186. Tag in Hanoi/Vietnam – Montag, der 01.11.2010
Montag, den 1. November 2010Wo das Geld auf der Straße liegt
112 Kilometer von Kham Duc über Dak Glei nach Plei Kan, harte 1879 hm bei übelstem Scheißwetter bis Mittag, dann Sonnenschein
Was für ein Tag, als ich am Morgen einen Blick vor die Tür werfe, möchte ich am liebsten gleich wieder ins Bett, es regnet und sieht noch grauer aus als am Vortag. Mit Yoga und Kaffee stelle ich eine Grundmotivation her und schwinge mich gegen 8 Uhr aufs Rad. Nach 5 km kommt eine Art Raststätte und ich frühstücke richtig schlechte Nudelsuppe mit sehr viel Glutamat. Trotz der Kälte und des Regens ist meine Stimmung gar nicht schlecht. Da die Anstiege heute länger sind, werde ich ab und zu sogar warm und was war das ein Geldschein auf der Straße und hundert Meter weiter noch einer. Ich steige ab und hebe ihn auf und fahre weiter, wieder dreihundert Meter und schon wieder ein Schein. Zwar das kleinste, was man im Lande bekommen kann, 200 Dong, also ein US-Cent, aber die Dinger sind selten zu finden und für Sammler schon fast eine Rarität. Nach 500 Metern wieder ein Schein und dann noch einer und noch einer und noch einer. Ich ergebe mich in mein Schicksal und beschließe das Geld zu sammeln, mal sehen, wie viel zusammen kommt, das lenkt vom Regen und der Kälte ab und bringt Abwechslung. Es wird ein beeindruckender Tag: 57 Geldscheine á 200 Dong, 6 Geldscheine á 500 Dong, dann noch zwei 1000er und ein 2000er und das bis Mittag, insgesamt komme ich auf knapp 18.000 Dong, das sind vier Bier im Bia Hoi oder eine vernünftige Nudelsuppe. Natürlich habe ich meine These, woher das Geld kommt. Meine erste These: Vietnamesischer Bankräuber auf seinem Moped mit löcherigem Geldsack. Die wahrscheinlichste These: Eine Beerdigung ist hier vorbei gefahren und hat überall „Totengeld“ verstreut, das habe ich schon ein paar mal gesehen, aber nie mit echtem Geld, sondern mit eben jenem „Totengeld“, das gibt es in heimischer Währung, in USD oder auch in Euro, herausgegeben von einer „Höllenbank“ Vietnam. Für die verstorbenen werden jeden Monat Geldscheine und andere Papiergegenstände verbrannt, mit denen den Verblichenen der Aufenthalt in der Hölle erleichtert werden kann. Akzeptieren die das unten wirklich das Spielgeld und wie hoch ist die Kaufkraft der Banknoten, die verbrannt werden.
Kommen wir zu meiner Lieblingsthese: Das Geld kommt vom vietnamesischen Tourismusministerium und soll mich für das Scheißwetter entschädigen. Das fährt man auf einer der schönsten Fahrradrouten der Welt, sieht nur grau in grau und außerdem ist es zu kalt. Eine Bestätigung der These ist, dass das Ministerium mit Aufbrechen der Wolken und hervorblitzender Sonne und Aussichten auf die grandiose Landschaft umher sofort seine Zahlung einstellt. Das Geld ist also eine Art Schmiergeld, dass ich im Blog nur Positives schreiben soll! (Die jetzt trockenen Scheine könnten aber auch nur vom Winde verweht worden sein.)
Der Vormittag war also wieder schrecklich nass und kalt, und es ging mehr als mächtig in die Berge und dazwischen immer wieder kräftige Abfahrten. gegen 12 Uhr bin ich dann oben, 1080 m über Null zeigt der Höhenmesser, bei 360 Metern bin ich gestartet. Ich ziehe oben alles an, was ich habe und mir wird wohlig warm, denn es war nur ein Vorpass und nach einer langen Abfahrt geht es noch einmal hoch. Dann habe ich Glück, die Wolken reißen auf und es nieselt nur noch und noch ein wenig später sehe ich nach drei Tagen wieder einmal die Sonne und die Landschaft entfaltet ihre Schönheit. Dann geht es endlich auch wieder runter. Der Geldsegen hat mit der Sonne schlagartig aufgehört. Ein letzter Geldschein wird vom Wind erfasst und flattert von dannen, die Straße ist jetzt trocken und die Scheine „kleben“ nicht mehr auf dem Asphalt.
Dak Glei, mein Mittagsort ist ein lausiges Nest, das einzige Guesthouse sieht schäbig aus und eher ausladend. Auch das essen ist mäßig.Aber bei dem schönen Wetter denke ich gar nicht ans aufhören, obwohl mein Fuß immer noch bei jedem Tritt in die Pedale schmerzt und seit heute auch noch quietscht, so was hatte ich noch nie.
Am Nachmittag wird die Landschaft flacher, es gibt nur noch kleine Hügel, aber netfernt leuchten die bergketten in der nachmittagssonne. Jetzt beginnt die radtour richtig, ich treffe auf eines der Cham-Minoritätenhäuser mit Spitzdach, amüsiere mich fotografisch auf einem Schulhof. Die Gegend hier ist recht arm und die Holzbauten erinnern sehr an Laos. Aber die laotische Grenze ist auch nur 30 km entfernt, kein Wunder. Rechts und links der Straße wächst Maniok, früher ein stärkehaltiges Lebensmittel, heute wird es hauptsächlich zu Tierfutter verarbeitet, aber die Region lebt davon.
Beim Schein der Abendsonne bekomme ich mehr als gute Laune, das ist der Ho Chi Minh Pfad, den ich erwartet habe, grüne leuchtende Landschaften, nette leute rundherum und wunderbare Berglandschaft.
Mit dem vorletzten Sonnenstrahl erreiche ich Plei Can, das Städtchen ist etwas größer als mein Übernachtungsort gestern und hat einen netten Markt und recht reges Leben auf der Straße. In einem der beiden Hotels spricht der Manager Deutsch und dort bleibe ich natürlich. Das Abendessen ist nicht grandios, wieder Reis und Fleisch und Wasserspinat, aber ich werde satt und müde. Trotzdem raffe ich mich noch zum Schreiben auf, es ist ja auch noch nicht so spät. Werde am Abend noch eine Mail an das vietnamesische Tourismusministerium schreiben und mich für das schöne Wetter am Nachmittag bedanken und um weiters bitten.