74. Tag: Dienstag, der 28. Juni 2011

28. Juni 2011

Geld für Bedürftige

107 km von Perwomaiskoe nach Chany, fast ereignisloser Tag mit glücklicherweise weniger Gegenwind als gestern, 88 bei sonnigen und heiß empfundenen 28 Graden

Es gelingt uns wirklich um 6 Uhr auf der Straße zu sein. Da es auch am Morgen schon wieder nur so von Mücken wimmelt, geht das Zusammenpacken mehr als schnell und schon um 6 Uhr sind wir auf der Straße.

Es ist wunderbar am frühen Morgen zu fahren. es ist frisch und kühl und es weht nur ein leichter Wind von vorn, welcher Unterschied zum gestrigen Tag. es ist frisch und angenehm kühl und richtiges Radfahrwetter. Nach 20 Kilometern kommt eine Raststätte und wir frühstücken ein paar Pfannkuchen mit Quark. Dann geht es weiter in den Tag. die sonne ist ein gutes Stück gestiegen und brennt nun ordentlich und so halten wir bei der nächsten Raststätte wieder für eine kleine Zwischenmahlzeit.

Unterwegs haben wir eine eigenartige Begegnung. Ein LKW-Fahrer stoppt uns und drückt uns 1000 Rubel ( 25 €) in die Hand. Er findet es toll was wir machen, fragt noch schnell nach dem woher und wohin, wünscht uns eine glückliche Reise. ich kann gerade noch nach dem Namen fragen, da verschwindet Wolodja schon wieder in seinem Truck und bläst weiter. Keine Chance die Gabe zurück zu weisen.

Meine Karte zeigt für 30 Kilometer eine Nebenstrecke an und so biegen wir in den kleinen Ort Tatarsk ab, doch leider ist die Strecke nicht asphaltiert, obgleich sie in meiner Karte sogar als Straße mittlerer Ordnung gekennzeichnet ist. Also müssen wir wieder zurück auf die M51.

Obgleich dieser Highway die Hauptverbindung vom Ural nach Osten ist, hält sich der verkehr in erträglichen grenzen und ist nicht mit den Strecken zwischen Moskau und kasan zu vergleichen. Auch scheint die Qualität der Straßen nicht abzunehmen, sondern es ist eher das Gegenteil der Fall. Die schlimmsten Pisten hatten wir zu Beginn unserer Reise hier in Russland bis nach Moskau, von dort an wurde es systematisch besser und besser.

Schon um 15 Uhr erreichen wir eine Raststätte am Abzweig nach Chanui, obwohl wir am Nachmittag dann doch wieder ein wenig mit dem gegenwind zu kämpfen hatten, aber es war kein Vergleich mehr zum gestrigen Tag. Eigentlich wollten wir dann noch in einen Kurort an einem See, aber meine Mitstreiter haben bei der Hitze keine Lust mehr auf die 15 Kilometer und so bleiben wir hier an der Raststätte im Motel. natürlich ist es nicht schlecht, auf den Nachmittag noch ein Schläfchen zu halten, aber mir wäre es lieber gewesen, noch ein nettes Städtchen kennen zu lernen, durch Straßen mit Holzhäuschen zu wandeln und die Waden beim baden im See zu kühlen. Aber so ist das leider mal mit der Demokratie und ich weiß schon, warum ich kein Fan einer solchen bin.

An der Raststätte treffen wir noch zwei müde Portugiesen, die von völlig verdreckten Motorrädern steigen. Sie waren während der Regentage im Ural und haben dort ordentlich im Dreck gesteckt. Sie wollen aber noch weiter bis nach Novosibirsk, um dort einige kleinere Reparaturen an den Maschinen durchzuführen.

Wir beenden den Abend damit, vor der Raststätte unser Zelte und Schlafsäcke zu trocken und eine reichliche Mahlzeit zu uns zu nehmen. Dazu teilen wir dann eine von den 2,5 Liter Flaschen mit Bier, die es in diversen Sorten gibt. Das ist noch nicht das obere ende, es gibt einige Sorten auch im praktischen 5 Liter Plastikbehälter. Russland ist eben wirklich ein Land für Alkoholiker.

73. Tag: Montag der 27. Juni 2011

27. Juni 2011

Teamwork im Gegenwind

142 km von Omsk nach Perwomaiskoe im straffen Gegenwind bei 24 Grad, Sonnenschein und 213 hm, Übernachtung im Zelt

Der Wetterbericht im Internet hat mehr als recht behalten, ein raues Lüftchen weht uns schon am Morgen entgegen, als wir nach dem dicken Frühstück im Hotel um 8 Uhr die Stadt Omsk verlassen. Auf einem kleinen Feldweg am Stadtrand bahnen wir uns dann den Weg zur Hauptstraße, die kleinen Abstecher in die Natur, zwischen Birkenwäldchen auf schmalen Wegen bringt immer wieder Spaß. der hört dann auf der Hauptstraße auf. Zwar ist der Verkehr angenehm ruhig und der Asphalt recht gut, aber mehr als 16 km/h sind gegen den Wind nicht drin. So üben wir uns heute zum ersten Mal richtig im Teamwork und es funktioniert verdammt gut. Aller 5 Kilometer lösen wir uns vorn an der Spitze ab und aller 15 Kilometer machen wir eine kurze Pause, das reicht auch völlig aus, denn beim Stehen kommen gleich unzählige Bremsen und Mücken und wir sind dann froh, schnell wieder auf dem Rad zu sitzen.

Einer klebt am rad des anderen und die Kilometer im Wind gehen nur langsam vorbei, besonders, wenn man an vorderster Position im Wind steht. Danach kann man wenigsten körperlich 15 oder 20 Kilometer ausruhen, aber man muss trotzdem höllisch aufpassen, dem Vordermann nicht in die Packtaschen zu fahren. Glücklicherweise sind die Straßen recht ordentlich, so dass man nicht auch noch ständig auf Buckel und Löcher achten muss.

Die Sonne brennt den ganzen Tag klar und schön vom Himmel und es wird recht heiß, ohne den Wind wäre es wahrscheinlich kaum zu ertragen. Viel gibt es kaum zu berichten vom Tag, es ist heute eben ein Kampftag, jeder Meter muss dem Wind abgerungen werden. Am Abend sieht es schlecht aus mit Hotels oder Motels, also schlagen wir uns in einer Raststätte den Bauch voll und fahren noch 15 Kilometer weiter. Dann biegen wir in einen Feldweg ab und suchen uns eine Wiese an einem Birkenhain. Doch es ist eine Katastrophe, denn dichte Wolken von Moskitos umschwärmen uns und auch die Insektensprays helfen dagegen nicht komplett. Jetzt am Abend hat der Wind nachgelassen und die Sonne steht um 20 Uhr noch hoch am Himmel, aber wegen der Mücken muss man mit dicker Jacke und Kapuze das Zelt aufbauen. Ins Zelt kann man auch noch nicht, denn dort ist es rasch auch über 30 Grad warm. Also müssen wir die Mücken und die Zeit bis kurz vor 22 Uhr totschlagen, dann wird die Sonne endlich rot und verschwindet hinter einem fernen Birkenwäldchen. ohne die Mücken könnte man von einem schönen Sonnenuntergang sprechen, so war es eher ein blutroter.

Mit 142 Kilometern gegen den Wind haben wir ein gute Leistung geschafft, morgen steht auch wieder eine lange Strecke auf dem Plan und so beschließen wir, so zeitig wie möglich aufzubrechen und vielleicht schon um 6 Uhr auf den Rädern zu sein.

72. Tag: Sonntag, der 26. Juni 2011

26. Juni 2011

Ruhetag in Omsk

Ruhetag in Omsk mit Stadtspaziergang bei 25 Grad und Sonne

Der Irtysch fließt in Rufweite vorbei und am Strand finden sich schon am Vormittag die ersten Badegäste, die die Sonne genießen wollen. Es lässt sich gut aushalten unter dem Planeten, denn es weht wieder ein frisches Lüftchen. Uns ist das zwar zum Ruhetag mehr als egal, aber die Windrichtung und Windstärke verheißen für die kommenden Tage wenig Gutes und auch die Tagesetappen von 130 bis 140 Kilometern sind nicht von Pappe.

In der Stadt geht der Sonntag eher ruhig und gemächlich los, die Straßen sind leer und es gibt nur wenige Spaziergänger. Am Strandcafe proben die Kids einer Tanzschule und führen die Eltern ihre neu erlernten Schrittkombinationen vor.

Die Stadt ist viel angenehmer als Jekatarienburg, es gibt viel schöne alte Bausubstanz mit klassizistischen Häusern, die gut renoviert sind. Dazu kommen ein paar leuchtende Kuppeln der orthodoxen Kirchen und ein paar moderne Gebäude, einigermaßen ins Stadtbild eingepasst und kein wilder Versuch des Architekten sich selbst ein missglücktes Baudenkmal zu setzen.

Wir schlendern durchs gesamte Zentrum noch einmal bis zum alten Stadttor, an dem wir gestern die Tanzenden beobachtet haben. Aber heute geht es auch hier mehr als ruhig zu.

Im Kunstmuseum soll es eine der besten sibirischen Ausstellungen mit Bildern von Repin und Wrubel geben. Obgleich ich noch einmal die Adresse des Museum abgleiche, landen wir dann doch in einer Ausstellung mit Bildern über das künstlerische Leben in Omsk während der Sowjetunion. Aber eigentlich war es ein Glücksgriff, denn es ist nicht einfach so viele Werke des sozialistischen Realismus auf einen Schlag sehen zu bekommen.

Obgleich die Stadt von weitem einen netten und schönen Eindruck macht gibt es auch hier noch sozialistischen Realismus, zum Strand führen ziemlich kaputte Treppen und es fliegt überall Müll herum. Zentrale Grünflächen im Zentrum wirken zum Teil nicht sehr gepflegt, vor allem die Uferpromenaden sind zugewachsen. Auf den Straßen fehlen Gullideckel und so weiter, also die übliche Schlamperei wie im ganzen Land.

Am Abend treffen wir uns dann wieder auf einen weiteren kurzen Spaziergang und ein Abendessen in der Pizzeria, das gibt genug Energie für den nächsten Tag. Ich habe mal im Internet den Kalorienrechner aufgerufen und zusammengestellt, wieviel wir an einem Fahrradtag so verbrennen und bin da bei einem 140 Kilometer Tag auf knappe 6000 Kalorien gekommen, für die Mädels könnte es etwas weniger sein, vielleicht etwas über 5000 Kalorien; und jetzt muss man auf der anderen Seite einmal nachrechnen wie viel man dafür (fr)essen kann, um genug Energie auf die Rippen zu bekommen. Gerhard hat seine Gürtel schon zwei Löcher enger geschnallt und die Erfolge, die ich im März mit meiner Schokoladendiät zu verbuchen hatte, sind auch schon wieder aufgebraucht.

Morgen geht es weiter durchs wilde Sibirien mit sehr viel Nichts und agressiven Bremsen, dafür werden wir wohl mindestens 6 oder 7 Tage kein Internet haben, bevor wir in Novosibirsk ankommen.

71. Tag: Samstag, der 25. Juni 2011

25. Juni 2011

Langer Ritt im Gegenwind

146 km von Tjukalinsk nach Omsk, 260 hm bei Sonnenschein bis 26 Grad und deftiger Briese von vorn

Auch unser heutiger früher Aufbruch gelingt. Genau um 6 Uhr macht das Restaurant auf und wir schieben Kalorien in Form von Plinui, also Pfannkuchen ein. Schon eine halbe Stunde später gehört die Straße uns und es ist noch sehr wenig Verkehr und lässt sich wunderbar fahren. Ahnend, was heute noch auf uns zukommt fahren wir gleich zwei Mal dreißig Kilometer am Stück. Dann ist es wieder richtig warm und auch die Insekten kommen zurück. Aber mit etwas Insektenmittel ist man den Schwarm bremsen am Rad zwar nicht los, aber die Viecher setzen sich nicht und beißen. Dann nimmt der Gegenwind zu und die Tiere sind ganz weg.

Landschaftlich war es heute ein wenig öder als gestern, leider nicht mehr so viele schöne Gruppen mit Birken, vor allem auf Omsk zu wird alles wieder sehr weit und nur ein paar chemische Werke lockern die Landschaft ein wenig auf. Unterwegs gab es höchstens zwei oder drei Dörfer und auch dies lagen nicht direkt an der Straße. Ab Nachmittag hat sowieso jeder von uns mit dem Wind zu kämpfen, wir trainieren wieder Windschattenfahren, aber der Wind ist böig und weht noch von der kante, so dass man mit den überholenden Trucks in den Sog kommt und bei entgegen kommenden Fahrzeugen gegen eine Wand zu fahren scheint.

Etwas Abwechslung bekommen wir erst bei der Einfahrt in die Stadt. Über eine große Brücke geht es über den Irtysch. In der Stadt gibt es einen Binnenhafen, von dem aus die Reginen im Norden, wo es bald kaum noch Straßen gibt, versorgt werden. Wenn im Winter die sibirischen Ströme zugefroren sind und kein Eisbrecher mehr durchkommt, dann werden die Flüsse zu Autostraßen und man kommt bis in die entlegenen nördlichen Winkel des Landes, weit in die Taiga und bis zum Polarmeer. Allerdings habe ich keine Lust zu dieser Jahreszeit eine Radtour hier zu machen.

Die Menschen in der Stadt scheinen die Sonne nach der Regenwoche zu genießen, in einem Park spielt eine Kapelle und die Leute tanzen dazu oder stehen einfach nur dabei und beobachten das fröhliche Spektakel. Ich fühle mich ein wenig an China erinnert, wo wir in den Städten überall die Abendtänzer auf den Straßen erleben werden.

Die drei Hotels im Zentrum befinden sich nicht weit von einander entfernt und das erspart und einige Mühe. Die Preise sind recht deftig und auch für das Unterstellen der Fahrräder wird wieder kräftig abkassiert. Wir erleben dann gleich noch eine Überraschung, denn es ist schon wieder eine Stunde später, wir sind schon wieder eine Zeitzone weiter gerutscht und haben zu Deutschland jetzt fünf Stunden Unterschied.

Abends schleichen wir ein wenig abgeschlafft von den knapp 150 Kilometern im Gegenwind durch die Straßen und landen in einem usbekischen Restaurant mit Schaschlik. Während die anderen dann müde ins Bett fallen, beginnt für mich dann der zweite Teil des Arbeitstages, denn es gibt nach einer Woche mal wieder Internet.

70. Tag: Freitag, der 24. Juni 2011

24. Juni 2011

Angriff der Killerbremsen II

138 Kilometer von Abatskoe nach Tjukalinsk, 112 hm bei Nebel und dann Sonnenschein bis 26 Grad

Unser zeitiger Start funktioniert wie geplant, genau um 7 Uhr sind wir auf der Straße und rollen durch dichten Nebel. Rundherum lassen sich die Birkenwäldchen nur erahnen und dann beginnt die Sonne langsam die graue Nebelsuppe aufzusaugen. Heute ist es erstmals richtig schön hier in Sibirien. die Landschaft ist nicht mehr ganz so weit und fern und mit den dichten Nebelschwaden macht alles ein wenig einen verzauberten Eindruck.

Gegen 10 Uhr hat sich die Sonne dann ganz durchgesetzt und eine Weile lässt es sich ganz gut fahren, doch dann, nach dem Mittag an einer Raststätte tauchen wieder die Pferdebremsen (die mit den braunen Augen) auf und es wird richtig lästig. nach den kühlen Regentagen sind die Biester richtiggehend ausgehungert und das fahren macht keinen Spaß mehr. Jeder von uns hat einen Schwarm von vielleicht 50 dieser blutlüsternen Insekten um sich und ließen sie sich in ihrer Stechlaune nur anfangs vom Fahrtwind abbringen. je später es wird, umso angriffslustiger werden die Viecher und versuchen sich auch während der Fahrt an den Körper zu heften, was leider auch hin und wieder gelingt. Ich möchte meinen Regen zurück!

Nach 130 Kilometern erreichen wir schon gegen 16 Uhr Tjukalinsk und es gibt kein Hotel an der Straße. irgendwo im Ort soll es eines geben und so machen wir uns auf die Suche. Wir finden auch das runter gewirtschaftete Gebäude, aber hier gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit mehr. Vielleicht ist dies aber auch unser Glück, denn der laden sieht mehr als schlimm aus. Es soll nun doch an der Straße noch eine Absteige geben und genauso etwas in die Richtung ist es auch, eine Baracke mit drei Zimmern. Wir wecken die Herrscherin über die drei Zimmer aus dem Schlaf und entsprechend schlecht ist sie drauf. Was soll’s, wir haben unsere Betten in der mehr als einfachen Unterkunft und eine warme Dusche gibt es auch. Auf Nachfrage bekommen wir dann jeder ein winziges Handtüchlein.

Die Sonne und die Wärme und die Insektenschwärme haben uns heute ganz schön zu schaffen gemacht, deshalb wollen wir morgen noch ein wenig zeitiger aufbrechen und es sind wieder 140 Kilometer bis Omsk.