59. Tag: Montag, der 13. Juni 2011

13. Juni 2011

In Asien

140 Kilometer von Kljutschebnui nach Jekatarienburg, wolkig mit ein paar kalten Schauern, bis 12 Grad, meist kälter, und wieder 1000 Höhenmeter

Noch ein lange Tagesritt bis nach Jekatarienburg und so brechen wir um 8 Uhr auf. Es ist wieder erbärmlich kalt und sieht nach Regen aus. Der Wind bläst straff, doch wenigstens aus der richtigen Richtung und schiebt uns über die wieder langen Hügel hoch und runter und das obwohl die Landschaft eher flach aussieht. Trotzdem sind hier die höchsten „Wölbungen“ des Ural. Und wir haben heute wieder etwas Tolles gelernt, was wir eigentlich gar nicht wissen wollten: Die variszistische Orogenese erreichte durch die Westverschiebung von Gondwana einen Höhepunkt und erzeugt den Ural. Das liest sich wie aus dem „Herr der Ringe“ ist aber von Herr oder Frau Wikipedia zur Entstehung des Uralgebirges.

Bei einer Rast schwatzen wir mit ein paar Polizisten, die recht gut ausgerüstet sind, schwere Pistole und neben dem Fahrersitz die Kalaschnikow, die sie uns gerne auch einmal vorführen, es ist eine verkürzte Variante, AKU genannt, vor allem auf kurze Distanzen sehr effektiv.

Das Wetter hält sich eine Weile lang und wir reiten nun endgültig der asiatischen Grenze entgegen, die müsste nun hinter Perwouralsk liegen und es soll ein Monument an der Straße geben. Gegen 15 Uhr liegt dann die Stadt hinter uns, wir werden ein paar mal von Regenschauern richtig nass und es beginnt die Autobahn auf Jekatarienburg zu, doch von der Grenze keine Spur. Wir suchen uns noch ein nettes Cafe und malen unsere eigene Grenze auf die Straße und beglückwünschen uns zum gelungenen ersten Teil der Reise mit Kaffee und Kuchen. Wenig später kommt dann auch die wirkliche Grenze, die ist aber eher unspektakulär, das „Monument“ ist ein kleiner zusammen geschweißter Blechhaufen und bei dem Verkehr auf die Millionenstadt zu lässt sich auf der Autobahn kaum anhalten. Bei einem kurzen Halt stoßen wir mit einem letzten Schluck Rotwein aus Arthurs moldawischer Produktion an und dann geht es zügig der großen Stadt entgegen.

Bei der Einfahrt lernen wir eine moderne Großstadt kennen, viele moderne Hochhäuser stehen hier oder werden gebaut. Im Zentrum dominiert die höchste Investruine der Welt, ein in den 90er Jahren begonnener Fernsehturm, der über 400 Meter Höhe erreichen sollte. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die Bauarbeiten eingestellt und nun ragt dieses Betonmonstrum fast 300 Meter in die Höhe.

Die Hotelsuche war wieder nicht ganz einfach, im zweiten Laden verhandeln wir schon die Details und bekommen mitgeteilt, das die Fahrräder in die Kofferkammer können, dann fällt der Dame an der Rezeption ein, dass ja gar kein Zimmer mehr frei ist. Also ziehen wir weiter und haben dann Glück. Saubere Zimmer, modern und nicht zu teuer, allerdings funktioniert für zwei Tage das warme Wasser nicht, allerdings im gesamten Stadtviertel.

Den Abend lassen wir im Lokal um die Ecke ruhig ausklingen und beschließen, uns hier zwei Ruhetage zu gönnen, das heißt ein wenig in der Stadt herumlaufen und Wäsche waschen, Fahrräder warten und für mich viel Arbeit am Computer.

58. Tag: Sonntag, der 12. Juni 2011

12. Juni 2011

Scheißtag mit Happy-End

132 Kilometer vorwiegend im Regen und bei ungemütlich kalten 11 Grad, allerdings Rückenwind und 900 hm von Barda nach Kljotschebnika an der E 22

Am heutigen Tag hat eigentlich jeder einmal schlechte Laune und am Morgen bin ich es. Ich hatte vorgeschlagen noch einen kleinen Abstecher nach Norden zu machen, einen Umweg von 17 Kilometern nach Kungur, dort gibt es ein nettes Städtchen mit schöner Architektur und einer Höhle mit permanentem Eis-eigentlich doch ganz interessant. So wäre sogar noch ein halber Ruhetag dabei heraus gekommen.

Allerdings zeigt das Thermometer draußen am Morgen gerade einmal 10 Grad und da kann man mit dem Gedanken an eine Eishöhle keine Gruppe gewinnen und so falle ich bei einer demokratischen Abstimmung durch.

Den ganzen Tag wird es nicht viel wärmer, von der Sonne keine Spur und es regnet, wenigsten drehen wir, als wir auf die Hauptstraße E22 einbiegen in den Wind, der uns recht ordentlich vorwärts treibt. Nur Stehen bleiben darf man nicht, dann wird es sofort mehr als unangenehm.

Zu berichten gibt es nicht viel vom Tag, es geht mächtig weitere lange Hügel hoch und runter, der Ural liegt also doch noch nicht hinter uns. Der Regen tropft öde auf den Fahrradhelm und Fotowetter ist auch nicht.

Als wir dann Atschit erreichen, wo wir nach 95 nassen Kilometern eigentlich übernachten wollen, haben alle anderen richtig schlechte Laune, es gibt hier weder an der Straße noch in dem kleinen Städtchen ein Hotel oder Motel oder eine andere Herberge. Das Wetter lädt auch nicht sonderlich zum Zelten ein und nach Auskunft der Polizei ist das nächste Hotel noch 50 Kilometer weiter weg. Einen Abstecher nach Süden verwerfen wir, dort gibt es noch eine Stadt, aber die liegt nicht auf der Strecke und von dort kommt auch der Wind. Also wird es wohl ein langer tag werden.

Gegen 19 Uhr haben wir fast 30 Kilometer geschafft und machen och eine Pause mit einer dicken Mahlzeit, auch hier wieder die Auskunft: noch 25 Kilometer bis zum nächsten Motel an der Autobahn. Wenn das dann noch so ein winziges Hotel ist, dann wird es auf den Abend schwierig noch 5 Betten zu bekommen.

Doch dann wandelt sich unser Glück, nach nur vie Kilometern kommt ein winziges Hotelchen und wir werden trotz klatschnasser Klamotten und Dreck freundlich begrüßt. Arthur, der Inhaber ist Moldawier und in allen Geschäften tätig, die ein bisschen Geld abwerfen. Hinter dem Hotel laufen Gänse und Puten herum, der Grill brutzelt Schaschlik im Hof und er stellt selbst Wein her. Richtig guten Wein sogar. Die Trauben lässt es sich dafür direkt aus Moldawien mit dem Truck anliefern. Wir müssen seine drei verschiedenen Sorten durchprobieren und mit jedem Schluck bekommen wir alle wieder gute Laune, werde aber auch recht schnell bettschwer.

57. Tag: Samstag, der 11. Juni 2011

11. Juni 2011

Asien oder Europa?

141 km von Barda nach Orda, wieder über 1000 hm über lange und kräftige Hügel auf mittleren Straßen, sonnig und am Nachmittag Regenschauer bis 22 Grad

Draußen ist es erstmals richtig neblig, als wir um 8 Uhr aufbrechen, doch die Sonnenstrahlen saugen langsam aber sicher die am Boden hängenden Wolken auf und nach einer halben Stunde haben wir das schönste Frühsommerwetter. Hinter den letzten Nebelschwaden tauchen wieder die Hügel des Ural auf. Theoretisch sind wir heute mittendrin im „Hochgebirge“ zu dem der Ural gerechnet wird, aber das ist wohl eher im Norden so. Zwar ragt er da auch nur bis 1600 Meter in die Höhe, aber wegen des nördlichen und kontinentalen Klimas herrschen dort ähnliche Verhältnisse wie in den Alpen. Hier unten im Süden ist der Ural, der ja einer der ältesten Gebirge der Welt ist, schon ziemlich „abgelutscht“, das heißt es sind nur mehr oder weniger sanfte Hüggel bis 400 Meter Höhe übrig geblieben, alles andere ist schon lange abgetragen worden. Vielleicht auch zum Glück für uns, denn die Mittelgebirgshügelei hat es in sich. Es geht immer 100 Meter nach oben und dann wieder runter und dann 150 Meter nach oben und wieder runter und mitunter haben die Steigungen 8 oder 9 Prozent.

Schon am frühen Mittag sind wir in Uinkskoe, ein kleines bewegtes Städtchen. Wir überlegen nach den 85 Kilometern, ob wir bleiben oder weiter fahren und entscheiden uns dann für Letzteres.

Landschaftlich ist der Ural wirklich ein Ereignis, vor allem jetzt im Juni, wo es überall auf den Wiesen blüht. Ein Freilichtmuseum braucht man nicht zu besuchen, denn in den meisten Dörfern dominieren noch die Holzhäuser, auch wenn hier, wie fast überall, viele Häuser aufgegeben wurden und kurz vor dem Einstürzen sind.

Am Anfang sieht es so aus, als ob wir hinter Uinskoe durch den Ural schon durch sind, die Landschaft wird sichtbar flacher, dass heißt aber nicht, dass es weniger Steigungen gibt, die Anstiege ziehen sich jetzt dafür länger hin. Wir fragen eine ältere Dame, ob wir in Europa oder in Asien sind, sie sagt uns noch in Europa, die Grenze sei erst kurz vor Jekatarienburg und dort würden alle Touristen sowieso halten und Fotos machen. Das stimmt zwar nicht mit meinen geographischen Kenntnissen überein, aber wir belassen es erst einmal dabei, dass wir noch in Europa sind. Heute Morgen habe ich ein Stück Kreide vom Billardtisch im Hotel gemopst, zur Not malen wir uns unsere Grenzlinie selbst. Mit der Gewitterwolke vor uns haben wir heute nicht so viel Glück wie gestern und gleich hinter Uinskoe fängt es an zu regnen. nach einem kräftigen Guss plätschert es dann nur noch ein wenig vor sich hin und wir sind ständig am Jacke an-und ausziehen.

Kurz vor 20 Uhr haben wir dann unsere Tagesarbeit fast geschafft, 140 Kilometer liegen hinter uns und der kleine Ort Orda taucht vor uns auf. Am Ortseingang gibt es ein kleines Hotel, da ist aber nur noch der Schlafsaal frei und wir sollen es im „Zentrum“ noch einmal probieren. Dann eiern wir drei Runden durchs „Zentrum“, also die Straße in der es eine Post, eine Verwaltung, ein Klubhaus und zwei Läden, allerdings kein Hotel gibt. Dreimal werden wir vor und wieder zurück geschickt und landen dann wieder am Ortseingang im Schlafsaal. Der Raum ist schön eng und die Betten ein Katastrophe, man liegt wunderbar spiral gefedert und die Dusche ist einmal durch den Schlamm über den Hof. Selbst nach einer Stunde warten kommt nur lauwarmes Wasser und auf dem Rückweg wird dann pro Person 50 Rubel abkassiert.

Der Matroschka im Hotel, vom Umfang passen in die Frau noch einmal fünf weitere Frauen, stelle ich dann noch einmal die Europa oder Asien-Frage. Sie denkt kurz nach und antwortet dann: Nicht in Europa und nicht in Asien, wir sind in Russland!

56. Tag: Freitag, der 10. Juni 2011

10. Juni 2011

Durch den Ural

130 Kilometer von Tschaikowski nach Barda, davon 40 km Piste, ansonsten ruhige Straße, 1050 kräftige Höhenmeter bei wunderbarem Wetter bis 26 Grad und haarscharf an der Gewitterwolke vorbei

Am Morgen geht es durch viele Birkenwälder und am Straßenrand sitzen ab und zu Frauen und verkaufen frisch gesammelte Birkenpilze. In mir erwacht sofort die Leidenschaft und bei der nächsten Pause verschwinde ich im Gestrüpp zwischen den schwarz-weißen Stämmen. Schnell finde ich auch einen einzigen schönen Pilz und dann reicht es auch, denn im Gebüsch warten schon Abermillionen von Mückenweibchen auf Pilze suchende Opfer. Tropenausrüstung plus Gummistiefel sollte also zur Grundausstattung eines jeden Pilzsuchers hier gehören.

Langsam nähern wir uns dem Ural oder stecken vielleicht schon mittendrin, denn es hügelt kräftig vor sich hin. Es ist nicht ganz der Gebirgszug, den wir erwartet haben, aber die langen Hügel geht es doch recht steil hoch und danach wieder runter. Trotzdem ist es wunderbares fahren in einer blühenden Landschaft. Siedlungen und Dörfer gibt es kaum, den ganzen Vormittag sehen wir kaum Leute. Die Straße ist ausnahmsweise einmal richtig gut und wegen einer Baustelle auf der Strecke gibt es auch keine Autos. Einen Kilometer müssen wir dann an der Seite durch etwas Matsch. Zum Glück gibt es eine Raststätte und so kommen wir auch zu einem kleinen Mittagessen.

Ein paar Hügelketten weiter müssen wir dann runter von der Straße und auf die Piste. Es ist die einzige Verbindung nach Osten in Richtung Barda. Der Einstieg war nicht einfach zu finden, denn selbst die Leute in den Orten davor kennen den Verbindungsweg nicht und empfehlen die 100 km drumherum.

Der Weg ist aber ganz in Ordnung, zumindest heute, wo es trocken ist. bei Regen würde es hier allerdings ganz anderes aussehen. In Litauen haben wir ja schon ordentlich Offroad-Strecken trainiert und das kommt uns hier zu gute. Wegen des erdigen Untergundes ist alles auch schön glatt und fest gefahren und es gibt keine Wellblechpisten. Lediglich aller zwei Kilometer gibt es Schlammlöcher, um die wir herum navigieren müssen.

55. Tag: Donnerstag, der 9. Juni 2011

9. Juni 2011

An der schönen blauen Kama

90 km von Ischewsk nach Tschaikowski, 477 Höhenmeter auf guter und dann miserabler, aber ruhiger Straße, zurück ist das schöneWetter mit wenig Wolken und 22 Grad

Auf unserem Weg heute kommen wir in der Stadt Wotkinsk vorbei, dort wurde der russische Komponist Tschaikowsky geboren und weil der eine wunderbaren Walzer mit dem Namen „An der schönen blauen Kama“ geschrieben hat, wurde die nächste größere Stadt am Fluss dann auch nach ihm benannt. Dort wollen wir hin und haben endlich den Wettergott wieder ganz auf unserer Seite. Die Temperaturen klettern auf sehr angenehm und wegen einer Baustelle ist die Straße bis auf drei Kilometer Piste nicht nur sehr gut, sondern auch fast autofrei.

Zu sehen gibt es heute unterwegs nicht sehr viel, es geht über Hügel und durch Senken und meistens durch dichten Wald, mal Fichten und Kiefern und dann wieder einmal Birken. Ortschaften gibt es kaum und die Stadt Wotkinsk lassen wir links liegen.

Von dort wird dann die Straße wieder sehr holprig und als wir aus dem Wald kommen sind wir an der Kama, die wirklich schön blau vor uns liegt oder besser ein Staussee., der von der Kama gespeist wird.

Interessant wird es an der gigantischen Schleuse, durch die gerade ein Kreuzfahrtschiff geschleust wird. Eine gute halbe Stunde beobachten wir die gigantische Technik und fahren dann in das Städtchen ein. Obwohl es eigentlich nichts Besonderes zu sehen gibt, macht die Stadt einen angenehmen Eindruck. Das Hotel ist noch ein Relikt aus der Sowjetunion, in den Zimmern hat sich auch nicht viel getan, aber es ist nicht schmutzig und aus der Dusche kommt Wasser, wenn auch nur einen Hauch lauwarm, dafür ist der preis erfrischend niedrig.

Hatten wir uns noch über die zeitige Ankunft gefreut, ist der Zeitvorteil sofort wieder weg, die Uhr wird um 2 Stunden umgestellt, es ist also nicht 16 Uhr, sondern schon 18 Uhr.

Unser Plan für heute ist nur noch ein kräftiges Abendbrot und ich will endlich ins Internet, in dem Cafe neben dem Hotel soll es Wireless geben, na wir werden ja sehen!