44. Tag: Sonntag, der 29. Mai 2011

29. Mai 2011

Schluss mit unplattbar

Neuer Rekord: 170 km von Simonzewo nach Nishny Novgorod, 580 hm, zweite Hälfte auf der Nebenstraße bei bis zu 25 Grad und Sonne, schön müde und fertig am Ufer der Wolga

Wir haben um 8 Uhr schon die ersten Kilometer hinter uns und dann passiert es nach 3600 Kilomnetern das erste Mal! Miriams vorderer Reifen verliert schnell die Luft, der erste Plattfuß. Klassischer Durchstich von Irgendetwas und damit ist die Unplattbarkeit wieder einmal vorbei, aber es aht doch recht lange gedauert, wenn ich an Athen-Beijing zurückdenke, das hatten wir den ersten Platten schon in der „Schlammschlacht bei Marathon“ und das nach vielleicht 100 Kilometern. Der Schlauch ist schnell geflickt und dann geht es weiter und uns nervt langsam die große Straße. Glücklicherweise gibt es nach 80 Kilometern eine nebenroute und es ist einfach schön auf der kleinen Straße zu fahren. Man hört wieder die Geräusche der Natur, die Vögel zwitschern und die Mücken surren. Ich möchte wissen, welcher Idiot das Gerücht in die Welt gesetzt haben, das Mücken tagsüber nicht stechen und inaktiv sind. So nicht die gemeine russische Mücke, egal on man sich in einer Stadt befindet oder durchs Gras streift, letzteres ist besonders extrem, das sich dasnn ganze Horden von Tieren auf einen stürzen und aussaugen. Besonders schwierig werden so Toilettengänge in der freien Natur.

Am frühen Nachmittag fangen wir an zu zweifeln, ob es eine gute Idee war, die Megaetappe bis Nishny Novgorod in Angriff zu nehmen, mich trifft die Lustlosigkeit bei 130 Kilometern und dauert ungefähr 10 schwere Kilometer, dann geht es wieder. Inzwischen liegt die Silhouette von Novgorod und nachdem wir dann die ersten Vororte der Millionenstadt überwunden haben liegt die Oka, der Fluss, der hier in die Wolga mündet, vor uns. Auf der anderen Seite geht es dann noch einmal 150 hm straff nach oben, die Stadt liegt auf einem Hügel, sehr zur Freude von uns Radlern; ein 9% Hammeranstieg nach 165 Kilometern mit Gepäck. Aber es geht leichter als gedacht und wir laufen dann ein Hotel mit wunderbarer Sicht über die Stadt an.


Heute gibt es wohl kaum einen, dem Nichts weh tut und bei mir bahnt sich eine Erkältung an, das hat mir gerade noch gefehlt! Beim Einchecken braucht die Dame Ewigkeiten, ihr Kartenlesegerät funktioniert nicht richtig und sie will uns vor dem Bezahlen nicht auf die Zimmer lassen. Nachdem wir vier Karten durchprobiert haben, werde ich dann richtig ärgerlich, gibt sie sich mit einem kleinen Deposit zufrieden, schließlich hat sie ja auch noch unsere Pässe. Wir schaffen es dann auch nicht mehr in die Stadt, so müde und fertig sind wir, aber Ausblick auf den Sonnenuntergang über den abendlich beleuchteten Kathedralen ist einfach grandios. Zum Abendessen haben wir gerade noch einmal Appetit auf eine Suppe, dann fallen wir ins Bett und träumen nach der etwas ruhigeren Tageshälfte heute nicht von vorbeirauschenden Trucks.

43. Tag: Samstag, der 28. Mai 2011

28. Mai 2011

Trucks und Ritterspiele

141 Kilometer von Petuschki nach Simonzewo über Wladimir, 600 hm auf der Schnellstraße bei sonnigen 22 Grad

Kaum haben wir keinen Arzt mehr dabei, fangen die kleinen Problemchen an, ich hatte schon gestern mit einer Magenverstimmung zu kämpfen, heute kommt Gerhard nicht vom Topf los. Trotzdem kommen wir recht zeitig los. Die Übernachtung im Motel war nicht schlecht, einmal nicht zu teuer und es gab tolle Zimmerchen mit kitschiger Seidentapete. Unten im Restaurant war auch das Essen nicht ganz übel, aber es hat trotzdem zu Gerhards Übelkeit beigetragen. Wir haben beschlossen heute ein gutes Stück weiter als geplant zu fahren, vielleicht schaffen wir es dann morgen sogar bis Nishny Novgorod und haben dann einen Tag als Reserve.

Die Fahrt auf dem Highway M7 ist recht öde, der Verkehr rauscht dicht an dicht an uns vorbei. Allerdings sind die Straßenbeläge recht ordentlich, meistens gibt es einen asphaltierten Seitenstreifen und nur an wenigen Stellen wird es richtig eng. Russische Kraftfahrer sind überhaupt nicht auf Radfahrer eingestellt, nur die wenigsten schlagen einen kleinen Bogen, die meisten ziehen haarscharf an uns vorbei. Man muss also ständig auf der Hut sein und darf keinen Schlenker nach links machen, beispielsweise, um einem Loch auszuweichen.

Etwas ruhiger wird es, als wir uns für die Stadtdurchfahrung von Wladimir entscheiden. Die Stadt hat richtig Charme und jede Menge Sehenswürdigkeiten. Am Eingang zur Altstadt steht Goldene Tor um das wir erst einmal eine Runde drehen und die Demetriuskathedrale trägt sogar das Siegel der UNESCO. Hinter der Kathedrale hat man eine wunderbare Aussicht und zu uns dringt lauter Kampflärm. Das müssen wir uns näher ansehen, dort finden Ritterfestspiele statt und mit Rüstungen bewehrte Burschen schlagen kräftig aufeinander mit Schildern und Stöcken aufeinander ein und scheinen sichtbaren Spaß an der Sache zu haben. Wir sehen und staunen ein wenig bevor wir uns wieder auf’s Rade schwingen. 2014, bei meiner nächsten Tour hierher, werde ich auf alle Fälle in der Stadt übernachten, denn das Zentrum mit vielen Gebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert ist einen langen Stadtbummel wert.


Leider müssen wir dann wieder zurück auf die Hauptstraße. Ganz bis nach Wjasniki schaffen wir es nicht, die Hälfte unserer Krieger ist nach den 140 Kilometern recht geschafft und so können wir uns vor allem nach dem Essen nicht mehr aufraffen, noch einmal aufs Rad zu steigen. Dazu kommt, dass das Motel unschlagbar günstig und dazu noch blitzsauber ist. Dafür wollen wir am nächsten Morgen noch zeitiger los, möglichst schon um 7 Uhr.

42. Tag: Freitag, der 27. Mai 2011

27. Mai 2011

Reise nach Petuschki

136 Kilometer von Moskau nach Petuschki, nur auf der M 7 bei guter Straße und starkem Verkehr, Sonne und Wolken bei bis 20 Grad

Venja hat eine Freundin, die lebt in Petuschki, einem kleinen Ort ungefähr 130 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Die Elektritschka, die elektrifizierte Eisenbahn, hält auch in dem winzigen Städtchen, allerding muss man dazu ein paar mal umsteigen. Um eine angenehme fahrt zu haben hat Venja etwas genug Wodka dabei, auch ansonsten ist er einem klaren tropfen nicht abgeneigt. Während er dann sich langsam betrinkt und draußen die Biirkenwälder vorbeifliegen und der Zug monoton vor sich hin rattert, trifft er immer komischere Gestalten und Fabelwesen. Als er den Umsteigebahnhof erreicht ist Venja volltrunken und befindet sich dann im falschen Zug, zurück nach Moskau und als er mehr als verkatert wieder am Anfang der Reise ankommt, wird er auch noch von düsteren Gestalten überfallen.

Wir haben heute gesund und munter nach einem langen Ritt von 136 Kilometern Petuschki erreicht und übernachten recht preiswert in einem Motel. Unser Freund Venja ist die Romanfigur der Romans „Reise nach Petuschki“ von Wenedikt Jerofejew aus dem Jahr 1970, eine Realsatire auf den Sozialismus und das wodkaertrunkene Leben in den kleinen Provinznestern.

Und auch petuschki hat sich etwas gemausert, es gibt an der Hauptstraße eine nette Reihe von schönen russischen Holzhäusern und am Rande des Städtchens ein paar Neubaublocks, die gar nicht mehr so kommunistisch daherkommen. Die Lebensmittelläden haben zwar wie überall ein mehr als gutes Sortiment an harten Spirtuosen, aber so richtig leute im Vollrausch haben wir schon einige Zeit nicht mehr gesehen.

Ansonsten gibt es heute nur zu sagen: Lkw, Lkw, Lkw, Lkw, wir haben den Ausgang aus der Stadt gut gefunden und sind dann auf der M7 geblieben. Hier rollt zwar alles was gen Osten fährt und das ist erstaunlicherweise mehr als gen Westen, aber der breite asphaltierte Seitenstreifen gibt uns Deckung und Schutz vor dem Verkehr, der hier im Sekundentag an uns vorüberwirbelt. Stellenweise in kleinen Dörfern mit einer Ampelkreuzung gibt es lange Staus ansonsten brausen alle mit Tempo 80 bis 100 an uns vorbei. Dazwischen dann lange, lange, lange Geraden, viel Birkenwälder und Hügel, manchmal kann man die Straße über mehrere Kilometer überblicken. Ab und zu wird an der Straße Kitsch verkauft, ein Dorf hat wohl einen vertrag mit einem Grohändler für Plüschtiere, sogar der gute alte „Alf“, Katzenliebhaber, so wie ich, ist hier in Lebensgröße noch zu finden.

Aber für die nächsten Tage gibt es kaum Alternativen zu M7. Da wir trotz des nun selbst mitgeführten Gepäcks trotzdem noch gut vorankommen, reift in uns die Idee, bis zum Baikalsee ein paar Tage rauszufahren und dann dort eine knappe Woche „Urlaub“ zu machen, also am See sitzen und Fische und Mücken füttern und dabei die wunderschöne Landschaft zu genießen, bevor dann die Peking-Radler zu uns stoßen. Nebenbei erwähnt, für die Abschnitte von Irkutsk nach Ulaanbaataar und weiter nach Datong an der Seidenstraße, sowie den Schluss über den buddhistischen Wutaishan, entlang der Großen Mauer nach Beijing sind noch ein paar Plätze frei!!!!!

41. Tag: Donnerstag, der 26. Mai 2011

26. Mai 2011

Lenin lebt!

Zweiter Ruhetag in Moskau, nächster Anlauf aufs Leninmausoleum, ein wenig Shopping und Ausflug zu den Sperlingsbergen und die Lomonossow-Uni, Abschied von Karin

Ich mag die Ruhetage nicht so sehr, denn als reiseleiter hat man da immer mehr zu tun, als an anderen Tagen. Ab morgen haben wir kein Begleitfahrzeug mehr und das Gepäck muss umsortiert werden. Karin fliegt nach hause und wegen des rauchendesn Vulkanes war der Flug schon storniert und dann doch wieder nicht, wir brauchen auch noch verpackungsmaterial für ihr Fahrrad. Dann gibt es Stress mit den Telefonkarten, die nicht so funktioneren, wie sie sollen und es ist schon wieder 23.30 und ich habe zwei tage Blog zu schreiben und muss natürlich (und will) mit meiner Freundin chatten, damit sie mich nicht ganz vergisst.

Wie auch immer düsen wir heute wieder mit der Metro in die Stadt und unternehmen den zweiten Anlauf, Lenin zu besichtigen. Und es gibt wieder Ärger, ich fotografiere zwei Politessen und die wollen, das ich das Bild lösche. Warum ich mitten auf dem Roten Platz nicht fotografieren dürfe? Keine zufrieden stellende Antwort, aber ich gebe dann doch nach, wenn ich allein gewesen wäre hätte ich noch ein wenig gepokert.

An der Kremlmauer sind die wichtigsten Persönlichkeiten begraben, man kommt vorbei an Breshnews Stalins Tschertschenkosund Gagarins und anderen Gebeinen, ein kurze Histografie der ehemaligen Sowjetunion.n Dann kommt man in die heiligen Hallen. Im Vergleich zu Ho Chi Minh und Mao ist hier alles relativ respektlos, keine Paradewache und die Uniformierten lümmeln so vor sich hin. Der alte Mann hedoch liegt ungerührt im Glassarg und sieht noch recht frisch aus und man stellt sich vor, wie er 13 Uhr, wenn die Besuchszeit vorbei ist aufsteht, sich die Hände wäscht und im Hinterzimmer eine Schüssel Borschtsch verschlingt und dann einen Verdauungspaziergang macht……

…..und tatsächlich gleich hinter dem Geschichtsmuseum treffe ich den nicht Verstorbenen und wir plaudern ein wenig von den alten Zeiten und selbst für ein Foto mit mir ist sich Wladimir Iljitsch nicht zu schade.

Danach ist Shopping Time, vor allem die T-Shirts haben es mir angetan, das Kalaschnikow T_Shiert würde meinem Sohn gefallen, aber da würde ich mir wohl Ärger mit der Mutter einhandeln, er bekommt eines mit CCCP, also UdSSR drauf und die Kalashnikow ist für mich, naja, vielleicht schwatzt er es mir noch ab.

Weiter geht es, wir haben lange debatiert was wir machen und die ehrwürdige Lomonossow Uni hat gewonnen. ich freue mich denn schließlich habe ich einem der Türme schon einmal genächtigt, vor 19 Jahren auf meiner ersten großen Tour. Heute kommt man nicht mehr auf den Kampus. nach den schweren Anschlägen in den letzten Jahren herrscht auch hier erhöhte Sicherheit mit Schleuse und Lichtbildausweis. Aber das gebäude ist auch von Außen mehr als beeindruckend und von den Gebäuden im Stalinschen Zuckerbäckerstil oder auch Sozialistischer Klassizismus genannt gibt es sieben in der Stadt. Zwei oder drei davon sind Hotels, eines ist ein Ministerium und die weiteren sind Wohngebäude.

Hiter der Uni liegen die Sperlingsberge und von hier hat man eine hervorragende Sicht über die Stadt, die wir ausgiebig genießen. Auch chinesische Reuisegruppen tummeln sich hier, wenn die wüßten, dass wir auf dem Weg nach Beijing sind.

Ab und zu werden wir nach dem woher und wohin gefragt, aber wir haben den eindruck, dass die Leute oftmals uns einfach nicht glauben und sich auf den Arm genommen fühlen.

Am frühen Abend erledigen wir dann noch ein paar notwenige Sachen, Telefonkarte für Mirjam. Bodylotion für Barbara, Klebeband für Karin…..dan geht zum Abendessen, nettes Lokal mit riesigem Salatbuffet, aber doch recht teuer, aber man findet nichts anderes in einer Stadt, die zu den zeht teuersten Städeten der Welt gehört.

Morgen steigt Karin in den Flieger zurück nach Berlin, wir sind alle ganz traurig und karin hat schon angekündigt 2014 vielleicht die ganze Strecke von Berlin nach Singapur mitzufahren, aber nur wenn ich die Strecke dann auch über St. Peterburg lege: Mach ich doch, kar! Und jetzt muss Karin nur noch ihren Mann davon überzeugen, dass er mitkommen will.

Morgen geht es wieder weiter nach Osten, nachrichten nach hause müssen wohl wieder warten, denn wir betreten internettechnisches Ödland, aber ich werde mein Bestes geben, meine Leser auf dem rollenden zu halten.

40. Tag: Mittwoch, der 25. Mai 2011

25. Mai 2011

Moskwa-Prekrasnaja Stoliza

Ruhetag in Moskau, Spaziergang zum Roten Platz und Umgebung, Arbat und Umgebung

Nach dem üppigen Frühstück brauche ich erst noch einmal eine Stunde um meine gesamte Wäsche zu waschen und dabei mein Badezimmer zu fluten. Alle haben im Hotel wirklich schöne Zimmer, nur ich habe einen winzigen Raum bekommen, der wirklich mehr hoch als lang und breit ist, da lobe ich mir Vietnam, wo der Reiseleiter dann schon mal in der Luxusuite untergebracht wird. Na gut, im Vergleich zum Billardtisch habe ich mich ja schon verbessert.

Dann geht es zur Moskauer Metro und ja, die Bahnhöfe sind toll und beeindruckend und es sind immer viele Menschen unterwegs. Und das System is perfekt, aller 90 Sekunden kommt eine Bahn, das ist wirklich kaum zu glauben und eine logistische Meisterleistung und die Berliner U-Bahn ist ein ländliches Fuhrunternehmen.

Überhaupt ist alles in der Stadt gigantisch, die Straßen haben acht bis zehn Spuren, Parks haben Quadratkilometergröße und auf den Roten Platz passen eine Million Menschen und man kann hervorragende Militärparaden vorführen. Zu Lenin kommen wir allerdings nicht, denn der macht um 13 Uhr zu und schon eine halbe Stunde vorher wird niemand mehr reingelassen. Die Posten sind mehr las unfreundlich und wir (also ich) sind nicht die einzigen die darüber schimpfen.

Auch in den Kreml kommen wir nicht, denn da ist irgendein Staatsbesuch, aber wir sind auch recht froh, denn die eintrittspreise sind mehr als horrende.

das Moskauer zentrum ist gut zu erlaufen und wir wandeln vorbei an Kathedralen und Kirchen und den Stalin Hochäusern, von denen es acht gibt und erreichen dann die Kulturmeile Arbat. Aber der ist eher eine Enntäuschung, Souvenirshop an Souvenirshop und viel schlechte maler verhökern ihre Kunstwerke, dazwischen ein paar Straßenmuskanten und teure Cafes.

Viel interessanter ist es in den Haupt-und nebstraßen zu schlendern und die Leute an sich vorbei eilen zu lassen und das hektische Atmen der Monopole zu spüren. Für den weg zurück zum Hotel brauche ich knappe zwei Stunden und dann reicht die zeit noch für einen kurzen Schlaf vor dem Abendessen. Der Abend gehört dann wieder der Bürokratie und dem Computer.