1. Tag/ 2. Tag: 5.7./6.7.14
Taschkent
Ankunft in Zentralasien, 20 km in die Stadt und 27 km Stadtrundfahr, 37 Grad und Sonne
So, nun starte ich zum dritten Male in den Pamir, das erste Mal war vor 22 Jahren, als die ehemaligen Staaten der Sowjetunion gerade in die Unabhängigkeit aufbrachen und dann im letzten Jahr, also 2013. Damals waren wir in Buchara aufgebrochen und hatten dann einen mächtigen Umweg nach Tadschikistan nehmen müssen, deshalb der Start in diesem Jahr von Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans.
Nachdem die Genossen von Air Rossija Gepäck und Fahrräder vertrödelt hatten und wir erst eine knappe Woche später auf die Räder steigen konnten, sollte es dieses Jahr mit Sicherheit klappen, deshalb ging es mit der türkischen Airlines nach Taschkent.
Hier noch einmal ein dickes „Dankeschön“ an Air Russia für deren unfreundlichen Service, das Vertrödeln des Gepäckes, kaum Hilfestellung beim Auffinden, dem Diebstahl unsere Beutelsuppen und des Nichtbeantwortens diverser Beschwerdebriefe und natürlich für die Nichtzahlung irgendeines Ausgleiches für das Steckenbleiben ohne Gepäck in Buchara (Schiebt euch das Geld in den Allerwertesten!) Mögen euch die Fluggäste meiden!
Kurz nach Mitternacht setzten wir in Taschkent auf, Reinold aus Liechtenstein, einen meiner Mitradler habe ich in Istanbul getroffen, Hubert aus Österreich, sollte eigentlich schon im Lande sein.
Wir kennen uns schon seit 2008 von der „legendären“ Athen-Beijing Tour und waren später auch noch in China unterwegs.
Der Flughafen in Taschkent ist ein wenig vergleichbar mit Berlin TXL, wo man auf ein Stück Hartgeld in lokaler Währung angewiesen ist, um einen gepäckwagen zu bekommen.
Schmierige Händler helfen jedoch dabei die Automaten zu füttern um den Wagenchip zu bekommen, dann muss man sich gegen drängelnde kopftuchtagende Bäuerinnen zu Wehr setzen, die gnadenlos ihre Ellenbogen einsetzen. Nach kurzem Gemetzel haben die Bäuerinnen vom Land zwar gewonnen, aber einer der Wagenboys Mitleid mit mir und wir haben 2 Wagen. Nach einer langen Stunde tauchen dann auch die Räder auf, das Gepäck war schon ein wenig eher und wir können uns in die Schlange zum Zoll einreihen. Abwechselnd kann man beobachten, wie wahllos ein Koffer mit Klamotten auseinandergenommen wird, oder einen Blick auf das WM Viertelfinale (glaube ich) werfen, das hier auf einem Monitor gezeigt wird. Der Zoll interessiert sich nur mäßig für uns, ein schiefer Blick in die Fahrradkartons reicht aus und wir bekommen unsere Haken auf dem Zollpapier.
Gegen drei Uhr stehen wir dann vor dem Flughafen und suchen uns ein ruhiges Plätzchen zum Schrauben der Fahrräder, während der Morgen graut. Eine Stunde später dann ein müdes Foto und wir können losrollen in die Stadt, es ist noch morgendlich frisch, so um die 25 Grad und die weiten Straßen sind leer, nur ab und zu kommt ein Auto viel zu schnell vorbei geblasen, die Ampeln den ebenso leeren Kreuzungen haben nur grobe Richtlinienfunktion und um halb fünf morgens ist auch noch keine Polizei unterwegs. Glücklicherweise hat Reinold noch ein mittleres Bündel an wertlosem Geld, dass wir in zwei Wasserflaschen umsetzen können, denn so etwas wie eine Wechselstube gab es auf dem Flughafen nicht.
Während sich das Zentrum von Taschkent noch recht modern präsentiert, wird es in den Außenbezirken dann erst „sowjetisch“, also etwas heruntergekommen und dann schon wieder fast ländlich. Den Weg zum Hotel am äußeren Ring finden wir recht leicht, das Hotel dann aber nicht auf Anhieb. Erst als uns die Leute dann wieder 300 Meter zurück schicken ist alles kein Problem mehr, das eigentlich große Schild war nur von der anderen Seite zu erkennen und der GPS Punkt um ein paar hundert Meter ungenau.
Hinter einem eisernen Tor liegt ein grüner Innenhof, es sieht rech gemütlich aus und auch der im Internet angekündigte Pool existiert. Allerdings haben sie das Bild wohl mit einem großen Weitwinkelobjektiv gemacht, in der Realität ist es dann nur ein Kinderplanschbecken. Aber Hubert und Reinold haben ja keinen Badeurlaub gebucht und alles andere stimmt. Die Dame vom Hotel; Besitzerin, Managerin und Köchin in Personaleinheit kümmert sich rührend und wir bekommen unser Zimmer und ein Frühstück, wir liefern den Pass an die Dame aus und bekommen auch Geld gewechselt und unsere polizeiliche Registrierung. Für einen Euro bekommt man 3000 Som, für einen Dollar 2400. das Hotel wird in Dollar bezahlt, 50 USD kostet das Doppelzimmer plus 5 Dollar fürs Frühstück. Hubert ist auch schon seit einem Tag da, aber den wollen wir noch ein wenig schlafen lassen, Sorgen macht mir nur, dass ich sein Fahrrad nirgends sehen kann.
Doch alles hat seine Ordnung, er hatte das Rad mit im Zimmer, und nach einem Nickerchen trinken wir dann zu dritt gegen 10 Uhr noch einen Tee, schrauben noch ein wenig an den Rädern und sind bereit für die Stadt. Die Temperaturen sind schon nicht mehr so angenehm, als wir wieder über die breiten Straßen ins Zentrum rollen, der Schweiß rinnt in Strömen und der Verkehr auf den breiten Straßen auch. Es geht recht wild zu, Radfahrer ist man nicht gewöhnt, aber das scheint uns eher zu Gute zu kommen. Berlin ist und bleibt gefährlicher! Kein riesiges Programm habe wir uns vorgenommen, es soll eine Runde durchs Zentrum werden, ein Foto mit dem Amur Timur Denkmal. Im 14. Jahrhundert kam der Reiter zu Ruhm und Ehre, als er das Land von den Mongolen befreite und zur Eigenständigkeit fürhte.
Dahinter das große Hotel „Usbekistan“, der alte Intourist Kasten. Zwar war ich noch nie vorher hier, aber die durchgelegenen Betten und die charmfreie 70er Jahre Ausstattung findet man hier mit einiger Sicherheit, die Dusche funktioniert nur mit gutem Zuspruch und alles wirkt etwas angeranzt. da ist unsere Pension schon richtig auf dem Stand der Zeit, Zimmer mit Klimaanlage, Schatten im Hof, nur das Wifi ist etwas schwach auf der Brust. Ein solches Hotel gab es faktisch in jeder sowjetischen Großstadt.
Die marmornen Regierungsgebäude in der knalligen Sonne strahlen auch eher Distanz als Volksnähe aus. Auch wenn es rundherum viel Parks gibt, so mag man hier nicht in der Sonne herumspazieren und wir halten uns auch nicht lange auf und machen uns auf die Suche nach dem Chorsu Basar und der Kukeldash-Madrasa. Wieder geht es über ungewöhnlich breite Straßen durch die Stadt. Ein schweres Erdbeben hatte den sowjetischen Stadtplanern 1966 Freiraum geschaffen und Moskau unterstützte die sozialistische Neugestaltung großzügig.
Die Madrasa ist nicht zu übersehen und dahinter ist auch gleich der Markt. Wir binden die Räder direkt davor an, haben aber kein gutes Gefühl, denn darum versammeln sich gleich dutzende junge Männer und starren auf unsere Bikes. Wie viel die wohl kosten? Ob man in Deutschland Schwarzarbeit fände? Wie viel Geld man bekäme? Ob wir ihnen nicht eine Einladung nach Deutschland organisieren könnten? Das sind die Hauptfragen, die wir beantworten müssen, bevor wir uns in das Gedränge des Basares stürzen, an den brotständen vorbei und den Klamotten aus China und den Gewürzständen und dem Alltagströdel und Obst und Gemüse und riesigen Bergen von Wassermelonen.
In der Madrasa geht es geruhsamer zu, neben vier oder fünf anderen Touristen gibt es nur den alten Mann am Eintritt, ansonsten liegt im Hof ein schöner ruhiger Garten und man kann die Ruhe im Schatten genießen.
Uns holt jedoch bald die Müdigkeit ein und wir radeln wieder in Richtung unseres Hotels. Vorher machen wir noch Stopp in einem Restaurant und probieren zu einem eiskalten Bier das Nationalgericht Plow, ein Reisgericht mit viel Öl, Lammfleisch und Karotten, welches man in Usbekistan zur Mittagszeit auf jedem Markt findet und das es in unzähligen Varianten gibt, vermutlich verfügt jede Hausfrau und jeder Hausmann über sein eigenes Geheimrezept.
Den Nachmittag verschlafen wir dann und lassen uns noch einmal Plow am Abend im Hotel servieren, jetzt kann man schön im Freien sitzen, denn die Temperaturen sind jetzt sehr angenehm, wir haben heute schon einen guten Vorgeschmack bekommen, welche Hitze uns in den kommenden Tagen erwartet.
Am 7. Dezember 2014 um 18:18 Uhr
Wow, alle Achtung! DAS hätte ich jetzt nicht gedacht, dass doch noch ein Bericht über die Tour kommen wird. Dein Erinnerungsvermögen ist ja beachtlich (Schwindelzettel … ha?) … wurscht! Schön, das alles nachlesen zu können, thanks Alt-Jungpapa !!! Hast du gut hingekriegt, so ein süßes Mädchen !!!
lg aus Kärnten
Am 8. Dezember 2014 um 13:29 Uhr
…die erlebnisse haben sich eben tief eingebrannt!