6. Tag: Donnerstag, der 7. Februar 2013

7. Februar 2013

Raus aus der Stadt

65 Kilometer von Hanoi nach Hoa Binh, warmer sonniger Tag bis zu 28 Grad, 250 hm im Chaos aus der Stadt, dann belebte Straße und dann auf kleiner Straße in die Berge

Zwei ganze Tage in Hanoi sind komplett ausreichend, nicht wegen der Sehenswürdigkeiten, da hätte man noch einiges machen können, aber wegen des stressigen Verkehrs. Am Morgen starten wir mit dem Rad zum Frühstück an der Nudelbude. Chung, die mir beim Finden der Tofu-Manufaktur geholfen hat ist noch mal gekommen um Tschüss zu sagen und nach der Suppe und einem starken, aromatischen Kaffee schwingen wir uns auf die Räder und stürzen uns, hoffentlich letztmalig in den chaotischen Verkehr. Auf der Kim Ma geht es nach Westen und wir erleben noch einmal den breiten Strom der Mopeds in Bestform und lassen uns einfach treiben. Erstaunlich ist, dass man bei diesem Verkehr sogar links abbiegen kann, man muss einfach nur langsam und selbstbewusst auf die Gegenspur ziehen und durch den Gegenstrom „tauchen“.

Inzwischen sind die Ausfallstraßen besser ausgebaut als noch vor einigen Jahren und so ist es kein Problem mehr aus der Stadt heraus zu kommen, auf den zwei bis vier Spuren ist das Fahren trotz des Verkehrs dann noch rech angenehm. Der Straßenrand ist ein einziger Markt, angeboten werden immer Obst und Blumen, doch jetzt vor dem Tet-Fest vor allem Mandarinen und Pfirsichbäumchen und schöne Bonsais mit gelben Blüten. Außerdem gibt es riesige Stände mit Vasen und Geschirr und Nippes, Teppiche und Decken fürs Moped. Der absolute Hammer sind aber die mobilen Zierfischhändler. Der Fisch gilt als Glückssymbole und besonders Goldfische sind sehr beliebt. In Plastiksäcken werden nun die Tiere verschiedener Größen mit etwas Wasser „abgefüllt“ und dann an einem Metallgestell auf dem Gepäckträger des Mopeds montiert. Damit die Tiere nicht ersticken wird ab und zu mittels eines Schlauches aus einer Druckflasche reiner Sauerstoff in die Tüte geblasen.

Wir kommen bei den Temperaturen ganz schön ins Schwitzen, immerhin zeigt das Thermometer schon wieder 28 Grad. Welcher zur Tour vor zwei Jahren zur gleichen Jahreszeit, da haben wir bei weniger als der Hälfte fahren müssen und ordentlich geregnet hatte es damals auch. Beim Mittag in einem Städtchen 30 Kilometer aus der Stadt heraus wollen wir eigentlich gebratenen Reis, bekommen aber Nudelsuppe, obwohl ich eigentlich deutlich auf den gebratenen Reis des Kunden am Nachbartisch gezeigt hatte, wie auch immer stellt sich das als Glücksfall heraus, denn der Reis der nachbestellten Portion schmeckte eher mäßig, die Suppen waren gut.

Dann endlich haben wir auch den Abzweig von der Hauptstraße erreicht und nun sind wir den Verkehr ganz los und beginnen den angenehmen Teil der Radtour, zumal hier 35 Kilometer vor der Hauptstadt auch die Landschaft sich verändert hat, wir tauchen ein in die ersten Karstformationen und zwischen den Dörfern sind nun Reisfelder zu sehen. Wegen des warmen Wetters ist der Reisprozess im Vergleich zu anderen Jahren auch schon ein paar Tage voran. Die ersten Stecklinge sind inzwischen schon gesteckt worden und auch wir treffen heute auf einige Pflanzerinnen, die gerade mit dem Vereinzeln beschäftigt sind.

Auf kleiner ruhiger Straße klettern wir die ersten kleinen Berge, rundherum schöne Karstberge und viel Natur. Welch ein Kontrast zu Hanoi. Einige der Reisfelder werden mit Wasserrädern bewässert, die quietschenden Konstruktionen kommen ohne einen Nagel oder ein Stück Metall aus, faszinierende kleine Wunderwerke der Mechanik.

Das Ressorthotel lädt mit Swimmingpool, warmer Quelle und gutem Restaurant ein, ein wunderbarer Abschluss für unseren ersten richtigen Radeltag.

5. Tag: Mittwoch, der 6. Februar 2013

6. Februar 2013

Tempel am Rande des Molochs

42 km Tagesausflug nach Co Loa, vorher Besuch bei Ho Chi Minh und am Abend Wasserpuppentheater bei Sonne bis 27 Grad

Heute muss es klappen mit dem Besuch beim Genossen Ho Chi Minh, zwar schaffen wir es wieder nicht, zeitig aufzubrechen, aber wir verzichten aufs Frühstück und fahren gleich zum Mausoleum. Dort warten schon jede Menge Leute, aber wir rücken schnell vor und nach 40 Minuten haben wir es geschafft und dürfen am Schneewittchensarg vorbei marschieren. Uniformierte wachen darüber, dass niemand einen Fotoapparat dabei hat und alle sich ordentlich benehmen. Ab und zu legt ein Wachsoldat die Finger auf die Lippen und ermahnt Schwätzer zur Ruhe.

Da lag er nun der alte Genosse, eigentlich hatte er eingeäschert werden wollen und man sollte seine Asche im ganzen geliebten Land verteilen. Aber er schaut noch recht frisch aus und ist in den letzten sechs Jahren, seitdem ich zum ersten Mal hier zu Besuch war nicht gealtert, im Gegensatz zu mir, allerdings bin ich auch noch am Leben.

Hinter dem Mausoleum liegt dann noch das Wohngebäude Onkel Hos, eher eine gemütliche kleine Holzvilla auf Stelzen, nicht zu vergleichen mit den Residenzen andere Herrscher oder Diktatoren. Ho Chi Minh war mit Sicherheit der bescheidenste unter den sozialistischen großen Vorsitzenden und er war glücklicherweise nicht lange genug am Ruder um große „Reinigungen“ durchsetzen zu müssen und bleibt deshalb wohl einer der sympathischsten Kommunisten überhaupt.

Wir mischen uns mit den Rädern unters Mopedvolk und reiben die Schultern mit Millionen von Vietnamesen, zumindest fühlt es sich so an. Das Individuum ist wie ein Fisch im Wasser und muss im Schwarm schwimmen, dann funktioniert das System. Und so kommen wir auch unbeschadet durch die Stadt und über die Long Bien Brücke, die nur für Radfahrer frei gegeben ist.

Auf der anderen Seite wird dann die Straße breit und wir empfinden den verkehr nicht mehr als sooooo anstrengend und rollen eine Stunde später in Co Loa ein.

Die Tempel hier sind weder gigantisch noch spektakulär, deshalb finden auch so gut wie keine Touristen den Weg hierher und wir sind alleine in den beiden Tempelanlage und genießen die Stille und Ruhe. 2000 Jahre Geschichte lassen sich eher erahnen, lediglich die tollen Holzkonstruktionen der Tempel haben fast 1000 Jahre auf dem Buckel und sind mit beeindruckender handwerklicher Geschicklichkeit errichtet worden.

Wir radeln noch eine Runde durch das beschauliche Dorf, unter dem wohl die Reste und Schätze einer Hauptstadt, die vor zwei tausend Jahren hier stand, für ewig verborgen bleiben werden. Heute leben die Bewohner von Landwirtschaft und es entstehen recht schicke Häuser auf dem historischen Grund.Nur ein Restaurant zu finden ist recht schwer, endlich haben wir einen Laden gefunden, aber der Besitzer erklärt uns in gutem Russisch, dass es erst abends etwas zu essen gibt. Schließlich bekommen wir auf dem Markt noch ein paar Snacks in Form von Fritten und einer Reissuppe.

Auf dem Rückweg nehmen wir eine Nebenstraße und probieren einen neuen Weg. Wir fahren durch hübsche Dörfer und finden auch eine Fähre, die uns ein Stück des Weges kürzt. Auf der anderen Seite dann auch wieder ein Dorf und noch einmal eine Tofumanufaktur. Hier kann ich dann gleich mein zwei Tage vorher erworbenes Wissen präsentieren und Frank und Katrin den Prozess erklären. Und natürlich dürfen wir vom frischen Tofu kosten und auch hier ist das Resultat wieder mehr als lecker.

Der Rückweg durch die Stadt ist wieder anstrengend, wir erreichen das Hotel gegen halb sechs, duschen und brechen gleich wieder auf in Richtung Zentrum, denn wir haben ja Karten fürs Wasserpuppentheater. Unterwegs gehen wir noch essen und dann ab ins Theater. 50 Minuten beobachten wir das treiben der bunten Holzfiguren, die vor eine Vorhang im Wasser von unten bewegt werden. Entwickelt haben diese alte Kunst die Reisfeldbauern, indem das Reisfeld einfach durch einen Vorhang zur Bühne wurde. Im Vergleich zu den Vorjahren hat man die Show besser durchgestylt und überarbeitet. Es wirkt alles sehr professionell und durch designt, hat aber ein bisschen an Charme verloren. Egal, wer nach Hanoi kommt, muss das gesehen haben, Katrin und Frank hat es überaus gefallen, ich fand es auch wieder gut, zumal wir Plätze in der ersten Reihe hatten.

Am Abend reicht die kraft noch für einen Kaffee um die Ecke, dann gehen wir schlafen, in der Hoffnung den Jetlag endgültig bis morgen zu bekämpfen, wenn wir dann „richtig“ radeln wollen und müssen.

 

 

4. Tag: Dienstag, der 5. Februar 2013

5. Februar 2013

Ein Tag in Hanoi

16 km durchs Zentrum von Hanoi auf dem Rad, gemeinsam mit 6 Millionen Hanoiern auf Mopeds, Besichtigung des Literaturtempels und der Altstadt, Spaziergang am Kiemsee

Ein Tag in Hanoi und eine Reise in Vietnam müssen mit einer kräftigen Nudelsuppe, genannt Pho Bo, beginnen und gleich um die Ecke gibt es eine solche Nudelbude, in welcher wir uns für den Tag stärken und nebenbei schon einmal einen Blick auf den Mopedverkehr werfen können. da müssen wir dann gleich durch. Nach der schmackhaften Suppe steigen wir auf die Räder und biegen in die Kim Ma Straße ein, mitten in den dichten Strom der Mopeds. Und hier darf man keine Angst haben und muss sich einfach treiben lassen und es funktioniert auch für Katrin und Frank sehr gut. ich konnte ja vor drei Jahren schon 6 Monate Erfahrungen sammeln, als ich am hiesigen Goethe Institut unterrichtete.

Bis zum Literaturtempel ist es nicht weit. Wir schlendern durch die schöne Anlage des konfuzianischen Tempels. im 17 Jahrhundert wurden hier die Prüfungen für die Beamten abgehalten. dazu musste ein Aufsatz verfasst werden. Die Liste der Absolventen ist noch heute in Stein gemeißelt zu sehen. Anträge, Namen von der Steintafel zu löschen, weil die Anwärter abgeschrieben oder fehlerhaft zitiert haben sind bisher nicht bekannt geworden. Interessante als der Tempel ist die Straße davor. In einer Woche findet das vietnamesische Neujahrsfest statt und deshalb haben in diesen Tagen die Kalligraphen hier ihre Stände aufgebaut und verfassen Texte oder malen kleine Tuschebilder auf Bestellung, die erworben werden können.

Zu Mittag probieren wir die vietnamesische Version der Boulette, es ist eine kleine Hackfleischpastete, die mit Nudeln, frischen Kräutern und Suppe serviert wird, recht lecker. neben der Boulettenbude ist die „Bank“. In einem kleinen Laden kann man schnell und effektiv Geld wechseln, die Prüfung meines 500 € Scheines bedarf nicht einmal einer Sekunde und nach einer halben Minute bin ich mehrfacher Millionär. Der Kurs liegt bei 1: 28.000.

Der richtig dichte Verkehr findet dann in der Altstadt rund um den Hoa Kiem, den Kiemsee statt. Wir treffen hier noch auf eine Schülerin von mir und schlendern um den See. Hier finden sich täglich hundert von Hanoiern zum Spazierengehen ein oder es werden die obligatorischen Hochzeitsfotos gemacht. Auf jedenfalls herrscht zu jeder Tageszeit und besonders am Abend reges Leben hier am See. in der Mitte des Sees befindet sich eine dreistöckige Pagode, welche dem Spiel „Türme von Hanoi“ ihren Namen gegeben hat. Bei dem Spiel geht es lediglich darum eine Holzpagode umzuschichten und ich habe darüber auch schon einmal einen Artikel geschrieben. Der Geheimtipp am Kiemsee ist ein kleines Cafe. Das erreicht man, indem man durch eine unscheinbaren Laden hindurchgeht und dann kommt man über eine Gang in einen dunklen Innenhof, der hübsch ausgestaltet ist mit kleinen Buddhas und anderen Figuren. Über eiserne Treppen geht es nach oben bis aufs Dach und hier bekommt man den Kaffee mit der besten Aussicht in der Stadt. Vietnamesischer Kaffee an sich ist schon ein geschmackliches Erlebnis, denn die Bohnen aus eigener Ernte vom Zentralen Hochland haben ein eigenes Aroma und der Kaffe wird als sehr starker Mokka in speziellen Filtern aufgebrüht.

Dann drängeln wir uns zu Fuß durch die Altstadt. ursprünglich gab es 36 Gassen, die nach Gewerben geordnet waren. das ist heute nicht mehr so, aber trotzdem findet man oft in einer Straße nur Läden mit Farben oder Metallwaren oder Papierwaren oder mehrere Läden mit Süßigkeiten oder Kaffee nebeneinander. das Gedränge auf der Straße ist unvorstellbar und wir sind froh, dass wir die Räder am Kiemsee haben stehen lassen. An einer Kreuzung lassen wir uns an einem Eckladen auf kleine Plastikhöckerchen nieder und genießen Bia Hoi. das ist auch eine Hanoier Spezialität eines erfrischenden Dünnbieres, das eigentlich fast überall in der Stadt angeboten wird. Beim Genuss des erfrischenden Getränkes mit angenehm niedrigen Alkoholgehalt genießen wir das Straßenleben, welches sich auf der Kreuzung vor uns abspielt. das ist besser als ARD und ZDF zusammen und Rundfunkgebühren werden nicht kassiert, für 0,3 Liter des Bieres legt man 30 Cent auf den Tisch, natürlich in vietnamesischen Dong.

Mit dem leichten Alkoholspiegel im Blut machen wir uns auf den Weg zurück, stoppen beim Chinagrill mit allerlei Leckereien vom Grill. der Frosch ist ein Gourmeterlebnis, der Tofu und das „normale“ Fleisch ist lecker, dazu gibt es Kimchi und einen scharfen Dipp und noch einmal Bier. danach fällt der Weg durch den unendlichen Strom der Mopeds noch leichter. Recht müde sind wir und noch ist der Jetlag nicht ganz überstanden und so sind wir nicht so spät nach einem ereignisreichen Tag im Bett.

3. Tag: Montag, der 4. Februar 2013

4. Februar 2013

Ankunft  im Paradies der Mopeds

60 Kilometer zum Flughafen und langes Warten auf Katrin und Frank, Rückweg in der Dämmerung und Dunkelheit bei angenehmen 24 Grad

Mein Körper ist immer noch auf mitteleuropäische Zeit eingestellt und deshalb schlafe ich lange in den Tag, dann ordne ich noch einmal mein gesamtes Gepäck und gönne mir zum Mittag eine leckere Nudelsuppe gleich um die Ecke. nach einem Kaffee wird es dann auch schon Zeit in Richtung Flughafen aufzubrechen. Inzwischen kenne ich die Strecke fast im Schlaf und brauche mich nicht mehr so sehr auf den Verkehr zu konzentrieren, sondern genieße den Weg aus der Stadt. Hanoi ist etwas besonderes mit seinen Häusern, deren Fronten meist nur drei oder Meter sind, dann wird aber dafür kräftig nach oben gebaut. Die Stadt ist voller dieser typischen „Hochhäuser“ mit schmaler front und dann bis zu fünf oder sechs Stockwerken. Der Baustil ist dem Steuersystem geschuldet, denn bezahlt wird nach Metern an der Straße und die Preise sind recht hoch.

Auch werden überall Mandarinenbäumchen fürs Frühlingsfest verkauft und dann auf dem Moped durch die Stadt transportiert. Überall finden sich die Händler, die manchmal nur ein Bäumchen anbieten. Überpünktlich 14.45 erreiche ich den Flughafen, Frank und Katrins Maschine landet pünktlich und ich kann von den beiden auch schon einmal einen Blick erhaschen, allerdings dauert das Ausladen der Maschine wieder fast zwei Stunden. Dann ein müdes Willkommen und wir schrauben die Räder zusammen. gegen 17.45 Uhr sind wir damit fertig und es wird schon langsam dunkel und für Frank und Katrin beginnt die erste Fahrt im Höllenverkehr. Dabei gibt es in Hanoi nicht zu viele Autos, der meiste Verkehr sind Mopeds. Was dem Vietnamesen früher sein Fahrrad war, ist heute sein Moped und in Hanois Straßen sind jeden Tag ca. 3 Millionen der knatternden Zweiräder unterwegs. Zur Hauptverkehrszeit ist das Heer der Mopeds wie ein fließender Strom, der Abstand nach allen Seiten ist immer nur wenige Zentimeter und für den Europäer ist der Verkehr hier mehr als gewöhnungsbedürftig.

Auf der Autobahn geht es noch recht  ruhig zu, aber dann wird es immer dicker und dicker, aber die beiden halten sich wacker. Besonders beliebt sind am Anfang  Abbiegemanöver nach links durch den regen Gegenverkehr hindurch. Niemals Anhalten heißt dabei die Hauptregel, sondern fluffig und langsam durchschlängeln und so funktioniert es dann auch recht gut. ich bin mit den beiden zufrieden, ich kenne dutzende von Leuten, die an der dritten Kreuzung die Reise abgebrochen hätten. Gut 90 Minuten später sind wir dann in der Doi Can Straße, die auch noch einmal dicht befahren ist und dann geht es zum letzten Mal nach links und wir sind am Hotel. Doch wir ziehen erst einmal in die Bierkneipe gleich gegenüber auf unser erstes „Bia Hoi“ und dann noch drei oder vier hinterher. Dazu gibt es gebratene Nudeln mit Rindfleisch und Tofu und dann sind wir alle reif fürs Bett. Und morgen geht das Abenteuer weiter!

2. Tag: Sonntag, der 3. Februar 2013

3. Februar 2013

Tag des Tofu

Ausflug nach Tray Lam und Besichtigung einer Tofumanufaktur

In den Vororten von Hanoi soll es noch einige Tofumanufakturen geben, die den Sojabohnenquark auf traditionelle Art und Weise herstellen und das will ich mir natürlich nicht entgehen lassen und deshalb bin ich extra ein paar Tage eher hier angereist.

Am Morgen kommt meine Hanoier Freundin Chung vorbei, sie hat noch einmal recherchiert, wo wir eine Manufaktur finden, ich hatte einen Ort im Blick namens Dai Lam, sie hat eine gefunden in Tray Lam und die ist näher an der Stadt und so machen wir uns mit dem Taxi auf den Weg, da nicht klar ist, wo die Busse für die Nebenstrecke nach Osten aus der Stadt starten.  Das Dorf erreichen wir dann nach einer Stunde, erst geht es durch den dichten Verkehr, dann sind wir recht schnell auf dem Lande und es gibt kaum noch Verkehr.

Wie findet man nun den Tofumacher in einem großen Dorf: Wir starten auf dem Markt, denn dort sitzt die Tofufrau und verkauft die morgendliche Produktion und schon haben wir die Adresse. Zuerst treffen wir aber auf den Bruder des Tofumachers, er ist Bauer und der Schnapsbrenner des Dorfes.

In einem Schuppen stehen die Maischefässer aus Plaste, die mit gekochtem Reis gefüllt angesetzt werden und dann 2 Wochen vor sich hin gären. Auf dem Ofen im Hof brodelt auf kleiner Flamme ein Kupferkessel und es tröpfelt  35%ige klare Flüssigkeit heraus. Unter der Bedingung, dass wir nachher beim Schnapsbrenner zu Mittag essen, führt er uns zu seinem Bruder ein paar Häuser weiter. Wir haben Glück, denn er arbeitet den ganzen Tag und stellt drei bis vier Mal am Tag Tofu her und er ist gerade dabei, wieder mit einem Produktionsvorgang zu beginnen. Die Manufaktur ist ein schmaler Gang, der vom Haupttor in den Hinterhof führt, gerade einmal 5 Meter lang und nicht einmal 1,5 Meter breit. Gerade wird ein großer Kessel angeheizt mit einem Holzkohlefeuer.

In einem kleinen Raum im Hof werden die Sojabohnen eigeweicht, das dauert drei Stunden, da man heißes Wasser verwendet. Dann werden die Bohnen abgegossen und gemahlen, dafür steht eine elektrische Mühle zur Verfügung. Im Hof finden sich noch die alten Mahlsteine, bis in die 70er Jahre wurde per Hand gemahlen, eine harte Arbeit, dann kam ein größerer Mahlstein, der konnte mittels einer langen Stockes und einem Haken bewegt werden, nicht unbedingt viel leichter, aber etwas effektiver, Die größte Neuerung aber war, dass man einen Benzinmotor mittels eines Riemens anschließen konnte. Ende der 80er Jahre hatte man zuverlässig Strom und man konnte eine elektrische Mühle anschaffen und so dauert der Mahlvorgang  nur noch 15 Minuten.

Die geschroteten Bohnen müssen nun ausgepresst werden, auch das geschah noch bis in die 80er Jahre per Hand in einem Sacke der mittels drehbarer Stecken ausgepresst wurde. heute erledigt das eine elektrische Schleuder in ein paar Minuten und unten kommt die fertige Sojamilch heraus, die Reste werden an die Schweine verfüttert, früher hat man auch Keks daraus geformt und an der Sonne getrocknet.

Die Sojamilch kommt nun in den vorgeheizten Kesel und wird erhitzt, bis sie kocht, dann wird sie in einen großen Tontopf abgelassen. Der Tofumacher betont, dass sie keinerlei Chemikalien zum Andicken verwenden, lediglich Salz wird zugegeben und die angegorenen Reste der „Molke“ von den Vortagen. fast augenblicklich verdickt sich unter ständigen Rühren die Masse. Auf einer langen Holzbank werden jetzt die Tofukästen vorbereitet. dabei hilft die ganze Familie, also die Frau und die Tochter und der 8jährige Sohn. Tücher werden eingelegt und der noch heiße, dampfende Tofu wird eingefüllt und in die Tücher eingeschlagen und dann wird die Packung mit einem Gewicht beschwert. Noch zwei oder dreimal wird nachgefüllt und weiter gepresst und dann ist der Tofu fertig und auch schon die ersten Leute vom Dorf kommen und holen den frischen, immer noch warmen Tofu ab.

Chung und ich haben bisher nur von der Sojamilch gekostet, sehr warm und sehr reich und dicker, als das was industriell angeboten wird und wesentlich runder im Geschmack ist das Getränk. Und auf den Tofu bin ich gespannt, wir bekommen drei große Stücke eingepackt und ziehen wieder zum haus des Schnapsbrenners, dessen frau hat eine dicke Sojasauce angerührt, die als Dipp gereicht wird, der Tofu wird geschnitten, gedippt und gegessen. Super lecker, aber in Deutschland schlecht nachzuahmen, denn der Sojabohnenquark ist bei und niemals so frisch zu bekommen. Auch macht sich geschmacklich bemerkbar, dass keine Chemikalien zugesetzt werden, die Struktur des Quarks ist feiner und softer und es fehlt der leicht säuerliche Nebengeschgmack unseres Berliner Tofus.

Auch interessant ist, dass das Salz erst nach Beendigung des Kochprozesses zugesetzt wird und vorher keine Abschöpfung der Tofuhaut vorgenommen wird. Das verkürzt natürlich nicht nur die Zeit des gesamten Prozesses, auch dürfte der Tofu wesentlich gehaltvoller sein. Ich bin begeistert über unser Erlebnis und der Schnapsbrenner freut sich besuch zu haben. Auch sein Reisschnaps ist nicht schlecht und wir spülen nach dem Essen noch ordentlich nach. Leicht angeheitert verabschieden wir uns von beiden Familien, vielleicht nehme ich die Tofumanufaktur in meine Tourenprogramm auf mit Übernachtung im Haus des Schnapsbrenners, zweifellos ein Erlebnis, aber nicht unbedingt ein guter Auftakt für eine harte Radtour.

Rückwärts im Bus werden wir ordentlich müde, auch wenn wir den ganzen Tag nur zugesehen haben, aber vielleicht lag das ja auch am Reisschnaps. Dann gab es da allerdings noch das Gerücht, dass Tofu der Manneskraft nicht unbedingt zuträglich sei, ich habe mich bereitwillig geopfert  dieses zu wiederlegen und getestet und konnte keinerlei negative Auswirkungen nach dem Verspeisen von fast einem Kilo Tofu und einem halben Liter Sojamilch verspüren, eher wäre ich geneigt, das Gegenteil zu behaupten!