13. bis 16. Tag: 17.Juli bis 20.Julie 2014
Dienstag, den 9. Dezember 2014An der Grenze zu Afghanistan
von Khalaikum über Rushan nach Chorog an der afghanischen Grenze entlang, 57 km (700 hm), 95 km (1309 hm) , 102 km ( 732 hm) bei Sonne bis 38 Grad
Die Nacht war wegen des Rauschens und Tosens des Pjandsch nicht erholsam, zumal wir draußen auf der Terrasse lagen, aber in den Zimmer wäre es auch zu heiß gewesen, schließlich sind wir nach dem Pass gestern Abend noch auf 1270 Meter Höhe, also 2000 Meter runter, gefahren. Und nach der mega anstrengenden Etappe war auch nicht an einen zeitigen Start um 6 Uhr zu denken, allerdings frühstücken wir um 7 Uhr, Reinold fühlt sich nicht so wohl und auch ich bin nicht unbedingt auf der Höhe meiner Kräfte. Bei mir bessert sich alles, als ich wieder auf dem Rad sitze und den ersten Hügel hochstrampele, da hat der Körper dann aufgegeben zu protestieren und auf Arbeitsmodus umgestellt, Reinold kleckert aber immer ziemlich hinterher. Mir macht das nichts aus, die Landschaft ist grandios, drüben auf der anderen Seite ist Afghanistan und es gibt viel zu gucken. Viele recht neu wirkende Dörfer gibt es , zwei oder dreistöckige Gebäude, zwar aus Lehm errichtet, aber mir traditionellen hölzernen Fensterrahmen und gläsernen Fenstern. Vor 23 Jahren hatte es hier noch ganz anderes ausgesehen. Damals hatte man das Gefühl ins finster Mittelalter zu gucken, drüben gab es nur einen winzigen Pfad, darauf wandelten die Afghanen mit Kind und Esel immer verdammt dicht am Abgrund über dem Panjsch. An manchen Stellen „klebte“ der Pfad geradezu, vielleicht nur 15 cm breit, an der Felswand. Die Afghanen waren in Tücher eingemummelt und jeder hatte ein Schießeisen auf dem Rücken. Heute ist der Pfad breiter, immer noch keine richtige Straße, aber ein Minibagger schaufelt einen Erdrutsch weg, der Weg ist wohl etwas mehr als einen Meter breit. Weil es hier wie dort ziemlich heiß ist, hält sich der Verkehr in Grenzen, bei uns ein paar LKW, drüben ein paar Motorräder und manchmal ein Esel. Wenn der Weg drüben jetzt durchgehend mit dem Motorrad befahrbar ist, dann könnt man ja dort auch mit dem Fahrrad lang, vielleicht so bis Chorog und dann wieder zurück, überfällt mich so ein kreativer Gedanke. der schwindet aber schnell wieder, den schon auf unserer Seite ist es rech hügelig, da an vielen Stellen das Tal sehr eng wird und dann muss die Straße 80 oder 100 Höhenmeter nach oben geführt werden und dann geht es wieder runter und dann den nächsten Hügel wieder hoch. Auf der afghanischen Seite ist es noch extremer, hier geht es manchmal 300 oder 400 Meter hoch, bevor wir um die nächste Flussbiegung den Pfad wieder sehen.
Reinold hat ein paar Probleme mit dem Magen/Darm Trakt und kommt nicht so richtig vorwärts, irgendwann ist er auch bei einer Abfahrt mächtig langsam und ich prüfe seine Bremse, die tatsächlich etwas schleift. Hoffentlich ist der Ärmste nicht schon seit heute Morgen mir dieser Zusatzhemmung gefahren. Das Problem ist schnell behoben, aber er fühlt sich nicht besser, Pausen helfen auch immer nur für ein paar Minuten und nachdem wir einen kühlen Platz am Bach mit Schatten gefunden haben, will er für heute nicht weiter.
Nach einem Schläfchen kann ich ihn aber zu weiteren 10 bis 15 km überreden, bis in den nächsten Ort, wo wir einen Platz zum Zelten und einen Laden mit ein paar Lebensmitteln finden können und so raffen wir uns noch einmal auf und radeln bis Kurgovod. Hinter der alten Bushaltestelle findet sich im Schatten eines alten Baumes eine kleine Wiese, das Wasser fließt kühl vor unserer Nase vorbei und der Laden im Dorf ist auch nur 100 Meter weg, die Teestube hat leider wegen des Ramadan geschlossen. Ich bereite uns ein leichtes Nudelmittagessen und dann ruhen wir uns hier den Rest des Tages im Schatten aus, gegen Abend geht es Reinold schon wieder besser und so sehe ich hoffnungsvoll dem nächsten Tag entgegen, der dann auch wieder mit einem frühen Start beginnt. Reinold ist wieder voll bei Kräften und in recht guter Laune und so geht es weiter an der afghanischen Grenze entlang. Die Straße ist etwas besser, als in den Tagen zuvor, manchmal gibt es sogar ein paar hundert Meter Asphalt und an einigen Stellen wird sogar an der Straße gearbeitet, zwar nicht schnell, aber noch vor der Eröffnung des Berliner Flughafens BER, könnt man hier schon wieder von Radelvergnügen sprechen. Knappe hundert Kilometer legen wir heute zurück, auch wenn wir nur 400 Meter an Höhe gewinnen, haben wir doch 1309 Höhemeter auf dem Buckel, als wir am Abend in dem Nest Shidz einfahren. Hier fragen wir bei einem der Bauern, ob wir unser Zelt im Garten aufbauen können und eine Abendbrot sei auch kein Problem, wurde uns geantwortet. der Abend wird richtig gemütlich, das Dorf umfasst nur fünf oder sechs Gehöfte und am Abend hängt fast das ganze Dorf bei „unserer“ Familie herum und wir reden über Gott und die Welt. Das es den Familien mal besser ging, sieht man an dem abgehalfterten Fuhrpark im Garten, da steht das Wrack eine Lada Niva und eines Moskwitsch, ein kaputter SIL-LKW und ein zum Speicher umfunktionierter Bus. Heute hat man zwar auch noch einen Jeep, aber der ist andauernd kaputt, da er als Taxi viel bewegt wird. Die Jungs auf dem Dorf wollen alle nach Duschanbe und dort Taxi fahren, da kann man ordentlich Geld versdienen, eine Alternative in einem „richtigen“ Job gibt es hier nicht und die fünf Ziegen morgens in die Berge treiben, das können auch die Kinder machen. Schuld an allem ist für die Leute hier Gorbatschow, der hat die Sowjetunion auseinanderbröseln lassen und seitdem kümmert sich niemand mehr darum, was aus den Leuten hier im Pamir wird, früher war eben alles besser!
Obwohl niemand nach Bezahlung gefragt hat, lassen wir einen ordentlichen Bonus hier, schließlich haben wir Abendessen und Frühstück bekommen und bei allem elendigen Jammern über Deutschland, geht es uns doch wesentlich besser als den Pamiris, eine Einladung von gefräßigen Radfahrern kann da schon ein Loch in der Haushaltkasse verursachen, was viele Rad fahrende Touristen hier leichtfertig vergessen. Eine Postkarte aus Österreich oder ein Foto vom Eiffelturm sind zwar nett, aber davon bekommt man die Flasche fürs Kochgas nicht wieder gefüllt. Gegen 7 Uhr kommen wir morgens los und radeln frisch die 40 km bis Rushan. Die Strecke ist recht gut und es geht flach an einem langen See entlang. Der Panjsch hat sich hier für mehr als 20 Kilometer aufgestaut und entstanden ist eine fruchtbare Ebene, die Kornkammer für die die Autonome Republik Berg Badachschan oder auch Gorni Badachshan. Alles ist Grün und es gibt viel Wasser in Bewässerungsgräben und kleinen Viel Getreide wird angebaut und auf jeder Freifläche steht eine Kuh oder ein Schaf. Die Stadt ist recht gemütlich, aber es gibt ein paar bessere Läden und sogar ein Restaurant, welches schon am Morgen geöffnet hat und das auch trotz Ramadan. Hier bekommen wir ein dickes Frühstück aus gebratenen Eiern und gebratener Wurst und Kaffee dazu, dann machen wir uns wieder auf den Weg. Vor einem größeren laden treffen wir auf zwei deutsche Radler, die sich hier noch einmal die Taschen vollstopfen. Sie wollen eine „Abkürzung“ nach Murgab nehmen, die soll es aber in sich haben, was die Fahrbarkeit angeht, aber ich habe das sichere Gefühl, dass wir die Jungs noch einmal wieder treffen werden.
Wir nähern uns derweil mit schnellen Schritten der Berg badachschanischen Hauptstadt Chorog, hier wohnen immerhin 22.000 Leute, also ein Zehntel der gesamten Republik. Die Leute hier sind keine Tadshiken oder nur zu 3%, die Pamiris sind Moslems und gehören zu den Ismailiten. Diese sind kulturell sehr offen, die Auslegung des Korans ist reine Privatsache und Bildung spielt eine wichtige Rolle. Wie wichtig, das lernen wir in den nächsten Tagen noch kennen.
Trotz der über 100 km laufen wir am Nachmittag in Chorog ein und parken noch einmal am Markt. Hier ist shoppen angesagt, es findet sich sogar Wurst und zwei Sorten Käse, welch ein Luxus. dann suchen und finden wir recht schnell die Pamir Lodge, das ist ein Guesthouse, das vor allem von Radfahrern beherbergt wird und so findet man im Garten vor den Zimmern jede Menge Fahrrad-Hightech angebunden. Die meisten sind in unserer Richtung unterwegs, nur wenige kamen bereits über den Pamir, aber alle haben eins gemeinsam: mindestens einen Ruhetag in Chorog und an diesem nicht zu viel bewegen.
Das ist auch unser Plan, letztes Jahr waren wir noch im botanischen Garten, aber der Anstieg war recht straff und die Aussicht dann nicht soooo berauschend, der Garten eher ein wenig verwahrlost,
Wir gehen im wunderschönen Stadtpark spazieren und beobachten die Kids und Jugendlichen im Schwimmbecken. In der Stadt kann man sich recht ordentlich auf Englisch verständigen und auf Russisch sowieso, auch scheinen einige Leute hier Deutsch zu lernen, auch wenn es bei der Verkäuferin im Laden nur für „eins, zwei drei vier, fünf“ reicht, der gute Wille ist da. Der Markt hat am Sonntag leider nicht geöffnet, aber in den Läden findet sich alles, was wir für die kommenden Bergen, dann im „richtigen Pamir“ brauchen: Nudeln, Brühwürfel, Fischkonserven, Tomatenmark, Marsriegel, Käse und Salami. Zur Feier des Tage wollen wir ins einzige ausländische Restaurant in der Stadt, aber die Inder hat heute geschlossen, so enden wir in einem idyllischen Teehaus direkt am Fluss und probieren uns an lokalen Spezialitäten, am leckersten ist allerdings der Salat.
Nach einem halben Tag hat man sich mit den anderen Radlern ausgetauscht, richtig neue und gute Informationen sind nicht zu bekommen und auf das Radfahrer Heldengetue habe ich keine Lust, ich weiß auch gar nicht, wie viele Länder ich bereits bereist habe, wie viel Plattfüße ich hatte und wie viele Male ich die Welt umrundet habe. Die Wäsche ist gewaschen und getrocknet. Frustrierend ist nur, dass mir einer von den Luxus Rohloff bestückten Leuten die Salami geklaut hat, die nach dem Essen noch auf dem Tisch lag und als ich vom Abwasch kam, nicht mehr. Möge sie dem Mistkrepel im Halse stecken bleiben, habe ja einen Verdacht, aber aus historischen Gründen darf ich den nicht äußern. Als Ausgleich lade ich eine Flasche feinstes Olivenöl in mein Gepäck, das ein Franzose nicht durch den Pamir schleppen möchte, ich schon Hoffentlich bekommen wir morgen beim zeitigen Aufbruch noch Ersatz für die entwendete Salami.