77. Tag: Freitag, der 1. Juli 2011
Freitag, den 1. Juli 2011Heiße Geburtstagsnacht
133 km von Tschuluim nach Novosibirsk, 128 hm bei Sonne und Wolken bis 26 Grad, am Nachmittag leichter Sommerregen, sehr belebte M 51 Hauptstraße
Es war eine der heißesten Nächte in meinem Leben, zwei Männer und drei Frauen in einem winzigen Motelzimmer an der Haupttrasse in Westsibirien. Was sich da abspielt kann sich jeder gut vorstellen! Aber nicht in die falsche Richtung denken, es war einfach eng und die Sonne hat bis 22 Uhr durchs Fenster geballert, also mehr als heiß und stickig und an ruhigen Schlaf ist bei 30 Grad Raumtemperatur und einer donnernden LKW Kolonne auf der Straße vor dem Fenster nicht zu denken.
Meine Mitstreiter haben meinen Geburtstag nicht vergessen, in einem riesigen Karton bekomme ich ein paar Blümchen, Bier und Schokolade, mit dem Sonnenaufgang sind wir nach einem mickrigen Imbiss unten im Bistro 6 Uhr auf der Straße und fahren in die Morgenkühle.
Im Morgenrot sind die Nebel heute noch faszinierender als am Tag zuvor und liegen wie ein verzauberter Vorhang über der Landschaft. Heute pfeift wiederum und glücklicherweise kein Wind und so lässt sich in den ersten Stunden die weite der natur auch richtig genießen. Und wir haben noch mehr Glück, ein dünner Wolkenteppich schiebt sich vor die Sonne und es wird nicht zu heiß, das hält auch die Bremsen von uns fern. Dafür kommt dann eine Art winzige Fliegen, die uns umschwirren und sich ganz gerne in Ohren und Nasenlöcher verirren. Sibirien ist wirklich ein Land für Insektenfreunde, ein riesiges Naturschutzgebiet für sechsbeiniges Getier in dem Menschen nur zur Fütterung dienen.
Auf die Millionenstadt Novosibirsk am Flusse Ob zufahrend wird der Verkehr wieder stärker und die Straße schlechter und vor allem schmaler und ohne Seitenstreifen. Das heißt, dass die Trucks mehr als gelegentlich fast auf Tuchfühlung an uns vorbeirauschen, einmal saust der Außenspiegel eine LKW nur zwei Zentimeter an Barbaras Ohr vorbei.
Bei dem nicht zu heißen Wetter kommen wir aber mehr als gut voran. Gegen 11 Uhr machen wir Mittag und haben schon 85 Kilometer weg. Wir sind aber noch frisch und brauchen keine lange Pause. Schon gegen halb drei rollen wir dann langsam in die Stadt ein und es fängt ein wenig an zu regnen, aber das ist eher angenehm als lästig, ein schöner Sommerregen bei 26 Grad. Die Transsib fährt mehrgleisig gleich zu unserer rechten Seite und begleitet uns bis zum Ziel. Obgleich Novosibirsk 1,5 Millionen Einwohne hat ist die Orientierung kein großes Problem, man erreicht das Zenntrum über eine Brücke über den Ob. Hier finden sich Hafenanlagen und man hat einen Blick über die Satellitenstädte und Neubaugebiete rundherum. Im südlichen Teil der Stadt finden sich ein paar Hochhäuser und weitere sind im Bau. Ansonsten orientieren wir uns am Krasnui Prospekt und finde so den Leninplatz, an dem sich auch unser Hotel befindet. „Zentralnui“ heißt es und ist das ehemalige Intourist Hotel und entsprechend sozialistisch schaut es von innen und außen noch aus. Lediglich die Zimmer haben irgendwann in den 90ern eine Renovierung erfahren und der Service am Counter ist erstaunlich schnell mit Erledigung der Formalitäten, Erstellung der Rechnung und dergleichen.
Ausländer müssen sich in Russland in jeder Stadt, in der sie sich länger aufhalten bei der Polizei registrieren lassen. Das übernehmen die Hotels und man bekommt jedes Mal einen Wisch, der mitgeschleppt werden muss und im nächsten Ort wieder vorgelegt werden soll. So schleppen wir jetzt schon an die 20 solcher Registrierungsscheine mit uns herum und mit jeder Großstadt werden es mehr. Die Rezeptionsdamen verdrehen bei der Prozedur genauso die Augen wie wir. Glücklicherweise ignorieren kleine Hotels und Motels die Meldepflicht, ansonsten bräuchten wir einen Fahrradanhänger für die Aktenordner voller Papier.
Jetzt haben wir auch Zeit und Gelegenheit meinen Geburtstag mit einer großen Flasche Wodka zu begießen, auf ein weiteres gutes Reisejahr und viele neue Erlebnisse: Na sdarowje!
Danach schlägt dann die Müdigkeit richtig zu und bis zum Abendessen betreiben wir Körper und Augenpflege.
Nach dem Abendessen ärgere ich mich dann doch noch über das Hotel, das Internet funktioniert kaum, obgleich beim Einchecken nachgefragt, gibt es auf der Etage keinen Empfang, in der Rezeption ist er mies und im Restaurant ebenso, dazu ist es noch laut. Mails kann ich runterladen, aber eine Webseite bekomme ich nicht auf und das ist ärgerlich, weil ich jetzt am Abend noch in der Stadt rumlaufen und ein Cafe mit Wireless finden muss. Gut, dass ich am Nachmittag etwas geschlafen habe, denn es wird wieder eine lange Sitzung im netz und morgen das gleiche Spiel noch einmal. Eigentlich sind die Ruhetage für mich eher Stresstage, an denen das Geschehen der letzten Woche aufzuarbeiten ist.