76. Tag: 10. Juni 2009 „Koloniales Erbe I“

11. Juni 2009

Ruhetag in Qingdao, Spaziergänge am Meer und in der Altstadt

Vor hundert Jahren wurde Qingdao die erste und letzte deutsche Kolonie und fleißig wurde versucht hier eine Musterkolonie zu errichten. In dem ehemaligen Fischerdorf wurde fleißig gebaut und es entstanden ein schöner Stadtkern mit einer katholischen und einer evangelischen Kirche, eine Brauerei und ein Bahnhof und ein prachtvoller Verwaltungsbau. Ein ganzes Viertel mit Wohnhäusern und Villen wurde errichtet. Vieles davon ist heute noch zu sehen, einiges sehr gut erhalten, leider viele der Villen etwas runter geschlampert mit unschönen Zweckanbauten und großen Haufen von altem Pröhl in den Höfen, also typisch chinesisch.

Trotzdem ist die Stadt sehr sauber und ordentlich, koloniales Erbe oder Resultat der Olympischen Spiele, im letzten Jahr wurden hier alle Segelwettkämpfe ausgetragen.

Vor der katholischen Kirche ist wieder ein großes Meeting der Hochzeitsfotografen und die Pärchen müssen in allen möglichen und unmöglichen Stellungen posieren und den nicht gerade romantischsten Augenblick des Lebens so romantisch wie möglich festhalten. Falls ich wirklich noch einmal heiraten sollte, will ich auch solche Bilder fürs Album!

Wir ziehen gemütlich durch das Gewirr der alten Gassen, die gut in einer deutschen Stadt sein könnten; doch überall haben sich die Chinesen jeden Quadratzentimeter angeeignet und sinisiert. Überall kleine und kleinste Läden und Anbauten an den Häusern, das Leben spielt halb drinnen und halb draußen, neben einer Autowerkstatt ein kleiner Laden und auf der Straße wird Fisch getrocknet.

Am interessantesten jedoch ist der Markt in einer Gasse am Berg, Stand an Stand mit Fleisch, Gemüse und sehr viel Seegetier, lange Reihen von Kästen mit Muscheln, die Wasser umherspritzen und hoffen dadurch länger zu leben, was ihnen vielleicht gegen manchen frechen Fisch hilft, aber nicht gegen den Kochtopf. Danach Shrimps und Garnelen jeglicher Größe, Form und Farbe und so wächst dann auch langsam der Appetit.

Irgendwann erreichen wir dann die Uferstraße, wo sich dann die chinesischen Touristen tummeln und promenieren. Man hat einen wunderschönen Blick aufs Meer und auf die andere Seite der Bucht mit der Skyline von Qingdao. Im Gegensatz dazu liegt ein hölzernes Fischerboot am strand und die Fischer halten gerade ihre Mittagspause ab und haben Essen und Bier auf einer Decke ausgebreitet, ungestört von den hunderten von Touristen, die nur wenige Meter entfernt vorbeipilgern.

Zu einer Großstadt gehören natürlich dann auch Biergärten und hier bestellen wir uns eine Pizza und Salat und trinken Qingdao Bier vom Fass und auch der Kaffee und die Schwarzwälder Kirschtorte ist gut und der volle Bauch macht müde.

Die Müdigkeit ist so erschlagend, dass ich gute zwei Stunden im Hotel schlafe, die langen Fahrradtage hinterlassen doch ihre Spuren.

Danach mache ich noch einen Spaziergang in der Nähe des Hotels, lange Rehen von Friseuren gibt es hier und auch lasse meine Haare wieder einmal auf sommerliche Temperaturen kürzen. Gut gestylt geht es dann weiter an unendlich vielen Restaurants, spezialisiert auf Fisch und Seegetier, dazwischen gibt es kleine Grillbuden mit Lammkebaps, Schweinefleischspießen und Tintenfischen.

Auch zum Abendessen lassen wir einen schönen Fisch kommen, der uns mit seinen wenigen Gräten sehr mundet und auch das frisch gezapfte Bier läuft wieder in Strömen und danach macht sich wieder die Müdigkeit breit und im Hotel warten schon ein angenehm kühles Zimmer und ein großes Bett.

Vor hundert Jahren wurde Qingdao die erste und letzte deutsche Kolonie und fleißig wurde versucht hier eine Musterkolonie zu errichten. In dem ehemaligen Fischerdorf wurde fleißig gebaut und es entstanden ein schöner Stadtkern mit einer katholischen und einer evangelischen Kirche, eine Brauerei und ein Bahnhof und ein prachtvoller Verwaltungsbau. Ein ganzes Viertel mit Wohnhäusern und Villen wurde errichtet. Vieles davon ist heute noch zu sehen, einiges sehr gut erhalten, leider viele der Villen etwas runter geschlampert mit unschönen Zweckanbauten und großen Haufen von altem Pröhl in den Höfen, also typisch chinesisch.

Trotzdem ist die Stadt sehr sauber und ordentlich, koloniales Erbe oder Resultat der Olympischen Spiele, im letzten Jahr wurden hier alle Segelwettkämpfe ausgetragen.

Vor der katholischen Kirche ist wieder ein großes Meeting der Hochzeitsfotografen und die Pärchen müssen in allen möglichen und unmöglichen Stellungen posieren und den nicht gerade romantischsten Augenblick des Lebens so romantisch wie möglich festhalten. Falls ich wirklich noch einmal heiraten sollte, will ich auch solche Bilder fürs Album!

Wir ziehen gemütlich durch das Gewirr der alten Gassen, die gut in einer deutschen Stadt sein könnten; doch überall haben sich die Chinesen jeden Quadratzentimeter angeeignet und sinisiert. Überall kleine und kleinste Läden und Anbauten an den Häusern, das Leben spielt halb drinnen und halb draußen, neben einer Autowerkstatt ein kleiner Laden und auf der Straße wird Fisch getrocknet.

Am interessantesten jedoch ist der Markt in einer Gasse am Berg, Stand an Stand mit Fleisch, Gemüse und sehr viel Seegetier, lange Reihen von Kästen mit Muscheln, die Wasser umherspritzen und hoffen dadurch länger zu leben, was ihnen vielleicht gegen manchen frechen Fisch hilft, aber nicht gegen den Kochtopf. Danach Shrimps und Garnelen jeglicher Größe, Form und Farbe und so wächst dann auch langsam der Appetit.

Irgendwann erreichen wir dann die Uferstraße, wo sich dann die chinesischen Touristen tummeln und promenieren. Man hat einen wunderschönen Blick aufs Meer und auf die andere Seite der Bucht mit der Skyline von Qingdao. Im Gegensatz dazu liegt ein hölzernes Fischerboot am strand und die Fischer halten gerade ihre Mittagspause ab und haben Essen und Bier auf einer Decke ausgebreitet, ungestört von den hunderten von Touristen, die nur wenige Meter entfernt vorbeipilgern.

Zu einer Großstadt gehören natürlich dann auch Biergärten und hier bestellen wir uns eine Pizza und Salat und trinken Qingdao Bier vom Fass und auch der Kaffee und die Schwarzwälder Kirschtorte ist gut und der volle Bauch macht müde.

Die Müdigkeit ist so erschlagend, dass ich gute zwei Stunden im Hotel schlafe, die langen Fahrradtage hinterlassen doch ihre Spuren.

Danach mache ich noch einen Spaziergang in der Nähe des Hotels, lange Rehen von Friseuren gibt es hier und auch lasse meine Haare wieder einmal auf sommerliche Temperaturen kürzen. Gut gestylt geht es dann weiter an unendlich vielen Restaurants, spezialisiert auf Fisch und Seegetier, dazwischen gibt es kleine Grillbuden mit Lammkebaps, Schweinefleischspießen und Tintenfischen.

Auch zum Abendessen lassen wir einen schönen Fisch kommen, der uns mit seinen wenigen Gräten sehr mundet und auch das frisch gezapfte Bier läuft wieder in Strömen und danach macht sich wieder die Müdigkeit breit und im Hotel warten schon ein angenehm kühles Zimmer und ein großes Bett.

75. Tag: 9. Juni 2009 „Keine Fähre nach Qingdao“

11. Juni 2009

106 Kilometer von Zhucheng nach Qingdao, hügelig und sehr schöne Straßen und Landschaften, 614 Höhenmeter

Sieben Uhr brechen wir auf und machen an einer Straßenkreuzung Frühstück, hier gibt es Wantan Suppe und gefüllte Fladenbrote, beides schmeckt gut und weckt Kräfte für den Ritt nach Qingdao, leider ist kein heißes Wasser für Kaffe zu haben.

So schleichen wir dann etwas müde vor uns hin und auch der lange gestrige Tag steckt noch in den Beinen. Das Wetter ist perfekt, leicht bewölkt und angenehm frisch.

Wieder geht es große und kleine Hügel hoch und runter und ab der Gebietsgrenze zu Qingdao ist die Straße klein und ruhig, es gibt ganze Pappelwälder und dann kommen wir auch schon in Meeresnähe. Hier sieht es dann eher aus wie in Griechenland oder Italien, steinige Berge mit winzigen Feldern und vielen kleinen Koniferen.

Unser Plan war es bis nach Huangdao zu radeln und dann mit der Fähre überzusetzen, aber schon das Finden des Fährhafens ist etwas schwierig und so landen wir zuerst in Fischereihafen, was zwar wegen der vielen kleinen Fischerboote sehr interessant ist, uns aber nicht vorwärts bringt.

Nach einiger Fragerei kommen wir dann zu dem fast verwaisten Fährhafen, der sieht aus, als ob hier schon seit ein paar Monaten keine Fähre mehr gefahren wäre, doch man sagt uns der Fährbetrieb sei nur heute wegen dichten Nebels, von dem wir aber nichts sehen, eingestellt.

Doch glücklicherweise gibt es von hier dann gleich auch Busse und so müssen wir nicht über ein Gewirr von Schnellstraßen und Autobahnen den großen Umweg um die Bucht von Kiaochow selbst fahren, können lassen uns in die Stadt kutschieren.

90 Minuten später nach einem Nickerchen im klimatisierten Bus sind wir dann irgendwo im Zentrum der Stadt, doch mit Hilfe von GPS und Karte finden wir uns zurecht und klappern ein paar Hotels ab. Als wir über den letzten Hügel für heute in Richtung Meer fahren, quillt uns dichter Nebel entgegen und von allen Häusern mit mehr als zehn Stockwerken lassen sich die oberen Geschosse nicht mehr ausmachen.

Die richtigen Luxushotels sind uns mit 60 oder 80 Euro pro Nacht zu teuer und so versuchen wir uns einen Straßenzug weiter vom Meer entfernt. Hier gibt es auch ein chices Hotel und 25 Euro pro Nacht sind angemessen, vor allem bekommen wir ein Zimmer im obersten Stockwerk, dem sechzehnten mit Blick aufs Meer, doch den kann man am Abend nur erahnen.

Das Abendbrot im Seafood Restaurant gleich gegenüber ist mehr als lecker, der Fisch frisch und das Bier frisch vom Fass gezapft. Ich bestelle drei Gläser und wir bekommen drei Krüge zu 1,5 Litern, die wir dann auch ganz allmählich vernichten und alles was danach kommt, habe ich vergessen, aber zumindest bin ich allein in meinem Bett in meinem Hotelzimmer aufgewacht.

74. Tag: 8. Juni 2009 „Regen in Shandong“

11. Juni 2009

136 Kilometer bei leichtem und mittlerem Regen von Yiyuan nach Zhucheng, leicht und mittlere Hügel auf ruhigen Straßen mit 797 Höhenmetern

Gestern hat Hubert noch gewitzelt, dass es nach langen Etappen und nach bergigen Etappen nur noch einen Regentag brauche, um auch aus Barbara die komplette Langstreckenradlerin zu machen. Und da man über schlechtes Wetter niemals witzeln soll, regnet es heute ordentlich, außerdem hat Hubert vorgestern sein Rad mit unter die Dusche genommen und damit Murphys Gesetz provoziert: Hubert ist also am Regenwetter schuld!

Doch bevor wir uns ins Wasser stürzen nutzen wir das Hotelfrühstück. Ich bin in China kein Liebhaber des Hotelfrühstücks. Meistens gibt es Zhou, also ein geschmackloser Reis- oder Bohnenbrei, dazu sauer eingelegtes Gemüse, ein paar Sorten gebratenes Gemüse, Mantou, also gedämpfte Hefeklöße und manchmal Baotze, also gefüllte Teigtaschen. An letzteren orientiere ich mich dann immer, aber die sind in den Hotels nie frisch und nicht einmal halb so gut, wie die auf der Straße. Außerdem gibt es außer warmer Sojamilch nichts zu trinken, keinen Tee und keinen Kaffee und unsere Vorräte sind leider aufgebraucht.

Die Straße ist auch heute wieder recht ordentlich ausgebaut und es gibt kaum Verkehr, an den Regen gewöhne ich mich schnell, ziehe meine wasserfeste Jacke an und lasse es mir gemütlich auf den Helm tropfen, das hat dann etwas meditatives und wie schon bei unserer ersten Etappe festgestellt sinkt mein Fahrtempo, sonst immer vorneweg, zottele ich nun lange Strecken hinterher. Gegen Mittag lässt der Regen nach und einmal kommt sogar ein kurzer Sonnestrahl durch. Das Wetter hat etwas gutes, es ist nicht so heiß und wir sind schon am Vormittag ordentlich Hügel hoch und runter gefahren.

Mittag machen wir in einem kleinen Ort mit einer großen Kreuzung in einem neu eröffneten Lokal, zuvor konnten wir einen angetrunkenen Motorradfahrer gerade noch abschütteln, der uns unbedingt zum Trinken einladen wollten und überhaupt kein Verständnis dafür hatte, dass sich hochprozentiger Alkohol und Radfahren nicht vereinbaren lassen.

Die Mannschaft im Restaurant war unheimlich nett und wir müssen noch einen großen Fototermin vor dem Hotel absolvieren, dann geht es weiter und auch der Regen ist zurück. Im nächsten Dorf gibt es einen gut sortierten Supermarkt und wir kaufen die dortigen Kaffeevorräte auf, 12 Päckchen „3 in 1“ Instant Kaffee. Etwas später können wir den auch gut gebrauchen, denn Barbara ist etwas unterzuckert und hat Krämpfe, man verbraucht beim Regenfahren einfach mehr Energie. Im nächsten Lokal bitten wir dann um Tassen und heißes Wasser, beides bekommen wir, dafür muss ich eine laute Konversation mit der dicken Chefin führen, die schrecklichen Akzent spricht, den auch noch sehr laut.

Gegen 18 Uhr nähern wir uns dann dem Zielort Zhucheng, die Abkürzung in den Ort ist zwar etwas kürzer, aber schlammig und ich fahre auch noch in einen Glassplitter und habe einen Platten. Mit zwei Mal nachpumpen erreichen wir dann das erste Hotel, eine Art Badehaus, also Puff, mit trotzdem angenehmen Zimmern.

Der Plattfuß ist dann schnell behoben und aus der Dusche fließt reichlich warmes Wasser.

Zu Abend essen wir auf der Straße mit gegrilltem und etwas Malatang, also eine scharfe Suppe mit Einlagen, aber die Lammfleischspieße sind einfach unschlagbar.

Auf den langen Tag unternehme ich den Versuch einer Massage, aber von den Mädels in der Etage unter uns kann keine massieren, sie bieten nur spezielle Dienste an für 288 Yuan pro halbe Stunde, ich frage dann nicht näher nach Inhalten, sondern hüpfe allein in mein angenehm hartes Bett und kann bei den erfrischenden Temperaturen bei offenem Fenster hervorragend schlafen.

73. Tag: 7. Juni 2009 „Müde durch Shandong“

7. Juni 2009

104 faule Kilometer mit kleinen und mittleren Hügeln von Tai’an nach Yiyuan, 661 Höhenmeter

Wir verzichten aufs fade Hotelfrühstück und brechen wieder halb sieben auf, es ist angenehm in der morgendlichen Frische zu fahren und die Straßen sind noch recht leer. An einem Park bewundern wir die örtlichen Rentnergruppen beim Taiqi Training. Rüstige Rentner schwingen im Takt klassischer chinesischer Musik die Schwertatrappe und halten sich so recht fit. Man sieht kaum noch junge Leute bei diesen morgendlichen Übungen.

Hinter Tai’an radeln wir ein paar Kilometer durch eine Baustelle, das hat den Vorteil, dass es wenig Verkehr auf der Straße gibt. Dann geht es auf einer schönen kleinen Straße hauptsächlich durch kleine Dörfer und viele Felder. Beben dem Getreide gibt es viel Gemüse und Mais und ziemlich oft eine schöne Baumgruppe oder einen Pappelhain. Kein Wunder, dass vor hundert Jahren unsere deutschen Vorfahren fasziniert von diesem Landstrich waren, ähnelt die Landschaft doch hier mancher heimischen Gegend. Und so wimmelte es damals hier vor Missionaren, die versuchten aus guten Konfuzianern gute Christen zu machen, der Versuch misslang und die Japaner haben uns dann wieder rausgeschmissen. Geblieben sind ein paar deutsche Biersorten, eine Eisenbahnlinie von Qingdao nach Jinan und ganz selten eine kleine Kirche.

Irgendwie kommen wir heute nicht recht schnell vorwärts, Hubert hat nicht so die rechte Radellust und Barbara und ich haben Muskelkater von der gestrigen Bergbesteigung. Nicht das der Kater besser wird, ich habe das eher gegenteilige Gefühl.

Mittag machen wir auf einem kleinen Landgasthof und wir beschließen dann heute einmal eine sehr lange Mittagspause, da es hinter dem Hof einen wunderschönen Garten mit kleinen Stühlchen und schattigem Pavillon gibt, unter dem ein angenehmes Lüftchen für Kühlung sorgt. Barbara und Hubert nutzen die Zeit für ein Schläfchen, ich komme endlich dazu, ein mein Blog zu schreiben. Nachdem die größte Hitze vorbei ist, wollen wir weiter und dann sehen, wie weit wir heute noch kommen.

Gegen halb vier trinken wir dann einen weiteren Kaffee und radeln weiter, noch knappe 30 Kilometer liegen vor uns und die sind landschaftlich sehr schön. Es geht ein paar lange Hügel hoch und runter und hinter den Handtuchfeldern liegt ein Stausee, danach wird die Landschaft wieder städtischer und wir radeln in Yiyuan ein, finden ein sehr schönes drei Sterne Hotel für 25 Euro und beschließen natürlich, dort zu bleiben.

Das dortige Seafood Restaurant ist vorzüglich, auch wenn wir nur ein Gericht mit Shrimps haben, aber erstmals gibt es auch wieder Eselsfleisch und das ist immer sehr lecker. Auf unseren eher müden Radeltag trinken wir eine Flasche Weißwein zum Essen und dann nutze ich das schnelle Internet, um die heute geschriebenen Seiten online zu stellen.

71./72. Tag: 6./6. Juni 2009 „Der meist bestiegene Berg der Welt“

7. Juni 2009

75 Kilometer von Qufu nach Tai’an auf schneller Schnellstraße und nächtliche Besteigung des Taishan Berges

Viele der chinesischen Provinzen rühmen sich vieler Sehenswürdigkeiten, Persönlichkeiten und Landschaften, die Provinz Shandong hat nur einen berühmten Berg, einen bekannten Fluss und einen großen Heiligen. Dafür aber in allen Beziehungen eine Spitzenposition, gestern standen wir an der Wiege des wichtigsten Gelehrten des Landes, Konfuzius, irgendwann werden wir noch den Gelben Fluss, die „Mutter“ der Chinesen überqueren und heute geht es nach Tai’an. Dort liegt der wichtigste unter den heiligen Bergen Chinas der Taishan. Er ist weder der schönste, noch der höchste, dafür aber der meist bestiegen, zahlreiche Kaiser sind hinauf geklettert (oder getragen worden?) und ansonsten jede Persönlichkeit der chinesischen alten, mittleren und neuen Geschichte.

Uns trennen noch 80 Kilometer vom Ziel und die wollen wir schnell zurücklegen, also suchen wir gar nicht nach ruhigen Nebenstraßen, sondern nutzen die frische Briese von hinten und die sechsspurige Trasse. Schon um 6.30 Uhr sind wir aufgebrochen und es ist gerade einmal 12 Uhr, als wir in die Stadt Tai’an einrollen. Frühstück gab es erst nach 40 Kilometern und es macht schon Spaß, einmal so schnell die Tagesstrecke abzuspulen.

Wir entschließen uns zu einer nächtlichen Bergbesteigung, um am Morgen den Sonnenaufgang sehen zu können und so bleibt Zeit für einen Mittagsschlaf und für die Arbeit am Computer. Es haben sich jede Menge Mails angesammelt und über Skype kann ich mit den Kids telefonieren.

Gleich gegenüber dem Hotel befindet sich ein Jiaotze Restaurant und es gibt drei verschieden Sorten und ein paar kalte Gerichte, danach habe ich leichte Bettschwere und das ist ganz gut so, denn ich kann bis Mitternacht schlafen.

Da Hubert im Hotelzimmer über die Teppichkante gestolpert ist und einen dicken blauen Fußzeh hat, beschließt er nicht mit auf den berg zu kommen. Barbara und ich fahren mit dem Taxi zum Ausgangspunkt für die Bergbesteigung und von dort geht es mit einem Bus den halben Weg nach oben zum mittleren Tor. Das liegt ungefähr bei 900 Metern Höhe, bleiben noch gute 600 Meter zu klettern.

Während es unten an der Busstation noch ruhig zuging, sammelt sich jetzt hier schon jede Menge wanderlustiges Völkchen. Vor allem viele junge Chinesen, Pärchen und kleine Grüppchen sind unterwegs um die unzähligen Treppenstufen nach oben in Angriff zu nehmen. Steil geht es nach oben und recht schnell trennt sich die Spreu vom Weizen, die schwer keuchenden suchen schon nach den ersten 300 Stufen nach Rast und Erfrischung. Die gibt es am Wegesrande zu Hauf, Taschenlampen für die Dunkelheit, Wanderstöcke und Räucherstäbchen finden guten Absatz. Aller 200 Stufen gibt es einen Imbisstand mit Instantnudeln, Gebäck, gekochten Eiern, Keksen, Wasser und Bier. Man ist hier auf fast jeden Trottel eingerichtet und sogar die Lady, die vorhatte in Stöckelschuhen nach oben zu pilgern wird mit bequemen chinesischen Taiqi-Schuhen nachgerüstet.

Auf halbem Wege nimmt dann die Anzahl der Rastenden zu und jeder verfügbare Stein am Wegesrand und jede Bank belegt. Auch Barbara und ich kommen ordentlich ins Schwitzen, denn die Stufen sind steil und anstrengend und natürlich nicht DIN genormt und so sieht es wohl morgen nach einem ordentlichen Muskelkater aus.

Oben auf der Bergsation sind schon hunderte von Leuten versammelt, wir sind die einzigen beiden Ausländer und es ist merklich kühl. Aber auch hier stimmt die Versorgungsstruktur, während wir unsere Jacken auspacken, leihen sich die Chinesen einfach einen schweren grünen Armeemantel. Gegen 1 Uhr waren wir am mittleren Tor gestartet und brauchten gute zwei Stunden für den Weg; bis zum Sonnenaufgang dauert es noch eine gute Weile und diese Zeit nutzen die meisten noch für ein Nickerchen. Barbara und ich machen ein Restaurant mit überteuertem Kaffee ausfindig, aber das dünne Getränk wärmt wenigstens ordentlich und gegen 4 Uhr geht es dann auf die letzten Meter bis zur Aussichtsplattform für den Sonnenaufgang.

Erst jetzt wird klar, wie viele Leute hier jeden Tag hochpilgern, auf alle Fälle über 1000 Leute starren gebannt auch den langsam heller werdenden Silberstreifen am östlichen Horizont. Um 4.40 Uhr ist es dann soweit und ein großes „Aah“ geht durch die Massen, die Sonne bohrt glutrot ihre ersten Strahlen in den jungen Tag und die digitale Orgie beginnt.

Langsam kommt die Sonne zum Vorschein und überall gibt es verzückte Gesichter, selbst der Große Vorsitzende Mao Tze Tong konnte sich seinerzeits einer gewissen Bewunderung nicht enthalten und prägte hier den Spruch mit mehrfacher Bedeutung: „Dong fang hong le- der Osten ist rot“.

Nach einer halben Stunde steht dann die Sonne flach am Horizont und dann beginnt wieder der große Aufbruch, viele pilgern dann noch zu den umliegenden Tempeln, um ihre Räucherstäbchen zu verbrennen und den Himmel um Glück, viel Geld, noch mehr Geld, Kinder; und vor allem einen Sohn zu bitten.

Barbara und ich, wir machen uns wieder auf den Rückweg, die Stufen wieder hinunter und das ist fast noch anstrengender als der Weg herauf. Inzwischen kommen auch die Chinesen den berg hinauf gekrochen, die es bis zum Sonnenaufgang nicht mehr geschafft haben und die Lastenträger beginnen ihr Tageswerk und schleppen schwere Bündel mit Lebensmitteln, Getränken und Räucherstäbchen.

Jetzt im Tageslicht zeigt sich auch die Faszination des Weges, hundert Meter lange Treppenstiegen dicht am felsigen Berg und überall gibt es eingemeiselte Kalligraphien. „Die Flüsse sind lang und die Berge hoch“ sinnsprüchelt es von rechts und von links werden wir belehrt, das Nichts unvergänglicher ist als der Taishan.

Wir haben Glück und erwischen um 7 Uhr schon den ersten Bus ins Tal und sind eine Stunde später im Hotel. Dort wartet das Bett und ein paar Stunden Schlaf.

Am Nachmittag wollte ich eigentlich am Computer arbeiten, aber vorher wollten Hubert und nur mal schnell meinem Computer einen chinesischen Schriftsatz verpassen; nach drei Stunden sind wir dann aber keinen Schritt weiter gekommen und ich bin etwas demotiviert, so dass ich mich dann auch nach dem Abendessen nicht noch einmal zu meiner Schreibarbeit aufraffen kann, sondern gleich wieder im Bett verschwinde.