93. Tag: Sonntag, der 17. Juli 2011
17. Juli 2011Der frühe Vogel flickt den Reifen oder
Jacke an und Jacke wieder aus
142 km von Tulun nach Sima, 487 hm, früh Regen, Mittag Regen und abends auch wieder Regen bei bis 21 Grad
In der Nacht hat es wunderbar geregnet, das Blechdach vor dem Fenster hat den Klang noch einmal verstärkt und ich kann bei solcher Soundkulisse immer recht gut schlafen. Wir hatten wieder einmal beschlossen sehr zeitig aufzubrechen und am Abend noch Stullen geschmiert. Am Morgen klappt es auch recht gut, aber als wir die Räder aus dem vermüllten Garagencontainer holen, hat Barbaras Rad einen Platten. Dazu verlangt der „Ochanik“, also der Platzwärter, 250 Rubel für die Nachtwache an den Rädern. Ein Autostellplatz kostet nur 100, aber wir können uns mit unserer Ansicht nicht durchsetzen und einigen uns auf 200 Rubel.
Dann kommt die Reparatur an Barbaras Rad und die zieht sich in die Länge. Zwar finden wir die Ursache, einen winzigen Draht von einem der vielen zerschlissenen Autoreifen, die die Straßen säumen, aber der Flicken, zwar professionell aufgeklebt, will einfach nicht halten, vielleicht liegt es am Klebstoff, die offene Tube hat schon ein paar Kilometer und Klimazonen hinter sich. Mit dem neuen Kleber klappt es dann, aber eine knappe Stunde ist wieder futsch und es fängt auch noch an zu regen.
Der Regen ist das zentrale Element an diesem Tag, nachdem der Vormittagsregen aufgehört hat, sind wir gerade wieder trocken geworden und dann zieht die nächste Front heran. Also heißt es wieder Jacken an und wieder aus und wieder an, weil es ja zwischendrin auch mal kurz wieder aufhört. Allerdings ist es nicht unangenehm und die Temperaturen sind recht gemütlich bei 22 Grad, aber an jedem Hügel fängt man an zu schwitzen. Und von denen gibt es jede Menge.
Landschaftlich wird es noch einmal richtig grandios, jetzt wo es auf die letzten Kilometer nach Irkutsk zugeht, lange Hügel bringen uns immer wieder auf 600 Höhenmeter und dann geht es wieder lange Abfahrten hinunter und dann gleich wieder hoch. Grün und grüner ist die bestimmende Farbe, weite Wiesen und weiden, immer noch lila Punkte und manchmal wieder riesige lila Flächen. Ab und zu ein schönes Birkenwäldchen und ab und an auch Kiefern. An Ortschaften mangelt es weiterhin.
Am späten Nachmittag erreichen wir den Abzweig nach Sima, wieder einmal gibt es keine Raststätte mit Motel, aber in der Stadt soll es ein Hotel geben, also nichts wie rein in die Stadt, weil auch schon wieder dicke Wolken herannahen. Das Nest erscheint recht öde, zumal gibt es ein komisches Einbahnstraßensystem, welches wir konsequent ignorieren. Mit einiger Mühe lässt sich das „Hotel“ ausfindig machen im vierten Stock eines heruntergekommenen Plattenbaus. Dort riecht es kräftig nach „Mann“, eine Horde Jugendlicher springt dort mit freiem Oberkörper herum. Die Zimmer haben 50er Jahre Jugendherbergsstandard, die Betten sind mehr als durchhängende Spiralfedergestelle und es gibt weder ein Restaurant noch einen Laden in der Nähe. Aber es soll noch ein zweites Hotel in der Stadt geben, auf der „anderen Seite der Welt“. Das ist über die Transsib hinweg. Im Ort gibt es nur eine Fußgängerbrücke und wir müssen im inzwischen einsetzenden strömenden regen die schweren Räder nach oben hieven und auf der anderen Seite wieder herunter. nach 130 Kilometern noch einmal ein gutes Stück Arbeit. das Restaurant und Hotel „Peking“ macht von weitem dann auch keinen schlechten Eindruck, aber als die Tür verschlossen ist, klappen dann doch die Mundwinkel aller nach unten, so eine Pleite. Aber dann klappert es und ein Jugendlicher öffnet. Zwar wird gerade alles repariert, aber zwei Zimmer sind doch noch zu haben und die sind sogar recht ordentlich, wenn von der dominierenden Baustelle im Gebäude absieht. natürlich arbeitet das Restaurant auch nicht. In der Nähe gibt es auch noch einen anderen Laden, mit Garderobe und Potier und viel herum stehenden Personal. Zum Glück gibt es in der Küche wieder einen einsamen Chinesen, der aus den laschen Zutaten doch ein recht ansehnliches Mahl zaubern kann.