Archiv: 2008 Athen-Peking

Montag, 7. April 2008, von Tiblissi nach Telavi, 94 Kilometer, 1618 Höhenmeter: „Geschüttelt auf der Schlaglochpiste“

Dienstag, den 15. April 2008


Mit etwas Verspätung kommen wir los, da die Heißwasser-, Kaffee, Teeversorgung im Hotel zum Frühstück nicht so gut funktioniert hat, die ständig vor sich hin grummelnde schlechtgelaunte Bedienung mit Sowjetmentalität hatte nicht die geringste Lust, dem Ansturm der 18 Radler plus den Nachfragen einer britischen Gruppe standzuhalten.

Es ist heute Morgen deutlich wärmer als in den letzten Tagen und das allein ist schon ein Grund zur Freude. Keine Freude dagegen ist der dichte Fahrzeugverkehr auf der Ausfallstraße, den wir gute 20 Kilometer über uns ergehen lassen müssen, dann können wir nach rechts in ein Seitental abbiegen. Gestern haben Viele schon wieder gestöhnt, weil heute ein Pass mit 1700 Metern auf dem Programm stand, eine Alternative für schlechtestes Regenwetter wäre die Hauptverkehrsstraße gewesen. Da sich sogar die Sonne kurz in dem Hochnebel zeigt, gibt es für mich gar keine Frage, welche Strecke zu wählen ist und ich lasse mich auch auf keine Diskussion ein.

Die Nebenstraße ist wieder sehr löchrig, mitunter fehlt der Straßenbelag ganz und es geht immer wieder kräftig hoch und runter. Aber die Landschaft ist wunderschön, nur ganz selten sehen wir einmal ein Auto, viel mehr dagegen Schafherden; oder Kühe beobachten uns wiederkäuend ausdruckslos vom Straßenrand. Die Bäume stehen in voller Blüte und überall zwitschern die Vögel. Auf einer kleinen Lichtung finden wir einen schönen Platz für eine Rast und ein Picknick und können uns dann frisch gestärkt an Käse, Wurst und Joghurt an den Pass werfen. Obwohl die Steigung nicht mehr als sechs Prozent hat, stöhnen einige von uns kräftig, da es jetzt faktisch keinen Asphalt mehr gibt und an einigen etwas steileren Rampen ist es schon schwierig, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Aber vom Straßenrand werden wir immer wieder angesprochen und ermuntert und ab und zu habe ich eine kurze russische Konversation. Bald sind wir durch das letzte Dorf hindurch und die Straße schraubt sich höher und höher. Unser Rastplatz lag noch auf 800 Meter Höhe und wir schrauben uns dann auf nur 12 Kilometern bis auf 1600 Meter hoch. In den Kurven hat man immer wieder wunderschöne Ausblicke zurück und auf die Almen und auch die Sonne ist etwas herausgekommen. Die entfernten Schneegipfel lassen sich aber im Dunst nur erahnen.

Kurve um Kurve kämpfen wir uns nach oben, ich glaube es ist der schwerste Anstieg nach unseren Heldentaten in Griechenland, aber irgendwann ist das Ende, der Pass abzusehen, die Ersten warten auf die Letzten und nach einer kurzen Verschnauf- und Fotopause geht es dann abwärts. Und wir haben Glück, denn die Straße nach unten ist wesentlich besser, fast durchgängig guter Asphalt und so geht es in rasender Fahrt abwärts. Nach einem kleinen Dorf tauchen wir ein in einen Buchenwald und es ist wirklich toll, mit dem Pass haben wir wohl eine ganze Woche Frühling übersprungen, den die Buchen leuchten in der Nachmittagssonne in schönstem Grün und überall blühen Blumen in allen Farben. Dicke Buchenstämme links und rechts der Straße, ich muss anhalten und mache ein paar Schritte in den Wald mit den knorrigen Bäumen. Ein regelrechter Zauberwald.

Gegen 18 Uhr kommen wir dann in Telavi an, wieder eine Stadt, die zu Sowjetzeiten besser ausgesehen hat, aber unser Hotel ist neu, wenn auch einfach. Die Zimmer sind nett und sauber und auf den schwierigen Tag trinken wir ein „Schmutziges Bier“. Mir Leo bestelle ich dann das Abendbrot und muss mich noch mit nüchternem Magen durch die Weine kosten, der rote ist zu süß, aber der Weißwein, obwohl „nur“ ein Hauswein hat Format und der nächste Rotwein, diesmal aus der Flasche ist richtig gut. Auch das Abendessen ist sehr gut uns alle sind zufrieden.

Nach dem Computerstress in Tiblissi mit dem langsame Internet, dass mich fast die ganze letzte Nacht gekostet hat ,verschwinde ich zeitig im Bett und mich stört nicht einmal, dass unten noch bis lange nach Mitternacht der Tanzbär tobt.

Sonntag, 6.April 2008, Ruhe,- Putz und Schraubtag in Tiblissi (leider ohne Bilder)

Dienstag, den 15. April 2008


Für unsere Teilnehmer ist heute ein Ruhetag ohne Programm. Die Meisten wollen noch einmal durch die Stadt schlendern und ihre Nase in Kirchen und alte Bäckereien stecken, oder einfach nur durch den botanischen Garten schlendern. Ein Teil der Männer hat Mahmukas Angebot angenommen und ist zum Skifahren in die Berge. Wir anderen opfern uns und putzen die Räder, ich stelle viele Schaltungen nach und wechsele Bremsbeläge und an Andrés Vorbau versuchen wir das Problem der festgefressenen Mutter zu lösen, vorerst vergeblich.

Danach heißt es für mich die letzten Tage nach zu schreiben, Mails zu beantworten und meine Texte in die Blogs zu stellen und Bilder zu bearbeiten und zu verschicken.

Viel lieber wäre ich noch diesen Tag in der Stadt herum geschlendert, aber die Arbeit muss auch getan werden und das Internet will manchmal nicht richtig funktionieren und ist elendig langsam. Die Gruppe geht abends noch ins georgisch-türkische Bad und lässt sich einweichen, schrubben und massieren und ich erledige weiter meine Arbeiten. Volker und ich basteln noch weiter am Vorbau und wir kommen zu einer einigermaßen befriedigenden Behelfslösung. Der Lenker sitzt wieder fest und wackelt nicht mehr und Andre muss auch nicht befürchten, das RTeil während der Fahrt plötzlich in der Hand zu haben.

Abendessen machen wir getrennt, nur ein paar Leute treffen sich in einem winzigen georgischen Lokal und das Essen ist noch leckerer als sonst.

Samstag, 5. April 2008, Ruhetag in Tiblissi: „Attraktiver Kulturinput“

Sonntag, den 6. April 2008


Georgien ist ohne Zweifel das Land mit den attraktivsten Reiseleiterinnen. 10 Uhr steht sie vor uns, Tamuna, Augen wie Feuer, charmantes Lächeln und ein besseres Deutsch als die meisten unserer Teilnehmer und erzählt uns mit Leidenschaft und Hingabe über das Schicksal „ihrer Stadt“ Tiblissi. Die Wurzeln reichen zurück in legendäre Zeiten, historische Funde gibt es aus vorchristlichen Zeiten, alle waren hier, die Mongolen, die Araber, die Christen, die Juden, um teilzuhaben am Reichtum der Handelsstadt an der Seidenstraße. Zahlreiche noch heute erhaltene Karawansereien erinnern an die Zeiten die Marco Polo beschreibt, Kamelkarawanen haben sich durch die engen Gassen des Städtchens gezwängt, Händler aller Nationen hier gehandelt. Es ist geraubt, geplündert und gebrandschatzt worden, aber Tiblissi ist immer wieder aufgebaut worden. Wir ziehen vorbei an orthodoxen Kirchen, werfen einen Blick auf eine Ausgrabung eines Weinkellers aus römischen Zeiten und besteigen die alte Festung. Hier haben wir ein atemberaubendes Panorama in alle Richtungen und auch auf die Bausünden der letzten Jahre und Jahrzehnte. Das noch im Bau befindliche Präsidialamt mit einer blauen Glaskuppel passt genauso wenig in die Stadt, wie ein gigantisches kommunistisches Wohnsilo. Zum Besuch von Georg Bush sind einige Fassaden renoviert worden, nur von vorne und mit viel Farbe. „Potemkinsche Dörfer“ nennt man das und so sagt Tamuna: „Der Bush soll noch mal kommen, aber eine andere Route durch die Stadt nehmen, damit noch mehr renoviert wird.“

 

Im Stadtzentrum gibt es eine kleine Fußgängerzone mit nett renovierten Häusern, aber einen Straßenzug weiter regiert schon wieder der Verfall. Vom Sitz des letzten georgischen Prinzen lässt sich nur noch erahnen, wie prachtvoll das Gebäude einmal ausgesehen hat und dahinter steht eine noch grauenvollere komplett ausgebrannte Ruine. Mittag machen wir in einem kleinen Imbisslokal, mit kleinen leckeren Vorspeisen, schweren aber köstlichen russischen Salätchen, verschiedenen warmen Fleischgerichten und verlockenden Süßspeisen. Es geht schnell, ist nicht teuer und schmeckt gut und ich frage mich zum tausendsten Male in meinem Leben, was die Leute zu Mc Donalds & Co. treibt, der auch hier gleich nebenan in einem umgebauten historischem Gebäude mit benachbartem Denkmal des Nationaldichters eine Bleibe gefunden hat. Wieso tun sich die Leute weltweit vereinheitlichten Geschmack an, wenn man nebenan wirklich richtig gut essen kann.

Danach geht es ins Museum, in die Schatzkammer für Ikonen in einem heruntergekommen Bau. Passend zum Äußeren die lokale Führung. Mit absolut emotionslosem Gesichtsausdruck, und völlig ausdrucksloser Stimme rattert die Mittfünfzigerin mit vermutlich noch sowjetischer Intourist-Ausbildung ihren Text herunter. Wenn man bei der Monotonie nicht sofort schläfrig würde, könnte man hier noch einiges Wissenswertes erfahren, so versuchen wir uns aber an der Karikatur einer Reiseführerin wenigstens noch zu amüsieren und sehnen uns nach draußen zu unserer munteren Tamuna zurück, nachdem wir den halben Weg durch die Ikonen, gemalt, emailliert und mit Gold und Steinen beladen, zurückgelegt haben.

Draußen geht es dann noch einmal den Einkaufsboulevard hinauf und hinunter und dann haben wir unser umfangreiches Programm für heute hinter uns gebracht. Den Abend verbringt dann jeder, wie er will, für mich steht noch eine kleine Besprechung auf dem Programm in einem netten kleinen Restaurant mit delikatem Essen und entsprechendem Wein dazu. Da aber wir Reiseleiter auch etwas müde sind wird es nicht mehr als ein guter Schluck zum Essen und ich freue mich auf eine ruhige Nacht und den morgigen Ruhetag, obwohl ich wohl viel arbeiten werden muss.

Freitag, 4.April 2008, von Gori nach Tiblissi, 91 Kilometer, 667 Höhenmeter: „Übers weite Land nach Tiblissi“

Sonntag, den 6. April 2008


Das morgendliche Wetter sieht etwas unentschlossen aus und es ist ziemlich frisch, gerade einmal 5 Grad zeigt das Thermometer, als wir gegen halb zehn aufbrechen. Noch einmal geht es die Stalinallee herunter, am so genannten „Reichstagsgebäude“ vorbei, dem Rathaus der Stadt, dass nach den Zweiten Weltkrieg von detschen Kriegsgefangenen gebaut wurde und eine etwas kleinere Kopie des Original in Berlin ist, inklusive der Glaskuppel. Davor steht nach wie vor Stalin und blickt vorwärts auf eine bessere Zukunft.

Gleich hinter der Stadt biegen wir von der Hauptstraße ab und fahren auf einer winzigen verkehrsfreien Straße durch kleine Dörfer. Wieder Bilder des Postsozialismus, einer riesige verfallene Bahnstation in der Mitte der Pampa, auf der seit Jahren kein Zug mehr gehalten hat, riesige verfallene Stallungen, überwucherte Denkmale. In den Dörfern fahren Busse, die eigentlich in ein Verkehrsmuseum gehören und die wenigen Fahrzeuge sind alles rostende Karossen sowjetischer Bauart. In kleinen Buden werden die Errungenschaften der modernen Welt und Lebensmittel verkauft und eine Werbetafel der Berliner „Schultheiß“ Brauerei hat es hierher über den ehemaligen Dorfladen geschafft. Auf der Straße werden wir von zwei rotnasigen Männern angehalten und müssen gemeinsam eine zwei Liter Flasche mit Bier eines lokalen Labels, dass wir gemeinsam leeren müssen. Weiter geht es durch die Schlaglochpiste, ab und zu drei Meter Asphalt zeugen von besseren Zeiten, zwischen den Dörfern ist die Piste mitunter so schlecht, dass wir auf den alternativen Fahrstreifen auf dem Feld ausweichen. Umso schöner ist die Landschaft und die zu neuem Leben erwachende Natur, reihenweise blühende Birnenbäume lassen hoffen, dass es in den nächsten Tagen wärmer wird.

Mittags rasten wir auf einer kleinen Anhöhe und haben ein kleines Picknick und einen großartigen Blick auf den kleinen Kaukasus südlich von uns. Nachmittags auf dem nächsten Hügel dann der große Schreck: Wo ist Helga? Vor einer Viertelstunde war sie noch hinten bei mir und hatte dann einen kurzen Abstecher ins Gebüsch gemacht. Gab es danach noch einen Abzweig? Ich fahre noch einmal zurück, ohne Erfolg. Achi braust noch einmal mit dem Jeep los und eine knappe halbe Stunde haben wir Helga wieder, es hatte wirklich noch einen Abzweig gegeben und die beiden Obstbauern, die Helga versucht hatte nach dem Weg zu fragen , waren nicht wirklich hilfreich.

Wenig später kommen wir auf die Haupstraße zurück und danach erreichen wir die alte georgische Haupstadt Mtskheta (ich kann dieses fast vokalfreie Wort nicht aussprechen). Dort gibt es eine Jahrhunderte alte Festung und Kirche, die wir besichtigen. Erst nach einigen Disskusionen dürfen wir die Kirche, die mehr als zehn Mal aufgebaut und wieder zerstört wurde, besichtigen. Der bärtige Wächter hatte e nicht gern gesehen, dass wir in unseren enganliegenden Radhosen, das heilige Gemäuer besichtigen, aber Achi kann von unserer Tour erzählen und dass es natürlich nicht möglich ist, immer eine zweite Kollektion Sachen dabei zu haben. In der Kirche gibt es mehrer kleine Bauten aus frühchristlicher Zeit und auch hier soll es ein Leichentuch mit dem Abdruck des Gesichtes von Jesu geben. Wie viel davon legend und wie viel davon Wahrheit ist, weiß niemand, denn die Wissenschaftler wollen den Steinsockel, der das Tuch beherbergen soll nicht öffnen.

Der Besuch in der Kirche erspart uns einen Regenguss und nun geht es auf die letzten Kilometer in Richtung georgische Hauptstadt, zwei ganzen Ruhetagen entgegen. Der Verkehr ist katastrophal dicht und chaotisch und wirklich nur zu ertragen, weil ein Polizeifahrzeug hinter uns fährt. Hier in Tiblissi sieht man schon wieder jede Menge großer und teurer Fahrzeuge auf der Straße, wer Geld hat tauscht sofort seinen Lada gegen ein teures japanisches oder deutsches Modell mit Stern ein. Wie in Batumi wird viel gebaut, es gibt postmoderne Verfehlungen, viele Baustellen, sozialistische Wohnblöcke aus den 70er Jahren, alte Jugendstilhäuser und auf jedem Hügel eine Kirche. Mit dem letzten Tageslicht erreichen wir unser Hotel und haben nicht viel Zeit zum Duschen, denn wir werden von einer kleinen Abordnung des Tourismusministeriums erwartet und zum Essen eingeladen. Wieder gibt es viel zu viele leckere Sachen und es ist schwer zu entscheiden ob nun der Rotwein oder der Weißwein besser ist und so trinken wir im Wechsel. Danach machen die letzten Munteren von uns noch einen Abstecher in die Altstadt und wir ziehen in eine Bar mit Livemusik. Ein wenig zu tanzen ist eine gute Abwechslung zum Radfahren und morgen können wir ja fast ausschlafen.

Donnerstag, 3.April 2008, von Surami nach Gori, 60 Kilometer, 285 Höhenmeter: „Auf den Spuren des Generalissimus“

Sonntag, den 6. April 2008


Durchs Fenster strahlt die Sonne, allerdings ist es immer noch böse kalt, knapp über Null Grad. Der gestrige Regen hat sich als Schnee auf den fernen Bergen gesammelt. Die Frau des Hauses hat es wirklich über Nacht geschafft, unsere Sachen zu waschen und sie sogar trocken zu bekommen, lediglich meine Handschuhe habe ich vergessen und die sind noch patschnass. Das Frühstück ist wieder eine Fortsetzung des Abendessens, Spiegeleier, Würstchen, selbst gemachtes Pflaumenmus, Käse und Wurst, alles im Überfluss. Nachdem Fahrräder und Gepäck bereit sind noch ein großes Abschiedsfoto und dann geht es die schlammige Dorfstraße wieder hinunter durch das Dorf. Und überall zeigt sich das gleiche Bild, eine riesige Fabrik, ehemals eine Flaschenfabrik liegt still, grün überwucherte Bahngleise, vor dem riesigen Komplex ein verfallenes Gebäude mit griechischen Säulen davor, das „Dom Kulturui“, das ehemalige Haus der Kultur, alles verlassen und verödet. Unsere beiden georgischen Führer geben auch zu, dass es zumindest wirtschaftlich ein Fehler war, sich von Russland zu trennen, denn das große Land war der Hauptabnehmer von Allem, was hier in Georgien produziert wurde, Industrieprodukte, Wein und Tee, alles ging früher Richtung Moskau, heute wird nicht mehr produziert. Und der große Aufschwung mit der Unabhängigkeit lässt immer noch auf sich warten und immer wieder wird betont, dass man sich als Georgier ja eigentlich als Europäer fühlt und nicht so sehrt als zu Asien zugehörig.

Wir fahren wieder durch eine grüne Ebene, aber nur 30 oder 50 Kilometer weg liegen majestätisch die ersten Ausläufer des Großen Kaukasus, Berggipfel mit bis zu 5000 Meter Höhe, ohne Ausnahme mit Schnee und Eis bedeckt. Am Straßenrand werden Äpfel verkauft, von den großen Plantagen zu beiden Seiten der Straße und etwas weiter ist ein Fleischstand aufgebaut, eine Schweinehälfte und zwei Schweineköpfe werben für das Produkt.

Nach einem Hügel blicken wir auf Gori, eine mittelkleine Stadt, früher gab es jede Menge Industrie, heute sehen wir neben ein paar funktionierenden Betrieben natürlich viele Ruinen. Das modernste Gebäude ist ein riesiger Kasernenkomplex, wie in allen Staaten der Welt ist eben fürs Militär immer Geld da. Heute sind wir auf zwei Familien verteil untergebracht, wir laden rasch unser Gepäck in den Zimmern ab, denn wir haben noch ein Nachmittagsprogramm.

Gori ist der Geburtsort von Stalin. Deshalb geht es dann mit dem Bus auch erst einmal die Stalinallee hinunter, bis zum Stalinplatz mit Stalinmuseum und Stalingeburtshaus. Der Monumentalbau im stalinistischen Stil beherbergt eine komplett unkritische Sammlung von Stalinfotos und Devotionalien. Unsere Führerin im Museum spricht hervorragend Deutsch und führt uns durch Stalins Jugend durch den Zweiten Weltkrieg bis zur Kopie der Totenmaske. Ulli versucht ihr ab und zu durch kluge Fragen ein paar Worte zur dunkleren Seite Stalins abzuringen, aber sie geht nicht darauf ein, nur bei der Bemerkung, dass ja Stalin doch auch ein ganz schöner Gauner gewesen sei, kann sie ein Lächeln nicht unterdrücken.

Gegenüber dem Museum steht das Geburtshaus Stalins, der aus armen Verhältnissen stammt, der Vater war Schuster und die Mutter Schneiderin und die Familie mit vier Kindern hat in dem kleinen Zimmerchen gewohnt, in das nicht einmal die Hälfte unserer Gruppe passt. Letztes Ausstellungsstück ist Stalins Eisenbahnwagon, ein rollendes Stück Panzerstahl, mit dem er durch die Welt rollte. Selbst in Potsdam war er mir diesem Wagon, da er das Fliegen nicht mochte.

Nach so viel Geschichte und Personenkult geht es dann zu einem kleinen Mittag ins Restaurant und dann gleich weiter zur Höhlenstadt Uplisziche. Vor 3000 Jahren schabten die damaligen Bewohner in mühevoller Arbeit eine ganze Stadt aus dem Sandstein, inklusive Königspalast und Sakralbauten. Archäologen haben die Funktionen der einzelnen Höhlen herausfinden können und so geht es hindurch durch Lagerräume, Weinkeller, Bäckerei; Wein wurde in einer riesigen Mosterei ausgepresst und schon damals prägte sich eine der Grundzüge der Georgischen Kultur aus. Sechs Gläser Rotwein pro Tag, drei zum Mittag und drei Zum Abend seien unverzichtbar für eine gute Gesundheit und er halte sich seit Jahren daran, sagt unser 70 jähriger Führer durch die Ruinen und Höhlen und springt behende von einem Felsblock zum anderen, um uns die nächste Höhle zu zeigen.

Die späte Nachmittagssonne liegt über dem weiten Tal des Mtkvari- Flusses, sanfte grüne Hügel und kleine Dörfer schmiegen sich in die Mäanderbiegungen und eine straffe Briese aus westlicher Richtung pfeift um die Ecken der antiken Felsbehausungen. Hoffentlich bleibt er uns erhalten, denn dann wird die morgige Fahrt nach Tiblissi ein Spaziergang.

Am Abend lernen wir wieder herzlichste Gastfreundschaft auf Georgisch kennen, hausgemachter Rotwein wird in viel zu großen Mengen in großen Karaffen auf die Tische gebracht, die sich schon unter der last von allerlei Leckereien biegen. Auf der Veranda wird der Grill mit Buchenholz angeworfen und eine große Schüssel mit Schaschlik wartet nut darauf gegrillt zu werden. Der Weg ins Bett führt wieder vorbei an Grill und Gastgeber, der mich noch einmal abfängt. Noch mehr Wein von den Reben aus dem eigenen Hof, 400 Liter produziert er im Jahr und die werden immer alle, woran ich keinen Zweifel habe. Danach bin ich müde und weinselig und rolle mich in die katastrophale Kuhle meines viel zu weichen Bettes und falle unverzüglich in Tiefschlaf.