89. Tag in Hanoi- Samstag, der 24. Juli 2010
24. Juli 2010Abstecher nach Beijing I
Nach drei Monaten ist nun Peters Zeit hier in Hanoi abgelaufen und für mich ist Halbzeit. Zeitig am Morgen heißt es nun für Peter Abschied nehmen. Die Zeit hier war nicht einfach für ihn, vor allem am Anfang, so viele neue und fremde Menschen, Orte und Situationen. Aber die Vietnamesen haben es ihm einfacher gemacht als erwartet, denn alle haben sich in den kleinen Charmeur und Süßkeks verliebt und er hat seine Popularität genossen. In der Kita lief es nach Anfangsproblemen richtig gut, es gab gestern einen dicken Abschied mit Chips und Cola und vielen Umarmungen. Natürlich möchte Peter jetzt erst einmal in die Mongolei, zu seiner Mama und nach Berlin, aber hat schon ein paar male gefragt, wann er wieder herkommen kann. Englisch und Vietnamesisch hat er kaum gelernt, dafür sprechen seine Lieblingserzieherinnen jetzt ein paar Worte Deutsch, Peter hat es wirklich geschafft, dort alle herumzukommandieren, ohne dabei böse zu sein.
Für mich war es auch sehr schön mit dem Kleinen und wir haben viel unternommen und haben viel zusammen gesehen und ich hoffe, dass er vielleicht ein paar Sachen nicht vergessen wird.
Gegen 10 Uhr hebt der Flieger ab und am späten Nachmittag hat Peter seine Mama wieder im Arm. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten kann man schon am Flughafen abhaken, Fotos vor der Großen Mauer und mit einem Soldaten der Terrakotta-Armee aus Xi’an.
Mit etwas Mühe finden wir südlich des Tiananmen Platzes in mitten der neu gestalteten Dazhalan ein angenehmes Hotel zu vernünftigem Preis. Dies war nicht einfach, denn hier in Beijing herrscht gerade touristische Hochsaison. Entsprechend voll sind die Straßen um den Platz des Himmlischen Friedens und auf dem platz tummeln sich mehrere tausend Leute. Uns bleibt heute nur ein kleiner Bummel über den Platz. genau zum Sonnenuntergang wird die Rote Fahne eingeholt von einer Abteilung wie Zinnsoldaten marschierender Paradesoldaten.
Vor dem Mausoleum des Großen Vorsitzenden flimmern riesige Bildschirme und werben für Freude, China, die Expo, Autos, den Sozialismus und die kommunistische Partei. Das Volk interessiert es eh nicht, aber solange die Wirtschaft im Lande so weiter brummt, wird noch jede menge Propaganda über die Leinwände rauschen. Noch vor 15 Jahren war das Wort Tourismus für den gemeinen Chinesen noch ein Fremdwort, Touristen, das waren wir, die komischen Langnasen in T-Shirts und Trekkinghosen. Heute gehen die wenigen ausländischen Touristen unter im Strom der chinesischen Reiselustigen und es sind nicht nur die Intellektuellen und Reichen, die heute Reisen. An den Gesichtern und dem Geschmack der Leute erkennt man auch die Bauernfamilie aus Hunan, die mit Kind und Kegel angerollt ist und die kleine 22 jährige Fabrikarbeiterin aus Shenzhen mit ihrer genauso jungen Freundin schüchtern und staunend durch die Metropole schlendert.
Als ich vor 10 Jahren hier in Beijing studiert habe, fand ich die Stadt immer noch sehr provinziell, es gab nur ein paar Hochhäuser außerhalb des dritten Ringes und alles hatte noch etwas wunderbar gemütlich Rückständiges. In den Hutongs, den alten Wohnvierteln konnte man durch enge Gassen streifen und fühlte sich manchmal zurück versetzt ins alte China vor ein paar hundert Jahren oder in die Zeit der Kulturrevolution, beides gab die Stadt her.
Dann kam die Nominierung für die Olympischen Spiele und alle hatten Angst, dass nun alles platt gewalzt wird und im spätsozialistischen Stil wieder neu gebaut wird. Aber die Stadtplaner haben hier einiges geschaffen, natürlich wurde viel gewalzt und viel in Glas, Beton und Stahl gebaut, aber es wurden auch viele Hutongs neu errichtet und wohnlicher gestaltet. Heute ist Beijing eine moderne Stadt mit einer überzeugenden Infrastruktur und trotzdem kann man noch den Wind der Jahrhunderte spüren und ich bin nach wie vor gerne in der Stadt.