Donnerstag, 22.Mai 2008, von Özgön nach Jalalabad, 56 Kilometer, 378 Höhenmeter: „Sturz und Glück“

2. Juni 2008

Trotz des vielen Wodkas habe ich nicht gut geschlafen, es war einfach zu warm im Zelt, allerdings habe ich auch keinerlei Kopfschmerzen. Das könnte daran liegen, dass der „Stoff“ gut war, oder ich mich langsam zum Alkoholiker entwickele.

Während der Yoga-Übungen fängt es an zu regnen und ich packe hektisch meine Sachen und mein Zelt zusammen. Das Frühstück gibt es dann eine halbe Stunde später, als der Regen vorbei ist. Die Küchecrew hat Milchreis gekocht und Eierkuchen gebacken, ich denke wir sehen einigen guten Wochen im Lande entgegen. Entsprechend gut ist auch die Stimmung in der Gruppe, es wird seit langem wieder einmal nicht gemeckert, alle sitzen fröhlich beisammen und etwas später als geplant geht es dann los, aber auch das stört niemanden, denn wir haben heute wohl letztmalig einen kurzen und einfachen Tag.

 

Deshalb fühle ich auch jetzt für mich selbst, dass ich im Lande angekommen bin, ich habe wieder Lust zum Fotografieren und zum Blog-Schreiben. Erwartet hatte ich mit Kirgisien eines der ärmsten Länder in Zentralasien, aber das Gegenteil scheint der Fall. Es gibt mehr Autos als in den Ländern davor und die schrottreife Sowjetflotte von Ladas und Moskwitsch und Sapparoshez ist kaum mehr vertreten, dafür habe ich noch nie so viele Mercedes 600 an einem Tag gesehen. Auch die Dörfer sind klein und fein, schöne Gehöfte, viel mit neuen Gebäuden, zwar in Lehm, aber mit Wellblechdach gedeckt und Tipp Top in Ordnung und sehr sauber. Alles passt wunderbar in die grüne Landschaft mit den Getreidefeldern und die recht ordentliche Straße zieht sich auf kleine Hügel hinauf und auf der anderen Seite sausen wir wieder hinab.

Als ich über die nächste Kuppe komme, sehe ich dann einen großen Pulk unserer Radler und alle scheinen aufgeregt. Rene ist schwer gestürzt ruft mir der Bürgermeister zu. Rene sieht ziemlich übel aus, sitzt blutverschmiert auf der Straße und hat einen Schock und drei große Platzwunden, aus denen reichlich Blut geflossen ist. Richard checkt ihn durch und es scheint erst einmal nichts gebrochen zu sein. Wir tupfen Rene vorsichtig das Blut von der Haut und versuchen die Schürfstellen zu reinigen. Inzwischen ist auch unser Fahrzeug gekommen und wir bereiten alles für einen Transport in die nächste Stadt vor. Eventuell werden ein paar Stiche notwendig sein, aber das kann der Arzt vor Ort entscheiden.

Rene hat noch einmal Glück gehabt, aber es sieht so aus, als ob er in ein paar Tagen wieder auf dem Rad sitzen kann. Was war eigentlich passiert? Rene hat auf einer leichten Abfahrt Fotos gemacht, ist mit dem Rad auf den geschotterten Seitenstreifen geraten und hatte nur die linke Hand zum Bremsen und damit natürlich nur die vordere Bremse. Auch gehört Rene zu unserer Nichthelmträgerfraktion. Ein Helm hätte ihm zumindest die beiden Platzwunden am Kopf erspart.

Als Rene und das Fahrzeug dann in Richtung Jalalabad entschwunden sind, radeln wir langsam weiter. Langsam ist genau das richtige Wort, denn alle sind erst einmal geschockt und deshalb mehr als vorsichtig den Berg hinunter.

Doch etwas später hat uns dann auch die schöne Landschaft wieder eingeholt, ein langer Anstieg in grüne Berge liegt vor uns. Ab und zu regnet es ein wenig, doch dafür gibt es ein herrliches Wolkenspiel am Himmel. Auf der anderen Seite dann wieder eine lange Abfahrt, aber die kann ich auch noch nicht so richtig genießen, der Rene-Schock sitzt noch tief und auch mein Helm ist irgendwo auf dem Lkw.

Die letzten 20 Kilometer geht es wieder durch kleine Straßendörfer, überall sieht man die spitzen Filzmützen, die die kirgisischen Männer tragen, egal ob bei der Arbeit oder beim Teetrinken. Bevor es in die Stadt geht noch einmal eine lange Zeile mit Restaurants und Werksstätten. Die Fahrer und Mechaniker sitzen auf dem Parkplatz und haben ihr Motoren zum Teil komplett auseinander gebaut und versuchen zu reparieren, was noch zu reparieren ist. Zahnrädchen und Kurbelwellen liegen herum und werden sorgfältig geputzt.

Wir tauchen dann in ein belebtes Städtchen ein, das mich sehr an China erinnert, viele Leute und Autos auf den Straßen, bunte Plakate, laute Musik von überall und die Gesichter sind nun nicht mehr so verschieden.

Unsere Unterkünfte sind etwas außerhalb des Zentrums bei drei netten Familien in schönen Höfen mit Blumen, alle bekommen ihr eigenes Zimmer, es gibt eine warme Dusche und die Frau des Hauses wirft die Waschmaschine an.

Da ich mich schon seit dem Morgen etwas schlapp fühle, lege ich mich eine Weile aufs Ohr und versuche ein paar Tage im Tagebuch nachzuholen, was allerdings misslingt, da aller drei Minuten jemand mit seinen Problemchen zu mir kommt.

Am Abend geht es Rene dann auch schon wieder besser, er meint sogar, er könne am nächsten Tag wieder Radfahren, aber das wird ihm weder der Doktor, noch ich erlauben. Nach seiner leichten Gehirnerschütterung sollte er wohl mindestens drei Tage, wenn nicht gar eine Woche auf dem Auto verbringen.

  

Mittwoch, 21. Mai 2008, von Osh nach Özgön, 70 Kilometer, 471 Höhenmeter

2. Juni 2008

Unsere neue Mannschaft bereitet das Frühstück am Auto im Hof zu, wir haben jetzt sogar Tische und Stühle im Camping Equipment, es geht also fast schon richtig bürgerlich zu. Und auch mit zwei Köchinnen sind wir sehr gut bedient und Andreas von Baikal-Express, der diese Etappe organisiert hat, versicherte mir, die beiden seien wirklich richtig gut.

Am Vormittag steht aber erst einmal noch ein Ausflug auf den Berg bei der Stadt auf dem Tagesplan. Hier gibt es einige Gräber und man hat einen guten Ausblick über die zweitgrößte Stadt des Landes. Hier oben soll auch schon der Prophet Mohammed gepredigt haben.

Gegen 11 Uhr ist dann die Gruppe wieder zurück und es beginnen wieder unselige Diskussionen, ob Gepäck auf den Dachgepäckträger soll, ob der Dachgepäckträger stabil genug ist, das das zweite Fahrzeug zu klein ist und so weiter und so fort.

Mit Akyll unserem lokalen Guide bespreche ich dann, dass wir vor allem für die Bergetappen noch ein Fahrzeug brauchen, um eventuell 5 bis 6 Leute zu transportieren. Die Situation ist schon verrückt, einige haben halt 50 bis 60 Kilo Gepäck dabei und zwei oder drei riesige Gepäckstücke und natürlich ist von den Veranstaltern vorher kommuniziert worden, sich auf das nötigste zu beschränken. Das dies aber kaum jemand getan hat, scheint aber für unsere Alltagsdiskussion nicht mehr interessant. Auf alle Fälle hat es ein Teil der Gruppe schon am zweiten oder besser am ersten Tag in Kirgisien geschafft, das wirklich nette und engagierte Begleitpersonal halb in Panik zu versetzen.

Wie auch immer, gegen 12 Uhr ist alles einigermaßen zufrieden stellend verstaut und wir verlassen die Stadt. Wegen der anhaltenden Debatten und Streitereien und der ständigen Unzufriedenheit habe ich relativ schlechte Laune, eigentlich schon seit drei Tagen und das wirkt sich so aus, dass ich kaum noch Lust habe zu fotografieren, ja ich sehe auch kaum noch gute Motive und mein Tagebuch zu schreiben, dazu kann ich mich seit ein paar Tagen gar nicht mehr aufraffen.

Der Verkehr in der Stadt ist relativ straff und auf Fahrradfahrer wird kaum Rücksicht genommen, doch in der Gruppe kommen wir recht gut  und sicher voran, auch wenn ich hin und wieder ein paar Autofahrer anpfeifen und mit einem lauten „Stoi!“ oder „Podoschdti“ stoppen muss. Auch vor der Stadt bleiben wir noch zusammen, da auch die Fernstraße noch stark befahren ist. Nach 25 Kilometern machen wir eine kleine Pause, denn wir sind ja spät losgefahren, die Crew hat auf einem kleinen Tisch Kekse, kleine Kuchen und Getränke ausgebreitet, die ordentlich Energie bringen. Und noch bevor der erste Keks gegessen ist geht der Stress wieder los, ob dies nun das Mittagessen sein soll, oder was und warum es nichts Ordentliches gebe, woraufhin mir schon wieder der Appetit vergeht.

Natürlich war es nicht das Mittagessen, das gibt es eine gute Stunde später im Schatten eines großen Baumes. Das Serviceteam hat fleißig Salat geschnipselt und eine Torte für Richards Geburtstag besorgt, ansonsten gibt es Brot, Käse und Wurst und viele Getränke in der Mittagshitze.

Die letzten 30 Kilometer sind schnell weggeradelt, durch kleine Dörfer, an Feldern und Kanälen und eigentlich gibt es viele Fotomotive, aber ich bin immer noch etwas verstimmt und möchte eigentlich nur ankommen.

 

In einem kleinen Dorf wartet dann Akyl und weist uns nach rechts. In einem kleinen Wäldchen gibt es eine schöne kleine Teestube, mit nur drei „Vierbeinern“, den vielleicht zwei oder drei Quadratmeter großen Ess- Sitzplattformen. Dahinter ist genug Platz zwischen den Bäumen und auf der Wiese dahinter zum Aufstellen der Zelte. Ich komme gar nicht dazu, da ich von drei Kirgisen auf einen Schluck Wodka eingeladen werde, auf den bald ein zweiter und ein dritter Schluck folgen. Die drei Männer kommen aus der Hauptstadt Bishkek und sind auf der Durchreise. Einer hat Verwandte, die in Deutschland leben und so finden sich weitere Anlässe für einen Toast. Inzwischen sind die ersten Zelte aufgestellt und ich bekomme ein wenig Unterstützung beim Trinken, aber es dauert noch eine gute halbe Stunde und noch weitere 5 bis 6 Wodka, bis ich mich endlich aus der Runde verabschieden kann, es ist inzwischen die dritte Flasche Wodka geöffnet worden seit wir hier sind und so läuft die Kommunikation jetzt auch ohne mich als Dolmetscher.

Die Rettung für alle ist dann der Ruf zum Essen, dem alle gerne folgen, nicht nur des Hungers wegen, sondern um vor allem weiteren Runden Wodka zu entgehen. Während in der Ferne Boney M., Abba und Modern Talking abwechselnd dudeln, versuche ich einzuschlafen, aber es ist verdammt warm im Zelt und ich schlafe nicht so schnell ein.

Dienstag, 20.Mai 2008, von Andishon über die Grenze nach Osh, 58 Kilometer, 471 Kilometer

2. Juni 2008

Nach guten drei Wochen in Usbekistan und den drei Tagen in Tadshikistan geht heute wieder einmal ein Teil der Reise zu Ende, der eigentlich hätte einer der schönsten seien können. Aber inzwischen haben wir mehr als drei Monate in einer großen Gruppe zurückgelegt und einige stellen fest, das das Reisen hier andere Ansprüche an den Reisenden stellt, als zum Beispiel eine Mallorca-Rundreise. Einige von uns kommen häufiger an ihre Grenzen, einmal körperlich, aber auch psychisch, was das Zusammenleben in der Gruppe und soziales Verhalten angeht. Leider klappt es aber nicht immer mit der Problemlösung und Probleme werden auf andere Personen oder an die Reiseleitung übertragen, was sich dann immer ganz krass äußert, wenn wirklich einmal etwas mit den Hotelbuchungen nicht klappt oder wenn das Essen wieder einmal zu „ortstypisch“, also mager oder zu wenig ist. Nur wenige kommen auf die Idee, einen Riegel im Voraus zu kaufen, oder abends noch einen Ausflug auf den Basar zu machen.

Mir bleiben wohl leider diese Streitereien mehr im Gedächtnis, als die netten und freundlichen Menschen, die Einladungen am Straßenrand zu einem Tee, die unheimliche Vielfalt der Landschaft von grünen Weiden über trockenen Steppen, fruchtbare Täler und Oasen und schneebedeckte hohe Berggipfel haben wir hier gesehen und sind über schlechteste Straßen hohe Pässe gefahren. Buchara und Samarkand haben wir besucht, zwei Städte, die vor China wohl das Highlight der Tour darstellten und sind über riesige Basare geschlendert. Im Schatten von Bäumen haben wir grünen Tee getrunken und uns auf den „Vierbeinern“ ausgeruht. Und nun geht es einem neuen Land und einer neuen Kultur entgegen und wir haben nur noch einen kleinen Schritt bis zur Grenze.

 

Leider ist etwas unklar, an welchem Grenzübergang wir die Grenze überschreiten, leider fällt dieses Problem Farhoud erst auf, als ich auf dem GPS feststelle, dass wir uns von der Grenze wegbewegen. Mit einem kleinen Umweg gelangen wir dann jedoch wieder auf den richtigen Weg.

Noch einmal lasse ich mich von den Usbeken von der Straße winken und lande zu einer Tasse Tee in einem kleinen Hof. Hier ist gerade die gesamte Familie damit beschäftigt, geschnittene Maulbeerzweige zu entlauben und natürlich wollen wir die Seidenraupen sehen. In zwei kleinen, warmen Zimmern „wohnen“ jeweils eine Million von diesen Raupen und tun nichts anderes als in einem dicken Kissen von Maulbeerblättern herumzukriechen und sich möglichst schnell ins nächste Insektenstadium zu fressen.

Wenig später tauchen dann die ersten Grenzanlagen auf und wir hoffen diesmal auf eine reibungslosere Abfertigung als bei der Einreise. Die Formulare, die wir damals peinlichst genau ausfüllen mussten, landen achtlos auf einem großen Stapel und der Beamte fragt mich, ob wir diese noch bräuchten. Meine Antwort, dass schließlich er wissen müsste, ob wir das Papier noch brauchen oder nicht, fand er nicht all zu witzig. Aber es entstehen daraus keine Probleme und wir schaffen es in guten zwei Stunden nach Kirgistan zu kommen.

Auf der anderen Seite wartet dann ein großer grüner SIL-Truck auf uns und wir können unser Gepäck aufladen. Die Begleitcrew sieht sympathisch aus und scheint gut organisiert, etwas was wir im neuen Land gut gebrauchen können.

Die ersten Eindrücke vom Lande sind positiv, wieder viel Grün und belebte Städte. Doch schon nach 5 Kilometern sind wir an unserem einfachen Hotel, die Zimmer sind sauber und es gibt ein paar Gemeinschaftsduschen und Gemeinschaftsklo, welches sehr sauber ist.

Wieder einmal ist die litauische Gruppe in der Stadt. Sigitas, der Chef der litauischen Gruppe, Volker und ich treffen uns noch einmal auf ein kurzes Gespräch, da die andere Truppe noch Probleme mit dem Begleitfahrzeug hat und wir vielleicht hätten helfen können.

Abendessen ist heute luxuriös in einem teueren Lokal zu europäischen Preisen, was uns und die Gruppenkasse erst einmal fast vom Sockel reist, aber mit vollem Magen kann ich gut schlafen und sehe einem neuen Tag in einem neuen Land positiv entgegen.

 

Montag, 19.Mai 2008, von Fergana nach Andishon, 75 Kilometer, 235 Höhenmeter

2. Juni 2008

Unsere Yoga „Sonnengrüße“ machen wir heute wirklich in der strahlenden Sonne am Rande des Schwimmbeckens und auch das Frühstück ist nicht übel. Leider kommen der Bus und Farhoud viel zu spät, so dass wir wieder später als geplant loskommen.

Vom heutigen tag bleiben vor allem die lang gezogenen Straßendörfer in Erinnerung, Haus an haus und Gehöft an Gehöft. Die Tore sind oftmals sehr schön aus Holz gearbeitet und manchmal kann man einen Blick in den dahinter liegenden Garten erhaschen, wo oftmals schattiges Grün von den mit Weinranken überdachten Lauben zum Ausruhen und zum Niederlassen auf dem „Vierbeiner“ einladen.

In einem kleinen Ort fällt uns ein Schild an einer Schule ins Auge. „Die Zusammenarbeit von Usbekistan und Deutschland ist ewig“. Der gleiche Pathos wie zu sowjetischen Zeiten, allerdings hätte man damals von „unverbrüchlicher Freundschaft“ gesprochen. Auf alle fälle sind wir neugierig, was hinter dem Schild steckt und schnell finden sich auch ganz viele Schüler und ein paar Lehrer, die uns erklären, dass die Firma Siemens hier ein Ausbildungsprojekt unterstützt und natürlich werden wir sogleich in das Tip-Top ausgestattete Computerkabinett geführt, wo die Jungen Studenten und Studentinnen zu IT-Kaufmännern und Frauen ausgebildet werden. Letztes Jahr hätten die ersten 80 Studenten die dreijährige Ausbildung vollendet, erklärt uns die Direktorin stolz. Wir finden ohne Problem viele Schülerinnen und Schüler zu einem gemeinsamen großen Foto vor der Schule und haben hier wieder jede Menge Fans für unsere Tour gefunden.

 

Andishon ist eine lebendige Kleinstadt und eigentlich habe ich noch Lust, ein wenig herumzuziehen, aber es gibt wieder einmal Probleme mit dem Hotel, deren Lösung sich wieder in die Länge zieht, so dass ich danach nur Lust auf eine Stunde Schlaf habe und mich ein wenig krank fühle. Bis zum Abendbrot hocke ich dann im Internetcafe und versuche ein paar Daten zu versenden, aber auch hier komme ich nicht so weit, wie ich will.

Auch beim Abendbrot fühle ich mich nicht so richtig gut und verschwinde deshalb schon gegen 21 Uhr ins Bett und kann endlich wieder einmal lange und erholsam schlafen.

 

Sonntag, 18.Mai 2008, von Yaypan nach Fergana, 105 Kilometer, 542 Höhenmeter

2. Juni 2008

Am Morgen wird es schon gegen 5 Uhr hell und so stehe ich gegen halb sechs auf und setze mich noch ein wenig an den Computer, um zu schreiben und komme auch ganz gut voran. Fünf Leute aus der Gruppe verschwinden um 6 Uhr dann zu einer weiteren Hochzeit, das heißt eigentlich zu einer Vorfeier in der Familie des zukünftigen Bräutigams. Hier finden sich dann die Männer zu einem morgendlichen Essen mit Plov und leckeren Salaten zusammen. Getrunken wird nichts, denn es ist ja eine moslemische Hochzeit oder es ist einfach doch noch zu früh am Morgen. Für die anderen wird das Frühstück dann sehr spärlich, zwei gekochte Eier und ein paar Kichererbsen.

 

Da drei Leute mit dem Magen Probleme haben reichen die Plätze im Bus nicht und Farhoud findet eine nicht gerade tolle Lösung, wir bekommen Oluk-Beg, der eigentlich der Führer der anderen Gruppe ist und Fahrrad fahren kann oder jetzt sogar muss und Farhoud selbst begleitet die zweite Gruppe aus dem Fahrzeug. Meinen Einwand, dass bei einem weiteren Ausfall kein Platz mehr zur Verfügung stünde wird einfach ignoriert und entsprechend schlecht ist die Stimmung in der Gruppe.

Der Bus kommt spät und das Gepäck ist noch später verladen und noch später starten wir in den schon heißen Tag, ab morgen müssen wir viel zeitiger aufstehen, dien Sonne geht schon kurz nach 5 Uhr auf und um 9 Uhr ist es unerträglich heiß.

Heute ist der Tag der Aprikosen. Schon gestern habe ich an der Straße einige überreife Aprikosen geschenkt bekommen und dann nicht gegessen, weil ich sie für Aprikosen aus der letzten Saison hielt, aber es gibt hier eine frühe Sorte, die schon Mitte Mai zu reifen beginnt.

Immer wieder werden wir angehalten und zu einem kleinen Ausflug in die Aprikosenhaine eingeladen, doch heute halte ich mich aufgrund meiner Verdauungssituation zurück.

Im nächsten Städtchen ist dann Andre verschwunden, er war wohl noch einmal in ein Dorf oder in einen Garten abgebogen. Ich schicke die Gruppe dann schon einmal weiter ins Keramikmuseum und warte an der zentralen Kreuzung in der Mitte des Dorfes. Dort ist auch der Eingang zum Basar und es tobt das Leben. Unter einem schattigen Baum steht ein großer Tankwagen mit Kwas, dem leckeren Brotgetränk, das man in der ganzen ehemaligen Sowjetunion findet. Direkt neben dem Eingang zum Basar macht der Eisverkäufer einen guten Umsatz und vor dem Basar stehen die Brotfrauen und verkaufen frisches Gebäck. Aller fünf Minuten kommt ein schwer beladenes Fahrrad vorbei und bring heißen Nachschub direkt vom Lehmofen.

Dann kommt auch Andre und wir beschließen, nicht ins Museum zu gehen, sondern abwechselnd über den Markt zu schlendern, was wir dann auch tun und ich genieße es, den Duft der Gewürzstände und der kleinen Garküchen einzuatmen. Frisches Gemüse und junger Knoblauch machen Appetit auf einen leckeren Salat und so ist es nur gut, dass wir dann die Gruppe in einem kleinen Lokal wieder einholen.

Wie immer gestaltet sich die Essensbestellung schwierig, obwohl es nur drei oder vier  Gerichte gibt, was aber bei drei Teilzutaten jede Menge an Varianten ergibt, vor allem, wenn der Besteller sich beim Eintreffen des Essens nicht mehr daran erinnert, was er zuvor bestellt hat. Das sind dann Situationen, in denen ich als Reiseleiter aus der Haut fahren könnte.

Nach dem Essen passiert dann das, was ich schon erwartet hatte, noch drei Leute wollen wegen Darmproblemen auf den Bus und es kostet mich einige Mühe, die Olug-Beg davon zu überzeugen, dass er nun noch ein weiteres Fahrzeug anmieten muss, was er dann am Basar auch flugs tut.

Wieder einmal kreuzen sich dann die Wege mit der litauischen Gruppe, zumindest einige von deren Radlern treffen wir und tauschen einige Erfahrungen aus. Auch sie wollen am Abend nach Fergana und vielleicht ergeben sich ja Chancen für einen regeren Erlebnisaustausch.

Dem heißen Mittag folgt ein ebenso heißer Nachmittag und wir beneiden die Jungs, die in den Kanälen neben der Straße ausgelassen planschen und baden.

In Fergana finden wir dann ein tolles Hotel vor, allerdings ist der Stress natürlich schon wieder vorprogrammiert, da die Zimmer nicht reichen und all Leute mit Einzelzimmer in ein anderes Hotel umquartiert worden sind und dort gibt es natürlich kein Swimming Pool und keinen Wäscheservice und kein kaltes „schmutziges“ Bier. Vor allem sinkt die Laune dann auf den Tiefpunkt, als sich dann ein volle Busladung Australier in das Hotel entlädt, die alle ihre vorbestellten Zimmer im Hotel bekommen, also nicht teilweise ausquartiert worden sind.

Nach einigen Diskussionen übernimmt dann Farhoud die Rechnung fürs Abendbrot, sozusagen als Ausgleich.

Schade, dass es immer wieder solche Situationen gibt und eigentlich kaum einer dazu kommt, das Bad im kühlen Pool zu genießen.