12. Tag: Samstag, der 15. Juni 2013
Samstag, den 27. Juli 2013Der iranische Horrortunnel
134 Kilometer von Aini nach Duschanbe, 1550 Meter hoch, durch den Anzob-Tunnel und 2070 Meter Abfahrt bis nach Duschanbe, sonnig bei 15 bis 28 Grad
Schon um 6 startet das Taxi mit Monika und Rüdiger in Richtung Duschanbe, wenig später sitzen Doro und ich auf den Rädern und wir streben dem zweiten Pass entgegen. Zumindest diesen Pass, den Anzob-Pass hätte ich sehr gern geradelt, denn hier hängen Erinnerungen daran. Bei meiner ertsn großen Tour vor 20 Jahren, war der Anzob mit seinen 3370 Metern der erste Pass über dreitausend, den ich gefahren bin, oben befand sich eine Wetterstation und wir wurden damals herzlichst zu einem Tee und einer Übernachtung eingeladen. Heute führt leider ein Tunnel durch den Berg und die Passstraße wird nicht mehr weiter gepflegt. Allerdings soll es auch der Tunnel in sich haben, er ist in meiner Karte schon als „gefährlicher Tunnel“ eingezeichnet, auch wenn ich kaum mir kaum vortsellen kann, welche Gefahren in der 5 Kilometer langen Röhre warten sollen.
Doch bis dahin ist es noch ein Stück Weg. Und der Tag beginnt gleich mit kurzen bissigen Anstiegen, die uns aber keinen Meter nach oben bringen, sondern nach der Kuppe geht es dann wieder runter bis zu dem reißenden Nebenfluss des Zaravshan. Das Tal ist sehr wild und trocken, lediglich dort, wo aus Seitentäler Bäche herunter gesprudelt kommen, befinden sich grüne Oasen und kleine Dörfer. Dieser Kontrast ist beeindruckend, so viel Wasser, wie es hier gibt und wie es das Tal herunter prescht, kaum zu glauben, dass es dann kaum Vegetation gibt. Doch die grünen Oasen sind nicht nur eine Freude fürs Auge, sondern zumeist gibt es auch eine kleine Teestube.
Nach 20 Kilometern wird das Tal etwas breiter und es geht nicht mehr so wellig am Fluss entlang, dafür kann wieder Landwirtschaft betrieben werden und zu Sowjetzeiten gab es sogar ordentlich Industrie hier, wovon heute nur noch Fabrikruinen und in den Dörfern sowjetische Wohnblocks zeugen. Wir tanken in dem kleinen Städtchen Anzob noch einmal Lebensmittel und dann geht es flugs weiter, zwar ist es in den Bergen nicht mehr ganz so heiß wie unten in der Tiefebene um Buchara und Samarkand, aber auch bei knapp 30 Grad kommt man am Passanstieg ordentlich ins Schwitzen und ab dem Kilometer 39, dort ist der Abzweig in Richtung Tunnel, geht es in Serpentinen mit 7 oder 8 Prozent Steigung kräftig nach oben. Ab und zu geben die Berge den Blick frei auf die Gebirgsriesen des Pamir, deren Eiskappen in der Sonne leuchten.
Weiter oben ist es im Gegensatz zum Tal unten satt grün, eine wirkliche Idylle und eigentlich schade, dass es noch nicht einmal Mittag ist, denn hier gibt es Unmengen wunderschöner Zeltplätze auf bunten Blumenwiesen an klaren Bächen. Heizprobleme haben die Leute hier keine, man muss einfach nur mit der Schubkarre in die nächste Kurve fahren und die Steinkohle aus schmalen Flözen haken und schon kommt man über die kalten Winter.
Nach 55 Kilometern zeigt der Höhenmesser 2700 Meter und vor uns liegt ein Loch im Felsen. Da wir wiederholt vor dem Tunnel gewarnt worden waren, setze ich Doro auf ein Auto und versuche selbst noch eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern. Aber eigentlich war ich ja neugierig auf den „gefährlichen“ Tunnel, den die Iraner hier in den Felsen gefressen haben und so schwinge ich mich fünf Minuten später aufs Rad und stürze mich in das dunkle Loch. Eigentlich ist es eher ein Höhlenexpedition, denn der Tunnel ist unbeleuchtet, doch die zahlreichen Fahrzeuge spenden mir etwas Licht. Den Boden kann ich aber damit noch nicht sehen, denn hier steht oder besser fließt das Wasser immer 5 bis 10 Zentimeter hoch. Die Autos im Tunnel manövrieren um die Löcher herum, ich versuche es ihnen nachzutun, es ist wirklich gefährlich, einmal, weil die Fahrzeuge jede Möglichkeit nutzen, um etwas schneller zu sein und sich tolle Überholmanöver unter der Erde liefern, zum anderen, weil der Tunnel nicht asphaltiert ist, im Wasser manchmal richtig tiefe Löcher sind und die Armierungen aus Stahl, die überall heraus ragen, nicht zu sehen sind.
Obwohl es kühl ist im Tunnel und das Wasser am Boden eiskalt, schwitze ich vor lauter Anspannung. Ich muss auch andauernd absteigen und durch tiefere Löcher durchschieben. Dabei bin ich begeistert von der Rücksichtslosigkeit der Autofahrer, die dann hinter mir ein ordentliches Hupkonzert anstimmen. Einmal bin ich so sauer, dass ich mitten in einem kleinen See das Rad kurz so abstelle, dass keiner mehr vorbei kommt und im Scheinwerferlicht einen dicken Stinkefinger zeige, dafür werde ich dann durch die vorbeiblasenden Fahrzeuge nicht nur an den Füßen nass. Der Höhepunkt oder Tiefpunkt im Tunnel ist ein strudelnder Wasserschwall, irgendwie wird hier das Wasser einen Meter aus dem Boden sprudelnd heraus gedrückt, glücklicherweise kann man am rechten Rand daran „vorbeitauchen“. Die letzten zwei Kilometer des Tunnels, den ich „Highway to hell“ taufe, ist dann etwas angenehmer, weniger Wasser, kleinere Pfützen, aber immer noch tückisch, denn einmal falle ich mit dem Vorderrad regelrecht in eine Versenkung. Glücklich bin ich dann, als ich das Licht am anderen Ende sehe und wieder die Berglandschaft auftaucht. Doro ist überrascht, dass ich nur wenige Minuten nach ihr und auch noch recht lebendig hier auftauche. nach einer kurzen Pause wollen wir weiter, aber mein Vorderrad ist platt, ein „Schlangenbiss“, wohl als ich im Tunnel in das Loch gefallen war, glücklicherweise waren die Löcher so klein, dass ich noch bis zum Ausgang gekommen bin. Der Platten ist schnell geflickt und dann sind es noch 85 Kilometer bis Duschanbe und alles nach unten.
Die Abfahrt ist so, wie ich es erwartet hatte, zuerst schrauben wir uns Serpentinen nach unten, dann geht es immer am Varzob Fluss entlang, diesmal ohne Hügelei auf guter Schnellstraße und mit konstantem leichten Gefälle von zwei oder drei Prozent, reines Genussfahren. Das Varzobtal ist Lieblingsausflugsgebiet der Leute aus Duschanbe, deshalb ist das ganze Tal mit Feriensiedlungen und Ferienhäusern zugebaut. Kaum ein Quadratmeter ist noch frei und dort wo frei ist, wird auch schon gebaut. Eigentlich hatten Doro und ich überlegt hier in dem „idyllischen“ Tal zu übernachten, aber hier ist uns einfach zu viel los und bis Duschanbe ist es auch nicht mehr so weit.
Gegen 19 Uhr sind wir in der Stadt und finden nach kurzer Suche aus das verabredete Hotel, „Adventurers Inn“, das heißt, weil alles ausgebucht ist, dass wir die Zelte im Garten aufstellen. Monika und Rüdiger sind am späten Vormittag hier schon eingetroffen und warten auf uns mit einer schlechten Nachricht, doch davon erzähle ich morgen, für heute brauche ich erst einmal eine Mütze Schlaf.