Der Hohe Norden- Aufklärungstour I
27. August 2015Erste Erkundungstour für meine neue Radtour „Der hohe Norden“, 17. Juli 2015
Der weiße Fleck auf der Landkarte, den es zu füllen gilt ist wohl eher ein grüner Fleck, jedenfalls sieht es auf den Karten bergig und grün aus, also genau das Terrain, was man für eine anspruchsvolle Radtour braucht. Inzwischen kenne ich mich recht gut aus in Vietnam, den Ho Chi Minh Pfad von Hanoi bis Saigon bin nun schon ganze fünf Mal gefahren und durchs Mekongdelta weiter nach Kambodscha schon drei Mal. Dazu kommen dann noch drei Touren von China by Bike, als wir von China aus nach Hanoi am Roten Fluss entlang gefahren sind. Warum ich noch nicht eher auf die Idee gekommen bin, den Norden zu erkunden, das ist mir im Nachhinein ein Rätsel, denn schon die ersten Recherchen zeigen, das hier eigentlich die schönsten Landschaften Vietnams zu erradeln sind.
Doch bis zur Radtour ist noch ein wenig Zeit, im Moment ballert die Sonne gnadenlos und es wird bis zu 38 oder 39 Grad heiß, kein optimales Radfahrwetter. Wenn es sich blitzartig etwas abkühlt, dann nur um Eimerweise Wasser über der Landschaft zu verteilen. Außerdem habe ich ja hier in Hanoi wieder einen Job und ich bin mit meinen Schülern von Montag bis Freitag gut beschäftigt, deshalb will ich die Aufklärung erstmals etwas anders betreiben, mit dem Moped!
Ja, ihr habt alle richtig gelesen, ich werde mit dem Moped durch die Landschaft düsen, aber leider schaffe ich es nicht nur an Wochenenden ein Strecke von 1100 km mit dem Rad abzufahren, auch nicht in Etappen, weil man da ja immer noch Anfahrten von bis zu 200 km hat.
Seit fast zwei Wochen steht die Honda Wave im Hof und wartet noch auf das Nummernschild. ich habe noch etwas Hemmungen, denn ich habe natürlich keinen gültigen Führerschein. Zwar ist nach der Webseite des Auswärtigen Amtes der deutsche Führerschein in Vietnam gültig, aber die Honda mit ihren 100 Kubik ist schon ein Motorrad und kein Moped mehr. Allerdings sind mindestens die Hälfte aller vietnamesischen „Biker“ und „Bikerinnen“ ohne Führerschein unterwegs und angeblich soll es eine Anweisung des vietnamesischen Innenministeriums geben, Ausländer auf Mopeds nicht zu behelligen, solange sie nicht an einem Unfall beteiligt sind. Also dann nix wie los!
Es ist Freitag und es ist der 17. Juli und es ist wieder schön heiß, gegen 14 Uhr bin ich von der Arbeit zurück, schnappe mir und starte mein Motorrad und fahre erst mal nach Süden. Rund um Hanoi liegen Handwerksdörfer verstreut, so gibt es ein Nudeldorf, ein Sojasoßendorf, ein Wasserpuppenschnitzer-Dorf, ein Seidenschirm-Dorf und ein Keramikdorf. Ich will mein übliches Einstiegsprogramm ein wenig ändern, also lege ich das Nudeldorf auf meine Route, zumal man auf dieser Strecke auf recht ruhigen Straßen aus der Stadt herauskommt, immer an einem Fluss entlang, rechts und links die eher dörflich anmutende Vorstadt. Hinter den zwei Reihen mit Häusern dann schon Reisfelder und 500 Meter weiter dann schon der ersten Hochhäuser der neuen Vorstadt, die sich wie ein Lawine nach allen Seiten ausbreitet.
Das Nudeldorf Cự Đà liegt auch am Fluss, aber ein dicker Bagger hat ein Loch in die Straße gerissen, der Fahrer umreist mit ein paar unwirschen Handbewegungen die Umfahrungsstrecke, wieder einen Kilometer zurück, dann links durchs erschließungsgebiet für die nächsten Hochhäuser, dann hört eigentlich alles auf, bis auf den kleinen Pfad unter den alten Bäumen und dann den Fußweg am Kanal entlang. Hier wohnen auch ein paar Leute und zwar in absoluter Abgeschiedenheit und das nur 15 Minuten von der Millionenstadt entfernt. Also fahre ich von hinten in Cự Đà ein, von Nudeln ist im ganzen Dorf nix zu sehen, lediglich hinter dem Dorf gibt es komische Holzständer, wohl zum Trocknen von Nudeln, vermutlich wird im Sommer nicht genudelt, zu heiß und ab und zu zu feucht. Dafür scheint im Dorf das Business mit Katzenfleisch ganz gut zu laufen, überall an den Häusern weisen Schilder auf den Verkauf hin.
Weiter geht es, ich bin schließlich nur auf einer Aufklärungstour und muss heute noch vorankommen und mit der ersten Umfahrung hatte ich schon wieder Zeit verloren. Jetzt geht es über eine Eisenbahnbrücke, der Weg neben den Gleisen ist genau Lenkerbreite plus 2 cm, wenn man hier anrempelt, landet man drei Meter weiter unten im stinkenden Nhue Fluss. Etwas zittrig komme ich auf der anderen Seite und folgen den Gleisen, der Weg wird immer kleiner, laut GPS bin ich schon im Nirwana zwischen Reisfeldern, Seen und Grapefruitplantagen, Google maps zeigt Wege, die es nicht gibt, mit etwasn Mühe finde ich den „Ausgang“ aus dem Labyrinth und bin wieder in einem Vorstadtdorf und muss dann ein paar Kilometer über die Hauptstraße im Berufsverkehr. Diese gequert, wird es gleich wieder ruhiger auf der Dammstraße entlang, parallel zum Roten Fluss, der aber noch gut zwei Kilometer wegliegt. Ein Feldweg holpert zu einer Fähre und die bringt mich auf die andere Seite, wo gleich das Keramikdorf Bat Trang. Auch hier husche ich nur durch, überall gibt es kleine Gassen mit den Brennöfen und ein paar Lager und Läden, im November werde ich hier mit der Gruppe ein wenig genauer hinsehen. Heute ist es schon wieder 17 Uhr und in einer Stunde wird es dunkel und bis Hai Duong schaffe ich es auf keinen Fall mehr und in ba Trang gibt es auch kein Gusthouse. Ich falle noch einmal auf einen Weg herein, diesmal zeigt ihn das GPS, aber die Gestalter der Realität haben sich nicht an die Karte gehalten, heißt, es gibt keinen oder zumindest nicht diesen.
Irgendwie erreiche ich dann die Dammstraße und etwas später das nächste kleine Städtchen und hier gibt es auch eine Herberge, in der ich über Nacht bleibe, für knappe 10 € inklusive Klimaanlage.