5. Tag bis 8. Tag: 9. Juli bis 12. Juli 2014
Die ersten Pässe
Von Khudjant über Istaravshan nach Aini, Abstecher zum Iskander Kul und nach Duschanbe, durch den Shakristan und Anzob Tunnel, 121 km (1836 hm), 80 km (1129 hm), 27 km (725 hm), 125 km (1200 hm hoch, 2500 hm runter), Sonne und 32 Grad in den Bergen
Hinter Khudjant gibt es noch etwas grün und Reisfelder in den Senken, dann wird es wieder trocken, die Getreidefelder auch hier abgeerntet und ansonsten nur trockenen Steppe. nach dem ersten Hügel haben wir erstmals einen Blick auf den Pamir. Ganz zart zeichnet sich eine Silhouette am Horizont ab, gegen 10 Uhr ist sie dann im Dunst des heißen Tages verschwunden. Erholsam sind die Wasserstellen ab und an am Straßenrand, hier kann man die Körpertemperatur sehr schnell auf normales Niveau bringen, denn das Wasser kommt direkt aus den Bergen und ist entsprechend kalt und so klar, dass ich es ohne Probleme in meine Trinkflasche fülle.
Mittag machen wir schon am Vormittag, denn es gibt nach 38 Kilometern die letzte Raststätte, hier gibt es Rührei mit Würstchen, Pelmeni, Kaffee und Melone und kalte Getränke. Danach biegt die Straße, wieder in super Qualität, nach Norden ab in Richtung der Berge, die noch nicht wieder aus dem Dunst aufgetaucht sind. In diesem Jahr haben wir Glück und leichten Rückenwind, sodass der leicht Anstieg kaum zu bemerken ist. Gegen 15 Uhr fahren wir in Istaravshan ein und suchen uns ein Restaurant . Diesmal Hammelgulasch. Für ein Hotel ist es noch zu heiß, zumal es nur einen mäßigen Übernachtungsplatz gibt, den 2008 schon Teile der Reisegruppe bestreiken wollten, im letzten Jahr war der Laden auch nicht viel besser geworden, das Wasser in der Dusche hat kaum funktioniert.
In der Hitze wollen wir auch keinen Basar ansehen, das hatten wir gestern ausführlich und so schwingen wir uns einfach wieder auf die Räder. Hinter der Stadt geht es dann erst einmal recht kräftig nach oben, die zeigen sich jetzt auch schon nah und klar, dann wird es wieder ein wenig flacher. In einem kleinen Hain mit einem Wasserbecken machen wir eine Kaffeepause, das Wasser in den Flaschen ist so warm, das man es hervorragend mit Kaffeepulver mischen kann, dazu gibt es Kekse und ein wenig Obst im kühlen Schatten.
Dann sind wir auch noch für weitere Kilometer motiviert und es wird ein recht heftiger Tag mit 121 Kilometern und fast 2000 Höhenmetern. Bevor es richtig in den Passanstieg geht, gibt es noch ein paar Teestuben und ein dickes Schaschlik Abendessen und kalte Getränke. Man könnte wohl auch da übernachten, aber es ist verdammt nah an der Straße und die dicken LKW machen doch eine Menge Krach. Hubert und ich erinnern sich aber an unseren Zeltplatz von 2008, der ist etwas weg von der Straße, ein Bewässerungsgraben fließt auch vorbei und es ist genügend abseits der Straße.
So kommen wir dann heute zu unserer ersten Zeltübernachtung, abends wird es nach die Sonne weg ist, sofort empfindlich kühl, vielleicht 16/17 Grad sind es gerade mal noch…..aber umso besser zum Schlafen. Und am Morgen müssen wir dann auch nicht so zeitig raus, erst als gegen halb neun die Sonne über den Berg kommt, klettern wir aus den Zelten, dann gibt’s einen Kaffee und etwas Brot und dann kann der erste Pass kommen.
Eigentlich ist es kein Pass, denn der ist nicht mehr, oder nur noch mit Schieben oder tragen über Geröll zu machen und 3200 Meter hoch, noch 2008 haben wir uns oben drüber gekämpft, schon damals haben die Chinesen an einem Tunnel gegraben. Ich hatte in den Ortschaften vorher gefragt, die Meinungen über die Befahrbarkeit gingen weit auseinander. Vor allem auf der Seite nach Aini sieht es nicht mehr so gut aus und es dürfte mit dem Rad eine mächtige Plackerei sein und den eigentlichen Pamir mit genügend höheren Pässen haben wir ja auch noch vor uns.
Da wir uns gestern bis auf 2000 Meter hochgearbeitet hatten, bleiben uns heute gerade noch mal 700 Höhenmeter bis zum Tunneleingang. Unterwegs machen wir noch Frühstücksrast in einer Teestube und dann ist es noch einmal ein Klacks. Reinold kommt aus Liechtenstein und Hubert aus Österreich, Bergfahren ist für die beiden also kein Fremdwort, obwohl Hubert ganz gerne mal die Gelegenheit beim Schopf oder den LKW am hinteren Rand ergreift und sich ein Stück mitziehen lässt. Reinold und ich bleiben heute „sauber“. Der Shakristan Tunnel ist modern, beleuchtet und neu und gut zu fahren und steigt in unsere Richtung leicht an. Nach etwas mehr als 5 km sind wir durch und sehen das Tageslicht am Ende des Tunnels, solche Tunnelfahrten sind immer etwas, an das ich mich nicht gewöhnen werde.
Die Abfahrt nach Aini ist das erste Highlight auf der Tour. Hier hat man einen wunderbaren Ausblick auf den Pamirausläufer und ins Aini Tal. Die Straße windet sich unten in Serpentinen und si oben an den Berg geklatscht. Nach rechts geht es eine steile Geröllhalde hinunter. Ein paar Fahrzeugwracks erinnern an die Zeiten vor dem chinesischen Straßenausbau, als nicht jeder Fahrer die Kurve bekommen hatte oder die Bremsen versagt haben.
Und schon wieder liegen wir gut vor unserem Plan, es ist gerade einmal Mittag, als wir in Aini einrollen und hier unten auch wieder schön heiß, warum ein Hotel suchen, wir können auch noch weiter, aber erst wird gerastet und gegessen, bevor es weiter geht.
Auch wenn die Straße dem Fluss folgt, dann heißt das noch lange nicht, dass es flach geht, im Gegenteil es hügelt mehr als kräftig vor sich hin. In der engen Schlucht haben wir aber doch etwas Schatten und es fährt sich sehr angenehm. Toll ist die der wilde Flusslauf und die Kargheit der Gegend, nur aller paar Kilometer, wenn aus den Bergen in einer Biegung ein Bächlein von ober herabstürzt, dann gibt es eine kleine Oase. Sind diese auf der anderen Seite, dann führt oft nur eine wacklige Brücke hinüber. Auf den Parkplätzen versammeln sich Frauen aus den Bergdörfern und verkaufen eimerweise Aprikosen. Die Früchte sind sehr lecker, Fotos dürfen erst nach dem Verkauf gemacht werden. Interessant sind die Gesichter, ein buntes ethnisches Gemisch aus dunklen turkstämmigen Gesichtern, slawischen runden Wangen und blauen Augen, die vielleicht noch auf Alexander dem Großen uns eine Mannen zurück gehen. Wie sind die wohl damals hier durgezogen, als es noch keine Straße gab, sondern nur halsbrecherische Pfade an der Steilwand entlang und unten der reißende Fluss. Da haben wir es heute doch recht einfach, zumal der Asphalt wieder super ist und der Verkehr angenehm ruhig.
Am frühen Abend kommen wir dann in ein unspektakuläres Städtchen namens Rabot „Arbeit“, hier gab es zu Sowjetzeiten ein paar mittlere und größere Industriebetriebe, aber das ist heute alles verfallen. Von was die Leute leben ist unklar, wer ein Stück Land hat, baut Gemüse und Kartoffeln an. Wir haben zu Mittag beschlossen, das wir morgen einen Abstecher zum Iskander Kul, einem schönen See in den Bergen machen. Der Abzweig liegt nun direkt vor uns und es gibt ein paar Restaurants und man kann hier auch übernachten. In einem mäßigen raum rollen wir die Isomatten aus und bekommen im Lokal eine gute Mahlzeit und haben Spaß mit der Familie des Wirtes. Großer Beliebtheit erfreuen sich die Bilder von unseren Familien auf dem Smartphone. So lästig wie die Dinger sein können, zur Kommunikation hier sind sie bestens geeignet.
Am nächsten Morgen zweigen wir von der Hauptstraße ab, die Nebenstraße ist anfangs noch ganz in Ordnung, langsam wird der Asphalt löchriger und irgendwann ist er ganz weg. Dafür ist es recht idyllisch, anfangs geht es durch Kleine Dörfer, dann durch ein malerisches Tal mit vielfarbigen Gesteinsformationen. Dafür ist vom Asphalt nicht mehr viel übrig und es geht ein paar hundert Meter mehr als steil hoch, vor allem in den kehren sammelt sich Rollsplit und die Räder verlieren rasch mal die Traktion. Der Iskander See liegt zwar nur auf 2200 Metern Höhe, davor muss man aber über einen kleinen Pass von 2400 Metern Höhe. Dann liegt unten der See, allerdings nicht ganz so idyllisch, wie ich mir das vorgestellt hatte, den nur an einem Ende des Sees ist es grün, auf den anderen Seiten geht der See bis an die Geröllfelder der Berge. Das dies hier ein beliebter Ausflugsort ist, davon ist nicht viel zu merken, zwar gibt es hier eine Bungalowsiedlung und ein Restaurant, aber außer uns sind keine Gäste zu sehen und das Personal lungert träge. Vielleicht ändert sich das an den Wochenenden.
Wir stellen unsere Zelte am Ufer des Sees auf, ein Bad darin ist mehr als erfrischend, denn der See ist natürlich sehr kühl. Am Nachmittag bietet sich ein Schläfchen an, da es einen kleinen Gewitterguss gibt und dann müssen wir ein wenig an Reinolds Rad herumpfuschen. Unterwegs hatte sich eine Schraube am Gepäckträger gelöst und Koga hat hier wirklich blödes Material verbaut, dazu noch Torx-Schrauben und die in einer unüblichen Größe, so dass sich dieser nicht am mitgelieferten Schlüssel, noch an meinem Werkezeug befand, aber wir bekommen den Gepäckträger wieder fest. Aber eigentlich ein Jammer, dass man bei einem neu-gekauften und duchgecheckten 2000 € Rad am Anfang solche Probleme hat.
Hubert hat sich auf dem Geröllweg hier hoch den Rücken ordentlich gezerrt, als er auf dem Geröll weggerutscht ist und hat sich dann mit Rückenschmerzen weiter bis hierher geschleppt. Hoffentlich wird es besser!
Ansonsten genießen wir die Ruhe am Bergsee, es gab sogar noch einen deutschen Touristen, der hier in den Bergen gewandert ist, ein ehemaliger Professor aus Greifswald, der im Besitz schwerer Staatsgeheimnisse ist und deshalb vom Merkelschen Geheimdienst überall verfolgt wird, bis nach Südamerika. Erst hier sei es ihm geglückt, die Verfolger abzuschütteln. Welcher Art die Geheimnisse sind, wollte er zu unserer Sicherheit dann nicht verraten. Na dann viel Glück , Kamerad!
Am Morgen brechen wir wieder zeitig auf, wir müssen wieder über den kleinen Pass, die Holperstrecke runter dann über den nächsten Pass, auch wenn es hier beim Anzob auch wieder nur durch den Tunnel geht. Runterwärts ist es auf dem Schotter recht gefährlich, aber wir kommen gut wieder zur Hauptstraße zurück und dann geht es auch bald in den Anstieg zum Anzob Pass. den kann man wohl sogar noch fahren. Etwas wehmütig denke ich 23 Jahre zurück, der Anzob war damals mein erster 3000er Pass, den ich in diesem Leben gefahren bin. Letztes Jahr ging es dann durch den iranischen Horrortunnel, so wie auch heute.
Mit seinen Rückenschmerzen quält sich Hubert von der linken Backe auf die rechte, aber nichts hilft so richtig, irgendwann ergreift er dann wieder das Ende eines LKW und lässt sich nach oben „trucken“. Reinold und ich brauchen ein wenig länger. Letztes Jahr war die Strecke recht idyllisch in diesem Jahr ist alles etwas staubig, da vor uns gerade eine Lawine den Hang runtergekommen ist und sich der Staub nun überall fein verteilt.
Oben vor dem Tunnel machen wir ein kurze Rast, Kekse und Cola und ein paar Fotos mit den Polizisten. Der Anzob Tunnel ist von anderen Kaliber, als der Shakristan, den haben die Iraner bauen sollen und sin kläglich dran gescheitert. Sie haben hier einen Höllenschlund errichtet, in dem das Wasser fast durchgehend knietief steht, in der Mitte gibt es eine fast zwei Meter hohe Wasserfontaine und irre Tadshiken versuchen sich in der Schlaglo-Wasserpiste an wilden Überholmanövern. Beleuchtung und Belüftung, Fremdworte für dieses iranische Tunnelkunstwerk. Die Chinesen haben nun übernommen und sollen den Pfusch richten. Letztes Jahr habe ich den „Highway to hell“ gefahren, dieses Jahr hält ein Jeepfahrer noch vor dem Tunnel an und fragt uns, ob wir mit wollen. Und wir wollen. Nicht ganz so schlimm sah es aus wie im letzten Jahr, das Wasser weniger tief, manche Stellen sogar trocken, aber weiterhin üble, unbeleuchtete Schlaglöcher und dichter Nebel von Abgasen! Eine wohl richtige Entscheidung.
Dann heißt es 80 km Downhill bis nach Dushanbe, mehr als 2000 hm runter, mehr als 15 Grad wärmer ist es dort unten und die Straße ist Top. Zuerst geht es an Felswänden entlang, dann kommen ein paar Serpentinen und ein reißender Bach und der entwickelt sich zum Fluss. Als die Landschaft noch schön war, haben die Duschanbeer mit Geld entdeckt, dass man sich hier ja eine „Datscha“, ein Wochenendhäuschen zulegen könnte und haben das Tal auf 50 Kilometer mit Prachtbauten und Pseudoprachtbauten zugestellt. Die Reichen und Schönen aalen sich hier an Pools in klarem Wasser, das Volk braucht nicht so weit aus der Stadt heraus, direkt vor der Stadt führt die Straße an einem Kanal entlang und hier tobt das Leben, Jung und alt sind unterwegs. Allerdings baden nur die Männer, die Frauen hocken züchtig im Schatten und hüten die Kinder. Auch Reinold und ich machen eine Pause und lassen die Beine im kühlenden Nass baumeln, bevor wir in die Stadt einfahren. Noch einmal werden wir gestoppt, von einem Red Bull Werbefahrzeug, für ein paar Dosen aufgelöster Gummibärchen lassen wir uns dann mit einem hübschen Mädchen fotografieren, die Powerbrause kommt ins Gepäck, die „richtigen“ Pässe sind nicht mehr so fern!
Hubert ist schon vorgefahren und hat sich in einem luxuriösen Hotel einquartiert, er gibt seinen Rückenschmerzen, die inzwischen zum Hexenschuss gereift sind, noch einen Tag. Reinold und ich fahren zum geplanten Hostel, hier gibt es auch ein nettes Zimmer und viele andere Radfahrer, mit denen man sich austauschen kann.
Abends treffen wir uns dann mit Hubert auf eine Pizza und kühles Bier. Hubert trägt sich mit der Absicht abzubrechen, da sich keine Besserung einstellen will. Und das wäre wirklich schade!