Samstag, 21. Juni 2008, von Xialaoba nach Brkhöl (Balikun), 121 Kilometer, 608 Höhenmeter, frostige 7 Grad am Vormittag

23. Juni 2008


Der Morgen sieht nicht viel besser aus als der Abend. Gut, es regnet nicht mehr, aber durch die graue Landschaft peitscht der Wind noch grauere Nebel und Wolkenschwaden und es sind gerade einmal 7 Grad. Zum Glück kommt wenigstens der Wind aus der richtigen Richtung.

In dem kleinen Restaurant werden wir vor dem Start noch einmal mit einer Nudelsuppe versorgt, denn heute auf der 120 Kilometer Strecke wird es so gut wie keine Möglichkeit zum Essen geben. Mit vollem Magen und Rückenwind geht es dann erst einmal ein kleines Stück bergab in ein trockenes Tal und dann langsam hinauf auf ein weites karges Hochplateau.

Ein dünnes Flüsschen durchschneidet die Ebene und ab und zu steht in der Landschaft ein Lehmgebäude mit Stallungen für Schafe oder Ziegen. Von den letzteren ist ab und zu einmal eine kleine Herde zu sehen, die durch die weite karge Landschaft streift oder einen steilen Berghang hinauf klettern.

Es ist noch kälter geworden als gestern und noch kälter am Morgen, schließlich führt uns die Straße noch einmal gut 500 Höhenmeter nach oben. Die Kuppen der umliegenden Berge sind mit Neuschnee bedeckt, der Regen der letzten Nacht ist hier als Schnee nieder gegangen.

Der Wind bläst heftig und eiskalt von hinten und es ist unmöglich stehen zu bleiben, nur wenn man sich genauso schnell wie der Wind bewegt, also mit etwas über 30 Kilometern pro Stunde ist die Kälte erträglich, bleibt man stehen, bläst einen der Wind förmlich um.

Nach ca. 50 Kilometern leicht bergan liegt dann vor uns eine lange Abfahrt in eine noch weitere Ebene. Ganz weit hinten ist der große See bei Barkhöl zu sehen. In rauschender Fahrt geht es nach unten, der Wind treibt uns mit 40 bis 50 Stundenkilometern ins Tal durch eine atemberaubende Berglandschaft. Auf den Bergen des Tienshan liegt frischer Schnee und die Gipfel hängen in dichten Wolken. Die Straße führt in einer geraden Linie durch die weite Landschaft und unten erwarten uns ein paar weitere Vorboten alter chinesischer Zivilisation. In einer Entfernung von einem Kilometer oder auf chinesisch jede 2 Li steht ein Lehmsockel, Reste eines Beobachtungsturmes aus alten Zeiten. Kurz vor Beginn der Zeitrechnung dürften sich die Chinesen hier festgesetzt haben, allerdings stammen die Ruinen lediglich aus der Qing Dynastie, sind also nach dem 17. Jahrhundert entstanden. Früher waren die Wachtürme noch mit gebrannten Ziegeln ausgebaut, aber die dürften von den Bauern der umliegenden Dörfer zum Häuserbau recyclet worden sein.

10 Kilometer vor Barkhöl, das auf chinesische Balikun heißt, holen uns die Regen Wolken ein und wir werden noch nass, als wir am frühen Nachmittag in dem kleinen Städtchen einrollen. Das Hotel ist einfach, aber es gibt eine heiße Dusche im Zimmer zum Aufwärmen und dann gehen wir erst einmal zum Mittagessen in einem kleinen Restaurant. Neben ein paar chinesischen Gerichten gibt es auch Joghurt mit Erdnüssen, der bei allen großen Anklang findet.

Am Nachmittag machen einige bei leichtem regen einen kleinen Ausflug, um das alte Stadttor zu besichtigen, ebenfalls Qing-Dynastie, aber nett restauriert und ein guter Punkt um Fotos zu machen, aber natürlich nicht bei Regen.

Da ich eine Erkältung im Anzug fühle, lege ich mich nach der heißen Dusche für eine Stunde ins Bett und organisiere dann telefonisch die Hotels für die nächsten Tage, was auch noch mal jede Menge Zeit in Anspruch nimmt.

Gegenüber dem Hotel gibt es eine Straße mit Geschäften und Restaurants. Diese endet auf einem mit Blumen geschmückten Platz und dahinter beginnt die Wüste. Alles ist brandneu und auf viel mehr Leute ausgerichtet und man sieht, die Chinesen planen auch hier Großes.

Einen riesigen Tisch für alle finden wir auch zum Abendessen und es gibt viel leckeres Lammfleisch, in halb chinesisch, halb kasachischem Stil. Nach dem Abendbrot kommen wir auf eine durch die Abendsonne verzauberte Straße. Zu tun gibt es nicht mehr viel, denn morgen erwartet uns ein langer Tag.

Freitag, 20. Juni 2006, von Mulei nach Xialaoba, 124 Kilometer, 1040 Höhenmeter, Hagel bei 8 Grad

23. Juni 2008


Direkt vor Mulei beginnt die Trockensteppe, eine riesige flache Ebene, nach rechts durch den Tienshan begrenzt und nach links so unendlich weit und platt, dass man wie am Meer die Krümmung der Erde sehen kann. Dort führt dann unsere Straße immer gerade aus entlang und wehe dem, der hier bei Gegenwind mit dem Rad entlang fahren muss.

Das Glück ist jedoch auf unserer Seite und wir haben den Wind von hinten und der schiebt uns sehr kräftig voran, aber nicht nur uns, denn er schiebt auch eine dicke Wolkenfront vor sich her. Nach 35 Kilometern durch die karge Wüste kommt noch einmal ein winziger Ort, das heißt drei Lhmnhütten und eine Tankstelle und ein kleines Restaurant und ein Laden. In diesem kaufen wir die Bestände an Nutri-Fit auf, ein Joghurtgetränk, das bei fast allen auf regen Zuspruch stößt. Leider haben sie nur die „New Created“ Sorte und die ist verschlimmbessert worden und schmeckt jetzt noch künstlicher fruchtig, gibt aber Energie und Kraft für die nächsten 50 Kilometer.

Bis dorthin haben wir das Wettrennen mit der Regenwolke noch gewonnen, aber als wir unsere Joghurtdrinks schlürfen fängt es dann an zu regnen. Behende schwingen wir uns aufs Rad und das Wettrennen mit dem Wetter beginnt aufs Neue. Der Wind schiebt uns mit einem Schnitt von mehr als 30 Kilometern vorwärts und nach 10 Minuten kann ich die Regenwolken hinter mir lassen.

Auf unsere Strecke gibt es heute nur einen Ort, der den Namen auch verdient. Nach 75 Kilometern erreichen wir das kleine Dorf Dashitou und ich bestelle für alle Nudeln. Die brauchen wir auch, denn hinter Dashitou beginnen die Berge.

Für den heutigen Abend habe ich noch ein Problemchen, unsere Übernachtung in der Familie in Xialaoba ist noch nicht gesichert, denn meine Kontaktnummer hat nicht funktioniert. Deshalb rausche ich mit Hubert gleich weiter. Inzwischen nähern sich die Regenwolken von allen Seiten, aber noch beginnt es nicht zu tröpfeln. Mit dem Wind ist es sogar ein Vergnügen, den Berg hinauf zu fahren, zumindest bis zu dem Punkt, als die Straße einen großen Knick macht. Dann bläst der Wind kräftig von der Seit und von vorne. Zum Glück sind es aber keine 30 Kilometer mehr bis zum Ziel.

 

Die Landschaft jetzt erinnert eher an Mond oder Mars. Bis zum Horizont gibt es nur kahle und trockene Berge und sonst nichts. Manchmal stehen ein paar Ziegen in der wilden und kargen Landschaft und ich frage mich, wovon die sich ernähren.

Als Hubert und ich über den letzten Hügel fahren und vor uns schon Xialaoba in der nächsten Ebene liegen sehen, bricht dann der Regen los. Es ist unheimlich kalt geworden und wir haben gerade einmal 10 Grad, doch wenig später fallen wir im Zielort in ein kleines Restaurant ein und können uns die Finger bei einem Tee wärmen.

Die Familie des geplanten Homestays ist nicht zu Hause, aber ich wende mich an den Nachbarn und der noch einmal an seinen Nachbarn und so kann ich recht schnell 4 Zimmer organisieren. Die Übernachtung wird sehr einfach, Wir werden auf ausgerollten Matten auf dem Boden schlafen, in zwei Räumen gibt es jeweils einen großen Kang, eine erhöhte Schlafstelle für 4 Personen, Waschgelegenheiten gibt es nicht, genauso wie eine Toilette. Die befindet sich auf der anderen Straßenseite, 300 Meter in der Wüste. Ansonsten sagen die Leute, verringert sich die Entfernung der Toilette mit zunehmender Dunkelheit.

Das Wetter wird immer mieser, zwischendrin gibt es einen Hagelschauer und alle kommen reichlich durchgefroren nach und nach im Restaurant an. Im Gastraum haben gerade so alle Platz und so wird es dort schnell angenehm warm. Die Köchin bereitet erst einmal für alle eine würzige Nudelsuppe und dann beziehen wir die Quartiere. Eine Stunde später sind wir wieder im Restaurant. Ich spendiere drei Flaschen mit chinesischem Wodka, der aus mehreren Getreidesorten gebrannt wird und 52 Prozent Alkohol hat. Dann gibt es gebratene Nudeln und noch ein paar Runden von dem Schnaps. Bis 22 Uhr sitzen wir dann alle recht fröhlich beisammen und nach und nach trauen sich einige durch die Nebel- und Regensuppe zurück in die Unterkunft.

Gegen halb 11 kommt dann noch die Polizei und ist auf der Suche nach mir, der Polizist möchte jetzt noch alle Pässe haben, aber mit ein wenig Verhandlungsgeschick kann ich die Formalitäten auf den nächsten Morgen verschieben.

Donnerstag, 19. Juni 2008, von Jimisar nach Mulei, 108 Kilometer, 535 Höhenmeter

23. Juni 2008


Richtig chinesisches Frühstück im Hotel beinhaltet gedämpfte Brote, eingelegtes Gemüse und eine dünne geschmacklose Reissuppe und dazu noch ein superhart gekochtes Ei, alles nicht meine Welt. Ich esse lieber auf der Straße eine Nudelsuppe, aber das wird wohl noch ein paar Tage warten müssen.

Nach dem Frühstück sind dann noch ein paar kleine Sachen an den Rädern zu tun, seit Urumqi haben wir wieder gutes Kettenöl und ich kann wieder reichlicher verteilen, als ich es davor getan habe und auch zwei Schaltungen sind noch schnell zu justieren und dem Bankautomat wird noch ein Besuch abgestattet, bevor wir dann die Stadt verlassen.

Es wird ein regelrecht grüner Vormittag, alles wird mit glasklarem Tienschan-Wasser bewässert, das in schmalen, aber tiefen Schussbächen aus den Bergen in die Ebene geleitet wird. Viel Getreide gibt es, Sonnenblumen werden auf großen Feldern hier im Ende Juli blühen, eine relativ niedrige Sorte Hopfen wächst, und die Melonen, für die die Region so berühmt ist, stehen gerade in der Blüte.

Die Straße ist so gut, wie lange nicht mehr, selbst, als ich dann eine kleine Nebenstraße wähle, um abzukürzen und nicht durch die Stadt Qitai zu fahren. Gute 10 Kilometer geht es im Zickzack durch kleine Dörfer und Pappelalleen. Die Nebenstraße ist fast unbelebt und hätte auch unserem griechischen Freund Yorgos sehr gefallen.

Doch irgendwann hat uns die Hauptstraße wieder und im nächsten Ort finden wir unsere mittägliche Nudelstube. Die Frau des Hauses fängt sofort an Teig zu kneten und der Mann schneidet in Höchstgeschwindigkeit Gemüse. Eine knappe halbe Stunde später wird dann für jeden ein großer Nudelteller aufgetragen.

Die letzten 40 Kilometer sind dann landschaftlich recht öde, es geht wieder durch die Trockensteppe und konstant leicht bergan. Ich beschäftige mich mit meiner Errungenschaft aus Urumqi, ein kleiner MP-3 Player und mit Synthypop aus den 80er Jahren fährt es sich gleich doppelt so schnell.

Gegen 17 Uhr fahren wir dann in Mulei ein, die Stadt ist kleiner als Jimisar, aber doch recht belebt, aber es ist schwierig ein Restaurant zu finden, in das wir alle hineinpassen und so bleiben wir dann doch im Hotelrestaurant. Das Essen ist lecker, aber die Küche braucht ewig um alles vorzubereiten, so dass relativ viel Bier fließt und ich nach dem Essen einfach nur ins Bett falle.

Mittwoch, 18.Juni 2008, vom Tian Chi nach Jimisar (Ji Mu Sai Er),133 Kilometer, 552 Höhenmeter

23. Juni 2008


Frisch ist es hier in 1900 Metern Höhe zum Frühstück, aber nach dem gestrigen Gewitter ist die Luft klar und wir haben einen schönen Blick auf die Berge und heute ist auch der höchste Gipfel des Bogda-Fen-Massivs deutlich zu erkennen.

Am See machen wir noch einmal eine Fotoorgie, bevor wir die Serpentinen wieder hinab fahren und dann üpber die Baustelle weiter ins Tal holpern. Vor der Autobahn gibt es noch ein paar kleine Buden mit Joghurtgetränken zum Energie tanken. Die muss eine Weile reichen, denn wir müssen wegen einer weiteren langen Baustelle auf die Autobahn.

Mit leichtestem Rückenwind kommen wir zügig voran. Die einzige Abwechslung in der Ebene bieten die Erdölbohrtürme und ein paar Fabriken, die auch mit Erdöl zu tun haben. Von der Bergkette des Tienshan ist nicht viel zu sehen, da die Berge verhangen sind.

Auf der Landstraße verpassen wir fast die einzige Mittagsgelegenheit nach 95 Kilometern, aber 10 Kilometer weiter kommt noch einmal ein einzelnes kleines Restaurant. Dort werden nur Nudeln angeboten, aber die sind frisch und gebraten mit etwas Gemüse und wenig Fleisch ergeben sie dann doch ein leckeres Mahl. Gegen Nachmittag sieht es dann wieder einmal wie Regen aus, aber die dunkle Front zieht vorbei und am späten Nachmittag strahlt wieder die Sonne, als wir nach weiteren 30 schnellen Kilometern in Jimisar einrollen.

Für die kleine Stadt gibt es ein erstaunlich chices Hotel und dann stürzen wir uns in das quirlige Leben auf der Straße. Ich habe schnell ein nettes Jiaotze-Restaurant gefunden mit Tischen auf der Straße, wo sich dann auch am Abend Essstand an Essstand reiht. Für einige ist es das erste Mal Jiaotze, aber die gefüllten und gekochten Teigtaschen kommen an und nach den vertilgten Mengen zu urteilen, wird es nicht der letzte Besuch in einer solchen Lokalität sein. Danach bin ich so voll gestopft, dass ich nicht einmal mehr Lust zum Schreiben habe und gehe relativ zeitig ins Bett, vielleicht auch ganz gut, denn der Obstteller beim Mittagessen hatte bei mir durchschlagenden Erfolg und morgen will ich wieder fit sein.

Dienstag, 16. Juni 2008, Ruhetag am Tian Chi

23. Juni 2008


Heute plane ich einen wirklichen Ruhetag. Beim Frühstück erkläre ich meinen Teilnehmern Ausflugsoptionen und lege mich dann noch einmal zwei Stunden schlafen. Dann mache ich mit Hubert einen kleinen Spaziergang am Seeufer entlang und genieße die grandiosen Blicke auf die Schnee bedeckten Gipfel des Bogda Fen. Vor uns liegt der stahlblaue Bergsee und rundherum gibt es Wald und Schafglocken klingen von den etwas höher gelegenen Almen.

Mittag mache ich in einem kleinen Restaurant am See und dann habe ich endlich Zeit, um in aller Ruhe bis zum Abendbrot mein Blog nachzuschreiben, was ich dann bis zum Abendbrot auch schaffe.

Inzwischen hat sich der Himmel zugezogen und draußen geht ein schöner Gewitterguss nieder und Blitze zucken in den Bergen. Weil es ein wirklicher Ruhetag ist, gibt es nicht so viel zu berichten und ich nehme mir vor, mir in den nächsten Tagen mehr Zeit mit dem Tagebuch zu nehmen.