88. Tag: Montag, der 12. Juli 2011

12. Juli 2011

Einmal durch die Hölle und wieder zurück

140 km von Kansk nach Jurtui, 709 hm auf der M 53 bei recht wenig Verkehr, sonnig bis 25 Grad

Am Morgen starten wir nur mit einem Kaffe und einer Waffel auf dem Zimmer, die „Stolowaja“, also Kantine im Haus macht erst zu spät auf und wie wir gestern gesehen haben, war die Auswahl auch nicht zu reichlich. Auf der Einbahnstraße entgegen gesetzt fahrend verlassen wir das Zentrum der Stadt, langsam entwickeln wir uns zu kleinen Verkehrsrowdys. Auch wenn die Russen kein Geld für einen halbwegs vernünftigen Ausbau ihrer Straßen haben, an sinnlosen Ampeln mangelt es nicht.

Nach den ersten Hügeln treffen wir wieder einmal Radfahrer, ein russisches Pärchen auf Urlaubsfahrt für eine Woche, wir sind also nicht ganz allein auf zwei Rädern mit Muskelkraft in den sibirischen Weiten unterwegs.

An der ersten Raststätte wollen wir dann frühstücken, das gelingt nur halbwegs. Die Matrone ist mehr als unfreundlich, vergisst die Hälfte der bezahlten Sachen und serviert die Nachforderung mit einer Miene, dass man fast bereut, noch etwas gesagt zu haben. Die süßen Pfannkuchen haben Reste von Fleisch, was mit der Bemerkung, man könne ja auch woanders essen quittiert wird. Zur allgemeinen Begeisterung rücken auch noch vier Ladas gefüllt mit 25 Zigeunern an und bestärken nicht vorhandene Vorurteile. Sie bezeichnen sich übrigens selbst als Zigeuner, deshalb verwende ich hier auch das Wort und differenziere nicht auf Sinti oder Roma. Unser Tisch wird auf Körperberührung umstellt, alle fragen 10 mal die gleichen Fragen, wenn man nicht sofort antwortet, weil man den Löffel im Mund hat, klopft man mir ungeduldig auf die Schultern. Ich breche mein karges Mahl ab und bewache die Räder, die Kids haben Maysie schon in der Hand, die Schaltungen sind schon verstellt, einer hat Mirjams Sonnenbrille auf dem Kopf und die anderen haben auch schon mal unsere Helme anprobiert und alles was am Fahrrad hängt wird neugierig befummelt. Unser Brot ist immer noch nicht gekommen und mit ebenso böser Miene lassen wir uns von der Matrone die 12 Rubel wieder ausbezahlen und verschwinden schnell und grußlos. Wenig später überholt uns die Zigeunerkolonne noch einmal mit Gehupe und Gejohle haarscharf, eins muss man ihnen lassen, Spaß am Leben haben sie!

Seit langem führt die Straße wieder einmal durch ein paar schöne Dörfer, ein Dorf ist besonders interessant, an jeder Ecke gibt es etwas zu fotografieren, überall sitzen die Leute vor der Tür und genießen den lieben langen Tag.

Ohne Vorwarnung hört dann der Asphalt auf und es beginnt übelste Schotterpiste, dagegen waren die Offroadpisten in Litauen die reinste Autobahn. Dazu kommen dann hunderte von Bremsen, die dem ausländischen Radler nur aufzulauern schienen und es geht mit gut 11 oder 12% Steigung nach oben. Je schneller man sich bewegt, umso verrückter werden die Bremsen, aber beim Berge kraxeln muss man nun einmal hochfrequent treten. Miriam fährt wild fluchend vor mir her, wie ich, hat sie auch einen großen Schwarm der schwarzen Biester um sich und hinten auf den Packtaschen sitzen noch einmal 40 solcher schwarzen Viecher und lassen sich (wild und blutlüstern lachend) den Berg hinauf fahren, ab und zu einen Angriff auf die Waden, Arme, Beine und alle anderen Körperteile wagend. Dazu kommen die massiven Staubwolken in die wir eingehüllt werden, denn die Trucks rumpeln natürlich mit Superspeed die Buckelpiste herunter. Wenn dann der Truck unsere Höhe erreicht ist der Vordermann, der nur 5 Meter weiter vorne schwitzt und ächzt und stöhnt, einfach nicht mehr zu sehen.

Endlich nach 45 Minuten sind wir oben, mir läuft das Blut am Hals herunter, Gerhards Beine sind halb abgefressen und Barbara kommt total ausgesaugt an, was für ein Horrorberg, das waren definitiv die schlimmsten fünf Kilometer und die schrecklichste dreiviertel Stunde auf dieser Tour und so ungefähr muss es wohl in der Hölle zugehen.

Der Rest des Tages verläuft friedlich, seichte Anstiege und eine ebenso seichte Abfahrt über 8 Kilometer versöhnen wieder mit dem Dasein auf der Welt. Eigentlich wollten wir ja noch bis Taishet, aber wir haben ja schon 135 Kilometer weg, als der Abzweig nach Jurtui samt einer Hotelankündigung kommt. Noch während wir beraten, was wir tun wollen, hält ein Jeep mit zwei Polizisten. Sie fahren mich dann per Jeep zum Hotel, ich sehe mir den kleinen Laden und befinde ihn für gut und die beiden Polizisten bringen mich dann auch wieder zurück zur Gruppe. Unterwegs stellt sich natürlich heraus, dass einer der beiden Polizisten in Potsdam gedient hat.

Wir rollen die drei Kilometer bis zum Hotel in dem Nest namens Jurtui ein. Das Hotel ist einfach, aber ok unten gibt es eine Küche und nebenan einen Laden. Also kaufen wir ein und ich kann meine Kochtalente entfalten, es gibt Rührei mit Pilzen und Tomaten und dazu eine dicken Gurken-Tomatensalat mit Käse und Wurst und wir gönnen uns eine kleine Flasche Wodka.

87. Tag: Montag, der 11. Juli 2011

11. Juli 2011

Schönwetterfront

124 km von Ujar nach Kansk, 790 hm bei Sonne und angenehmen 20 Grad, kräftige Hügelei mit 790 hm auf Nebenstraße und Hauptstraße

Die Nacht war trotz der echt nahen Straße recht angenehm, früh steigen die Nebel auf und wir starten zeitig. Einzig kleines Problem ist der zähe Schlamm auf den 500 Metern zu Straße zurück, der sich zwischen Schutzblech, Bremsen und Mantel verkeilt und irgendwann das Rad blockiert. So müssen wir diesen dann mit Stöckchen wieder herauspulen und es dauert den halben Tag in der Sonne bis die letzten Klumpen wieder abgefallen sind.

Wir scheinen das schöne Wetter jetzt wieder zurück zu bekommen, allerdings habe ich etwas Angst, dass es zu schön werden könnte, im Internet wurden über 30n Grad vorausgesagt und das ist ja dann nicht mehr so angenehm. Heute ist es jedenfalls ideal zum Radeln, es sind so um die 20 Grad und ab und zu schiebt sich eine kleine Wolke vor die Sonne. Auch haben wir das Glück eine kleine Nebenstraße zu finden, auf der wir 50 Kilometer fernab vom großen verkehr fahren können und die Strecke ich auch noch gut in Schuss. Wieder geht es durch viele Sommerwiesen, zum Lila des gestrigen Tages gesellt sich noch viel Gelb und allerhand andere Farben.

An einem „Baggerdenkmal“ machen wir eine schöne lange Mittagspause und ich kümmere mich wieder einmal ein bisschen um die Räder. Bei mir muss wieder einmal die Kette gewechselt werden und die Bremsen an den meisten Rädern müssen nachjustiert werden. im frischen Sommerwind trocknen die Schlafsäcke und zelte derweil.

Am Nachmittag treffen wir zwei Motorradfahrer aus Kirgistan und wir erzählen von unseren Reisen und machen noch ein paar Fotos. Sie sind im letzten jahr die M 61 gefahren, das ist der grandiose Pamir Highway und der Ansob-Pass bei Dushanbe ist wieder geöffnet- dieses Abenteuer steht noch ganz weit oben auf meiner Liste, die große Runde durch den Pamir, nur einen Steinwurf von der afghanischen Grenze entfernt, durch endloses Hochland und ein paar 4000er Pässe und dann rein nach Kirgisien. Das sollte eine 4 Wochen Tour 2013 werden: Samarkand- Dushanbe- Pamir- Issyk Kul- Biskek.

Vor Kansk befindet sich ein riesiger Armeestützpunkt, von der Straße sind die zwischen den Bunkern geparkten MIG 29, die heute schon ihre Runden über uns gezogen haben, zu sehen und einen Hügel weiter drehen sich die Radarstationen. Alles ist wunderbar einsehbar und ich traue mich dann sogar ein Foto zu machen, obgleich ein Wachposten in der Nähe ist, aber der winkt nur freundlich grinsend herüber.

In der Abendsonne erreichen wir Kansk, die Stadt ein kleines nettes Zentrum mit klassizistischen Fassaden und das Hotel ist einfach und in Ordnung. Das einzige Lokal befindet sich im Hotel, eine kleine Stolowaja, es gibt nur Grütze und ein paar Bouletten, alles andere ist schon aus. Wir vernichten dann alle Restbestände.

Da alle recht müde sind mache ich als einzige noch einen abendlichen Spaziergang und genieße die warmen Strahlen der Abendsonne. Im Zentrum gibt es einen großen Soldatenfriedhof, die Namen der Soldaten sind alphabetisch geordnet, das ist alles was übrig blieb und so langsam wächst das Unkraut drüber und inzwischen engagieren sich alle beteiligten Parteien wieder in neuen Konflikten. Wie schon irgendein großer Militärtaktiker sagte: „Frieden ist die Zeit zwischen zwei Kriegen!“

86. Tag: Sonntag, der 10. Juli 2011

10. Juli 2011

Tag in Lila

122 km von Kranojarsk nach Ujar, 941 hm mit kräftige Anstiegen, Sonne und manchmal dicke Wolken bei 17 Grad, nur auf der M 53, Zelten bei Ujar

Heute gehen wir es ganz gemütlich an, zuerst noch einmal ausgiebig frühstücken und dann zusammenpacken. Erst um 9.30 Uhr kommen wir los und rollen über die lange Brücke über den Jinissej. Auf der rechten Seite leuchtet noch einmal die „Rote Klippe“, der die Stadt ihren Namen verdankt.

Am Rande der Stadt gibt es einen großen Chinamarkt und sogar einen chinesischen Verkäufer treffen wir vor einem chinesischen Brunnen mit rotem Drachen. Hinter dem Markt sind wir dann endgültig aus der Stadt heraus, die sich doch noch einmal fast 20 Kilometer hin gezogen hat und müssen nun erst einmal wieder an Höhe gewinnen. Da es neben der neuen M53 hier auch noch die alte Straße gibt ist das für uns nicht all zu unangenehm und wir haben Ruhe vor den LKW und Autos, dafür gibt es natürlich mehr Insekten, als auf dem gut befahrenen Highway.

Faszinierend sind heute den ganzen Tag die Wiesen, hier steht ein lila kraut in vollster Blüte und verzaubert die Landschaft. Auf manchen Flächen ist dann kilometerweit nichts anderes zu sehen und ich bedauere ein wenig, dass die Sonne sich hinter den Wolken versteckt hat. Sie komme erst am späten Nachmittag hervor und bringt alles zum leuchten, unendliche Wiesen mit Lila und gelben Tupfern dazwischen und das sind dann solche Momente, in denen man sich freut die lange Reise unternommen zu haben.

Unterwegs stoppt uns ein Schweizer mit Jeep, er will bis Wladiwostok durchfahren und ist, nachdem er sich von seinem Partner getrennt hat allein unterwegs. Er braucht dribngend jemand zu erzählen und kaut uns deshalb ein Ohr ab, nach einer halben Stunde kennen wir die gesamte Lebensgeschichte, inclusive der seines Freundes „Schorsch“, der Hosen verkauft, des Bruders der Mutter, der wohl in einem russischen Kriegsgefangenlager ums Leben gekommen ist, das letzte war ein Brief von 1943, wegen dessen die Mutter sechs Stunden von der Schweizer Polizei verhört wurde und das sein Mitfahrer mit dem anderen Auto nicht Duschen wollte……..

An der Raststätte von Ujar kommt dann die Enttäuschung, es gibt keine Übernachtungsmöglichkeit hier an der Straße. im Ort, ein paar Kilometer nach rechts soll es aber ein Hotel geben. Wir biegen ein und finden auch das Gebäude. Aber es gibt nur ein Zimmer mit zwei Betten, also ist heute wieder einmal Zelten angesagt.

Wir besorgen uns im Laden um die Ecke Lebensmittel und machen vor dem Verwaltungsgebäude des Stahlbetonwerkes von Ujar am Springbrunnen eine lange Essenspause, bevor wir dann wieder zur Hauptstraße zurückkehren. Dort gab es einen schönen See und ein paar schöne Wiesenstücken. Das Aufkommen an Insekten ist erträglich und wir steigen auch einem langen Tag müde in die Schlafsäcke. Vom Zelt aus kann ich dann noch einen schönen Sonnenuntergang beobachten und träume dann von einer langen Duschorgie.

85 Tag: Samstag, der 9. Juli 2011

9. Juli 2011

Stadt des Sozialistischen Klassizismus

Ruhiger Ruhetag in Krasnojarsk

Das Frühstück bietet alles, was man auf einer Reise braucht: guten Kaffee, Salate mit Vitaminen, Zucker für Seele und Beine, ordentlichen Käse, heiße Würstchen……, danach braucht man erst einmal wieder eine halbe Stunde Pause, um sich bewegen zu können.

Nach den langen Tagen im Altai versuchen wir dann die urprünglichen farben der T-Shirts wieder herzustellen, was aber nur noch ansatzweise gelingt, auf den Fotos fällt der Dreck nicht ganz so auf, da kann man mit einem Bildbearbeitungsprogramm noch einmal nacharbeiten.

Mittags brechen wir dann zu einem Rundgang durch die Stadt auf und bestaunen die klassizistischen Fassaden aus der Stalinzeit. Seit der Perestroika hat sich auch hier noch niemand die Mühe gemacht, die Straßennamen zu ändern und so gibt es immer noch neben der Karl-Marx Allee eine Straße der Diktatur des Proletariates. Um die Ecke ist die Friedensstraße, aber hier findet man schicke Boutiquen und auch ansonsten gut ausgestattete Läden, man sollte sie vielleicht umbenennen in Straße der Diktatur des Geldes.

Am Leninplatz grüßt ein freundlicher Lenin ungerührt die Leute, die in den Volkspark mit Kind und Kegel strömen. Hier findet ein Sommerfest mit Karussells und bunten Spielebuden für die Kids statt. davor kann man ein auf Zebra getrimmtes Pony reiten.

Wieder sehr schön sind die in der Stadt verteilten Bronzefiguren, was im gesamten land sehr beliebt zu sein scheint. Also, liebe arbeitslose Bronzekünstler in Deutschland, hier gibt es einen guten Markt für eure Kunstwerke.

Am Ufer des Jenissej schlendern wir dann am späten Nachmittag zurück zum Hotel, jetzt heißt es schon wieder zusammen packen und für mich den Rest der Schreibarbeiten zu erledigen. Mit inzwischen sechs Stunden Zeitverschiebung wird das immer ungünstiger, vor Mitternacht komme ich nicht ins Bett, wenn ich noch irgendjemanden erreichen will.

Gerhards gesicht ist in den letzten Wochen schon wieder gut hinter dem Bart verschwunden, im Hotel gibt es eine Friseuse (Frisörin), die traut sich aber nicht ran; allerdings überlässt sie mir die Maschine und ich kann wieder einmal eines meiner wenig genutzten Talente entfalten, nach 10 Minuten Sensengang erkennen wir Gerhard alle wieder.

Morgen starten wir dann auf die letzte große Etappe im Land, es sind noch satte 1000 Kilometer bis nach Irkutsk, dort haben wir uns dann drei Ruhetage am Baikalsee erarbeitet und dann stößt auch schon die Gruppe für den Abschnitt durch die Mongolei nach Beijing zu uns. Für uns wird es leichter, denn es gibt dann auch wieder Begleitfahrzeug. Doch vorher warten noch ein paar kräftige Altaiausläufer auf uns und auch das Wetter soll langsam wieder wärmer und dann ganz heiß werden. Internet wird es wohl auch nicht geben und so melden wir uns wieder einmal ab bis zum 20. oder 21. Juli.

Und noch ein kleiner Tipp, auf meinem Facebook – tomtomtofu heiße ich dort- habe ich zwei wunderschöne Videoclips gefunden, noch aus alten DDR Zeiten stammend, aber wunderbar zum Thema passend!

84. Tag: Freitag, der 8. Juli 2011

8. Juli 2011

Langer Ritt zum Mittelpunkt Russlands

193 km Marathonritt von Atschinsk nach Krasnojarsk durch die Berge des Altaiausläufers mit dicken 1100 hm, leichter Rückenwind, Sonne und Wolken bei idealradlerischen bis 17 Grad

Was für ein Tag! Als wir gegen 21 Uhr die letzte Hügelkuppe hinauf geklettert sind liegt die Stadt Kranojarsk vor uns und damit erreichen wir die geografische Mitte Russlands. Als die UdSSR noch bestand, war dieser bereits in Novosibirsk, aber mit der Schrumpfung des Reiches nach der Perestroika hat es sich hierher verlagert.

Die Sonne scheint auf die Berge und über dem Jenissej ragt ein steiler Felszahn in den Himmel. „Schöne Klippe“ heißt die Stadt deshalb auch.

Eigentlich hatten wir gar nicht geplant, heute schon in Krasnojarsk anzukommen, aber es lief seit dem Morgen recht gut. Mit einer Portion Milchreis im Magen kommen wir erst durch die Industriestadt Atschinsk und dann die ersten kräftigen Berge nach oben. Dort erwarten uns schöne Kiefernwälder, natürlich mit vielen Birken zwischendrin und ab und zu führt die gut ausgebaute Straße über kleine Flüsschen. Langsam hügeln wir uns auf 350 Höhenmeter nach oben, aber mit der leichten Rückenwindunterstützung radelt es sich mehr als leicht und nach jedem Hügel kommt eine berauschende Abfahrt. Manchmal ist die Straße wieder über mehrere Kilometer und Hügel schnurgerade und es wäre sehr anstrengend, hier bei Gegenwind entlangzukriechen.

Unseren Zielort Kosulka erreichen wir gegen Mittag nach 80 Kilometern, dort gibt es leckere Schichttorte, von der ich eine Runde spendiere, schließlich hatten wir in den letzten Tagen Halbzeit und haben es einfach verpasst. Wir überlegen hin und her, ob wir weiterfahren oder nicht. Bis nach Kranojarsk sind es noch 100 Kilometer und es wird weiter hügelich bleiben. Eine weitere Raststätte mit Hotel soll es aber dazwischen auch nicht geben. Hier sieht es in dem Motel aber auch nicht so toll aus und der Rückenwind unterstützt uns ebenfalls kräftig. Also, was soll es, rauf auf die Räder und zur Not haben wir die Zelte dabei. Kaum sitzen wir auf den Rädern schlägt der Plattfußteufel bei mir wieder zu, doch heute ist es ein Klassiker, kleine Glasscherbe, die Ursache ist schnell auszumachen und zu entfernen, Flicken auf den Schlauch und nach 20 Minuten rollen wir dann wirklich weiter gen Osten.

Mehr als wunderbar segelt es sich bis Kilometer 110, dann ist die Energie vom Kuchen aufgebraucht und wir kehren noch einmal auf russische Buletten und Kartoffelbrei ein und beschließen: Wir zelten nicht, sondern blasen durch bis nach Krasnojarsk, nur noch 60 Kilometer!

Besonders verwunderlich stimmt mich ein buddhistischer Chorten etwas entfernt auf einer Wiese. Wie kommt ein weißer Stupa hier nach Sibierien, mit fein säuberlich abgespannten Gebetsfahnen, bis Tibet oder zumindest in die Mongolei haben wir doch noch ein ganzes Stück zu radeln.

Und so kommt es, dass wir dann doch etwas müde den letzten Abstieg nehmen und in der abendlichen Sonne (es bleibt hier bis 23 Uhr hell!) ins Zentrum einrollen. Die letzten Kilometer vor der Stadt waren etwas stressig, denn uns rollte eine unendliche Kolonne von Wochenendausflüglern entgegen, die heute am Freitag die Stadt in Richtung Datscha verlassen. Doch dann kommt die Stadtautobahn und die Vorstadt. Hier gibt es kaum noch einen Menschen auf der Straße und die sozialitischen Ziegelbauten verbreiten eine fast gespenstische Athmossphäre. Die Leute sind ja auch vor zwei Stunden alle aus der Stadt ausgerückt; der rest scheint sich auf dem Zentralplatz zu versammeln. Hier hört man aus Lautsprechern klassische Musik, dazu sprudeln rhytmisch die Springbrunnen und ein Laser malt bunte Bilder in die feuchte Luft.

Wir haben aber kaum mehr ein Auge dafür, sondern lechzen der Dusche und dem Bett entgegen, ich erst einmal noch zwei Stunden dem Internet.