Archiv: 2011 Transeurasien

82. Tag: Mittwoch, der 6. Juli 2011

Mittwoch, den 6. Juli 2011

Graue weite Weiten

121 km von Krasnui Jar nach Tjaschinski, 400 hm , bewölkt und kühl und grau bei 17 Grad, mittlerer Verkehr auf der M53

Heute ist nicht so richtig mein Tag, der wieder recht zeitig beginnt. Ich höre schon und halb sechs die Dusche rauschen und springe sofort ins Bad, damit noch etwas heißes Wasser übrig bleibt und nicht wieder vom Nachbarzimmer alles weggeduscht wird, danach schlafe ich noch mal ein und werde gerade im schönsten Traum wieder geweckt.

In der Stolowaja unten ist das Frühstücksangebot nicht besonders toll und eine mittelmäßige Soljanka und drei halbe Scheiben Brot sind nicht so der Bringer.

Draußen regnet es nicht mehr, aber es ist recht grau, als wir wieder auf die Piste kommen. Die Landschaft wird wieder etwas eintöniger und bleibt auch den ganzen Tag so. Es gibt ab und zu ein paar schöne Hügel, die für Abwechslung sorgen, aber ansonsten ist heute ein reiner Arbeitstag, also treten, treten, treten. das geht zwar recht gut, weil der leichte Wind wieder von hinten weht. Bei schönem Wetter wären vielleicht ein paar Fotomotive herausgesprungen in der weiten Landschaft mit sanften Hügeln, aber so eben nicht.

Die Stadt Mariinsk kündigt sich zwar per Plakaten als Stadt der Museen an, aber erst kommen reihen wiese nur mehr oder weniger hübsche Holzhäuser und die Straße durchs Städtchen ist ein Zumutung, Holperpiste mit riesigen Pfützen vom gestrigen Regen. Die Stolowaja, also ein Bistro ist eher mäßig und nach 80 Kilometern haben wir recht großen Hunger. danach ist der Bauch voll und die Beine wollen nicht mehr treten, müssen aber.

Etwas Abwechslung bringt ein rasender Reporter, der uns in der Stadt gesehen hat und Umgehend Kamera und Stativ in den Lada geworfen hat und uns am Ortsausgang abfängt. Ein schnelles Interview und dann geht es weiter. Es sieht so aus, als ob es jeden Augenblick regnen will, dann kommen schon zwei oder drei Tropfen und dann doch nichts mehr. Also rein in die Regenklamotten und dann wieder raus, weil man drei Kilometer weiter bis zum Umfallen schwitzt.

Gut, dass ich mein GPS-Gerät am Lenker habe, das sieht man dann schön, wie der Zielort näher kommt und freut sich auf das Ende des Tages. Die Raststätte ist recht mies, die Zimmer haben keine Fenster, was bei dem kühlen Wetter kein Problem ist. Die Dusche ist ein Abenteuer, aber schön heiß. Die anderen fallen in den Tiefschlaf und ich gehe runter in die Stolowaja und kann meine Notizen nachholen, bevor alle zum Essen eintrudeln. Das eh schon magere Menü ist schon recht ausgedünnt und es gibt dieses nicht und jenes nicht und dieser Salat ist auch alle und Eierkuchen und Milchreis morgen zum Frühstück sowieso nicht. Die hübsche Bedienung sorgt am Abend für etwas optische Abwechslung, aber ansonsten klingt ein doch recht öder Tag im zimmerlosen Fenster aus. Schnell schraubt sich die Temperatur dann doch noch auf 30 Grad hoch und es wird erst gegen Morgen erträglicher.

Naja, man kann ja nicht immer nur gute Laune haben und morgen früh sieht wieder alles ganz anders aus.

81. Tag: Dienstag, der 5. Juli 2011

Dienstag, den 5. Juli 2011

Insektenfrei im Altai

96 km von Kamerowo nach Krasnui Jar, 900 stattliche Höhenmeter durch den Altaiausläufer, Anfang stressiger, später erträglicher Verkehr auf der M 53 in schöner Landschaft, sonnig, dann wolkig und abends Regen bei max. 17 Grad

Obwohl die Sonne fröhlich leuchtet ist es recht kühl. Auch das hatten wir hier in Sibirien anders erwartet, bis auf die drei wirklich heißen Tage ist es doch recht kühl oder fast schon kalt hier und wir sind ja inzwischen mitten im Sommer angekommen.

Gleich aus Kemerowo heraus geht es kräftig den Berg hoch, wir werden heute einen Ausläufer des Altai durchqueren und das wird sich wohl ziemlich bemerkbar machen. Am Anfang ist die Straße schmal und der Verkehr dicht und stressig, aber das wird rasch besser und auch bergiger. Schöne Anstiege um die drei Kilometer Länge mit 200 Höhenmetern Unterschied, das bereitet mit viel Freude. Ich mag wirklich die langen Anstieg, da kann man Kopf und Körper richtig darauf einstellen, das ist fast wie Meditation, während Hügel oder kurze Berge für mich eher nervig sind. Unten muss man Anlauf nehmen und meistens tritt man dann viel zu „dick“ und ist oben platt wie auf einem Himalya-Pass.

Wenn ich es richtig bedenke, sind es die ersten richtigen Berge, die wir zu radeln haben, alles andere waren bisher, zumindest für mich, nur längere Hügel. Spaß macht es allemal, weil die Temperatur noch nicht einmal 18 Grad erreicht und ein leichter Wind von hinten schiebt. Die Straße ist frisch geteert, an manchen Stellen ein bisschen zu frisch, so dass einem bei entgegenkommenden Fahrzeugen die Steine um die Ohren prasseln, dann heißt es nur, den Helm ganz tief ins Gesicht ziehen. Noch einen Vorteil hat das kühle Wetter, es gibt keine Mücken, keine Bremsen und anderes lästiges Kleingetier und das ist wirklich wunderbar. Der einzige Nachteil ist, dass ich meinen edlen Körper nicht weiter toasten und bräunen kann, aber für die Insektenfreiheit verzichte ich darauf gerne.

Die hügelige Berglandschaft ist wunderschön, es gibt sogar ab und zu einmal wieder ein Dorf, irgendwo idyllisch auf eine Gebirgswiese verteilte Gehöfte und Holzhäuschen. Überall blühen mehr als bunte Blumen und alles ist sehr farbenprächtig. Leider zieht der Himmel recht schnell zu und als wir nach ordentlicher Anstrengung dann Krasnui Jar erreichen, fängt es an zu regnen. Sehr schade, denn der Ort sah ganz nett aus, wir sind zeitig eingetrudelt und ich hätte ganz gern noch einen Spaziergang gemacht. So legen wir uns alle auf die Betten und schlummern ein wenig, bevor es dann nach unten zum Abendessen geht.

Abwechslung bringt dann ein Amerikaner, der mit seinem Rad aus entgegen gesetzter

Richtung eintrudelt und gründlich durchgeweicht ist. Wir fangen an Geschichten zu erzählen und bieten dann noch einen Platz in unseren Zimmern an, da alle anderen Zimmer belegt sind und das nächste Hotel oder Motel erst 50 Kilometer weiter ist, bei Regen und am frühen Abend kein richtiger Spaß!

80. Tag: Montag, der 4. Juli 2011

Montag, den 4. Juli 2011

Tag mit Höhen und Tiefen

121 km von Schurawlewo nach Kamerowo, 30 km recht gute Piste, Sonne und Wolken bis 18 Grad, 306 hm auf ruhiger Straße

Obgleich gestern Abend noch recht frisch nach den 150 Kilometer, fühlen wir uns heute morgen alle etwas zermatscht, aber im Lokal unten gibt es Michreis und Pfannkuchen, das geht gut ohne zu denken und zu kauen runter und schmeckt dazu auch noch.

Am Abzweig nach Norden dann die erste Überraschung, die Straße, obgleich als Straße zweiten Ranges in der Karte verzeichnet, ist nicht asphaltiert, aber die Piste ist recht ordentlich zu fahren. Eigentlich ist es erstmals richtig so, wie man sich Sibirien vorstellt: richtig weite Landschaften, ab und zu ein kleines, lumpiges Dorf und eine einsame Piste, die immer geradeaus führt. Rechts und links der Straße wächst Getreide. In die Reihen wurde gleichzeitig Hanf mit ausgesät, obwohl das eigentlich keinen Sinn macht. Oder ist das vielleicht eine neue Methode, um den „Nutzhanf“ besser zu tarnen, aber dann doch nicht direkt an der Straße…..oder vielleicht gerade deshalb.

Nach 30 schönen Kilometern kommt der Asphalt zurück und es sind sofort auch wieder mehr Autos auf der Straße. Wo kommen die auf einmal alle her, es gab weder einen größeren Ort, noch einen Abzweig oder Zubringer, aber es bleibt wenigstens immer noch wesentlich ruhiger als auf der Hauptstraße, leider wird es uns wohl bis Irkutsk kaum gelingen, weitere Nebenstrecken zu finden.

Am Nachmittag geht es dann recht hügelig auf die nächste größere Stadt, Kemerowo, zu und kurz vor dem Ziel habe ich dann einen Plattfuß. Ursache ist der Mantel, der sich langsam an der Seite auflöst. So scheibnt uns die Ursache, weil wir nix anderes finden. Kaum ist der Schlauch geflickt und wieder eingezogen und das Rad bepackt, wird der Mantel schon wieder „matschig“, also wieder alles abbauen und die Ursache ist wieder einmal bnicht zu finden. Erst beim vierten Versuch, natürlich wieder ohne Ursache klappt es endlich und die komprimierte Luft bleibt dort, wo sie sein soll. Das hat natürlich jede Menge Zeit gekostet und so ist es dann doch schon wieder 18 Uhr, als wir in die Stadt einrollen und für einen Spaziergang bleibt kaum noch Zeit.

Im ersten Hotel sind die Preise utopisch hoch und es gibt kein warmes Wasser, also ziehen wir noch ein Stück weiter. Dieses land ist schon unglaublich, da wird in der halben Stadt für mehr als 2 Wochen das Warmwasser abgedreht und die Leute machen das ohne zu murren mit (…..vielleicht kommt ja Wodka als Ersatz aus dem Hahn).

Am Ufer des Tom-Flusses steht dann ein sowjetischer Kasten, der ebenso heißt wie der Fluss und ich. Der Laden hat zwar die Duschen im Keller, aber in den Zimmern gibt es ein Waschbecken und ein Radio aus den 70er Jahren, also ein an die Wand montierter Lautsprecher mit einem Sender und auch ansonsten geht es eher sowjetisch rutikal zu, nach Internet brauche ich gar nicht erst zu fragen.

Am Ufer des Flusses findet sich eine schöne Promenade, hier spaziert in der Abendsonne die halbe Stadt und man zeigt, was man hat. Die Mädels haben sich schick gemacht und die Jungs posieren mit freiem Oberkörper auf ihren Mountainbikes.

Der Duft einer Grillbude zieht uns magisch an und ein Schaschlik wird dann auch unser Abendbrot, das ist zwar ziemlich lecker, aber nach 120 Kilometern nicht ganz ausreichend und so brauche ich noch fast 2 Tafeln Schokolade zum Nachtisch, um meine „Gier“ nach Energie zu stillen.

79. Tag: Sonntag, der 3. Juli 2011

Sonntag, den 3. Juli 2011

Der perfekte Tag

148 Kilometer von Novosibirsk nach Schurawlewo, hügelig auf nicht zu großer Straße durch den Altaiausläufer, 656 hm bei Wolken und Sonne und zwei kurzen Schauern bis 18 Grad

Morgens ist es recht kühl, nur 14 Grad, aber sehr schön. Mit steigender Morgensonne verlassen wir Novosibirsk. Ein paar tage haben wir nun wieder einmal Nebenstrecke vor uns und nicht die Hauptmagistrale, die weiter im Norden einen Bogen um den Altaiausläufer macht, den wir durchqueren wollen.

Am Rande der Stadt gibt es einen riesigen „Chinesenmarkt“, hier findet man unter Zelten und an Ständen, alles was billig im Reich der Mitte produziert wird. Unter den Händlern sehe ich meistens aber turkstämmige Gesichter, also Kasachen oder Kirgiesen, aber ein paar „richtige“ Chinesen sind auch dabei.

Noch in der Stadt kommen die ersten Hügel des Altaivorgebirges, aber die Steigungen sind sanft und gemütlich und nicht zu lang. Die Landschaft hat sich gegenüber den riesigen Ebenen der letzten tage grundlegend verändert, vor allem am Vormittag gibt es viel Wald. An der Nebenstrecke sieht man auch ab und an ein Dorf. An den Abzweigen zu den Dörfern stehen reihenweise Ladas, der Kofferraumdeckel ist hochgeklappt und darin befindet sich ein frisch geschlachtetes Schwein. Hinter dem Auto steht ein schwerer Hackklotz und der abgehackte Schweinekopf soll dem vorbeirauschenden potentiellen Kunden sagen, was es hier zu kaufen gibt.

Die Bewölkung hat dramatisch zugenommen, aber zwischen dicken und dunklen Wolken gibt es immer wieder große Sonnenlöcher. Ein paar Mal sausen wir an einem Regenguss knapp vorbei und nur zwei Mal erwischt uns ein Schauer und fünf Minuten später kommt die Sonne wieder hervor. Wunderbar sind der leichte Rückenwind der uns voran treibt und die angenehmen Temperaturen.

Am Nachmittag wird die Landschaft etwas offener und manchmal kann man am Horizont einen bewaldeten Zug des Altai im Süden erkennen. Seit langem sehen wir wieder einmal Getreidefelder und dazwischen viele Gruppen mit Birken und Wiesen und Weiden. Jetzt im Sommer gibt es überall Blumen in allen Farben.

Schurawlewo liegt malerisch an einem See und wir genießen noch ein wenig die abendliche Aussicht, trotz der knapp 150 Kilometer fühlen wir uns noch recht frisch, auch Dank des leichten Windes, der heute wieder einmal von hinten blies. Das Restaurant ist außergewöhnlich gut, mal wieder kein Essen, das mit der Mikrowelle aufgewärmt wurde, sondern frische Salate und alles sehr lecker und hasugemacht. Und auch die Russen wissen das zu schätzen, denn der Laden macht außergewöhnlich guten Umsatz. Auch die Zimmer sind recht schnuckelig, auch wenn das Ausziehsofa nicht sonderlich bequem ist.

78. Tag: Samstag, der 2. Juli 2011

Samstag, den 2. Juli 2011

Melancholie auf Birkenrinde

Ruhetag in Novosibirsk, Stadtspaziergang und gemütliches Abhängen (Chillen)

Gut, dass wir das Frühstück im Hotel nicht dazu gebucht haben, das Buffet ist mehr als mager, wir wären die einzigen Gäste gewesen und die fettleibige Matrone, die das Buffet bewacht, ist auch nicht begeistert über den Gedanken, dass nun doch Gäste kommen. Also drehen wir um und verlegen das Frühstück aufs Zimmer, einen Supermarkt gibt es schließlich gleich um die Ecke.

Novosibirsk ist nicht die klassische Stadt mit Denkmalen und Sehenswürdigkeiten, aber das Zentrum ist schon einen Bummel wert. Am südlichen Ende des Krasnui Prospekt befindet sich eine kleine Kapelle mit goldener Kuppel, die 1905 hier zur Einweihung der ersten Brücke der Transsibirischen Eisenbahn erbaut wurde und den Mittelpunkt des damaligen Russlands markiert. Sehenswert sind die sozialistisch-klassizistischen Fassaden einiger Häuser aus der Zeit Stalins und der Sowjetunion und das eigentliche Zentrum der Stadt ist der Lenin Platz. Hier findet heute so etwas wie ein Kunstgewerbe-Markt statt und darüber lässt sich schön bummeln. neben dem üblichen russischen Kitsch wie geschnitzte Löffel und Matroshkas, finden sich Händler mit traditionellen russischen Leinenhemden in modernen Design, handgeschneiderte Teddys, gestrickte Socken und Handschuhe für die langen Winter, sowie viel warme Schuhe und Stieflinge aus Filz. Die Filzlatschen sind äußerst praktisch, wenn man in Berlin in einer fußkalten Wohnung wohnt, aber für ein Paar Filzschuhe mit kleinem Teufelchen drauf, will der Händler 60 € haben und das finde ich ein wenig heftig. Der Winter ist ja noch weit entfernt und Filzschuhe gibt es auch in der Mongolei.

Interessant ist der Stand einer Künstlerin namens Ljubow Karkawina. Sie macht Kunst aus Birkenrinde. Sie sucht sich dramatisch gemaserte Stücken des typischsten aller russischen Bäume, schält diese aus dem Baum und fügt sparsam mit Pinsel und Farbe einige wenige Details ein. Das Ergebnis sind dann wunderschöne russische Landschaften mit verschneiten Ebenen, wilde, reisende Flüsse oder Gebirgslandschaften. Die Dame hat bereits in 53 Ländern ausgestellt und ist dabei eine Webseite zu erstellen, ich weiß natürlich nicht, ab wann diese zu sehen sein wird: www.berezovaya-rus.ru.

Erstaunlich ist auch, dass wir eine Händlerin treffen, die uns im Omsk schon hat radelnd auf der Straße gesehen, deshalb bekommt Barbara ein Fähnchen mit der Aufschrift: „Frieden der Welt!“ und freut sich riesig darüber.

So schlendern wir hier noch eine Weile über den Leninplatz mit der gigantischen Statue des Vordenkers in Kombination mit ein paar anderen Figuren des Sozialistischen Realismus. Vor allem die schönen Reliefs am Opernhaus sind auch mehr als einen Blick wert.

Da es im lande an Postkarten mangelt, seit Moskau sieht es da mehr als schlecht aus, beginnen wir heute mit der Produktion eigener Postkarten aus dem reichen Fundus meiner Bilder. Die Resultate werden dann so in zwei oder drei Wochen oder gar später zu Hause eintrudeln.

Den Nachmittag nutzt jeder für sich: Karten schreiben, spazieren…..ich sitze wieder am Computer, eine Datensicherung ist überfällig und die letzten beiden Tage fehlen noch im Blog.

Dann geht es schon wieder zum Abendessen und ich habe dann noch meine nächtliche Sitzung im Internet vor mir. Mit einiger Wahrscheinlichkeit tauchen wir jetzt wieder für mindestens eine Woche in den sibirischen Weiten unter, wo es zwar Moskitos im Überfluss, aber kein Internet mehr gibt. Wir melden uns dann wieder aus Krasnojarsk!