Archiv: Gedanken zum Tag

10. September 2009

Donnerstag, den 10. September 2009

Gleichbehandlung und Visagebühren

In der chinesischen Botschaft hängt seit einigen Monat ein nettes kleines Schild,welches folgendes besagt:

AUFGRUND DER GLEICHBEHANDLUNG  ZWISCHEN DER VR CHINA UND DER BRD SIND DIE VISAGEBÜHREN AB 01. JANUAR 2009 NEU GEREGELT

Wenn man jetzt in Betracht zieht, dass sich dahinter lediglich eine Preiserhöhung um 50 % verbirgt, dann kann man sich ungefähr vorstellen, dass die Kosten für den Visaantrag für den Chinesen schon fast eine kleine Investition darstellen, hier kostet das Visum nämlich 60 €, das sind so knapp 600 Yuan Volksgeld. Zum Vergleich, das Jahres-Durchschnittseinkommen des Chinesen beträgt zwischen 2900 Yuan auf dem Lande und 9400 Yuan in der Stadt. Im Vergleich liegt das Durchschnittsbrutto in Deutschland bei 27.083 €

Wie sieht denn die Gleichbehandlung noch aus: Um in die deutsche Vertretung in Beijing oder Shanhai überhaupt hineinzukommen, braucht der Chinese eine telefonische Voranmeldung und die Leitungen sind ständig überlastet, ein Pekinger Freund hatte sich von seinen Kollegen und Bekannten fünf Handys besorgt und diese auf ständiger Wahlwiederholung laufen lassen, so glückte es dann nach einer guten Woche des Anrufens einen Termin zu bekommen.

Im Interbnet gibt es dann Ratgeber, was man bei der Antragstellung auf jeden Fall erwähnen oder auf keinen Fall sagen sollte, vorteilhaft sind nicht mitreisende Ehegatten und Kinder, benachteiligt sind gutaussehende, alleistehende, junge Chinesinnen, was für ein Jammer.

Weiterhin braucht der gemeine Chinese dann noch eine Einladung nach Deutschland, so weit er privat Reisen will, damit verpflichtet sich der Einladende sämtliche Kosten für den Eingeladenen zu übernehmen und ein Krankenversicherung abzuschließen.

Doch vor diesem ganzen Prozess braucht der Chinese auch noch einen Pass, den darf er aber nur in seiner Heimatstadt anmelden, mit der Auflösung der alten Arbeitseinheiten sind aber nur noch die wenigsten Chinesen dort gemeldet, wo sie jetzt arbeiten. Der Bearbeitungsprozess kann mehrere Monate dauern und ist durch „Anreize“ beschleunigbar.

Insofern ist es dann nur fair, dass wir hier für ein normales Visum jetzt 30 €, also 10 € mehr hinblättern als im letzten Jahr, oder etwa nicht?

Und die Vietnamesen nehmen dann sogar 55 € fürs Touristenvisum, da möchte ich gar nicht wissen, wie „gleich“ die deutschen Vertretungen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt die Vietnamesen behandeln.

9. September 2009

Mittwoch, den 9. September 2009

Keine Neuigkeiten aus Xinjiang. Gedanken zu den Unruhen in der Provinz.

Die deutschen Medien haben sich wieder beruhigt und es wird kaum noch über die Unruhen in Xinjiang gesprochen, obwohl erst vor ein paar Tagen wieder eine neue Welle von Demonstrationen die Gegend um Ürumqi erfasst hat.

Aber es sind ja im Moment nicht die angeblich so geknechteten Uiguren, die für Unruhe sorgen, sondern die in der Region ansässigen Chinesen, die rebellieren. Was an den Vorwürfen der Spritzen- Angriffe von moslemisch-uigurischen Terroristen dran ist, ist selbst in der chinesischen Presse umstritten. Die Angriffe haben wohl tatsächlich stattgefunden, aber niemand wurde durch AIDS-Vieren oder Gifte geschädigt. Wie auch immer, die Situation bleibt gespannt und selbst unsere diesjährige Tour an der Seidenstraße mussten wir absagen.

In der Realität ist es nun tatsächlich so, dass die ethnischen Han-Chinesen keine gute Meinung von den Uiguren haben. Sie gelten im kleinen Business auf der Straße mit Obst und Gemüse, Souvenirs, Schmuck und Drogen nicht unbedingt als die zuverlässigsten Handelspartner und im Kernland von China auch als Taschendiebe und Gauner.

Tatsächlich sind die Uiguren ein Turkvolk, das in Wüstenrandgebieten siedelt, hier ist Viehzucht eher verbreitet als Landwirtschaft, Industrie gibt es nur in wenigen Städten und natürlich sind die Möglichkeiten, das große Geld zu verdienen im Kernland größer als in der fernen Provinz Xinjiang.

Schwierig sind also die Bedingungen in Xijiang, aber nicht unbedingt ungünstig. Gerade was die Bevölkerungspolitik angeht, genießen die Minoritäten in China mehr Rechte als die ethnischen Han-Chinesen, die dürfen nur ein Kind haben, die Uiguren in den Städten dagegen zwei oder sogar drei Kinder, wenn die ersten Kinder Mädchen sind. Auf dem Lande gelten noch geringere Einschränkungen.

Gesprochen wird in der Provinz hauptsächlich Uigurisch, Zeitungen erscheinen in der Sprache, offizielle Ortsschilder und Straßen sind in beiden Sprachen beschriftet und auch die kleinen privaten Läden zeichnen in Uigurisch und Chinesische aus, in den Schulen wird Uigurisch als Sprache unterrichtet.

In jeder uigurischen Stadt gibt es Moscheen, die für Moslems frei zugängig sind.

Die Medien haben oft behauptet, dass die Uiguren nicht die Mehrheit in ihrem Lande darstellten, das stimmt nicht, denn im Lande leben knapp 40% Han Chinesen und 45% Uiguren, den „Rest“ bilden vor allem Kasachen und Mongolen.

Interessant ist auch, dass der Großteil der Verhafteten in Ürumqi Han-Chinesen sind und sich genau diese die heftigsten Schlachten mit der Polizei geliefert haben, die Han Chinesen sind im Moment mehr verunsichert und fordern härteres Durchgreifen von der Regierung und gegen diese Demonstrationen wird in Ürumqi mit Polizeieinsatz recht rabiat vorgegangen.

Für die Region bleibt auch die Reisewarnung bestehen, beim Auswärtigen Amt liest es sich wie folgt:

Die Lage in der nordwestchinesischen Stadt Urumqi, der Hauptstadt der Autonomen Region Xinjiang, ist weiterhin angespannt. Nach schweren Unruhen am 05.07.2009 kam es  am 03.09.2009 erneut zu größeren Demonstrationen. Ein starkes Sicherheitsaufgebot ist präsent. Besondere Vorsicht ist weiterhin geboten, insbesondere Menschenansammlungen sollten gemieden werden.

Ein wirkliches Problem in der Provinz ist der Sinisierungsdruck, der auf den Bewohnern der Provinz lastet, denn es sind die Han-Chinesen, die hier Infrastrukturprojekte voran treiben, die Steppe bewässern und beginnen großflächig Landwirtschaft zu betreiben und das mit zum Teil größerem Erfolg als die halbnomadischen Kulturen. Interessant wäre es zu diskutieren, ob der Strukturwandel nicht auch den Uiguren zu gute kommt?

Nördlich des Altai Gebirges war ich froh, wenn ich morgens sehr zeitig unterwegs war, einen chinesischen Imbiss oder eine chinesische Nudelstube zu finden. Die Chinesen trafen sich wie im ganzen Lande auch zum Frühsport und zogen dann auf die Felder. Vor 9 Uhr klappt noch kein uigurisches Nudelstübchen die Läden hoch und es sind nur wenige uigurische Frauen auf der Straße und bei der Feldarbeit zu sehen.

Und dies scheint mir ein genereller „Vorteil“ der Han Chinesen zu sein, hier herrscht relative Gleichberechtigung bei der Verteilung der Arbeit, man sieht genauso viele chinesische Männer auf dem Felde, wie Frauen oder bei schweren Arbeiten, während man gerade in den moslemisch beeinflussten Gebieten den Eindruck hat, dass gerade die Männer nichts zu tun haben, als zu Rauchen oder zu Schwatzen, so jedenfalls meine Beobachtungen im Lande der Uiguren. Und der sprichwörtliche Fleiß der chinesischen Bauern trägt natürlich nicht zur Beliebtheit der Han-Chinesen bei.

Und genau diese kulturellen Widersprüche sind es, die zu Verstimmungen sorgen und eher weniger die politischen Verhältnisse. Und als kleine Frage nebenbei: Was wird bei der „Ostturkestan“ Debatte aus den 8% Kasachen, Mongolen und Tadshiken? Da sind Fragen, auf die die uigurischen Exilpolitiker keine Antwort haben, weil sie diese gar nicht erst aufwerfen; die chinesische Regierung aber schon, denn die anderen Minoritäten sind den Uiguren gleichgestellt.

Gut, ich denke das reicht zu diesem Thema und auch für den heutigen Tag.