Es ist halb zwei morgens, als der Flieger in Hanoi aufsetzt. Die Maschine lehrt sich schnell und dann kommen die Passformalitäten. Ich habe keinerlei Probleme meinen Passtausch und reise mit dem Visum im Zweitpass ein. Wahrscheinlich wäre das teure Visum aus Berlin gar nicht nötig gewesen, denn es gibt einen Schalter für ein Visum on Arrival, entgegen aller Aussagen im Internet.
Taxis gibt es en gros vor dem Abfertigungsgebäude, die Preise sind dem nächtlichen Betrieb angepasst, also doppelt so hoch, wie tagsüber. Ein paar Vietnamesinnen mit Walkie-Talkies managen die Minibusse in die Stadt. Auch hier ist der Preis Verhandlungssache. Zehn Dollar bis in die Stadt vors Hotel, das ist in Ordnung, die beiden jungen Koreaner zahlen 15 Dollar jeder, die beiden Vietnamesin mit dem großen Koffer wahrscheinlich wesentlich weniger, der vietnamesische Soldat mit seiner Freundin wohl auch.
Der Minibus rollt den „Highway“ entlang, drei Spuren für beide Straßenseiten. Viele Mopeds sind noch oder schon unterwegs. Hoch beladen mit Säcken, Blumen und Lebensmittel werden hoch aufgetürmt in die Stadt transportiert, zum Großmarkt an der Einfallsstraße. Ansonsten ist es überall recht düster, nur ein paar Funzeln beleuchten wenige Läden, die jetzt noch offen haben. Es nieselt und so macht das Land gar keinen einladenden Eindruck.
Eine Stunde später bin ich am „Good Luck“ Hotel in der Stadt, die eisernen Rollläden sind runtergelassen, das Hotel ist dunkel, die gesamte Gasse auch. Zum Glück war ich hier schon dreimal und weiß, dass es in der Umgebung weitere Hotels und Herbergen gibt. Gleich um die Ecke ein Nudelstand, zwei Uhr morgens und immer noch eine handvoll Gäste, die ihre Föh-Nudelsuppe auf kleinen Hockern einsaugen. Dann eine Liege an der Hauptstaraße, natürlich mit Schläfer drauf, draußen ist es allemal angenehmer als drinnen, dafür aber laut. Vielleicht 25 Grad sind es jetzt in der Nacht und es nieselt immer noch. Um die nächste Ecke wieder ein Hotel, dreißig Dollar das Zimmer, aber nur für einen Nacht. Das will ich auch nicht und rolle mit meinem Köfferchen in die nächste Gasse. Das ist dann Bagpacker Areal und ich falle in das erste Guesthouse ein. 10 Dollar das Zimmerchen, 12 mit Klimaanlage. Das Zimmer ist ok, ein kleiner Nager verlässt zügig den Raum in Richtung Balkon, als ich dort einziehe. Die Balkontür schließ ordentlich, also keine Chance für den „Mitbewohner“ wieder hereinzukommen. Ausreichend müde bin ich und falle ins Bett, wenigstens ein paar Stunden Schlaf, morgen muss ich zeitig raus und ins Goethe Institut, Bewerbungsgespräch und Hospitation warten auf mich. Wann der Unterricht beginnt, keine Ahnung. Ich werde einfach rechtzeitig dort sein.
Weit ist es nicht bis zum Goethe Institut, dass sich gleich gegenüber dem Literaturtempel befindet. Ohne Zweifel eine gute Wahl für ein ehrwürdiges Sprach- und Kulturistitut, wurden doch auf der anderen Straßenseite jahrhundertelang die Beamtenprüfungen abgenommen.
Heute trennt dann nur eine Straße die Verganghenheit von der Gegenwart. Und was für eine Straße, nein nicht groß und bedeutend, aber scheinbar unüberquerbar wegen der hunderttausenden Mopeds, die sich im stetigen Fluss dort entlang wältzen. Doch nur scheibar unüberquerbar, denn der Verkehr ist nicht so hart und rücksichtslos wie es aussieht. Fußgänger gibt es nicht in Hanoi, jeder Meter wird mit dem Moped zurück gelegt, eventuell noch mit dem Fahrrad, aber zu Fuß geht man hier nicht. Also kann ja dann auch der Fußweg zum Mopedweg umfunktioniert werden. Erst versuche ich auszuweichen und hölflich zu sein, aber das funktioniert nicht, hat man einmal Blickkontakt mit dem Mopedfahrer, dann fährt der auch. Aber nach fünf Minuten hab ich den Dreh raus. Blick scheinbar stoisch nach innen gekehrt und forsch drauflos gegangen und schon quitschen die Bremsen und ich komme reibunsgslos durch den Mopedverkehr auf dem Fußweg. Und ebenso geht es über die Straße, Blick frei geradeaus und dann langsam und gleichmäßig über die Straße. Man fühlt sich wie ein Fisch in einem Gebirgsbach, das Wasser ist noch so reißend, aber der Fisch zieht ruhig seine Bahn.
Vom Verkehr erst einmal überlastet, mache ich noch einen kleinen Umweg und komme gerade noch pünktlich zum Institut und sitze fünf Minuten später dann schon hinten in der Klasse und lausche meinem Kollegen.
Der Rest des Tages besteht dann aus viel Arbeit. Bis Mittag schaue ich mir noch die Klasse an, in der ich morgen Unterricht machen soll und am Nachmittag bis zum Abend bin ich damit beschäftigt, meinen morgigen Unterricht vorzubereiten. Dazwischen dann ab und zu einen Kaffee, der ordentlich aufmuntert, leckerer schmeckt als alles, was ich jemals zuvor an Kaffee getrunken habe. Kein Wunder, denn die Vietnamesen sind nach den Brasilianern die Nummer Zwei der Kaffee produzierenden Welt. Der tolle Geschmack rührt von der Mischung der herkömmlichen Robusta und Arabica Bohnen mit den weniger bekannten Sorten Catimor und Chari. Eine Tasse Vietnamkaffee verströmt dann verschieden Aromen, die sich mit ein wenig schokoladig oder nussig beschreiben lassen.
Vom Kaffee zum Essen, aufs Mittag habe ich verzichtet und auf dem Heimwegg ins Hostel bleibe ich an einem Grillstand hängen. Fünf kleine Tische auf der Straße, blaue Plastikhöckerchen, ein Grill und ein Tisch mit einer unerschöpflichen Auswahl an Gemüse, Fisch und Fleisch.
Ich wähle eine Aubergine, Pilze und chinesischen Schnittlauch, Lachs und etwas Huhn, und bekomme dies nach zehn Minuten mit einer angenehm scharfen Soße serviert. Dazu ein kühles Hanoi Bier und der Abend ist gerettet.
Gegen 21 Uhr bin ich dann todmüde im Hotel, eigentlich müsste ich noch einmal durch meinen Unterrichtsplan schauen, aber ich ziehe es dann vor mit den jungen Leuten an der Rezeption zu schwatzen, bevor ich die Klimaanlaghe noch fünf Minuten einschalt und ins Bett falle.