148. Tag: Samstag, der 10. September 2011

10. September 2011

Kälteinbruch

146 Kilometer von Yuxian zum Guanting Reservoir, 668 hm bei Regen, Nebel und frostigen 8 bis 10 Grad

Was für eine Kälte das draußen ist, höchstens 10 Grad und es regnet. Nicht mehr in Strömen, wie die ganze Nacht, aber es plätschert doch noch kalt und unangenehm vom Himmel, so dass wir uns gut verpacken, bevor wir auf die letzte richtig große Etappe gehen.

Hinter dem Ort reist dann die Wolkenschicht ein wenig auf und gibt den Blick auf die umliegenden Berge frei und es ist kaum zu glauben: Es hat geschneit heute Nacht und die Schneegrenze liegt gerade einmal fünfhundert Meter höher, so ungefähr auf 1700 Meter.

Je weiter wir nach oben kommen und das ist glücklicherweise nicht mehr so viel, umso kälter wird es. Wir kramen Mütze und Handschuhe hervor und tauchen dann in dichten Nebel ein. Nach oben wird es noch einmal merklich kühler und der Nebel immer dichter, zum Glück regnet es nicht mehr, aber trocken wird man natürlich inmitten der dichten Wolken auch nicht. Oben am Pass beträgt die Sichtweite nicht einmal mehr 50 Meter. So kurven wir die schöne Abfahrt auch nur langsam herunter, einmal um nicht zu erfrieren, zum anderen, um den dicken Brummis, die uns ab und an überholen, rechtzeitig ausweichen zu können.

Unten kommt dann an einer großen Kreuzung endlich mal wieder ein Restaurant, aber das Angebot ist mehr als mies und wir bekommen nicht mehr als eine Nudelsuppe mit ein paar Pfitzelchen Fleisch drin.

Aus den Bergen heraus lichtet sich der Nebel und wir merken, dass es eigentlich eine sehr schöne Etappe hätte werden können, aber es fängt wieder an zu regnen, als das Guating Reservoir am Horizont auftaucht. Und es ist glücklicherweise ein paar Grad wärmer geworden.

Am Stausee kennt niemand das Hotel und so fahren wir weiter und weiter, bis es irgendwann dunkel wird. Endlich, dann 15 Kilometer weiter als vermutet geht es nach rechts ab in die Maisfelder einen schlammigen Weg entlang. Nach zahlreichen Ecken und Kurven taucht dann Licht auf und wir sind gegen 20 Uhr am Ziel. Das Hotel ist tendenziell eher mies, mehr als schlichte Zimmer und es kommt kein warmes Wasser aus der Dusche. Es ist das erste Mal auf einer Reise, dass ich erlebe, dass alle Teilnehmer auf eine abendliche Dusche verzichten. Wir sind alle schön müde von dem langen Tag und das Essen in dem „Holiday Ressort“ ist gut und reichlich. Wir gönnen uns dann noch zwei Flaschen eines lokalen Cabernet Sauvignons und der ist auch erstaunlich gut, so hat der Tag wenigstens ein gutes Ende und alle fallen müde in die Betten.

147. Tag: Freitag, der 9. September 2011

9. September 2011

Stark landwirtschaftlich geprägt

96 Kilometer von Hunyuan nach Yuxian, erfrischend kühl bei 15 bis 18 Grad, ein kleiner Pass und 555 hm

„Stark landwirtschaftlich geprägt“ steht heute in unserem Tourenprogramm, eigentlich heißt das: Nix los. Aber es ist das ganze Gegenteil davon, die Dörfer sind recht rustikal und auf Terrassenflächen wächst vor allem Mais. Glücklicherweise sind wir nicht mehr auf der Hauptstraße mit den vielen LKW, sondern teilen die Straße hauptsächlich mit Motorrädern und Eselskarren. Wir erreichen heute auch die Provinzgrenze zur Provinz Hebei, die Beijing umschließt und verlassen das Gebiet von Shanxi. Hier in der Nähe der Hauptstadt können die Bauern gut von Landwirtschaft leben, denn alle Überschüsse gehen zu ordentlichen Preisen ab auf die Märkte der 10 Millionen Hauptstadt Beijing. Kein Quadratzentimeter Land, auf dem nicht irgendetwas angebaut wird. Trotzdem geht das Leben hier nicht hektisch voran, sondern alles geht ganz gemächlich seinen spätsozialistischen Gang.

Wir genießen die Fahrt durch die Herbstfrische, auf der Abfahrt nach unserem kleinen Pass am Morgen ist es recht bissig frisch und wir packen alle die langen Jacken aus, es wird langsam Herbst in Reich der Mitte. Mittag machen wir in einer Nudelstube in einem kleinen Städtchen, hier sind wir wieder einmal die totale Attraktion, man glaubt kaum, dass sich nur 100 Kilometer weiter keiner mehr nach einer Langnase herumdreht, aber die meisten Touristen belassen es bei einem Ausflug zur Großen Mauer.

Dabei ist die gesamte Region um Beijing herum mehr als sehenswert. Einmal aus der Hauptstadt heraus gibt es ruhige Gegenden mit leichtem Mittelgebirge, man findet Wälder und Seen und viele eben „landwirtschaftlich geprägten“ Gebiete. Wären in den Städten nicht die modernen Leuchtreklamen und ab und zu ein dickes Auto auf der Straße, man würde den Genossen Mao Tse Tung noch nicht all zu lange in seiner gläsernen Gruft vermuten.

Unser Zielort ist auch wieder eine Kleinstadt und auch eine recht moderne, viele Wohnblocksiedlungen sind noch im Bau, aber auf den Straßen vor den neuen Geschäften geht es schon recht busy zu. Es ist wieder einmal ein schöner Spaziergang durch alle Sphären des Lebens. Auf der Straße Stehimbisse und auf der anderen Seite Shops mit chinesischen Marken, von Logos wir Calvin Klein oder Lacoste bleibt die Provinz vorerst noch verschont, das liegt noch ein paar Jahre über der Einkommensgrenze der „landwirtschaftlich geprägten“ Gebiete. ASuf dem zentralen Platz wird abends wieder getanzt und gesteppt und alte Männer und Damen lassen ihre Drachen steigen. Dabei legen sie eine erstaunliche Geschicklichkeit zu Tage und ich lerne, dass man einen Drachen lenken kann, auch wenn er nur an einer Schnur nach oben steigt. Mit Hilfe eines großen Laufrades in der Hand kann sehr schnell viel Schnur freigegeben oder angezogen werden, dann nach einem Ruck legt sich der Drachen in eine vorbestimmte Kurve und geht in den Gleitflug über und wird erst kurz über dem Boden wieder abgefangen. Wie langweilig ist dagegen Drachen steigen lassen in Deutschland.

146. Tag: Donnerstag, der 8. September 2011

8. September 2011

Hochzeitsflopp und taoististischer Berg

Wanderung auf dem Hengshan und halber Faulenztag in Hunyuan

Eigentlich wollen wir los und es ist auch recht frisch, trotzdem stehen wir uns vor dem Hotel die Füße in den Bauch, wegen einer Hochzeit, die hier in ein paar Minuten stattfinden soll. Dafür sind vor dem Hotel fünf gigantische Böllerkanonen aufgefahren, ein Torbogen wird mit Luft gefüllt und daneben werden auch noch zwei gigantische Löwen aufgeblasen. Als ein Konvoi mit Hochzeitsautos auftaucht werden auch ein paar Böller gezündet, doch der Konvoi steckt wegen eines falsch geparkten Autos fest. Als das mit Gerhards und meiner Hilfe beiseite geschoben ist, passiert gar nix mehr. Irgendwann kommt der Bräutigam mit der rot verhüllten Braut im Arm aus dem Hoteleingang, ignoriert den Torbogen und trähgt dahinter in Affengeschwindigkeit die Braut zu einem der Autos: Tür auf, Braut rein, Bräutigam hinterher, Tür zu und weg! Der Konvoi fährt ab und die Löwen werden wieder demontiert. Also Vollflopp!

Zum Hengshan sind es vielleicht 6 Kilometer, es geht bis zum Parkplatz gut 400 hm hoch, aber wir haben ja Ruhtag und nehmen den Bus. Dann scheiden sich die Geister in Seilbahnfahrer und Läufer, aber nach oben zu den ersten Tempeln ist es nicht zu weit und wir treffen uns nach einem langen Treppenanstieg schnell wieder.

Im Gegensatz zuim Wutaishan ist der Hengshan kein buddhistisches Heiligtum, sondern ein taoistischer Berg. Von Außen unterscheiden sich die Tempel kaum, aber im Inneren findet man keine Buddhas, sondern taoistische Himmelgötter und Göttinnen. Während es im Buddhismus darum geht seinem schlechten Charma und dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten zu entrinnen, ist es das Ziel des Taoismus mit der Natur und der Gesellschaft in äußerster Harmonie zu leben. Dazu muss alles schön ausbalanciert werden und die Lehre vom Yin-Yang entstand.

Die Tempel am Hengshan sind reizvoll in die Berge eingebettet und meist spektakulär in Felsnischen untergebracht. Mit einigen chinesischen Gruppenpilgern wir uns auf den treppenreichen Wegen von Tempel zu Tempel und dann noch ganz nach oben auf den 2016 Meter hohen Gipfel. Wäre es nicht so trüb, könnte die Aussicht spektakulär sein, so liegt alles in hinter einem trüben Schleier.

Wieder machen wir ein spätes Mittagessen in unserem Stammlokal und beschließen, diesem auch heute Abend treu zu bleiben. Am Nachmittag bleibt dann wieder Zeit für ein Schläfchen, der Tag will schließlich gut ausbalanciert sein und nicht nur Barbara hofft ein biblisches Alter zu erreichen.

Am Abend im Restaurant ist dann schon ein bisschen Abschiedsstimmung, nur noch 6 Tage trennen uns von der chinesischen Hauptstadt und das soll es dann schon wieder gewesen sein. Für unsere Blogleser gibt es eine gute Nachricht, denn im nächsten Jahr legen wir die Tour noch einmal auf! Nein, nein, nicht die ganze Tour, aber von Irkutsk über den Baikalsee und dann durch die Mongolei und dann wieder durch den Norden Chinas über den Wutaishan an der Großen Mauer vorbei bis nach Beijing. Der Zeitrahmen wird ähnlich der diesjährigen Tour sein, also morgen auf den Freitag die gute Laune des Chefs ausnutzen und ihm verklickern, dass ihr 54 Tage Urlaub braucht!

145. Tag: Mittwoch, der 7. September 2011

7. September 2011

Das Hängende Kloster am Hengshan

Tagesausflug zum Hängenden Kloster und beschaulicher Spaziergang in einer chinesischen Kleinstadt

Wäre da nicht der Hengshan, ein taoistisches Heiligtum und das Hängende Kloster, würden wohl kaum inländische oder gar ausländische Touristen diesen Ort betreten. Dabei ist Yuxian eine typische chinesische Kleinstadt und man könnte eigentlich sagen, wenn man Yuxian gesehen hat, dann hat man China gesehen, weil hier eben alles so typisch chinesisch ist.

Überall ist enges Gewusel auf den Straßen, die Autos versuchen sich wild hupend einen Weg durch Radfahrer, Transportrikscha und Fußgänger zu bahnen und alle anderen geben sich reichlich Mühe, das Gehupe zu ignorieren. Schon der Blick aus dem Hotelfenster auf die Kreuzung wird nicht langweilig. In der Mitte stehet eine fesche Politesse und regelt den Verkehr, obwohl das gar nicht notwendig ist. Einmal gibt es eine Ampelschaltung und zum anderen macht eh jeder, was er will, allerdings im Vergleich zu anderen Ländern recht gemächlich, genauso, dass eben nix passiert.

Die Straße aus der Stadt weist in die Zukunft, sechs Spuren plus Fahrradstreifen und hinter den letzten Blocks ist die Straße verwaist und hört dann einfach auf, es gibt einen kleinen Feldweg, der die 50 Meter bis zur alten Straße überbrückt.

In einer engen Schlucht vor der Stadt liegt oder besser schwebt oder klebt das Hängende Kloster an der Felswand. Scheinbar nur auf ein paar dünnen, in den Fels gerammten Balken ruhend beeindruckt das Gebäude, das wie ein Schwalbennest in der Felswand hängt, den Betrachter.

Der Eintritt ist mit 14 € wieder richtig fett, aber die Anlage ist es wert, auch wenn es mit den vielen chinesischen Reisgruppen fast nur im Gleichschritt nach oben geht. Auch einige Ausländer hat es hierher verschlagen und sogar einige Deutsche und Holländer sind darunter, die sogar Gerhards „Plattdutsch“ verstehen können.

Über eine Treppe geht es den Berg hoch und dann in steilen Stiegen durch die einzelnen hängenden Gebäude. man traut sich kaum einen Blick herunter zu werfen, so schwindelerregend ist es. Auch ich bin nicht ganz frei von Höhenangst und es grummelt ordentlich im magen, der sich erst freut, alsi ch wieder festen Boden unter den Füßen habe. Die Tempel sind eine Mischung aus Buddhismus und Daoismus. Man sieht also die üblichen Biddhafiguren, aber daneben oder in der nächsten Kammer des taoistischen Götterreigens.

Zurück in die Stadt kehren wir nun zum nächsten male in unserem Lokal von gestern Abend ein und bestellen auch schon Gerichte für den Abend. Die Cheffin soll uns auf dem Markt Zuckerschoten und Lotoswurzel besorgen und verspricht dies auch.

Am Nachmittag ziehe ich durch die Stadt, erst durch den alten Hotong, das Wohnviertel mit den alten chinesischen Höfen. Überall sitzen die Alten auf der Straße und Schwatzen oder payssen auf die Enkel auf. In der Hauptstraße tobt das handelsleben, alte Männer mit Obstkarren und am späten Nachmittag werden auf dem Platz neben der Post die Grillstände aufgebaut. Alles was dazu gehört befindet sich auf einem Dreiradkarren: Kochgeschirr, Lebensmittel, Tische und Stühle. 20 Minuten dauert der Aufbau und dann ist das Straßenrestaurant arbeitsfähig.

Einfach nur an einer Stelle muss man an der Straße stehen und 20 Minuten die Leute beobachten, dann hat man das gesamte chinesische Kompendium zusammen, doch trotzdem wird es nie langweilig und der sinnlose thailändische Spruch: „Same, same, but different“ beginnt wieder an Bedeutung zu gewinnen.

Der Abend wird grandios, natürlich werden unser Wunschgerichte geliefert und wir essen wie üblich viel zu viel und bezahlen viel zu wenig, wer möchte da wohl zurück nach Russland.

144. Tag: Dienstag, der 6. September 2011

6. September 2011

Über den Wolken

136 Kilometer von Tauhuai nach Hunyuan, 1700 hm bei angenehmen Temperaturen bis 25 Grad, wegen des Horrorverkehrs die letzten 23 km im Bus

Heute brechen wir recht zeitig auf, denn vor uns liegen wieder viele Berge und fast 140 Kilometer und wir wollen nicht wieder bis in die Dunkelheit fahren. Den ersten Pass kennen wir schon vom Abend vor zwei Tagen, doch heute ist alles anders. Die Sonne strahlt als wir den Ort verlassen und noch einmal an allen Tempeln vorbeifahren. Gleich inter dem Ort beginnt die Steigung und dann geht es fast 900 hm konsequent 16 Kilometer nach oben. Mit jeder Schleife und jedem Bogen wird die Aussicht über das gesamte Wutaishan Gebiet besser, wie ein Spielzeugland liegt die Stadt mit den vielen Tempeln unter uns. Nach knapp zwei Stunden sind wir oben und auf der anderen Seite ist der Blich ebenfalls grandios. Hier liegen die Wolken unter uns und stecken in den Tälern zwischen den Gipfeln fest.

30 Kilometer Abfahrt ist immer eine tolle Sache, vor allem, wenn es keinen Verkehr gibt und der Asphalt so gut ist, dass man ungebremst mit 60 Sachen dahin blasen kann. Jeden Meter den wir heute segeln können, hatten wir uns vor zwei tagen hart erkämpft.

Unten in der kleinen Stadt kehren wir wieder in den gleichen Laden ein und verschlingen wieder gebratene Nudeln oder gedämpfte Baotze Teigtaschen, bevor wir uns wieder in die Spur machen. Leider geht es erst einmal 18 Kilometer die Hauptstraße entlang. Dort herrscht ordentlicher Verkehr, aber die Straße ist breit genug. Das soll sich später dann noch ändern.

Endlich kommt der Abzweig und nachdem wir noch ein paar idyllische Dörfer mit Lehmziegelbauten durchquert haben, geht es auf den nächsten Pass zu, der allerdings nur 400 hm hat. Auch dann kommt wieder eine schöne Abfahrt bis ganz weit nach unten und damit haben wir noch keinen einzigen Meter Höhe gewonnen, was den letzten Gebirgszug angeht.

Unten wollte ich wieder auf eine kleine Straße treffen, die ist auch dort, aber wegen einer Baustelle wird der gesamt LKW Verkehr über diese Route geführt. Und es ist der blanke Horror. Die LKW rauchen auf der zu engen Straße im 20 Sekunden Takt vorbei. Überholt wird immer und vor allem in Kurven, wenn man keine Sicht hat. Die störenden Radfahrer werden dann mit lautem Hupen zur Seite geschoben. Dazu kommt dann noch der Staub und Dreck. Wir machen das ganze vielleicht 20 Kilometer mit. Dann steigen wir in das Begleitfahrzeug. Ein zweiter Minibus ist innerhalb von 5 Minuten aufgetrieben und dann dürfen sich die beiden Fahrer durch den hektischen Verkehr quälen. Am Pass sehen wir, dass die Entscheidung mehr als richtig war. Mit 10 km/h schlängeln sich hier die Trucks nach oben, einer nach dem anderen, dazwischen immer 5 Meter Platz und das ganze über gut 4 oder 5 Kilometer.

Um die Abfahrt ist es dann ein wenig schade, aber die Landschaft gibt auch nicht so viel her. Wegen der Bauarbeiten an einer neuen Autobahn sieht es abschnittsweise aus wie auf dem Mond, doch wir sind dann schon zu recht angenehmen Zeiten im Hotel in Hunyuan. Nach dem „Roten Oktober“ der letzten Tage geht es heute recht luxuriös zu, 4 Sterne, die draußen draufgemalt sind, hat das Hotel zwar nicht verdient, aber ansonsten stimmt eigentlich alles im Hotel. Zum Abendessen finden wir ein kleines Familienlokal am Markt und das hat den Vorteil, dass man die Gerichte im Lokal mit den Grillspießen von draußen kombinieren kann.