Dienstag, 18.3. noch ein Ruhetag in Ankara

21. März 2008


Schön ist es auch den zweiten Tag nicht aufs Rad zu müssen, eigentlich wollte ich auch vor dem Frühstück das morgendliche Yoga aus Gründen persönlicher Faulheit ausfallen lassen, aber mein Yoga Fanclub war nicht einverstanden, ja, ja, „die Geister die ich rief…….“.

Punkt 9 Uhr sitzen wir im Bus und brauchen uns nicht mit dem Fahrrad durch den 5 Millionen Einwohner Moloch Ankara durch dichtesten Verkehr, Gehupe und Abgase zu quälen, sondern überlassen es Kassims Fahrkünsten, sich im Gewirr der Straßen und Gassen zurecht zu finden. Zuerst geht’s auf die Zitadelle. Etwas fröstelnd ersteigen wir das alte Gemäuer, das aus noch älterem Gemäuer recycelt wurde. Römische Säulen zu Torbalken, oder in Scheiben geschnitten als Mauerwerk finden sich überall, wie auch Teile von Inschriften, die nun wahllos im Gemäuer verteilt und manchmal sogar Kopf stehend verbaut wurden. Von oben einen etwas wettergetrübten aber doch beeindruckenden Blick über die Stadt. Besonders beeindruckend ist die Altstadt, ein Meer von roten Ziegeln, mit kleinsten Gässchen, die sich scheinbar ohne jedes System hindurch winden. Ein Horror für jeden Stadtplanzeichner, und ich möchte wetten, dass es für diesen Teil der Stadt keinen vernünftigen Plan gibt. Wie auch immer, viele Häuser sind dem Verfall nahe und von weitem kommen die Bagger und reißen Wunden ins Häusermeer, die dann mit Betonklötzen gefüllt werden. Die Türken haben eine Vorliebe für abartige Pastellfarben, und so steht neben einem zehnstöckigen Albtraum in Rosa einer der gleichen Baureihe in hellgrün oder blau. So viel taktlose Vielfarbigkeit haben ja nicht einmal die Architekten der sozialistischen Zweckbauten in der ehemaligen DDR aufgebracht, an die mich diese Siedlungen ein wenig erinnern.

Vor der Zitadelle ein großer Markt für Gewürze, Nüsse und Trockenfrüchte, Hubert und Rene decken sich mit einem Vorrat ein, mit dem fünf Eichhörnchengroßfamilien über den Winter kommen könnten. Die anderen begnügen sich mit einem Blick auf die würzig-nussig-fruchtige Farbenpracht, nicht einmal die Hälfte der hier dargebotenen Ware kann ich mit dem Namen bestimmen. Unter einem herannahenden und dann heftiger werdenden Regenguss flüchten wir ins Museum für anatolische Geschichte. Ein älterer Türke mit einem Deutschvokabular aus den 50er Jahren erklärt uns die Einzigartigkeit der einzelnen Stücke:

“Bitte, meine Damen und Herren, schauen sie hier der erste Rasierapparat der Welt, und bitte schauen sie dort, die Damen, ein Spiegel aus der Steinzeit für die Damen und bitte, die Damen und Herren folgen Sie mir hierher, bitte, ein Brief in Stein gehauen und verpackt, bitteschön……..“ Einiges ist wirklich sehr interessant, wie die hethitischen Skulpturen und die Fresken zum Gilgamesch Epos im Innenraum.

Als wir das Museum verlassen, hat der Regen nachgelassen und wir fahren zur größten Moschee Ankaras Kocatepe Camii, die vielleicht sogar die größte moderne Moschee der Welt ist. Da der Muezzin gerade zum Mittagsgebet gerufen hat, laufen jede Menge Menschen zum Beten zusammen, doch die Moschee ist nicht einmal zu einem Sechstel gefüllt. Wir haben Glück und dürfen die Moschee während des Gebetes betreten und können den gesungenen Koranversen aus nächster Nähe zuhören.

Mittag gibt’s in einem typischen Ankara-Restaurant, eine tomatige Suppe und Salat eröffnen den Schmaus, eine Kebabversion im Tontopf ist der Hauptgang, dazu gibt es gefüllte Weinblätter und zum Nachtisch eine Spezialität des Hauses, Bakklava, ein mit Honig getränkter Blätterteig in 79 Schichten; ich komme beim Nachzählen nur bis 14, die übrigen sind so mit Honig verklebt, dass ein Nachprüfen der patentierten Schichtenzahl nicht möglich ist.

Der nächste Programmpunkt ist das Innenministerium, in das wir eine Abordnung von sieben Radlern schicken. Empfangen werden wir von Herrn Halil Dumanli, aus dem Innenministerium, verantwortlich für Sport und Sicherheit, in einem großen sauberen Büro. Ein Vertreter von der deutschen Botschaft, Herr Özcan Bulgen aus der Wirtschaftsabteilung (auf dem Foto rechts), hat sich auch eingestellt und wir haben nun Gelegenheit uns für die Hilfe und Unterstützung, die wir durch die türkische Polizei bekommen haben, zu bedanken und tun dies auch. Als Geschenk haben wir noch eine große Packung vom 79 Schichten – Bakklava mitgebracht, das nun verteilt wird. Dabei haben wir Gelegenheit ein türkisches Bonmot kennen zu lernen, man soll Süßes essen und Süßes reden (und natürlich süßen Tee trinken) und so tauschen wir noch eine gute Reihe netter Höflichkeiten aus, informieren über unsere Tour und laden türkische Radler ein, in vier Jahren mit uns die Tour eventuell von Peking nach London zu radeln. Dann halten wir uns an eine weitere Regel der türkischen Gastfreundschaft, dass kurze Besuche die besten Besuche sind.

Zurück geht es im Eiltempo durch die halbe Stadt zum Atatürk Mausoleum und Museum, dem Anit Kabir. Auf einem Hügel thront der pompöse Bau im stalinistisch-römischen Stil. In einer gigantischen Halle ist der Leichnam des Kemal Atatürk in einem Sarg aus rotem Marmor aufgebahrt. Vor dem Museum halten in Glaskästen Soldaten Wache, nicht eine Miene verziehend ignorieren sie die Versuche der Passanten, diese Soldaten vielleicht doch zu einer Bewegung zu verleiten. Als der Regen einsetzt, erweist sich der Glaskasten mehr als nützlich für die Wächtersoldaten, um vor den peitschenden Gewitterböen Schutz zu spenden. Wir flüchten ins Museum, das sich in den Seitenflügeln des Monuments befindet. Kemal Atatürk, der Begründer der modernen Türkei wird bis heute, 70 Jahre nach seinem Ableben noch überall in der Türkei verehrt, hat er es doch mit seinen tief greifenden Reformen geschafft, dass die Türkei der einzige moslemische Staat ist, der am Anfang des 20. Jahrhunderts den Anschluss an den Westen gesucht und gefunden hat. Und so verwundert nicht, dass das Museum geprägt ist von Fotografien, Büsten, Bildern, Orden, Gewehren, Säbeln, Uniformteilen, die Atatürk irgendwann einmal in seinem Leben in den Händen oder am Leibe hatte; doch nicht nur hier ein großer Personenkult, im Moment ist ganz Ankara und das ganze Land beflaggt, wegen des Jahrestages des türkischen Sieges auf den Dardanellen, zu dem die Entscheidungen des damaligen Offiziers Kemal Atatürk nicht unwesentlich beitrugen. Für meinen Geschmack etwas zu viel Personenkult und Kriegsverherrlichung und unwillkürlich muss ich an Vietnam und den Ho Chi Minh Kult denken.

Während über halb Ankara noch der Gewittersturm tobt, scheint auf der anderen Seite die Sonne und dazwischen spannt sich ein leuchtender Regenbogen über die Stadt.

Im Bus geht es durch den chaotischen Verkehr wieder zurück ins Hotel, wo ich bis zum Abendbrot meine gewaschene Wäsche wieder im Koffer verstaue und das Gepäck für den morgigen Autobahnfahrtag vorbereite.

Montag, 17. März, Ruhetag in Ankara

18. März 2008


Damit wir nicht einrosten mache ich heute mit fast der Hälfte der Truppe ein „Ruhetagsyoga“, was heißt etwas länger und etwas anstrengender als sonst. Und an Ruhetagen müssen die Räder geprüft werden, bei zwei Rädern Bremsschuhe wechseln, fast alle Bremsen nachjustieren, Schaltungen einstellen, Schrauben festziehen. Dann ein Ausflug zu einem Fahrradladen, da ich einige Schaltungen nicht ganz hinbekommen. Der Monteur, ein älterer Türke wirft einen halben Blick darauf und biegt den Schutzbügel des Schaltwerkes ein wenig, so dass er nicht mehr schleift. Wenig Aufwand, große Wirkung, keiner unserer hochstudierten Gruppe ist darauf gekommen. Gegen das Knarzen kann er auch nichts tun, ist halt Aluminium.

Dann heißt es für mich Bürotag, Berichte ins Netz stellen, Schreiben, Mails beantworten und schon sind wieder drei Stunden weg. Dann gönne ich mir als Highlight des Tages einen schönen Nachmittagsschlaf, ein Luxus, der sich hoffentlich auszahlt.

Danach will ich eigentlich weiter arbeiten, breche jedoch ab und schwinge mich zu einer kleinen Rundfahrt hier im Viertel aufs Rad. Hoffentlich hat mich Cezmi nicht bemerkt hat, der furchtbare Angst hat uns im Verkehrschaos ohne Polizei loszulassen. Aber der Verkehr fließt erstaunlich gelassen und ich komme gut durch. Ein Paar Fotos mache ich dann am Attatüt Monument und suche mir dann einen Basar über den ich schlendere. Mit Englisch kommt man selbst hier in der Hauptstadt kaum durch, selbst das Hotelpersonal spricht die Sprache mehr als lausig. Dagegen werde ich ein paar Male auf Deutsch angesprochen von Leuten, die lange in Deutschland gelebt haben.

Kurz vor Sonnenuntergang bin ich wieder im Hotel zurück. Die meisten unserer Teilnehmer waren im Hamam und haben sich kräftig schrubben und massieren lassen, ich bin bis zum Abendbrot fast fertig mit meiner Arbeit und lese noch ein wenig in den Blogs anderer Radtouren, die auch auf dem Weg nach China sind. Gestern sind die 120 Franzosen in Paris gestartet, die wir in China auch noch treffen werden. Von der litauisch organisierten Gruppe finde ich nur den Blog eines Teilnehmers. Sie fahren wohl eher locker und treffen sich abends zum Zelten, wahrscheinlich werden wir auch diese Gruppe auf der Seidenstraße irgendwo nach Hami treffen.

Das Abendessenbuffet ist wieder im Hotel und alle sind aufgeräumt ob des ruhigen und gelassenen Tages.

Sonntag, 16. März, von Sivrihisar nach Ankara, 142 Kilometer, 922 Höhenmeter: „Mit Siebenmeilenstiefeln in die Hauptstadt“

17. März 2008


Heute erwartet uns wohl unser bislang längster Tag, da wir eine Zwischenübernachtung gestrichen haben, die noch etwas unklar war und wir dafür lieber nach Ankara durchrauschen und uns somit einen zweiten und absoluten Ruhetag erarbeiten wollen.

Das Wetter spielt wunderbar mit, die Sonne steht golden am wolkenlosen Himmel, es ist fast windstill und wenn doch einmal eine leichte Briese trockene Land streicht, dann tut sie es in der richtigen Richtung. Glücklicherweise hatte ich mein Fahrrad noch vor dem Frühstück begutachtet und meinen platten Hinterreifen festgestellt, so dass ich diesen bis 8 Uhr schon geflickt habe. Am Vortage, wie auch heute, fand ich zwar das Loch im Schlauch, aber die Ursache im Mantel war nicht zu eruieren. Hoffentlich bleibt es dann bei dem morgendlichen Platten. Langsam bekommen wir auch die Mäntel in den Griff, die nach dem neuen Aufziehen immer eine kleine Beule erzeugen, mit Teflon eingesprüht und dann erst auf die Felge gelegt pumpen wir fast bis auf das doppelte des zugelassenen Druckes, dann gibt es einen leichten „Plöng“ und der Mantel sitzt perfekt auf der Felge.

Am Anfang geht es schööön bergab und vor uns liegt wieder die unendliche weite der anatolischen Hochlandes, sanfte geschwungene Hügel, über die sich die Straße fast geradlienig ihren Weg bahnt. Es ist ein wahrer Fahrspaß so zu fahren und dazu noch auf einer sechsspurigen Autobahn, auf der der Verkehr heute wenig anstrengend ist. Ein wenig weg liegr ein Ort, den wir nur streifen, Hoca Nasreddin, der Geburtsort des gleichnamigen türkischen „Til Eulenspiegel“. In Gedanken kommen die Geschichten auf, die ich in Berlin an der Hartnackschule immer meinen Schülern als Diktat gebe, „Nasreddin und seine sieben Frauen“und die Geschichte vom Kessel, der ein junges bekommt. Am besten gefällt mir die Spinatgeschichte, in der Nasreddin als Berater des Königs dem König nach dem Munde redet und den Herrscher bestätigt, dass Spinat doch das beste Gemüse der Welt sei. Nach zweiwöchigem Spinatgenuss beginnt der König jedoch den Spinat zu hassen und ruft aus: „Nehme diesen schrecklichen Spinat weg.“ Nasreddin bestätigt dann dem Herrscher auch wieder, das der Spinat ein scheusliches Gemüse sei, woraufhin ihn der König befragte, wie er denn so seine Meinung ändern könne. Nasreddin antwortet dann ehrerbietig: „Mein großer Herrscher, ich bin der Diener des Königs und nicht der Diener des Gemüses.“

Auf einem Denkmal sitzt der Nasreddin Hoca auf einem Standbild verkehrt herum auf einem Esel, leider kennt Cezmi die passende Geschichte nicht und nehme mir vor sie in Ankara im Internet zu recherchieren und werde sie dann noch hier erzählen.

Obwohl der Weg weit ist, die Landschaft wenig abwechslungsreich geht es wunderbar vorwärts, vielleicht ist es auch die Aussicht auf den Ruhetag. Gegen 13 Uhr zur Mittagspause haben wir schon mehr als 80 Kilometer weg und so gönnen wir uns etwas später noch eine lange Teepause. Dann erklimmen wir noch einmal einen Berg und kaum erreichen wir die Anhöhe, liegt da hinter ein unendliches Häusermeer, bis zum Horizont nur Ankara. Jetzt beginnt die eigentliche Schwierigkeit des Tages. In enger geschlossener Formation müssen wir durch die Stadt und durch den Verkehr, der mit jedem Kilometer expotential zunimmt. Doch alle sind mehr als diszipliniert, zu zweit neben einander, nicht zu schnell und nicht zu langsam, gleiten wir durch die breiten Straßen der Stadt. Das Polizeiauto hält uns die zu frechen Fahrer und Drängler vom Leibe und sorgt für eine nicht endende Grünphase. Diese letzten Kilometer sind wirklich für alle sehr anstrengend und kosten Nerven, aber nach 140 Kilometern stehen wir in schönster Abendsonne vor dem Hotel „Gap“ und eine wohlig warme Dusche erwartet uns und unter der merke auch ich, dass meine Beinchen nicht einfach so 140 Kilometer aus dem Ärmel schütteln.

Vor dem Abendessen, das wir im Hotel nehmen, diskutieren wir noch einmal die Ereignisse in Tibet und beschließen, nicht dazu Stellung zu nehmen. Einmal haben wir keine objektiven Informationen und zum anderen wollen wir zeigen, dass wir mit unserer Radtour zur olympischen Idee stehen und diese nicht politisieren wollen.

Auch ein freudiges Ereignis gilt es zu feiern, Ulli ist zurück und sprüht nur so von Energie und guter Laune. Auf denn zu neuen großen Taten, aber erst nach den verdienten Ruhetagen!

Samstag, 15.3. von Eskishir nach Sivrihisar, 104 Kilometer, 764 Höhenmeter: „Plattfüße auf der Autobahn“

17. März 2008


Schon gegen 5 Uhr ruft der Muezzin zum Morgengebet, ich bin wach und kann nicht mehr einschlafen, also schreibe ich noch ein paar Zeilen Tagebuch. Draußen geht die Sonne an einem wolkenlosen Firmament auf, aber es ist bitterkalt draußen. Auf den Fahrradsätteln liegt eine dünne Schneeschicht und das Wasser in meiner Wasserflasche ist halb gefroren. Gegen 8 Uhr zeigt das Thermometer 4 Grad und mein Hinterrad ist platt, so dass wir erst noch flicken müssen.

Heute ist wieder einreiner Sreckenfresser-Autobahntag, wir haben Glück, kein Wind und es geht zügig vorwärts. Die Landschaft ist eben und kahl und karg, eher eine Steppe. Aber wir sind auch fast 1000 m hoch und da ist der Frühling noch lange nicht so weit, wie unten am Mittelmeer oder in Griechenland. So werden wir in diesem Jahr den Frühling in ein paar Tagen zum zweiten Male erleben.

Ab und zu steht ein einzelner verkrümmter Baum in der Ebene und bildet einen starken Kontrast zu der unendlichen Weite um uns herum. Die Straße ist eine gerade Linie bis zum Horizont, die Hügel über die sie führt sind sanft geschwungen. Nur auf der linken Seite versperrt eine Hügelformation die Sicht. Am Horizont stehen zwischen den Felsen ein paar zackige Felsspitzen und es dauert fast zwei Stunden, in denen sie immer näher rücken, mehr als 40 Kilometer Sicht voraus.

Mittag gibt es in einem winzigen Lokal in einem kleinen Ort, groß ist die Auswahl nicht, aber die Köfte, die Hackfleischbällchen sind lecker und es gibt frisches Brot dazu und der Tee geht aufs Lokal, dessen Wirt sehr gut Deutsch spricht, immer wieder sind wir erstaunt, wie verbreitet unsere Sprache hier ist, dagegen spricht kaum jemand mehr als drei Worte Englisch.

Wie immer frischt am Nachmittag der Wind auf, erst kommt er von halb rechts hinten, dann treibt er uns gänzlich vorwärts, nur noch 30 Kilometer und wir sind am Ziel, dass sich am Horizont schon erahnen lässt. Doch dann fährt sich der Doktor einen riesigen Nagel ins Hinterrad, danach ist mein Rad wieder dran und zehn Minuten später zieht Dieter einen riesigen Nagel aus dem Rad heraus. Wir beschließen, den Rest der Strecke nicht mehr auf dem Seitenstreifen zu fahren, sondern, durch die Polizei geschützt, die mittlere Spur zu verwenden.

Durch die Reparaturen ist unser Feld stark auseinander gezogen, so erreichen wir den Ort

Sivrihisar, das zwischen Hügeln eingebettet ist und sich idyllisch an den Hang schmiegt. Leider fahren wir vorbei, unser Hotel, ein Truckermotel liegt 5 km hinter der Stadt und ich bin etwas sauer, weil wir es wieder einmal schaffen, keinerlei Kontakt zu den Leuten zu bekommen und auch von dieser Stadt nichts sehen werden. Dazu kommt, dass die Hälfte unserer Gruppe nicht da ist, vermutlich in die Stadt abgebogen ist. Doch nach und nach trudeln alle ein und haben schlechte Laune wegen des Motels in der Mitte der Steppe und darüber, dass die Zieleinfahrt etwas konfus war und niemand an der wichtigsten Stelle stand und das bei einem Begleitkonvoi von vier Fahrzeugen.

Wenigstens wollen wir nicht in der Autobahnraststätte essen, sondern in die Stadt hineinfahren, was wir dann auch tun, aber es ist natürlich schon dunkel. Das einzige kleine Lokal sieht anfangs gar nicht so einladend aus, es gibt nur einen Koch und eine Bedienung, doch die beiden werden mehr als gut mit den plötzlich eingefallenen Radfahrern fertig. Der Pizzameister ist äußerst effizient und produziert Käse- und Hackfleischpizzen fast im Sekundentakt, die Bedienung bereit genauso fix nebenbei Köfte und Salate und trotz des eigentlichen Alkoholverbotes im Laden steht für jeden eine Flasche Bier auf dem Tisch und es ist eine wahre Freude den beiden beim Herumwirbeln zuzusehen.

Freitag, 14.3. von Inegöl nach Eskishir, 109 Kilometer, 1042 Höhenmeter: „Schneesturm in Anatolien“

17. März 2008


Die ganze Nacht hat der Wind heftig am Fenster gerüttelt und es hat satt geregnet und in den Bergen etwas in der Ferne wohl geschneit. Im Zimmer bollerte die Heizung, aber wir haben doch etwas Furcht vor dem kommenden Tag, denn draußen toben am Himmel dunkle Wolken in Rekordtempo vorbei. Ein sehr frischer Wind empfängt uns nach dem Frühstück vor der Tür und wir mummeln uns in unsere wasserdichte und regenfeste Kleidung ein. Doch Allah ist mit uns und der Wind bläst uns kräftig in den Rücken, am Anfang nieselt es ein paar Tropfen und wir kommen in Supertempo vorwärts, egal, ob es bergan oder gerade geht.

Durch ein bewaldetes Tal geht es aufwärts, ohne Probleme und ab und zu kommt durch ein Wolkenloch die Sonne hindurch. Ab und zu zeigt sich ein Berggipfel in der Ferne, natürlich schön weiß. Hier im Tal scheint es in der Nacht ein wenig geschneit zu haben, an windgeschützten Stellen liegt ein wenig Schnee. In einer kleinen Teestube an der Straße verbreitet der Ofen einer urgemütlichen Stube mit Hirschgeweihen angenehme Wärme und wir trinken ein paar Gläser heißen Tees. Dann geht es weiter und etwas später ist der Anstieg zu Ende und wir erreichen die anatolische Hochebene mit weiten Feldern und sanften unbewaldeten Hügeln rechts und links. Wir sind gute 850 Meter hoch und die Grenze zum Neuschnee liegt nur 50 oder 100 Meter Höhe. Der Rückenwind bleibt uns treu und wir kommen schnell vorwärts.

Zu den zwei Polizeifahrzeugen gesellt sich nun auch noch eine Ambulanz. Kasim, unser Fahrer, erzählt mir später, dass der Offizier der Polizei etwas beängstigt unsere Älteren beäugt hat und deshalb vorsichtshalber eine Ambulanz geordert hat. In der Türkei fährt man faktisch kein Rad und schon gar nicht zum Spaß und überhaupt nicht länger Strecken und schon ganz überhaupt nicht von Athen nach Peking und alte Leute sowieso nicht. Da ich hinterher fahre nutze ich die Gelegenheit mit einer der Schwestern in der Ambulanz zu flirten und wir wechseln viele viel sagende Blicke und ich bekomme ein nettes Lächeln zurück.

Irgendwann ist eine der dunklen Wolken ein wenig schneller als wir und es fangen weiße Flocken an zu wirbeln. Warm eingepackt genieße ich es mit den Schneeflocken, die uns nun vorwärts treiben, um die Wette zu fahren. Den letzten Teil der Strecke fahren wir dann im engen Konvoi, da der Verkehr stark zugenommen hat

So geht es dann weiter bis zum Zielort, Eskishir, von dem wir nicht viel sehen. Einmal liegt unser Hotel im Unicampus und zum zweiten ist das Wetter auch nicht so, dass es noch zu einer spontanen Stadtrundfahrt einlädt. Als wir die letzten Meter zum Hotel hinauffahren setzt wieder stärkerer Schneeregen ein und so widmen wir und bis zum Abendessen angenehmeren Dingen als dem Wetter draußen. Ich bearbeite meine Bilder und versende ein paar Mails und so vergeht die Zeit bis zum Abendbrot sehr schnell. Mit unserem Bus fahren wir dann noch einmal in die Stadt, in ein sehr angenehmes Restaurant, eigentlich ohne Alkoholausschank, aber da wir besondere Gäste sind werden ein paar Biere herangeschafft. Das Essen ist reichlich und gut, es gibt diverse leckere Suppen, Grillteller und türkische Pizza, alles frisch vom Grill oder aus dem Ofen und mit vollem Magen ist der gute Vorsatz, noch ein bisschen Büroarbeit zu erledigen rasch dahin und ich falle wohlgesättigt in mein zu weiches Bettchen.