Archiv: 2010 Entlang der Teestraße

8.Tag: The Dao is silent and the streets are so noisy

Samstag, den 13. Februar 2010

Tagesausflug zum Weibaoshan, einem daoistischen heiligen Berg, 26 km mit dem Tag, 600 Höhenmeter und Wanderung auf dem Berg, sonnig und windig bis 20 Grad

Morgens ziehen wir in der Frühe los und tragen fast wieder alle verfügbaren Sachen am Körper, doch gleich hinter der Stadt beginnt der Anstieg zum Weibaoshan, einem daoistischen heiligen Berg und so pellen wir uns recht schnell Schicht um Schicht aus.

Dem Daoismus geht es hauptsächlich um den Einklang des Menschen mit seiner Umwelt und der Natur, dewshalb liegen viele daoistische Heiligtümer in landschaftlich reizvoller Umgebung. Auch der Weibaoshan liegt am Rande einer Berglandschaft, es gibt viele Kiefernwälder und eine Menge alter tempel rund um den Gipfel des Berges. Doch zuvor geht es erst einmal 600 Höhenmeter mit dem Rad in engen Serpentinen straff nach oben, bis wir den Eingangsbereich in 2200 Meter Höhe erreichen.

Von dort geht es dann auf Treppenstufen weiter nach oben und wir erreichen einen ersten Tempel. Um den Tempel herum gibt es knorrige alte Bäume und zwei oder drei Nonnen bewirtschaften den kleinen Komplex. In der Haupthalle thronen Himmelsgötter und im Hof ist es gemütlich unaufgeräumt. Dafür gibt es viel Blumenschalen und einiges blüht und grünt in voller Pracht. Gleich 100 Meter weiter der nächste Tempel mit imposanten Wandmalereien mit Drachen und Tigern, vor dem Eingang alte Löwenfiguren, schon ganz grün vom Wetter und Wind und dieser bläst auch heute wieder recht kräftig.

So geht es Schlag auf Schlag und ein Tempel folgt dem anderen, insgesamt befinden sich 22 kleine tempelkomplexe hier am Berg. Und nicht wie viele andere chinesische Sehenswürdigkeiten ist hier alles wirklich richtig alt und nicht Qing Dynastie. In China ist fast alles aus der Qing Dynastie und die ging bis 1919, die Tempel hier sind aber späte Ming und es gibt einen über 400 Jahre alten Kamelien-Baum aus dieser Zeit. Dieser ragt weit über den Tempel hinaus und steht in leuchtend roter Blüte.

Was es nicht gibt auf dem Berg sind Restaurants, nicht ein einziger kleiner Kiosk und so erreichen wir recht hungrig den höchsten Tempel auf 2570 Metern Höhe. Die beiden Nonnen, 73 und 80 Jahre alt, bieten uns jedoch Tee und eine Schüsseln Nudeln an, was wir natürlich nicht abschlagen können. Zu den Nudeln gibt es etwas eingelegte Gemüse und frisches Grün und es ist einfach superlecker.

Danach genießen wir es einfach noch in der Sonne zu sitzen und die Ruhe im Tempel zu genießen. Draußen im Rest der chinesischen Welt wird geballert was das Zeug hält, denn heute um Mitternacht beginnt das neue chinesische Jahr, diesmal das Jahr des Tigers. Der chinesische Kalender kennt 12 Tierkreiszeichen, die sich alle 12 Jahre wiederholen. So braucht man in China niemandem sein Alter zu verraten, sondern man teilt seinem Gegenüber einfach nur das Tierkreiszeichen seines Jahres mit und die Chinesen rechnen dann ganz fix selbst das Alter aus.

Doch all das liegt 900 Höhenmeter unter uns im Tal. Wir bedanken uns mit einer Spende für den Tempel bei den netten alten Nonnen und machen uns dann wieder auf den Rückweg. Und richtig hier unten tobt der Bär, überall wird geballert und geknallt, dafür haben alle Läden geschlossen und ich sehe schon Probleme, heute irgendwo ein Restaurant für den Abend zu finden, denn alle Chinesen versuchen diesen Abend in der Familie zu verbringen. Gegen Abend wird Jiaotze geknetet und gefüllt, das sind kleine fleischgefüllte Teigtaschen und die werden dann kurz nach Mitternacht gegessen.

Nach der Dusche im Hotel ziehen wir dann gleich wieder los. Tatsächlich sind fast alle Läden geschlossen, nur die Feuerwerkstände feiern Hochkonjunktur und ein paar wenige Läden mit Schnaps und Tabak haben noch geöffnet. Doch wir haben Glück, denn auf dem großen Platz baut gerade wieder der Grillstand auf. Die Feuerwerker um uns herum knallen immer heftiger und manchmal kommen wir uns vor wie auf einem Kriegsschauplatz. Es gibt eine Sorte Böller, die so laut knallt, dass die Alarmanlagen der Autos noch 50 Meter weiter angehen. Auch lieben die Chinesen die Serienknaller, die sind zwar nicht so laut, klingen aber wie ein Sperrfeuer aus fünf Maschinengewehren.

Nach dem üppigen Grillmahl ziehen wir uns dann auch wieder ins Hotel zurück, denn die Ballerei ist nicht ganz ungefährlich. Auch die Polizei dreht in einem Elektrokarren mit fünf Mann Besatzung ihre Runden und behält die Leute im Auge. Auf dem Rückweg nehmen wir uns dann noch ein paar von den Megaböllern mit und zünden zwei davon im Hotelhof, was die Wirkung noch verstärkt, die restlichen drei Böller, beschließen wir dann, werden wir irgendwo unterwegs zünden.

Nach Mitternacht klingt es draußen wie Weltuntergang, über der ganzen Stadt liegt ein einziges lawinenartiges Getöse und irgendwo gibt es jetzt auch ein Feuerwerk und gute zwanzig Minuten steigen bunte Feuerblumen in den Himmel. Gegen 1 Uhr ist dann das Jahr des Tigers ordentlich eingeweiht und es wird ruhiger auf den Straßen und auch ich komme endlich zum Schlafen.

7. Tag: Windiger Ritt über die Berge

Freitag, den 12. Februar 2010

69 Kilometer von Dali nach Weishan bei kräftigem Gegenwind und Sonne bis 22 Grad, ein Pass und ca. 450 Höhenmeter, Stadtbummel in Weishan

Heute sind wir klüger und frühstücken auf der Straße. An einem Stand werden Reisnudeln, gedämpfte Teigtaschen und frittierter Pofannenkuchenteig, Ölstäbe genannt, angeboten. Der Laden brummt und wir haben Mühe noch Plätze zu bekommen, aber es schmeckt allen sehr gut.

Auf der Schnellstraße geht es nach Xiaguan und dort durch heftigen Verkehr durch die Stadt. Trotz der vielen Fahrzeuge, Mopeds, Fahrräder und Passanten läuft der Verkehr recht stressfrei. Man beharrt einfach nicht immer auf seinem Recht und fährt entspannter als in Deutschland.

Hinter der Stadt erwartet uns dann ein kräftiger Anstieg, wir wählen die gut ausgebaute neue Straße und klettern eine knappe Stunde den Berg hinauf. Es ist mächtig frisch und der Wind bläst uns kräftig ins Gesicht. Die Abfahrt dann auf der anderen Seite ist grandios mit schönen Blicken, wenn auch wegen des gegenwindes nicht ganz so schnell.

Im nächsten Ort machen wir Mittagspause, das Essen ist frisch und gut gewürzt und wir putzen die Teller recht schnell blank.

Da es nur noch gemächliche 25 Kilometer bis zum Ziel sind fahren wir nun die alte Straße. Hier ist der Asphalt etwas holperig, aber es geht durch viele kleine Dörfer mit schönen alten Lehmhäusern hindurch. Zwischen den Dörfern blüht der Raps in strahlendem Gelb und es gibt viele Grabmale in den Feldern.

Die Begräbnisindustrie boomt in den Ortschaften, denn links und rechts der Straße gibt es jede Menge Grabsteinmacher. Auch ansonsten gibt es viel zu sehen. In einem Hof werden die runden Kohlen für die Brennöfen gepresst. 1000 Stück schafft der Besitzer des Ladens pro Tag und der Verkaufspreis liegt bei 8 Cent pro Kohlestück, also 80 € Umsatz für die Familie am Tag. Das zählt auf dem Land zu einem ordentlichen Verdienst, in der Stadt kann man davon nicht leben.

Wenn man wissen will, wie solche historischen Städte wie Dali ausgesehen haben, bevor die Tourismuswalze alles verändert hat, dann muss man nach Weishan fahren. Auch hier gibt es ein altes Stadtzentrum, auch hier wurde ein wenig restauriert, aber wir sind wohl heute die einzigen Langnasen in der Stadt und chinesische Touristen treffen wir auch nicht. Dafür tobt das Marktleben, vor allem jetzt ein paar Tage vor dem Frühlingsfest werden überall Feuerwerk, Räucherstäbchen und Papierbänder mit Segenswünschen für das neue Jahr verkauft. Diese werden dann rechts und links der Tür ans Tor geklebt und müssen ein Jahr halten.

Bis zum Sonnenuntergang pilgern wir noch kreuz und quer durch die Stadt und werfen hier und da einen Blick in die Höfe, bestaunen die Auslagen der Läden, naschen bei den Obst und Gemüseständen.

Überall ist emsiges Treiben auf der Straße und die Stadt scheint ein einziger Marktplatz zu sein. Ab und zu sehen wir auch ein paar alte Frauen in bunten Kleidern, der traditionellen Kleidung der Yi-Minorität, die hier beheimatet ist.

Nur an Restaurants mangelt es im Zentrum, dafür gibt es einen großen Platz mit kleine Korbtischchen und Stühlchen, es wird Tee, Bier und Knabberzeugs verkauft, aber es gibt auch zwei Grillstände. Wir suchen uns verschiedenste Sachen aus, Huhn und Hühnerherzen, Süßwassershrimps, Lammfleisch, Pilze, Tofu, Lauchzwiebeln und Zuchini werden bald lecker und scharf gegrillt serviert. Gemütlich lässt es sich hier auf der Straße mehrere Stunden sitzen und man kann dabei Bier trinkend das bunte Leben beobachten. Auf der Mitte des Platzes versammeln sich ältere Damen zur gemeinsamen rhythmischen Gymnastik mit dem Taiqi-Ball und mit erstaunlicher Geschicklichkeit balancieren die Damen ihren Ball auf einem kleinen Schläger elegant um den Körper.

Auf dem Weg zurück ins Hotel wird schon ordentlich geballert, das Frühlingsfest ist der Beginn des neuen Jahres und auch hier werden die bösen Geister mit gnadenlosen Geballer vertrieben. Im Hotelzimmer kommt davon glücklicherweise nicht mehr so viel an und so wartet eine ruhige Nacht auf uns.

6. Tag: Ein Tag am See

Donnerstag, den 11. Februar 2010

48 km am Ufer des Er’hu Sees durch viele kleine Dörfer bis nach Xizhuang und zurück, bei bis zu 22 Grad, sonnig, fast nur Holperstrecke

Wieder ist das Frühstück ein halbes Debakel, denn obwohl es ab acht Uhr etwas zu essen geben soll, kommt die Köchin erst eine halbe Stund später und auch unser Start verschiebt sich dadurch. Wenigstens ist es dann nicht mehr ganz so frisch und die Sonne strahlt schon ordentlich.

Aus der Stadt heraus geht es in Richtung See. An der Straße hat sich hier noch ein besonderes Gewerbe angesiedelt, man handelt mit Steinen und zwar mit besonders großen Felsbrocken. Diese werden ein wenig glatt geschliffen oder bekommen eine Inschrift und dann kann man sich diese Brocken in doppelter Hinkelsteingröße in den Garten stellen, geliefert wird frei Haus. Hauptkunden sind natürlich Hotels oder Gartenbauarchitekten, die mit den Brocken einen netten Blickfang schaffen können.

Von der Hauptstraße biegen wir in einen kleinen Feldweg lang und gelangen so zum See. Der Weg ist mit Felssteinen Gepflastert und wir holpern mächtig durch die Gegend, dafür ist diese ländlich und anschaulich. Es geht mitten durch viele Gemüsefelder, auf einigen werden gerade Lauchzwiebeln für unser Essen heute Abend geerntet. Am See bietet sich gleich ein wunderschöner romantischer Ausblick mit kleinem Fischerboot und so macht es nicht viel aus, dass die Holperstrecke weitergeht. Der Feldweg führt mal mehr oder weniger weit entfernt vom See von Dorf zu Dorf und einige richtig alte Bogenbrücken erinnern daran, dass hier wohl einmal die historische Hauptstraße entlang führte. In den Dörfern geht es in engen Gassen zwischen alten und neuen Gehöften vorbei, manchmal macht der Weg eigenartige Kurven und Schlenker.

Zwischen zwei Dörfern gibt es einen winzigen daoistischen Tempel. Während draußen die jungen Leute vom Nachbardorf schnell vorbeihasten in Richtung des kleinen Städtchens, sind im Tempel zwei alte Frauen in tiefe Gebete versunken. Die eine der Frauen hat vor dem Tempel eine schwere Kiepe abgestellt und trägt einen glänzenden Orden aus den „guten alten“ Zeiten, sie ist 80 Jahre alt.

In Xizhou ist heute Markttag und die Leute strömen aus allen Himmelsrichtungen hierher, zu Fuß, mit dem Moped oder Fahrrad oder mit dem Pferdefuhrwerk. Auf einem kleinen Platz am Rande des Marktes stehen gleich zehn dieser Fuhrwerke, mit drei Sitzbankreihen, und warten auf die Rückkehr der Einkäufer.

Wir wühlen uns durch die Menge, vorbei an den vielen Ständen und Läden bis zum zentralen Platz. Der ist den Essständen vorbehalten und es gibt eine recht nette Auswahl an Möglichkeiten. Da gibt es Reisnudeln mit Fleisch, entweder gebraten oder im Tontöpfchen, kalten Reispudding mit scharfer Soße und gegrilltes Fleisch und Gemüse. Die lokale Besonderheit ist jedoch eine Art lokale Pizza, interessant vor allem ist der Ofen. Auf ein Holzkohlefeuer kommt eine schwere Pfanne mit den Pizzen, dann wird noch eine große Pfanne mit glühender Kohle obenauf gestellt. Das Resultat ist etwas fluffiger als italienische Pizza und superlecker.

Während des Essens zerplatzt ein Schlauch mit lautem Zischen völlig spontan; unser erster Plattfuß auf der Tour.

Die Rückfahrt ist weniger toll, wir holpern über die Autobahnbaustelle wieder zurück nach Dali. Dort enden wir die Rundfahrt in einem Cafe und dann geht es abends nach einem langen Duschbad zum Abendessen in ein Restaurant um die Ecke und es ist heute wohl das beste Mahl auf dieser Tour. Wieder gibt es Pilze, diesmal auch einen sauer scharfen Fisch, frittierte Bohnen, ein Gericht mit der Flechte eines Baumes und einiges andere, insgesamt acht Gerichte für knapp 20 Eu

Der Besitzer des Hotels gab dann noch eine kleine Party mit viel angesetztem Schnaps und so wanke ich leicht trunkig ins Bett und hoffe, morgen keine Kopfschmerzen zu haben.

5. Tag: Rausflug zu den Drei Pagoden

Mittwoch, den 10. Februar 2010

Ankunft in Dali, Stadtbesichtigung und Radausflug zu den Drei Pagoden, sonnig bis 20 Grad, leichter Wind mit heftigen Böen

Erstaunlich gelassen geht es im Zug zu. Schon nach einer knappen Stunde haben die Chinesen fleißig alle ihre Zähne geputzt und auf den Gängen ist es ruhig, die Musik wird abgeschaltet undm nur ab und zu holpert der Wagen über ein Gleis. Die Liegen sind auch erstaunlich lang, mit meinen 1,8 Metern habe ich oben und unten immer noch ein paar Zentimeter Spielraum.

Leider ist die Nacht viel zu schnell vorbei, um 4.30 Uhr schmeißt der Schaffner alle Dali-Aussteiger aus den Betten und schon kurz nach fünf fährt der Zug in Dali ein. Müde schleppen wir unsere Koffer nach draußen in die kalte Luft und mummeln uns für zwanzig Minuten ordentlich ein, denn der Fahrer hat 20 Minuten Verspätung.

Noch im Dunkeln erreichen wir unser Guesthouse in Dali und dann versuche ich noch eine Stunde bis zum Frühstück zu schlafen, bekomme aber selbst im Bett mit zwei Decken meine kalten Füße nicht richtig warm.

Das frühstück ist ein einziges Kuddelmuddel, denn die Küche verwechselt unsere Bestellung und so bekommt keiner das, was er bestellt hat. Trotzdem guter Laune beginnen wir dann unseren Stadtrundgang. Die Sonne meint es wieder gut mit uns und so wird es schnell angenehm warm, nur die heftigen Windböen erinnern noch an die sehr kühle Nacht.

Dali ist die Hauptstadt des ehemaligen Nanzhao Reiches, das sich bis in die Song-Dynastie erfolgreich der Angliederung ans chinesische Reich widersetzte, vielleicht war es auch gewollt, hier ein Pufferreich zwischen China und den damals sehr aggressiven Tibetern zu haben. Erst Khublai Khan hat die Gebiete an China angegliedert.

Die alte Stadtmauer ist zu großen Teilen erhalten und auch in der Stadt gibt es ganze Straßenzüge mit alten Häusern. In den 80er Jahren wurde die Stadt von ausländischen Bagpackern „entdeckt“ und entwickelte sich zu einer Touristenhochburg. Der infrastrukturelle Ausbau erfolgte und seit der Jahrhundertwende ist Dali auch bereit für chinesischen Massentourismus. Es gibt eine lange Fußgängerzone mit hunderten von Souvenirläden, Teeläden, Silberschmuckläden der Bai Minorität, die hier zu Hause ist und jede menge Kitsch. In den schönsten Wohnhöfen haben sich Hotels und Gasthäuser etabliert und es gibt hunderte Restaurants in allen Preislagen und gemütliche Cafes.

Wir wandeln einmal die Meile entlang und bestaunen die vielen „Teebäume“, Kamelien, die hier gerade in vollster Blüte stehen. Die roten Blüten vor den alten Gebäuden bilden einen schönen Kontrast. Im Zentrum der Stadt befindet sich ein großer Trommelturm, von dem man eine gute Sicht über die gesamte Stadt bis zum Er’hu See, dem Ohrensee, wegen seiner leicht gebogenen Form.

Noch interessanter als die durchgestylte Touristenmeile sind die Nebenstraßen, in denen sich das chinesische Alltagsleben abspielt, statt Souvenirshops findet man hier kleine Läden mit Kolonialwaren und an der Straßenkreuzung stehen Frauen aus den umliegenden Dörfern und verkaufen frisches Gemüse und Hühner, die in kleinen Käfigen mehr oder weniger gelassen ihrem Weg in Richtung Wok entgegen sehen.

Nach einem Capuccino in der Sonne gehen wir dann zurück zum Hotel und basteln ein wenig an unseren Rädern herum. Pedale und Sättel werden gewechselt und Lenkerboxen angebaut, dann sind wir bereit für die ersten Radkilometer. Weit geht es nicht, denn die Drei Pagoden liegen direkt vor der Stadt. Sie sind das Wahrzeichen in der Region und das Foto mit den drei Pagoden und der Reflexion in dem kleinen Teich vor schöner Bergkulisse fehlt in kaum einem Chinareiseführer.

In den 80er Jahren waren die Pagoden vom Verfall bedroht und mit dem Massentourismus ist eine riesige Tempelanlage drumherum gebaut worden, um den hohen Eintrittspreis von 120 Yuan zu rechtfertigen.

Mit uns sind auch zahlreiche chinesische Gruppen unterwegs und der Fotospot vor dem Teich ist heiß umkämpft. Wegen des Windes ist natürlich die Reflexion nicht vollkommen, wird aber durch die posierenden Chinesen wieder wettgemacht.

Die Tempelanlage weiter hinten hat nichts mit Geschichte zu tun, dort wo ehemals der Regierungssitz des Nanzhao Königs lag, wurden riesige Betontempel hingeklotzt. Beeindruckend ist für mich lediglich die Gigantomanie der Anlage.

Der Hunger treibt uns irgendwann wieder zum Eingang und die 5 Kilometer in die Stadt zurück, dort suchen wir uns ein Restaurant und haben ein großartiges Mahl. Vor den Restaurants sind in großen Schüsseln dutzende Sorten von Gemüse aufgefahren, es gibt auch ein paar Sorten Pilze, Muscheln und allerlei wilde Kräuter.

Danach habe ich mir eine Stunde Schlaf verdient und dann wartet noch eine ganze Menge Arbeit auf mich, Hotels vorbestellen, Fotos bearbeiten und mein Blog schreiben. Gegen 22 Uhr ist alles geschafft. Inzwischen ist es wieder kalt geworden und der Wind pfeift draußen vor der Tür. Eine warme Dusche bringt wieder etwas Gefühl in die Füße und dann geht es ins warme Bett.

4. Tag: Wandertag in Kunming

Dienstag, den 9. Februar 2010

Langer Marsch durch die Hauptstadt Yunnans, Yuantong Tempel und Cui Hu, Teeprobe, Altstadt und Einkaufsmeile

Am Morgen ist es noch empfindlich kühl, aber nach dem frühstück wärmt die Sonne schon recht gut. Fast ausgeschlafen stürzen wir uns heute in die Metropole. Draußen auf der Straße tobt der Vormittagsverkehr, aber trotz der hohen Verkehrsdichte läuft alles relativ entspannt. Auf den Hauptschlagadern läuft der Verkehr sechsspurig und daneben gibt es eine breite Fahrradspur. Fahrrad wird allerdings nur noch sehr wenig gefahren, dafür sind viele Kunminger mit flotten Elektrobikes unterwegs. Da gibt es dann fahrradähnliche Varianten, aber auch schicke große Roller.

Wir biegen ein in die Wohnviertel und bewundern das Leben auf der Straße. Ein Friseur schneidet in einem halboffenen Laden einem älteren Herren die Haare, davor sitzend rauchende Männer auf kleinen Hockern und sehen zu. In einer kleinen Gasse gibt es ein kleines Gewerbe nebeneinander, einen Schneider, einen Tabak und Spirituosenladen, einen Schuster und immer wieder eine kleine Garküche, von der dampfend Wolken in die klare Luft steigen.

Die Wohnhäuser im Zentrum stammen alle aus den 70er und 80er Jahren und die Balkone sind bis in den fünften Stock vergittert. Die Chinesen haben mitunter übertrieben Angst vor Einbrechern, dabei ist die Kriminalitätsrate in China erfrischend niedrig.

Der Yuantong Tempel befindet sich im Zentrum der Stadt. Der Tempel ist recht gut besucht und stammt noch aus der Yuan-Dynastie. Leider wird der Tempel gerade renoviert und gleicht eher einer großen Baustelle. Im See ist kein Wasser und das Eingangstor ist eingerüstet und auch die vier großen Wächterfiguren sind hinter einer Pappwand versteckt. Interessant ist das religiöse treiben der Chinesen. Auch viel junge Leute kommen her und verbrennen reichlich Räucherwerk.


Vom Tempel geht es weiter zum Cui Hu See, einer großen Parkanlage in der Stadt. Auch hier sind viele Leute unterwegs, um die wärmende Sonne zu genießen. Großeltern mit ihren Enkeln gehen hier spazieren und Liebespärchen halten schüchtern Händchen. In einem Teil des Parks treffen sich vor allem älter Leute zum Musik machen. Zwei Männer üben auf Klarinetten und ein blinder Mann spielt auf einem Keyboard, während seine Frau dazu inbrünstig Volksweisen ins Mikrofon. Daran hängt dann ein kleiner tragbarer Lautsprecher, aber es geht hier nicht darum Geld zu verdienen, sondern rein um die Freude an der Kunst.

Hinter dem Park befindet sich eine kleine Restaurantzeile und wir genießen ein paar schöne scharfe gebratene Gerichte, bevor wir in meinen Lieblingsteeladen zur Teeprobe einziehen. Fast zwei Stunden geht es kreuz und quer durch die chinesischen Teegärten, wir starten mit einem Jasmintee, dann kommt ein Schwarzer Tee, dann der berühmte Drachenbrunnentee aus Hangzhou. Weiter geht es mit einem Gunpowder und einem halbfermentierten Tee und dann kommen wir zu den Spezialitäten der Provinz und verkosten einen sehr guten grünen Pu’erh Tee und noch einen klassischen roten Pu’erh. Alle sind begeistert und Ernst, der sowieso passionierter Teetrinker ist, verlässt den Laden mit einem guten Vorrat für das nächste halbe Jahr.

Einige Straßenzüge des alten Zentrums haben den Bauboom der 80er Jahre überstanden und ein Teil davon ist schon recht ordentlich saniert worden. Die Touristen schlendern gerne in diesen Viertel und so haben leider Kaffeehäuser und Boutiquen die alten kleinen Gewerbe verdrängt. Im großen Gegensatz dazu steht die moderne Einkaufsmeile, hier reiht sich ein Kaufhaus ans andere und die gleichen Label wie auf dem Kurfürstendamm haben auch hier ihren Fuß in der Tür des boomenden Marktes.

Etwas müde treten wir den Rückweg unseres City-Marathons an und enden in einem kleinen Restaurant in der Nähe des Hotels und wieder werden wir kulinarisch verwöhnt. Es gilt noch etwas Zeit totzuschlagen, denn am Abend wollen wir mit dem Nachtzug noch nach Dali fahren.

Gegen 20 Uhr brechen wir dann mit dem Taxi auf in Richtung Bahnhof. Die Bahnhofshalle ist riesig und hundert Menschen warten in dem Saal auf die Abfahrt des Zuges. Wir vertreiben uns die zeit mit einem Bier und dann geht es mit Gedränge zum Zug. In dem winzigen Schlafwagenabteil haben wir Mühe unsere Koffer unterzubringen, doch wir brauchen ja den platz im gang zwischen den betten nicht, denn wir wollen versuchen die Nacht im Zug schlafend zu verbringen, um morgen gegen 5.30 Uhr einigermaßen Fit in Dali anzukommen.