Archiv: 2011 Transeurasien

37. Tag: Sonntag, der 22. Mai 2011

Sonntag, den 22. Mai 2011

Olga an der Wolga

147 Kilometer Kilometer von Ostaschkow nach Rschew, hügelige 400 hm auf recht guter Straße, fast schon Sommerwetter bei 26 Grad

Wir verlassen unser schönes Domzil am Seliger See, den Sonnenaufgang hat natürlich niemand so richtig mitbekommen, denn der war ja schon irgendwann gegen 3.30 Uhr in der Nacht.

Gleich am Ortsausgang lobe ich mir meine Gruppe, der Wegweiser zeigt knappe 150 Kilometer bis zum Ziel. Mein Gott, bei der 2008er Gruppe von Athen nach Beijing hätte ich jetzt einen Streik gehabt, heute kommt der Kommentar auf platt: „Jo, da mach’mer halt nich so viel Pause, ne!“ Pragmatismus pur.

Das Wetter ist auch perfekt für einen langen Ritt, kein Wölkchen trübt den Himmel und ab 10 Uhr ist es sehr angenehm warm. Auch die russischen Straßen spielen uns heute nicht übel mit, es gibt zwar ein paar Schlaglochkilometer, aber der größte teil der Strecke ist richtiggehend gut zu befahren.

Vom Seliger See sehen wir nicht mehr viel, es geht hügelig immer durch Birkenwälder und auch nur eine einzige richtige Ortschaft durchfahren wir, danach wieder schöne Hügel, Birken und ab und an ein Flüsschen. Dass die Wolga auch nur ein paar hundert Meter entfernt ist, zeigt uns auch nur die Karte. Am Morgen schwarten wir erst einmal 50 km ohne Pause, dann machen wir ein kleines Picknick und ziehen wieder 65 Kilometer fast am Stück durch. Dann gibt es natürlich weit und breit keinen Ort und so verzichten wir auf die Nachmittagspause und fahren weiter. gegen 16.30 Uhr sind wir in Rschew und haben einen Schnitt von 20,5 km/h auf dem Tacho stehen und wir sind nicht gehetzt und Rückenwind hatten wir auch nicht, aber auch kein Lüftchen von vorn.

Das Hotel ist ein sowjetischer Bau, quadratisch und hässlich, so wie die Empfangsdame. Sie will von allen Hotels die Registraturscheine. „Haben wir nicht, das interessiert in anderen Städten niemand mehr.“ Fast hätte ich angefügt, dass die Sowjetunion vor 20 Jahren aufgehört hat zu existieren. Sie entlässt uns dann nach umständlicher Zimmerverteilung, das Wasser ist nur kalt, eine warme Dusche gebe es in der ersten Etage, aber nur bis 20 Uhr.

Die Zimmer sind ok und sauber mit dem spröden Charme der späten 80er Jahre, aber den versprüht das gesamte Städtchen. Überall gibt es Plattenbauten mit viel Gerümpel dazwischen. Anstatt des üblichen Lenins erinnert eine große Skulptur an die Befreiung von Hitlerdeutschland.

Im kleinen Freiluftlokal neben dem Hotel bekommen wir ein paar nette Salate, Hühnerfilet oder Pelmeni. dazu ein paar Biere in der Abendsonne und einen Blick auf die Wolga, die hier noch ein kleineres Flüsschen ist. Wir werden ihr noch ein paar Wochen folgen und zusehen, wie der Fluss zum Strom erwächst.

Am Nachbartisch sitzt Olga und kann den Blick gar nicht von mir lassen. Ich spiele ein wenig mit, blicke zurück und proste ihr zu. Dann müssen wir ein Foto mit ihr machen und damit ist dann für heute genug geflirtet für den heutigen Tag.

36. Tag: Samstag, der 21. Mai 2011

Samstag, den 21. Mai 2011

Räucherfisch und Ferienstimmung

115 Kilometer von Demjansk nach Ostaschkow, 600 hügelige Höhenmeter im Waldai, schlechte Straße und 30 Kilometer Piste; Relaxen am Seliger See bei bis zu 25 Grad und Sonne

Leider gibt es nicht um 7 Uhr Frühstück, sondern erst um 8 Uhr und ich bin ziemlich sauer auf die Dame vom Hotel, die nicht wusste, dass die Stolowaja, also das kleine Restaurant unten erst um 8 Uhr öffnet. nach der katastrophalen Disconacht hätten wir so eine gute Stunde länger schlafen können.

Recht müde humpeln wir über die holprige Piste und es gibt nur ein paar mickrige Dörfer in denen sich Fuchs, Hase, Igel und Nacktschnecken einen Guten Abend wünschen. Viele Häuser sind verfallen und zusammengebrochen und Leute sieht man kaum auf der Straße. Wir kommen langsam in die Waldai Höhen. Es gibt ordentliche Hügel zwischen vielen Seen. Die landschaft ist wie immer beeindruckend, aber wir müssen uns eher auf die Straße konzentrieren um nicht in die Schlaglöcher zu fallen. nach 30 Kilometern hört der Asphalt ganz auf und wir fahren gute weitere 30 Kilometer nur auf zum Teil sandiger Piste. Wenigstens sind die Temperaturen sehr angenehm und wir sind irgendwie am regenschauer vorbeigefahren, denn der Sand unter unseren Rädern ist noch feucht. Manchmal fährt es sich schwer, aber die wenigen Fahrzeuge stauben uns auch nicht zu.

Wir picknicken an einem See und beobachten die Angler. Auch Wadim unser Fahrer ist fasziniert vom Angeln und packt an jedem gewässer schnell seine Angel aus. Bis zum Seliger See hat er dann auch fünf winzige Fischlein gefangen.

Der seliger See ist recht beliebtes Ziel für die Moskauer, so beggenen wir mehr und mehr großen Autos mit 190er kennzeichen, die Zahl für das Moskauer Gebiet. Eine Sehenswürdigkeit hier ist eine grotthäßliche Betonpyramiede, in dieser wird Wasser verkauft, welches in 2 Liter Behältern einen Monat gelagert wird. Wegen der Bündelung der kosmischen Strahlen erhöht sich so die Wasserqualität und der Preis beträchtlich. An jeder ecke wird geräucherter Fisch verkauft, wir hatten ja schon am Vortage probiert, sehr lecker, aber mit dem Aal ist kein Schnäppchen zu machen, ein mittlerer geräucherter Aal kostet 1000 Rubel, also 25 Euro.

Recht müde holpern wir in die Stadt und ich mache wieder einmal den Fehler und will mich nur 5 Minuten auf Ohr legen und wache nach einer Stunde gerade so rechtzeitig zum Abendbrot wieder auf. Danach sind alle recht müde und nutzen die herrliche Terrasse am Wasser zum Entspannen in der Abendsonne, die hier sehr, sehr lange tief am Horizont steht. Im gegenlicht auf einer Halbinsel die Zwiebeltürme einer Klosterkirche.

Ich mache noch einen Bummel durch die Stadt. Es gab hier wirklich sehr viele schöne Holzhäuser, aber viel ist verfallen und gammelt vor sich hin. Früher war hier mal richtig touristischer Rummel, es gibt noch eine Promenade am Wasser, an der sich heute die Alkoholiker, Angler und Pärchen treffen. Im Dorf finde ich noch zwei herrliche Kathedralen, die aber auch wegen Renovierung oder besser Baufälligkeit gesperrt sind.

Zurück im Zimmer gegen 22 Uhr ist die Sonne immer noch nicht weg, aber ich bin dann auch sehr müde und richte noch ein Massaker unter den im Zimmer lauernden 10 oder 12 Moskitos an, mit recht gutem Erfolg, ich kann ruhig schlafen. Da ich mir heute mit Wadim das Zimmer teile habe ich vorsorglich meine Ohren mit Ohropax verstopft, bevor er beginnt die Zimmereinrichtung zu zersägen, sogar Karin im Nachbarzimmer hat es mitbekommen.

35. Tag: Freitag, der 20. Mai 2011

Freitag, den 20. Mai 2011

Weiße Nächte und heiße Rhytmen

99 Kilometer von Staraja Russa nach Demjansk, ruhige Straße mit 30 km richtig gutem Asphalt, postsowjetisches Hotel und Disco unterm Bett, 150 hm bei angenhemen 18 Grad

Bevor wir heute die Stadt verlassen, sehen wir uns noch ein wenig um, auch in Staraja Russa gibt es einige schöne Kirchen und in den Straßen lange Reihen mit schönen Holzhäusern. Auch ein Dostojewski-Haus gibt es, hier hat der wichtigste russische Schriftsteller mit seiner Familie mehrfach seine Urlaube verbracht und Teile seiner Romane geschrieben. Am Rande des Zentrums befindet sich ein recht großer Sanatoriumsbereich mit mineralhaltigen Quellen.

Wir haben heute einen wunderbaren Radeltag, es ist mit bis zu 18 Grad recht angenehm warm und die Straße ist wenig befahren, allerdings auch recht mies mit vielen Löchern und holprigen Flicken. Es geht am Anfang erst einmal wirklich 40 Kilometer geradeaus durch den Wald, manchmal kann man die Straße über 2 bis 3 Kilometer einsehen.

In einem kleinen Dorf rasten wir vor einem kleinen Laden und dann geht es auf die zweite Hälfte. Hier wird plötzlich für 35 Kilometer der Asphalt super gut und es rollt sich wunderbar über leichte Hügel. Ab und zu kommt jetzt auch ein kleines Dorf mit ausschließlich Holzhäusern. Schon um halb vier sind wir in Demjansk einer postsowjetischen Kleinstadt. Es gibt ein mageres „Hotel“, das heißt in der zweiten Etage des zweistöckigen Baus gibt es genau vier Zimmer. Die Frauen bekommen die „Luxus-Suite“ und damit das einzige Badezimmer, für alle anderen gibt es eine Toilette auf dem Flur. Die Dusche wird nur gegen weitere Gebühr geöffnet. Allerdings ist es recht sauber im Hotel, wenn auch mehr als einfach.

Wie sich später zeigt machen wir am Nachmittag genau das Richtige, nämlich ein Schläfchen, im Ort ist eigentlich Nichts zu sehen oder zu tun. Neben Holzhäusern ein paar Betonzweckbauten und Wohnblocks, alles recht vermöhlt. Im „Zentrum“, also gegenüber einem grauen Platz mit Lenin-Statue nebeneinander drei mehr als gut sortierte Schnapsläden. Unten in der „Stolowaja“, also einem Imbiss-Restaurant sieht es nicht zu lecker aus und besorgen wir uns Wurst und Käse aus dem Laden, dazu haben wir noch Räucherfisch, den wir gestern erstanden haben und ein paar Biere und nutzen die „Suite“, um dort zu essen.

Nach den Bieren bin ich angenehm müde, werde aber recht schnell wieder wach, denn unten in der „Stolowaja“ donnert laute Discomusik und das die ganze Nacht, ich setze mich also an den Computer und schreibe meine Texte weiter und bearbeite Bilder, aber auch um 2 Uhr ist noch nicht Schluß mit dem ohropaxbrechenden Rhytmen. Von Michael Jackson bis russischem Schlager und Techno wird alles gespielt. Runtergehen und mittanzen geht auch nicht, denn die Etagendame hat die Zwischentür vom Hotelbereich, sowie die Hintertür versperrt. Man könnte sie wecken und hinausgehen, aber es gäbe dann keine Chance mehr wieder hineinzukommen.

Nachts wird es hier erst um 23 Uhr dunkel, in Nowgorod war es noch extremer, da ging die Sonne nur ein wenig unter den Horizont und es war die für die nächsten Stunden ein rötlicher Schimmer zu sehen, bevor es gen 4 Uhr schon wieder hell wird. Wenn ich 2014 hoffentlich wieder hier herkomme, dann fahren wir vielleicht doch bis nach St. Peterburg, um dort die „Weißen Nächte“ genießen zu können. Heute, fast schon eingesperrt im Hotel, war es jedenfalls nicht so sehr der Genuss.

34. Tag: Donnerstag, der 19. Mai 2011

Donnerstag, den 19. Mai 2011

Heimat der Fische

114 Kilometer von Novgorod nach Staraja Russa, 13 bis 18 Grad bei Sonne mit Wolken, flaches Land, viel Wasser und weite Landschaft

Nach dem dicken Frühstück setze ich dann doch noch meinen „Gruppenwillen“ durch und wir fahren noch einmal zum Freilichtmuseum. Da dieses erst um 10 Uhr öffnet, wechseln wir noch die ketten, wir haben 2500 Kilometer hinter uns und ich habe vor, bis Beijing mit zwei Ketten abwechselnd zu fahren um das Material zu schonen. Danach besichtigen wir dann zusammen das Museum und es ist wirklich toll und hat sich gelohnt. Die Holzhäusersammlung aus der Region ist beeindruckend und es zeigen sich deutliche Unterschiede zu den Häusern in Polen und in Litauen. waren dort Wirtschafts-und Wohngebäude immer getrennt, ist hier alles in einem haus untergebracht. Interessant sind die Wohnzimmer, die Bettstatt für die Großeltern ist immer auf dem Ofen. das Interieur ist liebevoll zusammengestellt und lässt Einblicke in das Landleben hier zu, wahrscheinlich nit sehr einfach, aber auch nicht ungemütlich.

Erst gegen 11.30 Uhr kommen wir dann richtig los und fahren die ersten 50 Kilometer auf unserer Strecke von vorgestern wieder zurück. Wieder geht es durchs Marschland mit vielen Seen und Teichen und am Ilmen-See entlang. Wie fast an jedem Gewässer gibt es Unmengen von Anglern und ich denke an meine gestrigen geschichtlichen Ausführungen zurück, dass das Gebiet ursprünglich von Warägern besiedelt war, die ausschließlich von Jagd und Fischfang leben, die heutigen Bewohner des Landes scheinen immer warägisches Blut in den Adern zu haben.

Auf der Hauptstraße haben wir dann heftig gegen Wind und Schlaglochpiste zu kämpfen und Barbara bekommt noch einmal eine Lektion im Windschatten fahren. Sie lernt heute gut dazu und klebt schon recht gut an meinem Hinterrad.

Die letzten 50 Kilometer geht es dann glücklicherweise wieder auf eine kleinere Straße und auch die Löcher sind nicht mehr ganz so groß. Links schimmert immer mal ein wenig der Ilmen-See durch und auch ansonsten gibt es viel Wasser.

Langsam häufen sich auch die Mahnmale, die an den Großen Vaterländischen Krieg erinnern, also an die Vertreibung der deutschen Faschisten. Das Gebiet, das wir in den nächsten Tagen durchfahren, war hart umkämpft und hier haben unzählige Soldaten beider Seiten das Leben gelassen, ohne das dabei große Geländegewinne gemacht wurden.

Gegen halb sieben erreichen wir dann Staraja Russa, keine schlechte Zeit für den späten Aufbruch vom Museum, die lange Strecke und den Gegenwind. Wir beschließen, im Hotel zu essen und es lohnt sich, es gibt leckere Fischgerichte und auch die Suppen sind richtig gut.

Dazu singt dann eine Alleinunterhalterin, die ihre Liedchen im Halbplayback trällert und das fast nur für unseren Tisch. So geht der Abend recht fröhlich zu Ende, zumal wir recht durstig gut zum Bier gegriffen haben.

33. Tag: Mittwoch, der 18. Mai 2011

Mittwoch, den 18. Mai 2011

Stürmisches Novgorod

Ruhetag in Novgorod mit langem Stadtspaziergang

Das Frühstück ist zum Jubeln, Buffet mit bombenschweren Salaten mit viel Mayonaise, die besonders ich liebe, sechs verschiedene marmeladen, die Karin bevorzugt, frischer Obstsalat der Mirjam schmeckt, Käse und Wurst für Gerhard und Müsli für Jackie; also alle werden bestens serviert.

Nur das Wetter spielt nicht ganz so mit, es hat die ganze nacht gereget und auch heute sieht es nicht freundlich aus und genau als wir aufbrechen geht es wieder richtig los.m Wir beschließen noch einmal ins hotel zurück zu kehren und machen es uns in der Lobby gemütlich und ich zücke meine Notizen zur Stadt referiere eine gute halbe Stunde zur Geschichte Novgorods. Dann ziehen auch die Wolken ein wenig auf und wir beginnen unseren Stadrundgang.

Unser Hotel liegt auf der östlichen Seite der Stadt. Hier liegt das alte Handelszentrum der Stadt, natürlich auch mit zahlreichen Kirchen mit schönen Zwiebeltürmen oben drauf. Einige sind aber auch verschlossen und marode, schade um die historische Bausubstanz, die hier vor sich hingammelt. Ebenso ergeht es einigen schönen alten Holzhäusern und das in den Nebenstraßen, die fast nur einen Steinwurf vom Zentrum entfernt sind. Auch wenn Novgorod als großstadt für Russland zählt, mit 210.000 Einwohnern ist es doch eher provinziell.

Die Hochzeiten der Stadt liegen im Mittelalter, als der Handel in alle Richtung blühte. Die hanse hatt hier ihre Niederlassung und kontrollierte den Warenverkehr in alle Richtungen. Besonders profitierte man durch den Seehandel, da die litauer mit hohen Zöllen den Landweg sabotierten.

Der reichtum wurde natürlich sichtbar angelegt. Die Kirchen waren aufs prächtigste augestattet und mit herrlichen Fresken verziert. In einem Museum bestaunen wir Kacheln, die einstmals Fenster und Bögen der Kirchen einrahmten. Tolle Farben, Formen und Muster, die einen wunderbaren kontrast zu den weiß getünchten Wänden ergaben.

Auf blauen Ofenfließen im Delfter Stil Szenen aus dem Leben, man sieht die Koggen, die hier vor Anker liegen und be und entladen werden.

Auf der anderen Seite des Wolchow liegt der Kreml. Dies ist der prachtvollste Regierungssitz, den wir bisher gesehen haben. Die Mauer ist komplett erhalten und wird von zahlreichen mächtigen Türmen eingerahmt. Im Zentrum die St. Sophia Kathedrale. In diese flüchten wir uns, da ein neuer mehr als kräftiger Gewitterguss niedergeht. Dazu peitscht der Wind in heftigen Sturmböen. na Gott sei Dank sitzen wir heute nicht auf den Rädern und müssen radeln und hoffentlich wird es morgen etwas angenehmer!…..

……..jetzt muss ich erst einmal Schluss machen, denn die Dame wirft mich aus dem Cafe, na schnell noch die Bilder hinterher und der text kommt beim nächsten mal, wer weiß, wo das sein wird, denn die Internetlage im Land ist nicht toll. Also dann bis demnächst

Euer tomtomtofu