Montag, 12. Mai 2008, 64 Kilometer, 2058 Höhenmeter, 12 bis 25 Grad, Shakristan-Pass: 3378 Meter über dem Meer:“Großkampftag am höchsten Pass“
19. Mai 2008Schon um 5 Uhr ist heute in der Morgendämmerung Wecken angesagt, eine Stunde später gibt es einkleines Frühstück und dann geht es los in Richtung des höchsten Passes auf unserer Tour. Erst einmal geht es ins Dorf zurück bis zur Kreuzung und dann hinab zur Brücke über den Fluss. In einem kleinen Laden besorge ich mir noch Energie: Eine Cola und ein paar Snickers, das sollte bis zum Pass wohl reichen. Die Straße beginnt als schreckliche Holperpiste, doch dann passiert ein Wunder: Asphalt in bester Qualität. Trotz der 6 % Steigung kommen wir schnell vorwärts und erreichen schon bald die erste Teestube.
Die meisten entschließen sich jedoch gleich weiter zu fahren, um die angenehme Kühle des Morgens auszunutzen und Höhe zu gewinnen. Um uns herum ein berauschendes Panorama mit Schnee bedeckten Gipfeln in alle Richtungen. Ganz weit oben erspähe ich einen Bergrücken mit einem kleinen Einschnitt, dies könnte der Pass sein, über den wir wollen. 5 Kilometer nach der Teestube hört dann der Asphalt leider wieder auf und es geht weiter auf einer recht ordentlichen Schotterpiste. In einigen Serpentinen gewinnen wir ordentlich an Höhe und von oben sehen die letzten Radler aus wie kleine Ameisen an einem hoffnungslosen Berg. Trotz meiner beiden schweren Packtaschen komme ich gut vorwärts.
Unsere Übernachtung lag bei 1400 Höhenmetern und gut 1000 Meter höher wartet das Auto das erste Mal auf uns und es gibt noch einmal etwas zu trinken und einen ersten Riegel. Die Gruppe ist gar nicht so weit auseinander, wie ich gedacht hätte, unsere drei schnellsten Radler sind schon vorneweg und ich warte noch auf die folgende Gruppe.
Lang und nicht zu steil zieht sich die Piste am Gebirgszug entlang, hinein in ein Seitental. Dort wird es etwas steiler und feuchter und stellenweise schlammig. Auf einem Zwischenplateau eine große Baustellen, ein paar Bauhütten, rote Lampingnons, wie vorm Chinarestaurant und ein paar chinesische Parolen an der Tunnelbaustelle. Die Chinesen wollen hier bis 2015 die Infrastruktur wieder gut aufrichten und sind kräftig am Werkeln. Natürlich ist das Hallo auf beiden Seiten groß, als wir dort ankommen und von unserer Fahrradtour erzählen. Viel Zeit zum Plauschen bleibt nicht, denn noch liegen 700 Höhemeter vor uns und die gehen erst Mal noch zwei Kilometer durch Schlamm und Modder. Und die ersten Eisfelder befinden sich links und rechts der Straße und jedes Mal verspüre ich einen kühlen Hauch, wenn ich daran vorbeifahre. So einige Fahrzeuge sind hier mit Pannen auf der Strecke geblieben und ein großer Lkw liegt hilflos auf der Seite und der Fahrer liegt auf einer Schlafmatte daneben und kann nichts weiter tun, als auch einen schweren Kran oder ähnliches zu warten.
Etwas weiter oben wird es dann wieder trockener und die Piste wieder angenehmer und so langsam zeichnet sich ab, wo wir darüber hinweg müssen. Meine Vorahnung bestätigt sich, aber wir sind dem Pass jetzt natürlich schon beträchtlich näher.
Nur zweihundert Höhenmeter vor dem Pass muss ich dann unbedingt eine Pause machen, ich habe gewaltigen Hunger und so mache ich mich über meine Kekse und meine Cola her. Danach geht es dann mit frischem Schwung bis nach oben. Auch wenn es oben nach Nichts besonderem aussieht und nur eine kaputte Planierraupe und ein stinkendes Toilettenhäuschen auf mich warten ist es schön, endlich oben angelangt zu sein. Das mickrige Schild zeigt 3378 Meter Höhe über dem Meeresspiegel.
Leider ist das Panorama nicht so toll, da sich die Berggipfel zugezogen haben und eventuell wird es sogar noch etwas Regen geben. Es ist nicht so kühl, wie ich erwartet habe, aber der Wind pfeift mächtig und ich packe mich schon einmal für die Abfahrt ordentlich ein in meine Regensachen und suche meine Mütze heraus.
Inzwischen trifft einer nach dem anderen oben ein, alle sind total fertig, aber auch glücklich auf dem höchsten Punkt und einem Höhepunkt unserer Reise angekommen zu sein. Irgendwann kommt auch das Fahrzeug, in dem ganz unglücklich Hubert und Rosemarie sitzen. Beide haben sich am Vortage einen schrecklichen Durchfall eingefangen und haben auf halber Strecke aufgeben müssen. Ohne Frühstück und Möglichkeit, Energie zu tanken und von Magenkrämpfen gequält, war der heutige Tag für die beiden nicht zu schaffen. Vor allem Hubert hatte sich gestern noch riesig auf die heutige Etappe gefreut.
Die Abfahrt ist nicht ganz so holprig wie die Auffahrt, aber wohl im Winter nicht ganz ohne, wie zahlreiche Autowracks rechts tief unten im Tal beweisen, Überlebenschance der abgestürzten Fahrer dürfte wohl bei Null gelegen haben.
Auch für mich ist es anstrengend über die Holperpiste zu stoppeln. Nur mit Mühe lassen sich die Finger an der Bremse halten und ich werde ordentlich durchgeschüttelt und bin froh, dass es 700 Höhenmeter weiter unten ein Teehaus gibt, mit Suppe und Schaschlik und einem Bier zur Belohnung für die Mühen des Passes.
Hier fängt es jetzt ein paar Mal an zu tröpfeln und wird empfindlich kühl, dass ich sogar meinen Faserpelz herausholen muss. Bis die letzten den Pass erreichen, wird wohl noch eine Weile vergehen, doch die Gegend um das Teehaus ist sehr schön und einige gehen spazieren, oder wie Marlies botanisieren, die einige „neue“ Pflanzen entdeckt, das „Marliesröschen“, das „Marlieskraut“, „Marliesdorn“ und vieles andere. Andere sind unzufrieden, weil sie so lange warten sollen, aber ich denke, alle haben diesen Tag lang erwartet und sich darauf gefreut und natürlich ein Recht darauf, den Pass auch zu fahren, nach eigenem Ermessen und Können.
Auch Ulli schafft den Pass schließlich aus eigener Kraft und kommt gegen 15 Uhr am Teehaus an, total fertig, aber überglücklich hat er es geschafft, derjenige, der vorher noch nie eine Radtour gemacht hatte.
15 Kilometer geht es noch ins Tal, das wunderbar grün ist und ein Wunder geschieht, die letzten Kilometer ist die chinesische Straße schon fertig und wir fahren, nein wir schweben über die glatte Piste, es geht gut bergab und man braucht nichts zu tun außer das Rad laufen zu lassen und die Wiesen und Weiden rundherum zu genießen. Nur ein paar grimmig kläffende Köter verlangen hin und wieder besondere Aufmerksamkeit.
Leider ist die Wiese, die Fierdaus sonst immer zum Zelten nimmt, umgegraben und überflutet und es dauert eine Viertelstunde, bis wir einen neuen Platz gefunden haben und schon gibt es wieder neuen Stress, als Swetlana zu Kochen anfangen will. Es ist jetzt gerade einmal 18 Uhr und das Essen wäre so gegen 20 Uhr fertig, für einige von uns zu spät. Deshalb beschließt ein großer Teil der Gruppe, lieber im nahen Teehaus zu essen, wo es die übliche Suppe mit Kartoffeln und fettem Fleisch gibt und fettes Grillfleisch dazu, welche Alternative und ich höre schon im Geiste in der nächsten Woche die Diskussion, warum wir immer nur das gleiche essen müssen.
Nur Heino und ich bleiben im Lager, einmal, um auf die Räder aufzupassen, zum anderen um mit Swetlana Gurken und Tomaten zu schnitzeln und ich darf dann einen leckeren Salat zaubern. Dazu gibt es dann einfach Pellkartoffeln und das unter einem bezaubernden Sternenhimmel und einem das Tischtuch beleuchtenden Halbmond und Swetlana, Heino, Fierdaus und ich erzählen uns Geschichten aus unserem Leben und von Reisen, die wir schon gemacht haben und die wir noch machen wollen.