Dienstag, der 13. Dezember 2011

13. Dezember 2011

Verkaterter Russischer Bär

Russland- das klingt wie Abenteuer, Wodka, und Kaviar. Russland, das war früher die Inkarnation des Bösen für die einen, der angeheiratete „Große Bruder“ für die anderen. „Von der Sowjetunion lernen, heißt: Siegen lernen!“ lernte ich damals noch in der Schule neben einem soliden Grundwortschatz an nützlichen und unnützen Vokabeln.

Vor 20 Jahren zerbröselte dann das Riesenreich in seine Bestandteile und versuchte seinen neuen Platz in der Weltgeschichte einzunehmen. Damals war ich schon einmal mit dem Fahrrad sechs Monate im Land und konnte 1992 den Verfall in sechs Monaten studieren, der Rubel stürzte von April bis September von 1: 30 auf 1: 500. und es war nichts wie es mal war. Die Menschen nahmen es gelassen, es war eine Reise damals von einer Einladung zur anderen, Aufbruchstimmung war zu spüren, wie überall in Osteuropa.

Wo das Land jetzt angekommen ist, das wollte ich mir mit eigenen Augen ansehen und nicht aus dem Touristenbus auf dem holprigen Asphalt zwischen Nowgorod, Petersburg und Moskau oder hinter den Scheiben der Transsibirischen Eisenbahn, in der der klassische grusinische Schwarztee durch die gleichen Teebeutel ersetzt wurde, die wir auch in unserem Supermarkt um die Ecke finden.

Also habe ich wieder drei Monate das Land mit dem Fahrrad bereist. Aus dem Baltikum kommend, ging es über die Hansestädte Pskow und Novgorod bis nach Moskau. Von dort führte dann mein Weg nach Osten über Kasan bis zum Ural und nach Jekatarienburg; weiter über den europäischen Tellerrand hinaus über Omsk und Novosibirsk nach Irkutsk an den fernen Baikalksee und schließlich über Burjatien in die Mongolei.

Die großen historischen Städte wollte und habe ich gesehen, vor allem aber interessierte mich das Leben in Dörfern und Kleinstädten und das wollte ich mit der Kamera festhalten. Die Erlebnisse und Eindrücke sind umwerfend in einem Land, das zerrissen von Widersprüchen ist, die größer nicht sein können. Stagnation und Verfall, das waren die ersten Eindrücke, noch ganz im Westen und das hat sich fortgesetzt bis ins tiefste Sibirien.

Während Moskau die wohl weltweit größte Dichte an luxuriösen Geländewagen der Marke „Hummer“ hat, hängt der Rest des Landes an der Wodkaflasche. Das Straßennetz ist mehr als morbide, die Hauptverbindung von Europa nach Moskau ist eine Piste aus Löchern mit Asphaltresten, so als fürchte man immer noch den Einfall faschistischer Horden, denen man den Zugang zur Hauptstadt unmöglich machen will. Die Dörfer, um 30 % entsiedelt, verfallen, die schönen alten Holzhäuser, straßenzugweise. Die Leute leben autark von ihren Kartoffeln und dem Gemüse aus dem Garten und auf dem Markt verkaufen alte Männer und Frauen einen halben Eimer Kartoffeln, zwei Bund Zwiebeln und drei Stück Rote Beete, es muss halt nur für den Wodka am Abend reichen. Ein alter Mann in Jekatarienburg sagt mir: „Euch geht es gut in Deutschland, dabei haben wir Russen den Krieg gewonnen und ihr habt ihn verloren!“ Die Stimme klingt nicht nach Hass, nur nach Verbitterung und depressiver Traurigkeit. Man ruht sich immer noch aus, auf dieser großen vaterländischen Leistung: „Niemals und nichts vergessen!“ springt dem Resisenden landesweit von Plakaten entgegen, die Soldatenfriedhöfe sind jedoch ungepflegt und verwildert. Dafür findet man überall noch Lenin, in jedem Dorf und jeder Stadt gibt es noch eine Statue in der Leninstraße oder auf dem Leninplatz. Das Mausoleum ist immer noch eine Attraktion auf dem Roten Platz. Wachsbleich ruht der Oktoberrevolutionär wie Schneewittchen in seinem Glassarg, die Ordnungskräfte, die den Eingang regulieren sind rüde und unfreundlich und ranzen mich an: „Im Mausoleum sei fotografieren verboten!“ Mein Einwand, dass wir uns immer noch weit vor dem Mausoleum auf dem Roten Platz befänden, wird weggewischt und die uniformierte Matrone überprüft die Löschung des Bildes, auf der sie die Zigarrette im Mund hatte während sie das Gepäck eines Touristen durchwühlte. „Lenin lebt“ – nach dem Rundgang an der Kremelmauer begegnet mit der Genosse und schüttelt mir die Hand für 10 Rubel, Foto ausdrücklich genehmigt!

Je weiter weg von der Hauptstadt, um so größer wird der Kult. Die Hauptattraktion der Stadt Ulan-Ude im fernen Burjatien ist immer noch der größte Leninschädel der Welt. Stalins grab findet man an der Kremelmauer, nicht weit Juri Gagarin entfernt und im fernen Sibirien in einer schäbigen Stadt namens Ischim findet sich auch noch eines der letzten Stalindenkmale im Lande. Man wünscht sich schon wieder einen großen Führer und jemandem der der Welt zeigt, was die Russen wirklich können und was für tolle Burschen sie doch alle sind. Die Welt lacht über Putin mit freiem Oberkörper beim Angeln oder beim Erlegen eines Tigers.

Radfahren in Russland ist ein Abenteuer, aber anders als erwartet. Wirklich aufgeschlossene Begegnungen sind selten, das war vor 20 Jahren noch anders, immer wieder wurde ich damals fast von der Straße wegefangen und eingeladen, das passiert uns heute kaum noch. Manchmal hält ein Lada und die Besatzung springt heraus und glaubt einfach nicht, dass wir in Berlin losgefahren sind und noch weniger, dass wir bis nach Peking wollen. Die Wodkaflasche wird gezückt und die Becher machen die Runde, halbvoll und runter und dann noch einmal, diesmal mit dem Fahrer und es waren nicht seine ersten „sto gramm“ heute.

Stagnation ist das prägende Bild, Winterschlaf mitten im Hochsommer. Wer noch Arbeit hat, dödelt vor sich hin, Pfusch und Schlamperei. Keine Baustelle, die ordentlich vollendet wird. Noch vor Einzug bröckelt der Putz. Der „Service“ in Hotels, Läden und Restaurants ist mürrisch und müde, alte Sowjetmentalität ist noch lange nicht ausgerottet, sondern wieder im Erwachen. In winzigen Städten kostet ein schrottiges Hotelzimmer 45 €, das noch nicht einmal Jugendherbergsstandard hat, warmes Wasser gibt es nicht. Im Sommer, da werden immer die Leitungen repariert…oder wohl eher nicht.

Bis zum Ural sieht es dann etwas besser aus, hier stehen die Industriezentren des Landes, hier wird noch produziert und den Menschen geht es besser. In Jekatarienburg tobte der Bauboom, allerdings ist der seit ein paar Jahren zum Erliegen gekommen und Ruinen nicht vollendeter Geschäftsbauten und ein halbfertiger Fernsehturm prägen das Stadtbild. Hinter dem Ural beginnt eben das Freilichtmuseum des zerfallenen Sozialismus. 60 % Arbeitslosigkeit kompensiert durch 42%igen Wodka. Das einstmals vorbildliche Gesundheitswesen existiert nicht mehr. Wer nicht zahlt, bekommt keine Hilfe. Warum also ins Krankenhaus, wenn man sich die Seele vorher aus dem Leib saufen kann. „Eigentlich sind alle kriminell“ jammert der Poizist, der mir den Weg zu einer Herberge in einem größeren Dorf zeigt. „Aber was sollen die jungen Leute tun, Jobs gibt es nicht und Geld braucht man für Benzin und Wodka, und in den Städten kommen die Drogen noch dazu!“

Genauso museumsreif wie die zerfallenden Holzhäuser ist der Fahrzeugpark, Lada heißt der hier bevorzugte Fahrzeugtyp, gefolgt vom „Rost-quietsch“, Moskwitsch, ab und an ein Wolga. Die Modelle haben oft mehr Jahre auf dem Buckel als die Fahrer, aber der Wagen, der rollt. Und noch zu schnell, die Straßen sind gesäumt von Gräbern, die „Opfer“ meist nicht über 30. Die Landschaften sind unendlich in allen Beziehungen, unendliche Weite, unendliche Birkenwälder, unendliche Hügel, unendliche Straßen vom Ural bis zum Baikalsee.

Manchmal ist es schwer ein Restaurant oder einen Imbiss zu finden, doch es gibt überall kleine Kioske, die neben einem mehr als weiten Sortiment an Wodka auch Lebensmittel verkaufen. Meist sind sie gesichert wie eine Bank. Dicke Gitter trennen Ware und Verkäufer vom Kunden, bestellt und bezahlt wird durch ein kleines Loch darin. In den Supermärkten patroullieren Sicherheitsleute.

Kaum ein Auto parkt in den kleinen Städten einfach auf der Straße vor dem Haus, dafür gibt es spezielle „Stojankas“ Abstellflächen, diese sind kostenpflichtig und mit Zaun, Wachpersonal und Hunden gesichert.

Großer Baikal, wie habe ich darauf gewartet an deinem Ufer zu stehen, von Irkutsk noch einmal 75 bergige Kilometer bis an das größte Süßwasserreservoir der Welt. Doch dann in Listwijanka, ein 2 Meter breiter Strand, überall Müll und leere Flaschen, Bauruinen. Am Wochenende fallen die Irkutsker ein, man kommt nicht mehr über die Straße und alle fahren mit dem Auto bis direkt ans Wasser, breiten daneben eine karierte Decke aus und hinterlassen Müll, den keiner wegräumt. Die Luft ist rauchgeschwängert vom Qualm der Räucherkästen. Der Omul wird überall geräuchert, verkauft und gegessen. Ein leckeres Fischchen, eigentlich dürfen nur große Fische gefangen werden, doch das Mindestmaß von 35 cm hat kaum einer von den Tieren, die hier auf dem Grill brutzeln.

Das Wasser im See scheint aber klar und sauber zu sein, auch wenn im Januar ein Gesetz ausgelaufen ist, welches die Einleitung von Idustrieabwässern in den See für zwei Jahre verboten hatte, jetzt dürfen die Zellulosefabriken ihren Dreck wieder fast ungefiltert einleiten. Es ist wie überall in Russland, die scheinbare Unendlichkeit liegt über allem, wen stören die wilden Müllkippen, wenn danach 50 Kilometer nur Wald, Wald und Birken folgen.

Es war ein Erlebnis in Russland Rad zu fahren, der Verkehr war rauh, aber nicht so hart wie erwartet, die LKW schwarten meist dicht am Radler vorbei, man ist aber nicht aggressiv, es fehlt einfach an Radfahrern, als das man den Umgang mit dieser Spezies gewohnt sein könnte. Es war ein Erlebnis in Russland den Zerfall zu sehen, den Pessimismus und die Satgnation, Städte so grau wie zu Zeiten des Kalten Krieges; im Nachbarland, der Mongolei geht es dagegen aufwärts und China ist ein Kulturschock im positiven Sinne, aber das ist eine andere Geschichte.

Zurück in Berlin blickt man auf den Nachrichtenticker über die Wahlen, es hat sich Nichts geändert in Russland, Putin hat sich wieder an die Macht geschaukelt, Vorwürfe der Wahlfälschung gibt es, Proteste werden aufgelöst, das Internet wird zensiert. Die Wahlbeteiligung war so gering wie nie, mich wundert es nicht und auch der einfache Mann erwartet nichts mehr als seine Flasche Wodka.

Oder vielleicht hat sich doch etwas geändert, wir werden es in den nächsten Wochen sehen, was aus den beginnenden Protesten wird, ob der Russische Bär aus dem Winterschlaf erwacht oder sich nur träge auf die andere Seite wälzt.

Meine Fotos habe ich in Schwarz-Weiß gehalten, weil es die Stimmung im Land besser wiedergibt. Grau und schwermütig wie das Land selbst, könnten sie ebenso aus den 60er Jahren stammen.

 

29. Tag: Sonntag, der 23. Oktober 2011

23. Oktober 2011

Lanzhou von oben und von unten-das Ende einer Reise

Ruhe und Besichtigungstag in Lanzhou, trüb, dann sonnig bei 18 Grad, knappe 12 Kilometer zu Fuß durch die Stadt und zur Weißen Pagode

Noch einmal stehen wir zeitig auf, denn der Baulärm weckt uns schon gegen halb acht und das frühstück ist auch eher mies. Was für ein garnduios schlechtes Hotel und ich habe es auch noch selbst ausgesucht! Das ist in China schon beachtlich, dass sich der Zustand von Hotels über ein oder zwei Jahre rapide verändern kann, meist aber nicht zum guten. Auf der anderen Seite gab es aber auch schon positive Überraschungen, wenn das hotel zum Beispiel aufwändig saniert wird, aber im nächsten Jahr werden wir auf alle Fälle wechseln. Heute lohnt sich das nicht mehr, denn morgen ganz zeitig sitzen wir schon im Bus zum Flughafen und gestern Abend hatte auch niemand mehr Lust auf einen Wechsel.

Zuerst fahren wir mit dem Taxi zum Gelben Fluss, hier gibt es ein kleines Monument, dass sich die „Mutter des Gelben Flusses“ nennt. Der Sandsteinklotz, der eine Mutter mit ihrem Kind darstellt und die bedeutung des gelben Flusses für die Entwicklung der chinesischen Kultur und Geschichte aufzeigen soll, ist weder besonder schön, noch alt. Aber es zieht viele lanzhouer und lokale touristen an und so kann man hier wunderbar Chinesen beim Chinesen Fotgrafieren fotografieren oder einfach nur beobachten. Von hier aus wandertt es sich schön am Fluss entlang und es gibt einen schmalen Park, in dem die Städeter ihre Hunde spazieren führen oder Sport treiben. Heute können wir einer ziemlich guten Taichi Vorführung beiwohnen. Ein vielleicht 60 Jähriger zeigt für uns auf Wunsch noch einmal die Vorstellung vom Betrunkenen Schwerttmeister. Die dem imaginären Trunk folgenden Schwankungen sind choreographisch gewollt und diese Schwerttfolge ist eine der schwierigsten Taichi-Übungen. Das sehen viele der chinesischen Passanten auch so und der Meister muss nun auf Druck der Zuschauer ein drittes Mal antreten. Vielleicht gelingt es mir sogar die Sequenz bei u-tube einzubinden, aber dazu muss ich erst einmal meine Kinder zu Hause befragen, wie man so etwas macht.

Mir der Seilbahn geht es dann über den Fluss nach oben in die Berge auf der gegenüber liegenden seite. Hier befindet sich ein Park mit einer schönen alten Pagode aus der Yuan Dynastie, leider wird auch hier gebaut, so dass wir nicht gemütlich im Teehaus sitzend die Perspektive der ganzen Stadt genießen können. Das geht erst von einem kleine Pavillion, vor dem uns die gesamte Stadt zu Füßen liegt.

Unter uns fließt recht schnell strömend der Gelbe Fluss vorbei, der, hier gerade ins Lösland eintauchend schon beginnt seine typische erdige Farbe anzunehmen. Vor zwei Tagen war der Fluss noch fast rein und klar, schnitt sich aber dann sein Bett durch gelben Lössand aus der Wüste Gobi sich in dieser Region mit einer Dicke von mehreren hundert Metern ablagerte in einem Gebiet, welches sich von hier fast bis Beijing hinzieht. Das schlammfarbene Gewässer ist die Wiege der chinesischen Zivilisation, aus kleinen prähistorischen Siedlungen am Leben spendenden Fluss entwickelten sich Großreiche und über Jahhundert die höchstentwickelte Kultur der Welt. Lanzhou bildete dabei eine wichtige Grenze zwischen dem chinesischen Kernland und verschiedenen Reichen im Westen des Landes. Um die Stadt, als Einfallstor und wichtiger Posten an der Seidenstraße zu schützen, wurde die Chinesische mauer weiter augebaut und bis Yumen weiter geführt. Nach dem Zuzsammenbruch der Han-Dynastie war Lanzhou sogar zeitweise Hauptstadt der Frühen Liang im 4. Jahrhundert.

Historie findet man jedoch im Stadtzentrum kaum, deshalb wurde auf der anderen Flussseite unter der weißen Pagode Geschichte wieder neu konstruiert und es sind einige protzige Tempel entstanden um Touristen und Tagesasuflüghler anzulocken.

Am Nachmittag sind wir dann wieder „unten“ in der Stadt und schlendern über die Zhangye Straße, wo man Kaufhäuser und Markenläden aller Art findet. Jedoch kaum ein vernünftiges Restaurant, die befinden sich alle in den Seitenstraßen etwas weiter weg.

Dafür kann man aber Kaffees und Bäckereien finden, in denen Schwarzwäder Kirschtorte nicht unbekannt ist. Wir tätigen unser letzten Einkäufe und laufen dann die gesamte Strecke zum Hotel zurück. Hier heißt es dann packen, denn morgen um halb sechs in der Frühe kommt unser Taxi und fährt uns zum Flughafen.

Als dann alles im Koffer verstaut ist gehen wir dann zu unserem letzten gemeinsamen Abendessen und essen uns noch einml quer durch die besten Gerichte, die wir in den letzten Wochen kennen gelernt haben und damit ist dann diese Reise auch fast beendet, viele Erinnerungen und ein paar kleine Geschenke treten morgen den Weg nach Deutschland an und eine große Kollektion toller Bilder.

Im nächsten Jahr zur gleichen Zeit ist es dann wieder soweit und es besteht für alle meibne leser die Möglichkeit, nicht nur hier im Blog dabei zu sein, wenn wir uns wieder auf den Weg am Rande des tibetischen Hochlandes machen.

 

 

28. Tag: Samstag, der 22. Oktober 2011

22. Oktober 2011

Nach Lanzhou und am Ziel!

81 km von Liujiaxia nach Lanzhou, ein letzter Pass und noch einmal 830 hm bei grauem Wetter ohne Regen und einer verkehrsreichen Einfahrt nach Lanzhou bei 8 bis 16 Grad

unser letzter Tag auf dem Rad auf dieser Tour und mein letzter Tourentag in diesem Jahr! Da wird man schon etwas wehmütig, gerade wenn das Wetter so grau ist. Wir strampeln dann gleich am Morgen den letzten Pass nach oben, noch einmal 800 hm, zu sehen gibt es bei dem Wetter nicht so viel. Nach oben hin wird es wieder recht kühl, aber es gibt kurz vor dem Tunnel ein kleines Dorf und ein kleines Restaurant mit Baotze. Hier plündern wir dann unsere letzten Kaffeevorräte und ziehen uns warm an für die Abfahrt in die Millionenstadt Lanzhou. Gut 25 Kilometer rollt es dann von alleine und dann sind wir unten im trüben Talkessel. In den 90er Jahren war Lanzhou eine der schmutzigsten Städte der Welt, einiges hat duie Regierung dagegen getan, aber bei dem trüben Wetter hat man den eindruck, dass es nicht viel geholfen hat. Das Problem ist, dass die Metropole mit über 3 Millionen Einwohnern in einem Talkessel liegt, deren Eingang aber durch einen berg und der Ausgang durch ein paar Kurven des Gelben Flusses blockiert sind, so dass nur äußerst selten ein Luftzug die Stadt „belüftet“ und sich die Indutrieabgase richtig fest setzen können.

Auch der Verkehr der gesamten Provinz wälzt sich hier durch das Tal und das auf nur zwei oder drei parallelen Straßen, so dass wir gute 30 Kilometer dichten Verkehr haben. Außerdem müssen wir ab und zu auf unseren Fahrer warten, der ist das erste Mal in der Stadt und kennt sich nicht aus und hat noch meher mit Verkehr zu kämpfen als wir.

Endlich nach mehr als zwei Stunden Stadtfahrt sind wir am Hotel.

Leider hat das Hotel in den letzten zwei Jahren stark gelitten und die Zimmer sind nur mäßig und erst mit viel Mühe bekommt man die Klimaanlage zum laufen, das Wasser ist auch nur warm und nicht heiß und aus gutem Grunde wird der Flur über uns renoviert, natürlich mit dem entsprechenden Bau-und Abrisslärm.

Wir suchen uns ein koreanisches Restaurant und feiern hier unseren Abschluss der Reise schon heute, denn unser Fahrer Xiao Pang tritt noch am heutigen Tag die Rückreise an. Die Koreaner sind gerade eine Modeerscheinung in China, dazu gibt es meist ein großes Buffet mit Gemüse und Fleisch, sowie kleinen Snacks und einen Tischgrill. Das Ganze ist ein wenig wie Raclette ohne Käse und ziemlich beliebt, deshalb brummt der Laden auch mächtig. Zum Scghluss ziehen wir dann noch auf ein Foto und einen schnaps in eins unsere Zimmer um und lassen die Reise noch einmal Revue passieren. Wir haben schon jede Menge gesehen, am Anfang waren das der Schlöafende Buddha und das Höhlenkloster matisi, dann ging es erstmals richtig durch die Berge nach Xining, wo wir den längsten Thanka der Welt bestaunt haben und erstmals mit tibetischem Buddhismus in Berührung kamen. Und dann wieder die Berge und diesmal haben wir es bei schönem Wetter auch geschafft, die 4000 Meter zu knacken. Eins der schönsten Komplimente habe ich für meine Bilder bekommen. “ Wenn ich deine Fotos sehe, dann denke ich, dass ich eine ganz andere Reise gemacht habe!“

Xiao Pang hat seine Sache wieder gut gemacht und ich denke, dass ich im nächsten Jahr wieder mit ihm fahren werde.

27. Tag: Freitag, der 21. Oktober 2011

21. Oktober 2011

Der fröhliche Tibeter

57 Kilometer von Linxia über die Bingling Grotten nach Liujiaxia, 558 hm und eine Fähre über den Stausee, leider etwas trübe bei 14 Grad

Am Morgen ist es wieder recht frisch, so um die 6 Grad, aber das sind wir ja gewöhnt und gleich hinter der Stadt geht es einen straffen Hügel nach oben aus der Stadt heraus. In einem der ersten Dörfer an der Straße stoppen wir dann noch für eine Nudelsuppe und nebenan befindet sich gleich der Schlachter, die Straße ist getränkt vom Blut, vier Schafe hängen am haken zum ausbluten und der Boden ist glitschig und rot vom Blut. In einer Gasse stehen noch 8 oder 10 Schafe und warten stoisch auf ihre Hinrichtung. Der Metzger greift sich das vorderste Schaf, dann werden die Beine zusammengebunden, der Kopf über einen Trog gehalten und dann setzt er kurz das messer an die kehle des Tieres, welches noch einmal kurz zuckt und dann in sich zusammen fällt, dabei werden die Augen langsam glasig und erstarren. So nahe habe ich das vorher auch noch nicht erleben können und auf die Nudelsuppe mit Lammfleisch habe ich danach kaum noch Appetit.

Bis zum Liujiaxia-Stausee hügelt sich die Straße wieder duurch kleine Moslemdörfer in vollem „Maisschmuck“. So wie schon am gestrigen Tag sind an allen möglichen und unmöglichen Stellen die Maiskolben zum Trocknen aufgehängt.

Dann liegt der See zu unserer rechten weit unten. Leider ist es heute wieder sehr trüb, so dass man ihn eignetlich nur erahnen kann. Unten ist ein Fähranleger und ein paar Buden verkaufen Instant Nudelsuppen und Getränke. Auch warten kleine Schnellboote auf Touristen, die zu den bekannten Bingling Grotten fahren wollen. So wir natürlich auch. Wir parken unsere Räder hier zwischen und nehemen in einem der kleinen Boote Platz. Die Preisverhandlung nimmt eine Weile in Anspruch, satte 40 Euro kostet uns die Überfahrt trotzdem noch. Dann heult der Motor und mit erstaunlicher Geschwindigkeit fliegt das Boot zum anderen Ufer, welches sich nur erahnen lässt, Nach 20 Minuten biegt dann das Boot in einen Seitenarm des Sees ein und es geht durch eine spektakuläre landschaft, denn links türmen sich imposante Sandsteinformationen vielleicht 200 Meter in die Höhe. In der nächsten Biegung dann der Bootsanleger und wir sind am Eingang zu den Grotten. Außer ein paar Touristen buden ist heir nicht viel los und die Straßenhändler stürzen scich natürlich mit viel Freude und Energie auf die ankommenden fünf Touris. Am Ticketstand gibt es dann neuen Ärger, draußen steht dran, dass Rentner zum halben Preis reinkommen, das soll aber nicht für Ausländer gellten. Nach einer fruchtlosen Diskusion knalle ich dann das passende Geld auf den Tresen und wir gehen ohne Tickets rein, wenig später kommt ein Beamter in blauer Uniform und trägt uns die Tickets nach, für die Renter natürlich die verbilligten. Geht doch, oder?

Die Bingling Grotten gehören zu einer ganzen Gruppe von buddhistischen Höhlen entlang der Seidenstraße. Die bekanntesten sind die Grotten in Dunhuang und am imposantesten ist wahrscheinlich der Maijishan.

Die erste Grotte hier wurde schon vor 1500 Jahren während der Jin Dynastie in den Sandstein gegraben, die meisten Grotten stamme aber aus späteren Zeiten und die schönszten Skulpturen sind aus der Song Zeit. leider sind die Aufpasser wie die Geier und setzen das Fotografiertverbot durch, und werden erst von uns abgelenk, als endlich eine Gruppe von Chinesen kommt und alle ihre Handys zücken. Als wir vorne zum großen Buddha kommen ist die Enttäuschung groß, denn der ist wegen Konstruktionsarbeiten verhüllt und das schon seit zwei Jahren! Das ist schon eine Sauerei, da die Ticketpreise in China fast schon europäisches Niveau erreicht haben. So ist es dann doch recht dürftig, die Buddhafiguren sind wegen des weichen Sandsteins oft schon recht verwittert und ein Teil der Grotten um die große Maitreafigur sind überhaupt nicht zugängig. Wir überlegen kurz, ob wir noch mit einem Touristenfahrzeug das tal hinauf fahren um weitere Höhlen zu sehen. Trotz der knappen Zeit machen wir das dann und das war kein fehler. Nicht das dort noch einmal spektakuläre Höhlen zu sehen sind, nein, es gibt nur ein kleines Kloster mit einem fröhlichen buddhistischen tibetischen Mönch, der uns durch sein kleines Heiligtum führt. Für eine kleine Spende liest, singt, und klingelt er ein kleine Zeremonie für uns und bläst lange ins Muschelhorn. Dabei hat er überaus gute Laune, vor allem, als er erfährt, das wir gerade aus den tibetischen Regionen gekommen sind, in denen er zu Hause ist. Nun versucht er uns ein tibetisch tiefes Kehlkopf gesungenes „Omanipatmehum“ beizubringen und fährt dann mit dem Fahrzeug noch mit bis zum Bootsanleger. Unterwegs flirtet er dann noch ein wenig mit einer Nonne, die wir per Anhalter auch noch eingeladen haben, die aber nach ein paar Biegungen wieder aussteigt und in einen abseits gelegenen Tempel weiter zieht.

 

Wir gondeln mit dem Schnellboot zurück aufs andere Ufer, aber nur um unsere Räder schnell auf die gerasde ankommende Fährte zu bringen, dann geht es wieder zum gegenüber liegenden Ufer, aber ein paar Kilometer weiter nördlich.

Das Hotel heute ist wieder einmal ohne Heizung, dafür aber das Abendessen grandios auf der anderen Seite des gelben Flusses, den wir heute Abend wieder erreicht haben. In einem kleinen Sichuan Laden bekommen wir ein seperates Zimmer und haben heute wieder einmal nicht moslemisches Essen auf dem Tisch, das heißt also Schweinefleisch und eine größere Auswahl an Gemüse.

 

26. Tag: Donnerstag, der 20. Oktober 2011

20. Oktober 2011

Zurück ins Land der Hui

104 Kilometer von Xiahe nach Linxia, nur 100 hm hoch, dafür 936 hm runter, halbsonnige 5 bis 17 Grad

Heute verlassen wir nun leider die tibetisch geprägten Regionen der Provinz Gansu und kommen zurück ins Land der Hui Minorität. Dorthin führt uns dann ein langer, nicht all zu steiler Ritt nach unten durch ein mal mehr oder weniger weites Tal. Und gerade weil das Wetter nicht zu schön ist und die Nebel sich aus den Niederungen nur langsam auflösen, sind die Sichten auf die rundum liegenden Berge noch schöner. Zwar gibt es keine Schnee bedeckten Gipfel mehr, aber die im Nebel liegenden Felsen und Gipfel sind auch rech imposant. Auf den ersten 20 Kilometern liegen dann noch zwei tibetische Klöster und ab und zu sieht man noch einen Stupa oder in den Dörfern über den Häusern eine tibetische Fahne wehen, dann kommt ein über die Staße gebauter Torbogen und die Autonomische Tibetische Region liegt hinter uns.

Ein wenig später öffnte sich dann das Tal und eine weite fruchtbare Ebene liegt vor uns, mit vielen kleinen Dörfern. Die bauern holen gerade die Maiskolben von den feldern. Das geschieht hier nicht,  wenn die Pflanzen noch grün und die Kolben saftig sind, sondern die Bauern nutzen die trockenen Tage im Oktober, die gelben Kolben noch am Stengel vortrocknen zu lassen. Dann werden sie erst geerntet und kommen zum weiteren trockenen auf die Dächer oder auf die Tenne. Auch werden sie in dicken Trauben an Bäume gehängt, wenn der Platz nicht ausreicht oder an einer Häuserwand gestapelt.

Überall aus dem Dunst ragen heute Minarette der Moscheen. „Qing Zhen“ heißt der Islam auf Chinesisch, „Grüne Wahrheit“ bedeutet es und ensprechend sind viele der spitz aufragenden Türmchen auch in Grün gehalten. Oder aber in Gold und prächtig und protzig wie ein Tempeldach.

Auf den Märkten findet man deshalb natürlich auch keine augehängten Schweinehälften mehr, sondern lange Reihen von abgehäuteten Schafen, die hier abhängen und zum Verkauf angeboten werden. Ebenso in den Restaurants findet man natürlich hauptsächlich Rind und Hammel auf der Karte und die Moslems ziehen ebenso eine Portion Nudeln einer Schale Reis vor.

Schon am frühen Nachmittag fahren wir in Linxia ein und so bleibt zeit für einen langen Spaziergang durchs Zentrumn der Stadt und einen Bummel über den belebten Markt. Hier werden wir dann von der Straße weggefangen, von der 13 jährigenTochter eines Antiqitätenhändlers. Was erst wie eine Verkausshow begann, endete aber dann in einer Einladung zum Tee trinken. Aus dem kleinen Verkaufsraum werden wir nach hinten ins Wohnhaus geführt. Dort ist es groß hell und modern und in den Schränken sind antike Kunstwerke ausgestellt. Ohne Angst wird die Vase aus der Song Dynastie aus dem Regal geholt und einmal herum gereicht, mit etwas zitternden händen bin ich schnell bemüht das 1000 Jahre alte wunderschöne Keramikgefäß wieder dem Besitzer in die Hand zu drücken, weniger Scheu habe ich bei dem Spiegel aus noch älteren Zeiten, eine blank polierte Messingplatte ohne Glas. Wir schlürfen unseren „Ba Bao Cha“ einen Tee, der ausnahmsweise in China auch Zucker enthält, sowie verschiedenen getrocknete Früchte und bei Touristen immer gut ankommt, nicht nur wegen des geschmacks, sondern wegen der optisch schönen Präsentation in einer kleinen Deckeltasse in der oben dann eine getrocknete Frucht namens „Drachenauge“ schwimmt.

„Die zur Familie der Seifenbaumgewächse (Sapindaceae) gehörende Longan sind enge Verwandte der Litschi und gedeihen auf bis zu 20 m hohen, immergrünen Bäumen mit sehr dichten Kronen. Die 30 – 50 cm langen Blütenstände erscheinen auf den jungen Trieben und tragen kleine, gelbliche bis bräunliche Blüten. Auch die Frucht ist der Litschi sehr ähnlich, jedoch etwas kleiner und mit glatterer Oberfläche. Die Schale ist sehr brüchig, sie lässt sich meist einfach aufknacken. Das Fruchtfleisch ist elfenbeinfarben, weiß oder rosa und Samenkern hin dunkler gefärbt.“

Zum Abschluss werden wir noch im ganzen Haus herum geführt und bewundern die moderne Einbauküche, wo die Frau des Hauses gerade den Nudelteig fürs Abendessen knetet. Im Hof stehen überall gut gepflegte Bonsais und die Granatäpfel am schon wintertrockenen baum sorgen für zusätzliche Akzente.

Zum Abendessen gehen wir heute einfach nur über die Straße, dort befindet sich ein kleiner Nachtmarkt mit zahlreichen Grillständen. Da die Grillstände auch von Moselms betrieben werden gibt es dort natürlich keinen Alkohol, das Bier wird dafür drei Stände weiter verkauft und man kann es natürlich auch am Moslemstand trinken, zu den scharf mit Chili abgewürzten Fleischspießchen ist das einfach notwendig. Das Ganze ist sehr lecker, nur die Vegetarier haben etwas zu leiden, denn für die bleibt nur wieder eine Nudelsuppe und gegrilltes Brot.