 Rubel für den Internetzugang hinblättern.

Na ja, hat natürlich wieder einmal nicht funktioniert, wir sind ja auch in Russland, morgen werde ich an der rezeption mal ein wenig Druck machen, ist ja schließlich ein Drei-Sterne-Kasten, in dem wir hier abgestiegen sind.

31. Tag: Dienstag, der 17. Mai 2011

Montag, den 16. Mai 2011

Prekrasnoe Daleko- Unendliche Weiten

140 Kilometer von Pskow nach Solzy auf kleinen schlechten Straßen und Piste, unendliche Birekenwälder, wenig Dörfer bei Wolken und zum Schluss Regen bis 13 Grad, Hotel aus alten Zeiten mit positiven Überraschungen

Wir brechen zeitig auf, denn wir haben einen langen Tag vor uns, es ist recht frisch und verhangen als wir losziehen, Ilja von der lokalen Agentur ist noch einmal für ein paar Bilder gekommen. Diese sollen in die Zeitung, ein kurzes Interview hatte ich am Vortag schon gegeben. Sobald ich den Artikel im Internet gefunden habe, kommt natürlich der Link ins Blog.

Die Straße aus Pskow heraus ist mehr als eine Katastrophe, Loch an Loch, dann geht es glücklicherweise erst einmal auf die Schnellstraße nach St. Peterburg. Der Verkehr häkt sich in Grenzen trotzdem sind wir froh, als wir dann wieder auf die Nebenstraße abbiegen. Die ist zwar auch nicht toll, was die Asphaltbeschaffenheit angeht, aber sehr ruhig und Landschaftlich toll. Eigentlich geht es immer durch den Wald, mal Birken, mal Espen, mal ein paar Fichten, dann wieder Birken. Eigentlich hoffen wir darauf, einmal ein paar rentier zu sehen, wir sind nördlich genug dafür, aber außer einem Fuchs, der panisch das Weite sucht sehen wir Nichts. Das es Wild gibt, davon zeugt einmal das Schild „Jagen Verboten!“ und zum anderen die zahlreichen Einschüsse auf dem Schild.

Ab und zu gibt es ein kleines Dorf. Es ist wie im Museum, nur kleine Holzhäuschen, nur eben mitunter etwas verfallen. Davor dann ab und zu mal ein fast historisches Auto, wie ein Volga oder ein Saparoshez oder ein Moskwitsch. Auch Läden gibt es kaum, dafür kommt wohl ein oder zwei Mal in der Woche ein klappriger LKW und hält in jedem Dorf zum Verkauf.

Dann das nächste Dorf und es ist wieder eine tolle Parade russischer Holzhäuser und ich denke ich werde am Ende der Reise ein schöne Sammlung Bilder davon haben.

Die Straße ist dann irgendwann so schlecht, dass der Asphalt für zehn Kilometer ganz weg is, dann kommen wieder ein paar mit teer umrandete Löcher und dann wieder Piste, aber es lässt sich nicht ganz schlecht fahren. Trotzdem sind wir froh, als wir wieder auf den Highway kommen, der ist neu gemacht, aber nur ein kleines Stück. Als die letzten 25 Kilometer wieder eine Löcherpiste beginnt fängt es an zu regnen, schade für den Ort Solzui, denn in der zentralen Straße des eher mittleren Dorfes stehen schöne Häuser aus dem letzten Jahrhundert und auch die Holzhäuser in den Nebenstraßen wären noch einen Spaziergang wert gewesen. Das Hotel sieht von außen aus, als hätte es in den letzten zehn Jahren keine Gäste mehr gehabt. Innen ist alles recht einfach und leicht abgewirtschaftet, aber sehr sauber unter dem Kommando von Elena. Die fordert sofort mit lauter durchdringender Kommandeursstimme die Pässe und weist dann souverän die Zimmer zu. Wir werden informiert, dass es im Ort kein Restaurant gibt, aber ein paar gute Läden und auf der Etage werden wir in Kochplatte, Mikrowelle, Wasserkocher und Geschirrschrank eingewiesen.

Elena schleppt sofort einen Heizer heran zum Trocknen der nassen Schuhe und Klamotten und wir fühlen uns in dem Laden recht wohl und heimisch.

Wir ziehen los zum Großeinkauf und danach schnipsele ich einen großen Salat. Dazu gibt es Würstchen und Brot und Käse und Wodka, von Not kann also keine Rede sein. Das warme Wasser funktioniert auch, man muss nur beim Aussteigen aus der Duschwanne aufpassen, das man das nur lose befestigte Waschbecken nicht herunter reist. Trotz der 140 Kilometer merken wir kaum etwas in den Beinen, aber mit Hilfe des Wodkas schlafe ich innerhalb von drei Minuten ein.

30. Tag: Sonntag, der 15. Mai 2011

Sonntag, den 15. Mai 2011

An den Ufern des Großen Flusses

Ruhetag in Pskow, Spaziergang am Ufer der Welikaja entlang zum Mirosch Kloster und durchs Zentrum über den Oktoberprospekt wieder zurück

Der russische Spaß beginnt mit dem Frühstück, die Zeiten der üppigen Buffets sind vorüber, heute gibt es zwei klein Pfannen- wahlweise Eierkuchen mit einem winzigen Schälchen Marmelade wahlweiße gezuckerter Kondensmilch und ein Tasse Kaffee. Das wars. Bei Jackie und Barbara kommt nur eine halbe Tasse. Auf Nachfrage mit der Begründung, der Automat sei defekt. Ich zitiere die Prinzessin noch einmal heran und ordere noch einmal zwei Tassen Kaffee für die Beiden und bekomme zu hören, dass diese aber bezahlt werden müssten. Ich werfe der Kellnerin meinen fürchterlichsten bösen Blick zu den ich auf Lager habe, mit einem Hauch von Verachtung, dem herben Beigeschmack dezenten Hasses, angereichert mit tödlicher Ironie; und es funktioniert, die Dame trabt wenig später mit sogar drei Tassen Kaffee an und selbst die Kaffeesahne, die wir vorher hatten für jeden einzeln anfragen müssen ist jetzt schon dabei.

Das Wetter ist ein wenig angenehmer als gestern, kaum noch windig und vielleicht 15 Grad und wenn ab und zu die Sonne hinter den Wolken hervorlugt, dann ist es sogar richtig angenehm. Wir schlendern dann wieder am Lenin vorbei und über die Brücke und dann an einigen verfallenen Gebäuden vorbei, einige richtig schön alt, die anderen unvollendet Bauruinen. Dahinter kommen dann graue Wohnblocks aus den 70ern. Die Balkone sind auf individuellste Art und Weise hässlich verbaut. Wellblech oder bunte Pappe, Sperrholz oder blaues Plastik, Aussicht direkt auf die Bauruine. Karin meint zur Erheiterung aller, dass sie hier aber Mietminderung beantragen würde.

Auf einem Balkon entdecke ich eine Girlande aus Fischen verschiedenster Größe, die zum Trocknen aufgehängt sind, es ist aber zu weit weg, um noch Fotos machen zu können. Direkt am Ufer der Welikaja, des Großen Flusses, schlagen wir uns weiter bis zum Mirosch Kloster durch. Da das Kloster bei der UNESCO gelistet ist, erwartebn wir Großartiges, aber die Anlage ist dann, zumindest von Außen, doch nicht so beeindruckend und die Ikonenmaleischule plus Ausstellung, eigentlich 8 bis 18 Uhr von Mo bis So geöffnet hat auch zu, es klemmt nur eine Art „Komme-gleich-wieder-Schild“ an der Tür, aber was ein russisches „Gleich“ bedeuten kann, das weiß ich noch aus sozialistischen Zeiten. Die etwas angeranzte Kirche trägt den Namen“ Cathedral of the Transfiguratrion of the Saviour“ und die Gemäuer gehen auf 12. Jahrhundert zurück. Auch hier dürfen wir erst einmal noch nicht rein, den drinnen wird ein Gruppe junger russischer Soldaten mit Eiheitskurzhaarschnitt geführt. Wir warten dann geduldig und werden dann von einer jungen Frau mittleren Alters in die beiden hallen geleitet. Sie beginnt dann mit einem großen Redeschwall ihre geschichtlich-historischen Ausführungen und ich merke, dass seit meinen letzten Russischunterricht doch zwei Dekaden vergangen sind. Die Dame ist durch nichts zu stopen, wir lassen es lustig Rauschen und nicken andächtig und betrachten dabei die prächtigen Fresken aus dem 13. Jahrhundert im byzantinischen Stil, gemalt von giechischen Meistern in Zeiten, in denen die Stadt noch reich und mächtig war, wegen der zentralen Lage an den Handelswegen zwischen Europa und dem Russischen Reich, als Zwischestation der Hanse und das selbst die Mongolen hier nicht alles kaputt gemacht haben und auch die Deutschen während des WWII nicht und selbst während der Sowjetzeiten Restaurationen begannen und jetzt ein deutsche Wasserpumpe zur Verfügung steht (in der Ecke rechts), die es schafft das Wasser im Innenraum nach Außen zu befördern, wenn draußen schoon die halbe Kirche von den Wassermassen überflutet ist……………………..Wie auch immer, interessant war es und die Gemälde wunderschön.

Zurück am Fluss beobachten wir eine Gruppe von Russen beim Anbaden und auch die Ruderer eröffnen heute die Saison mit einem ersten Training. Eine Trainerin erläutert uns, dass der Ruderklub vor 20 jahren mal richtig bekannt war und dann immer Wettkämpfe mit (ost) eutschen vereinen stattfinden, aber heute macht man alle mehr oder weniger bnur noch aus Spaß an der Freude. Trotzdem peitscht der Trainer am Ufer auf einem Klapprad parallel zu seinen besten ruderern und peitscht diese zu Höchtleidungen voran: „Dawai, dawai, ne nado spatch! Mal schön hopp, hopp, geschlafen wird später!“

Auf dem Rückweg schlendern wir dann über die Hauptstraße der Stadt auf der Suche nach einem Restaurant. Der „Lonely Planet“ nennt zwei Restaurants mit Internetanbindung, welche diese aber nicht haben und in einem dritten „Cafe“ bekomme ich dann auch eine Verbindung mit dem Server, aber dier hängt heute nit am www. Das Essen ist ok. wir probieren uns durch verschiedene georgische Teigtaschen mit unterschiedlichem Erfolg und machen dann das, was man an einem Ruhetag machen muss. Ein schönes Schläfchen auf den Nachmittag ist immer sehr erfrischend.

Am Abend finden wir dann ein Selbstbedienungsrestaurant, dort gibt es wirklich Internet und eine reiche Auswahl an Suppen, Salaten und Sonstigem und dort tippe ich dann auch noch schnell die letzten Zeilen. Morgen wird wieder richtig Rad gefahren, 130 km stehen auf dem Plan und vermutlich eine schreckliche Absteige, wir sind mehr als gespannt und übermorgen noch mal 105 Kilometer, der Wetterbericht sagt Wechselhaftes bevor und übermorgen sind wir dann abends in Novgorod und frühestens dort rechne ich mit der nächsten Internetverbindung. Bis dahin viele Grüße von uns allen aus Pskow!

29. Tag: Samstag, der 14.Mai 2011

Samstag, den 14. Mai 2011

Festung und Kreml in Pskow

56 Kilometer von Räpina über Isborsk nach Pskow, Besichtigung der Festung Isborsk und Stadtrundgang mit Pskower Kreml, 102 hm auf großer Straße, aber wenig verkehr und viele Schlaglöcher bei regnerischen 10 bis 12 Grad

Das Frühstück wird jetzt schon deutlich russischer, es gibt eine Schüssel Kascha Moltschnaja, also Milchreis und zwei Scheibchen Weißbrot und Tee. Dann geht es los und Russland begrüßt uns mit leichtem Regen und ungemütlichen vielleicht 10 oder 11 Grad. Wir wählen nicht die direkte Strecke nach Pskow, sondern fahren einen kleinen Umweg über ein Dörfchen namens Isborsk und besichtigen dort eine alte Festungsanlage. Wir stolpern ein wenig in den alten Ruinen umher, die bis ins 14. Jahrhundert zurückgehen und man hat einen schönen Ausblick aufs Umland. In den mauern steht eine kleine nette russisch-orthodoxe Kirche mit schönen Ikonen. Vor der Festung gab es dann zahlreiche kleine Souvenirstände, die Wollsocken, Nierenwärmer und Holzkämme und Matroschka Figuren verkaufen, allerdings auch einige Frauen aus dem Dorf, die warme Plinui, also Teigtaschen verkaufen, die mir Sauerkrautfüllung waren die besten.

Wegen des Wetters beschließen wir, dann doch auf der Europastraße bis Pskow zu fahren, der verkehr war extrem ruhig, so dass wir keine Probleme hatte. Leider endete die Ausbaustrecke recht bald und dann ist die Straße eine historische Schlaglochpiste und man möchte drauf wetten, dass einige Löcher noch von deutschen Panzern auf dem Rückzug stammen.

Gegen 14 Uhr fahren wir dann in Pskow ein, am Anfang geht es durch ein 80er Jahre Neubauviertel und dann über ein Brücke in die Stadt. Auf der anderen Seite des Flussufers empfangen uns die Kremlmauern und die Türme der Dreifaltigkeitskathedrale thronen imposant über der Festung. Am Leninplatz grüßt uns der Genosse und unser Hotel ist nicht weit enfernt, auch mit Blick auf die Kremlmauern, allerdings von der anderen Seite.

Wir brechen zügig zu einem kleinen Stadtspaziergang auf, statten dann Lenin, der einige Monat in der Stadt verbracht hat und deshalb hier auf einen Sockel gestellt wurde, einen Fotobesuch ab.

Die Stadt ist auch noch recht sowjetisch, so etwas wie ein Zentrum gibt es nicht, was auch daran liegt, dass im Krieg sehr viel zerstört wurde. Der Kreml ist eine weitläufige Anlage mit dicken Mauern drumherum, an denen sich die Heere des Deutschen Ordens, die Schweden und die Mongolen erfolglos versucht haben. Das ist für mich hier der interessanteste geschichtliche Fakt, dass wir uns hier an einem Punkt befinden, der Anfang und Ende unserer weiten Reise direkt verbindet. Die deutschen Heere sind mehrfach hierher vorgedrungen und von der anderen Seite standen die Mongolen hier. Letztere werden uns ja dann bis Beijing begleiten.

Die Dreifaltigkeitskathedrale ist mehr als 30 Meter hoch und üppig mit Malereien und Ikonen ausgestattet. Zahlreiche Leute pilgern hierher, um sich andachtsvoll zu bekreuzigen.

Direkt neben Lenins Wohnhaus enden wir in einem Lokal, wir sind die einzigen Gäste des Abends und werden mit deftigen Salaten und einer diesmal vernünftigen Soljanka beköstigt, dazu wird Brot und Schmal gereicht.

Auf weitere Rundgänge in der Stadt haben wir keine Lust, es regnet zwar nicht mehr, aber es ist doch recht kalt und zugig und wir sind ja morgen noch den ganzen Tag in der Stadt. Aufs Internet verzichte ich heute wieder, denn im Hotel will man eine Gebühr von 13 Euro für 24 Stunden Verbindung ins Netz und das ist mir ein wenig zu heftig, morgen werde ich den Computer mitschleppen in ein Restaurant mit WiFi und dafür 2 Bier auf die Nebenkostenabrechnung setzen, in jedem Falle die bessere Alternative.

28. Tag: Freitgag, der 13. Mai 2011

Freitag, den 13. Mai 2011

In Russland-Harmonie in Grau

40 Kilometer von Räpina nach Pecory, über die russische Grenze bei Wolken und Sonne bis 20 Grad, 100 hm, Deja-Vu mit alten Zeiten in der Kleinstadt und Klosterbesichtigung

Die letzten Kilometer in Estland und die letzten Kilometer in der Europäischen Union, auch wenn Estland vom Empfinden her nicht mehr so viel mit Mitteleuropa zu tun hat. Die Weite und Grüne der Landschaft, die wenigen Leute, die man auf der Straße trifft, rundherum nur Wälder und Wiesen und ein paar wenige Gehöfte. Von den alten Gehöften ist oft schon ein altes Gebäude am Einstürzen. Daneben stehen dann aber schon die neuen Häuser. Im Gegensatz zu Litauen bleibt dann aber die alte zusammenbrechende Scheune so wie sie ist und wird nicht renoviert. Aber wer eben jahrelang in der Holzkate gewohnt hat und nun in einen komfortablen Neubau gleich daneben umziehen kann, der tut dies natürlich auch.

Vor der Grenze stauen sich die LKW über vielleicht einen Kilometer. Und heute ist Freitag der 13.! Die russische Grenze ist der Knackpunkt der Reise, wir müssen hier heute mit unseren Businessvisa auf die andere Seite oder wieder nach Hause umkehren.

Aber es geht alles mehr als glatt. Wir schlängeln uns an dem LKW-Stau vorbei, zeigen am ersten Posten die Pässe und bekommen unsere Einreisepapiere, die wir am zweiten Posten wieder abgeben und mit dem gewünschten Stempel im Pass zurückbekommen. Posten Nummer drei ist der Zoll, die Dame wirft in einige der Taschen einen mehr oder weniger lustlosen Blick und fragt nach Waffen. „Nur Atomwaffen!“ antworte ich grinsend und bekomme ein ebensolches zurück und wir sind auf der anderen Seite. Dort wartet auch schon unser neuer Fahrer und wir holpern auf der löcherigen Straße noch die 3 Kilometer bis in die Stadt Pecory.

Dies ist ein kleines Nest und es scheint sich in den letzten 19 Jahren, die ich nicht mehr im Lande war, auch nicht viel geändert zu haben. Die mit nagelneuen Mercedes Benz beladenen Trucks rollen wohl durch bis Moskau, hier bestimmen rostlaubige Lada immer noch das Straßenbild. Inmitten von grauen Wohnblocks befindet sich ein grauer betonierte Platz, das Zentrum der kleinen Stadt und hier steht auch das einzige Hotel. Die Zimmer sind eher rustikal und einfach und die „Deschurnaja“ hinter dem Tresen, eine kräftige Russin mit lauter Stimme und Bewegungsarmut braucht ein halbe Stunde zur Verteilung der vier Zimmer. Dieses Zimmer oder jenes Zimmer oder doch in der dritten Etage. Es hat sich wirklich nicht viel geändert, denke ich so vor mich hin. Aber die Räume sind sauber und es gibt heißes Wasser und warum sollte ich auch einen Blick unters Bett werfen wollen.

Auf den kleinen Straßen bestimmen die Alkoholiker das Bild und ältere Frauen mit Kopftuch. Wir machen eine Runde durchs „Zentrum“, dessen Bild durch zahlreiche kleine Schnapsläden bestimmt wird und finden dann eine Bank. Auch hier wieder gutes Ost-feeling, ungefähr 25 Leute in der Warteschleife. Trotzdem dauert es nur 20 Minuten, bis wir unsere Euro umgerubelt haben. 39,1 Rubel gibt es für einen Euro und nun müssen wir nur noch herausbekommen, wie die Preisverhältnisse sind.

Das Angebot in den Läden ist in Ordnung, neben den vielen Alkoholika auch reichlich Käse, Wurst und Butter und alles andere, vom Preisniveau alles ein paar Prozent unter unseren deutschen Preisen, aber nicht sehr viel billiger.

In der Stadt soll es ein bekanntes Kloster geben und tatsächlich tauchen hinter den grauen Wohnblocks die blau-goldenen Kuppeln einer russisch-othodoxen Kirche auf. Hinter einer hohen steinernen Mauern liegt dann auch eine große und prachtvolle Klosteranlage. Für Frauen ist selbst Eintritt in langen Hosen nicht erlaubt, aber es gibt eine Ausleihstation für Wickelröcke, auf Kopftücher wurde nicht unbedingt bestanden.

Mit einer großen Pilgertruppe vom Schwarzen Meer sind wir die einzigen Gäste und warten auf einen geführten Rundgang. Dann kommt ein dicker Pope in schwarzer Robe, mit langem Bart und Ledergürtel und lässt nur die angemeldete Gruppe ins Gewölbe. Heute sei kein offizieller Besichtigungstag und morgen auch nicht und außerdem erzählt er noch was von den Kartoffeln, die in die erde müssen. Doch nun erscheint ein zweiter Mönch, das genaue Gegenteil von dem anderen, dürr und hager von gestalt, ebenfalls Rauschebart und mit Zahnlücke und Goldzähnen. Der ruft: „Kommt ihr aus Deutschland? Na dann kommt mit!“ und wir drängeln uns am dicken Bauch des ersten Mönchs vorbei ins Innere.

Unter dem Kloster liegt ein riesiges Felsengewölbe mit langen dunklen Gängen, Hier liegen die Patriarchen, also die Klosterchefs aus der Region der letzten 600 Jahre in schmalen Nieschen im Fels begraben. Licht gibt es nicht im Gewölbe, deshalb hat jeder am Eingang eine kleine Kerze bekommen. Die Kühle im Gewölbe und die dunklen, nur von dünnen Kerzen bestrahlten Gesichter verbreiten eine eigenartige Stimmung, ein bisschen wie in einem Horrorfilm und der dürre Priester mit Goldzahn und Zahnlücke passt hier auch noch genau rein. Viel zu sehen ist nicht im Dunkel, an den Gewölbewänden befinden sich mehr als 9oo relativ schmucklose grabplatten und an den Enden einzelner Gänge immer eine Arte kleine Kapelle. Draußen ist es dann wieder wunderbar warm und die Führung geht weiter durch den Klostergarten mit unzähligen Johannisbeer- und Stachelbeersträuchern, dass Frühstück für die heiligen Brüder dürfte also nicht schlecht aussehen. Vom Garten hat man auch noch einmal ein gute Aussicht über die ganze Anlage mit dem drei oder vier Basilika mit bunten Zwiebeltürmchen, die Mauer, die die Anlage umrundet und den Hof mit den farbigen Häusern.

Zurück in der Stadt suchen wir uns ein Lokal und versuchen uns an der russischen Speisekarte, mit etwas Mühe bekommen wir einen Großteil der Salate und Gerichte übersetzt. Die erste Soljanka auf russischem Boden ist dann auch gleich die schlechteste bisher, oben wabbert eine dicke Fettschicht und es wurde vorwiegend knorpeliges Fleisch und fettester Speck verarbeitet. Die anderen Salate und kleinen Gerichte waren besser. Zum Nachspülen und auf den gelungenen Grenzübertritt spendiere ich am Abend noch eine kleine Flasche Wodka und dann fällt auch das Schlafen leichter.