14. Tag: Sonntag, der 18. Mai 2013
Der höchste Pass
82 km von Lhatse nach Baipa, 1350 Höhenmeter über den Gyatso La Pass mit 5260 Metern über dem Meer, bei 15 bis 20 Grad und Sonne und ein paar Wolken, Anstieg ohne Wind, runter mit ekligem straffen Gegenwind
Der Pass in die andere Richtung wäre heute ein Genuss gewesen, der Wind hätte uns mit einer steifen Brise gemütlich nach oben getragen und auf der andern Seite wäre es dann in einer schönen, nicht zu steilen Abfahrt schnell wieder nach unten gegangen. Doch das ist die Konjunktiv II Variante, zurück zur Realität.
Wir starten bei optimalem Wetter nach einem genialen Frühstück mit Toast und Pancakes und viel Kaffee. Die Sonne lacht aus vollem Herzen, somit ist es nicht zu kalt und der Wind lässt auch noch auf sich warten. 6 Kilometer geht es noch flach bis zum Abzweig. nach rechts geht es in Richtung Westtibet zum heiligen Berg der Tibeter: Mount Kailash. Nach links, unsere Richtung in Richtung Everest und Nepal. Dann beginnt der Anstieg, nicht zu steil und nicht zu flach geht es mit ca. 3 bis 5 % Steigung nach oben, das klingt recht wenig, aber wir sind ja auch auf 4000 Metern Höhe über dem Meer und da ist die Luft schon mehr als signifikant dünner. Nur mit gleichmäßigem und langsamen Tempo geht es nach oben. Reger Betrieb herrscht heute am Berg, da sind noch die drei Chinesen aus Shanghai und eine weitere Gruppe von 5 Chinesen, die den höchsten Pass auf dem Weg nach Katmandu heute bezwingen wollen. Der Gyatso La trennt uns mit 5260 Metern von der Himalaya Range mit dem Everest und einigen 8000ern mehr.
Unten im Tal wird noch ein wenig Landwirtschaft betrieben, dann kommen Schafherden, dann nur noch Yaks. Unsere Gruppe zieht sich auseinander, ab und zu ist eine Pause von Nöten zum Luft schnappen und zum nachschieben einer Banane. Dann geht es im Schnaufrhythmus weiter nach oben. Der Anstieg variiert kaum, mal ein Prozent mehr, mal ein Prozent weniger. Georg wollte eigentlich durchsteigen, aber auf zwei Dritteln der Höhe reißt seine Kette, das Fahrzeug mit den Ersatzteilen ist weit entfernt, aber ich kann die Kette notdürftig flicken und er muss im kleinsten Gang weiter, um nicht zu viel Kraft auf die Kette zu bringen.300 Höhenmeter vor dem Pass treffe ich dann auf einen Chinesen der Fünfergruppe, der Mann ist völlig fertig, aber ich kann ihn aufmuntern und teile mit ihm meine Notkekse und gebe ihm eine halbe Flasche Wasser ab, dann kommt auch er wieder vorwärts. Knappe zwei Kilometer vor dem Gipfel wird es dann ungemütlich, der Wind pfeift und kommt natürlich straff von vorn, aber der Anstieg ist gleich geschafft und dann tauchen die Gebetsfahnen auf und dann ist eigentlich alles egal. Der Pass ist bezwungen. Und, das ist das schönste, heute schaffen es alle von uns hier auf dem Rad anzukommen. Oben ist dann wieder große Fotosession, schließlich haben wir einen der höchsten Pässe in Tibet bezwungen und den höchsten auf unserem Weg von Lhasa nach Katmandu. Auch mein Chinese trifft irgendwann ein, sieht aber nicht so gut aus, etwas Blut tropft aus der Nase und wir setzen ihn auf unser Begleitfahrzeug und wir machen uns auf die Abfahrt. Die macht aber überhaupt keine Freude, denn der Wind bläst uns heftig ins Gesicht, es ist fast anstrengender als der Anstieg und demotivierend, trotz der vier Prozent Gefälle, würde man einfach stehen bleiben. Leider bleibt es dann die nächsten 40 Kilometer windig, wir fahren Windkanal in die falsche Richtung, egal wie sich das Tal windet, der Wind geht schön mit.
Gegen 18 Uhr erreichen wir dann Baipa, unseren Zielort und sind total fertig, aber wir haben es geschafft. Ein paar Kilometer vor dem Ziel gab es dann noch eine Belohnung, der erste Blick auf den höchsten Teil der Himalaya Range, einige 8000er sind zu sehen, der Everest hängt leider in den Wolken.
Noch vor dem Duschen ziehen wir ins Restaurant und stopfen uns voll, hatten wir wegen des Windes doch aufs Mittag, also unsere Instant-Nudel-Mahlzeit verzichtet und nun schlagen wir uns den Bauch so voll, wie es nur geht, denn morgen müssen wir noch einmal über 5200 Meter Höhe und dann soll der Pass nicht asphaltiert sein, hoffen wir, dass wenigstens der Wind nicht mehr so konsequent gegen uns ist.
Richtig heißes Wasser zum Duschen gibt es leider nicht und der Strom kommt auch erst um 20.30 Uhr, aber das macht heute alles nix mehr aus. Für heute heißt es nur noch: Bier austrinken, Dreck vom Körper spülen und ab ins Bett. Der Tag ist geschafft und es hätte noch schlimmer kommen können und damit bin ich wieder beim Konjunktiv II.