127. Tag in Hanoi- Mittwoch, der 1.September 2010

1. September 2010

Aufbruch mit Startschwierigkeiten

Eigentlich war alles gut geplant, der Busbahnhof, von dem die Busse nach Ninh Binh fahren bekannt, vorher die Radmitnahme geklärt, Ticket kann man im Bus kaufen und es gibt ausreichend Busse. Damit machen wir uns auf den Weg zur Station. Die liegt vielleicht fünf Kilometer weiter im Süden der Stadt, riechen kann man sie schon auf halbe Distanz, als wir auf den Platz einbiegen, schlägt uns ein starker Schwall Uringeruchs entgegen. Das hält aber niemanden davon ab, hinter den parkenden Bussen an flexiblen Essständen noch eine Zwischenmahlzeit einzuschieben. Meine nette Begleitung findet schnell einen Bus nach Ninh Binh, noch lehr und Start erst in 40 Minuten, dafür aber Genügend Zeit und Raum, um die Räder zu verstauen. Drinnen brüllt die Karaokeanlage, vietnamesischer Softpop und harmlose russische Stripteasetänzerinnen auf dem Bildschirm. Das dauert dann eine Stunde, bevor der Bus sich langsam füllt. Nach 90 Minuten soll es dann losgehen, aber dann stürmen drei Polizisten den Bus und alle müssen aussteigen. Wenn ich mit dem Rad gefahren wäre, hätte ich den halben Weg inzwischen hinter mich gebracht. Aber mit einer zarten kleinen Vietnamesin im Anhang, kann man auf den schönen Nachmittag nicht mal so einfach 110 km auf der Autobahn „wegschrubben“.

Also stehen wir wieder in der Busbahnhofkloake and wissen nicht wohin. Die schönen alten Busse mit Dachgepäckträger gibt es kaum noch. In die kleinen und mittleren Busse passt kein Fahrrad, nur in den großen Bussen passen die Räder in die Ladeklappe.

Ich soll mich nicht an die Polizei wenden, aber die hat uns schließlich aus dem Bus geworfen und nun weiß keiner ob, wann und wo, weitere Busse fahren. Also gehe ich der Polizei doch auf den Senkel und siehe da, man muss nur lange genug nerven, wird ein Polizist abgestellt, um uns auf den nächsten Bus zu hieven. Das dauert zwar eine knappe Stunde und davor hat sich schon eine Traube aus Menschen gebildet, aber mit der Polizeigewalt an der Seite bekommen zuerst die Räder und dann auch wir noch einen Platz. Der Bus wird kräfig aufgefüllt, drei Leute pro Sitzreihe, aber da wir ja schließlich auch noch mitdurften, verzichte ich auf den nächsten Aufstand. Die „billigen“ Plätze, also auf dem Hocker in der Mitte und als dritter Passagier kosten natürlich das gleiche und das Geld fließt direkt in die Taschen von Fahrer und Kassierer, abzüglich der Kosten fürs Bestechen der Polizei am Busbahnhof und auf der Strecke. Hier müssen dann mal schnell fünf Leute aussteigen und hinter dem Kontrollposten wieder einsteigen.

Die Fahrt im vollen Bus dauert ewig, manchmal tuckert der Fahrer nur mit 30 über die Autobahn, dann kommen auf schmalen Straßen wieder die Schuhmacher-Gene durch und ein kleines Dorf wird mit der Hupe zusammengeblasen. Kurz vor neun sind wir dann in Ninh Binh, bleibt noch Zeit fürs Abendbrot und die Dusche, denn am nächsten Morgen wollen wir zeitig los.

Langes Wochenende

31. August 2010

Ab morgen Nachmittag bin wieder ein webnig mit dem Rad unterwegs, „Schuld“ daran ist ein superlanges Wochenende, der Donnerstag ist Nationalfeiertag, Vietnam wird 65 Jahre alt, den Freitag haben wir vorgearbeitet und den Montag arbeiten wir nach. Gelegenheit für mich ein wenig am Hoch Chi Minh Pfad zu schnuppern, ob ich den Computer mitschleppe weiß ich noch nicht, dann gibt es Bilder und Texte erst nächste Woche. Bleibt mir treu!

Tomtom

125. Tag- Sonntag, der 29.08.2010

29. August 2010

Auf den Hund gekommen

Seit einer Woche regnet es mehrmals täglich und die Temperaturen sind mehr als angenehm. Man kann nachts ohne jegliche Hilfsmittel schlafen bei angenehmen 25 Grad und am Tage geht das Thermometer dann auf 30 Grad hoch. Am Samstag haben wir wieder Unterricht gemacht, also beschließe ich ein faules Wochenende und erkundige mich bei meinen Kolleginnen, wo es denn Hundefleisch verkauft wird und wo es die besten Restaurants mit thit cho, Hundefleisch gibt. Das soll im Süden der Stadt entlang der Linh Nam Straße sein. Also schwinge ich mich aufs Rad und fahre hin. Ich bin inzwischen in meiner Fahrweise auch schon ziemlich Vietnamesisch geworden, also sehr rücksichtslos und drängle, wo es nur möglich ist. Dabei habe ich festgestellt, dass man mir gezielter Rücksichtslosigkeit recht gut durchkommt. Lediglich meinen folgenden Verkehr lasse ich nicht aus den Augen und schnipsele Leuten nicht direkt in die Spur. So fühle ich mich fast wie in Berlin, einmal adrenalingeladen geht es durch die Stadt.

Für den Markt an der Lin Nam bin ich zu spät dran, hier wird schon mächtig aufgeräumt und von Hunden ist nichts zu sehen, bis auf ein paar kleine süße spielende Tölen, die aber viel zu klein und daher „für den Verzehr ungeeignet“ sind. Doch schon hundert Meter weiter gibt es ein Hundereataurant und davor wird gerade ordentlich am toten Tier gearbeitet, der Restaurantchef ist mit vielleicht zehn toten Tieren beschäftigt und schabt denen das Fell ab. An der Kehle des Tieres befindet sich ein sauberer Schnitt durch die Halsschlagader, die Tiere werden also nicht anders geschlachtet ein Huhn.

Auch hier in Vietnam gibt es eine Disskusion um das Totprügeln von Hunden und viele Restaurants wenden die Methode nicht mehr an und wenn auch nur aus ökonomischen Gründen, ein gut laufendes geschäft benötigt ein guites Dutzend Tiere am Tag und die totzuprügeln dauert schlicht und einfach zu lange.

Wenn die Tiere dann enthäutet sind, werden sie mit einer starken Flamme behandelt und gegrillt, das gibt den Tieren eine appetitlich saftige Farbe.

In den Restaurants wird folgendes angeboten, Grillspieße, Braten, Leber und „Hundewürstchen“. Letztere bestehen aber nur aus Bohnen, Erdnüssen und Schweineblut, aber die Form und Farbe erinnern dann wohl doch an die Rückstände eines Hundes mit gesunder Verdauung auf der Straße, nichtsdestotrotz sind sie lecker, wie ich im Restaurant selbst ausprobiere.

Die Grillspieße sind nicht so toll, da hier hauptsächlich minderwertiges Fleisch vergrillt wird, mit viel Fett, Sehnen und Hautresten. Der Vietnamese aber mag diese knorpelig krustige Gefühl im Mund. Mir leigt eher der Braten in dünnen Scheiben, auch hier ist das Fleisch von fett durzogen, aber sehr schmackhaft. Ein Vergleich zu anderen Tieren ist sehr schwer, hund ist eben Hund. Mein Favorit ist aber die Leber, auch in dünnen Scheiben serviert.

Das Lokal ist eher einfach, als Tischdecke bekommt man eine Zeitung und zu den ausgewählten Hundeteilen kommt eine Schale mit Gurken, stinkender Krabbensauce und verschiedene Kräuter, Zitronengras und Zitronenmelisse erweisen sich als die passendste Ergänzung zum Fleisch.

Das Mahl war recht lecker, eine gute Alternative zu Rind, Schwein und Huhn, aber es wird trotzdem nicht mein Lieblingsessen, das einzige was ich bedauere ist, dass man in einem Hunderestaurant eben nur Hund bekommt, keinen Reis und keine Schüssel gebratenes Gemüse dazu, da war mein 150 Gramm Steak von gestern Abend besser, mit richtig guten Kartoffeln, dazu viel Gemüse: Karrotten, Brokoli und Babymais und eine Flasche Champagner (Sekt im Champagne Verfahren aus Australien), selbst gekocht und natürlich mit charmanter Begleitung.

118. Tag- Sonntag, der 22.08.10

22. August 2010

Ausflug nach Duong Lam

Westlich von Hanoi, ca 50 km aus der Stadt heraus, gibt es ein kleines Dorf namens Duong Lam, ich hatte Bilder davon gesehen und eine Schülerin hat in einem Aufsatz von den alten gebäuden berichtet, also genau das richtige für einen Sonntagsausflug mit dem Moped.

Die Informationen, die ich übers Dorf finden kann sind äußerst spärlich, meistens bestehen sie nur aus grausigen Google Übersetzungen von vietnamesischen Webseiten. Die Bilder sind aber sehr verlockend.

Raus aus Hanoi geht es über die Autobahn nach Westen. Diese ist wohl schon einige Zeit in relativ fertigem Zustand und hat sechs Spuren, zumindest theoretisch. Da an zahlreiche Zufahrten und im Umfeld noch gebaut wird und es in der letzten Nacht ordentlich geregnet hat, kann man nur auf der Mittelspur fahren, links und rechts befindet sich nur eine Schlammpiste mir asphaltiertem Untergrund. Wieder ein wunderbares Beispiel für allgegenwärtige Schlamperei, da wird ein Millionenprojekt in recht ordentlicher Qualität in die Landschaft gezimmert und dann kann man es sich leisten, dieses im wahrsten Sinne des Wortes verschlammen lassen. Nach 30 Kilometern endet die Autobahn abrupt und geht in eine kleine Landsctraße über. Obwohl der verkehr nicht dicht ist, ist es hier mit dem Moped regelrecht gefährlich, vor allem wegen zahlreicher LKW, die ihre Größe gnadenlos ausnutzen und sich hupend mit hoher Geschwindigkeit eine Schneise blasen, auch in Ortschaften, in denen gerade ein Markt abgehalten wird.

Nach einiger Suche finde ich dann auch Duong Lam, die Ausschilderung war mehr als mäßig und hinter einem steinernen Tor grüßt dann ein großer Teich mit Lotus und einem Dorf mit vielen kleinen Häusern. Typisch für die Architektur sind knallrote Laterit Ziegel, die hier in der Umgebung gewonnen werden. Von den im Netz gepriesenen alten Häusern ist nicht viel zu sehen. Ab und zu ist ein alter Hof ausgewiesen, den man dann, gegen einen kleinen Eintritt besichtigen kann. Hier stehen dann bis zu 400 Jahre alte Gebäude. Über den Laterit Mauern gibt es dann schöne Dächer mir Holgiebeln aus dicken Bohlen, die das Ziegeldach tragen. Leider aber bekommt man zu wenig von den alten gebäuden mit, denn die meisten Höfe sind verschlossen, nicht gerade nett für ein ausgewiesenes Museumsdorf, an dessen Eingang Eintritt kassiert wird.

Kassiert wird dann noch ein paar Mal , auf dem Dorfplatz fürs Parken und vor jedem der kleinen Tempel, ebenso fürs Abstellen des Mopeds. Dafür sind die Tempel keine große Attraktion, nicht viel zu sehen und eher winzig. Ebenso wie die beiden Shrine in der Umgebung des Dorfes, die gleich zwei Königen, die hier geboren worden, gewidmet sind.

Trotzdem hat sich der Ausflug gelohnt, das Dorf ist ruhig und beschaulich, man kann gemütlich schlendern, bloß zu essen gibt es nix. Auf dem Dorfplatz gibt es drei oder vier Stände mit einem lausigen Tee, der dann doch nur ein Kräuteraufguss ist, aber nicht einmal eine lausige Nudelstube findet sich.

Nach einem kräftigen Gewitterguss mache ich mich auf den Rückweg. Ich suche eine kleine Straße am Ufer des Roten Flusses, die ich nicht finde, komme aber dann durch viele kleine Dörfer, in denen das Leben tobt. Die bauern kommen von den Feldern, sind mir Rädern unterwegs, treiben ihre Wasserbüffel heim und die Nachmittagssonne taucht die grüne Reisfeldlandschaft und die Bananenplatagen in tolle Farben.

117. Tag- Samstag, der 21.08.10

21. August 2010

Die schönste Seite Vietnams- Frauen im Ao Dai

Eine Schülerin hat mich in der Woche gefragt, ob ich nicht am Samstag von ihr Fotos machen wolle. Natürlich will ich das, zumal sie sich dafür einen Ao Dai, gesprochen wie Ao Sai, ausleihen würde, das traditionelle vietnamesische Langkleid.

Alle Vietnamesen und vor allem die Frauen lieben es, sich fotografieren zu lassen, Bilder fürs Familienalbum entstehen immer und überall, zu Feiern und Festen werden Gruppenfotos gemacht, zu Hochzeiten entstehen regelrecht Kunstfotobände, die so unvergleichlich kitschig sind, das es schon wieder schön und romantisch ist.

In der ganzen Stadt und auch in kleineren Städten gibt es reihenweise Shops, die vom Verleih von Hochzeitskleidern und Ao Dais leben. Hier kann man für ab 5 € pro Tag ein kleid ausleihen. Wir besuchen einen zweietagigen laden in der Kim Ma Straße. Auf den Freitagabend herrscht reger Betrieb und es hängen hier wohl mehrere hundert mehr oder weniger schöner langer Kleider in allen Farben und Variationen.

Der Ao Dai besteht aus einem knie oder knöchellangen Kleid mit langen Ärmeln, das an der Seite mehr oder weniger weit geschlitzt ist. Dazu wird eine farblich passende lange weite Hose getragen. Das Material für die Ao Dais ist idealerweise Seide oder ein Seidenimitat. Besonders reizend sind Ao Dais, die durchscheinend sind, Schülerinnen wählen für Abschlussfotos sehr geren weiße Ao Dais, aber es gibt auch Modelle in zarten Pastellen bis hin zu knalligen Farben oder auch Schwarz oder Dunkelblau. Die Ao Dais können einfarbig oder mehrfarbig sein, aber auch sehr bunt. Die reiche Auswahl macht es möglich, das Kleid perfekt auf den Typ der Trägerin und den Anlass abzustimmen.

Die Ursprünge des Ao Dais gehen bis ins 12. Jahrhundert zurück und die Ao Dai Entwicklung erreichte im 19 Jahrhundert in der Kaiserstadt Hue ihren Höhepunkt. Wer heute Geld und Kultur hat, lässt sich seinen Ao Dai in Hue schneidern. Das kann ab 20 Euro kosten, nach oben gibt es wohl keine Grenze, für ein sehr schönes Modell legt man hier in Vietnam auch 500 € auf die Ladentheke. Die Kleider werden immer auf „Zuwachs“ genäht und können so auch sich der durch mehr als gesunde Ernährung verändernden Körperform durch recht wenige Handgriffe einer Näherin angepasst werden. Auch im Verleihshop sitzen zwei Näherinnen, die ihre Ao Dai Modelle innerhalb von fünf Minuten umnähen, bis das Kleid sich perfekt am Körper der Trägerin anschmiegt. Und da die meisten Frauen hier von zierlich graziöser Körperform sind, ist eine Frau im Ao Dai fast immer ein optischer Genuss. „Nacktes Fleisch“ ist dabei kaum zu sehen, nur manchmal kann ein winziges Stück der Hüfte im Windzug gelüftet werden, aber das macht es ja nur noch faszinierender.

Früher wurden in der kühlen und kalten Jahreszeit dann mehrere Ao Dais übereinander getragen, bis zu sechs oder sieben Stück. Die Kombination der durchscheinenden Farben zeugte dann vom Stil und Geschmack der Trägerin.

Da wir am Samstagvormittag noch einen Unterricht von der Vorwoche nachzuholen haben, bleibt für das Shooting nur der Nachmittag und dann hat es auch noch geregnet, aber am frühen Abend war es dann wieder sehr schön und das Licht recht angenehm, um Fotos von meiner Schülerin zu machen. Die anderen Aufnahmen haben sich in den letzten Monaten langsam angesammelt.