6. Tag: Freitag, der 10. Mai 2013
Catch 22
71 km von Lhasa nachQushui, kaum Höhenmeter, Besichtigung des Klosters Drepung, Stress mit dem Polizeiapparat wegen Übernachtungserlaubnis, 8 bis 15 Grad, meist bedeckt, etwas Sonne, kleiner Regenschauer
Nun heute der erste Radeltag, wir werden sehen, ob wir schon an die Höhe gewöhnt sind oder nicht. Bei strahlender Sonne geht es noch einmal am Pottala Plast vorbei und dann aus der Stadt heraus. Am Stadtausgang liegt das Kloster Drepung. Dafür geht es aber 200 Höhenmeter eine berg hoch und zwar einen schönen Stich und es macht sich sofort bemerkbar, dass wir nicht auf Meereshöhe radeln. Es geht nur in sehr kleinen Gängen und schön langsam, jeder Versuch etwas schneller zu treten, endet in großer Atemnot und es geht uns allem so vom Alpenhörnchen über den Spitzensportler bis zum Reiseleiter.
Nach einer knappen halben Stunde haben wir die drei Kilometer geschafft und stehen am Kloster. Die Anlage ist etwas luftiger als der dunkle Pottala und wir schlendern, langsam wieder zu Luft kommend, durch die Räume des 5. Dalai Lama und seiner Lehrer. Dank Lecbe, unserem tibetischen Führer, sind wir schon recht gut in tibetischer Geschichte bewandert und wissen deshalb, dass genau jener Dalai Lama dann auch den Grundstein für den Pottala Plast legte.
Die Fahrt aus Lhasa heraus, zurück in Richtung Flughafen ist nicht der tollste Trip auf Erden, die Landschaft ist einfach nur karg und trocken, die Straße ok, aber doch recht stark befahren und die Mannschaft kämpft wahlweise mit Kopfschmerz ( Lore und ich), Magenproblemen (Klaus) und einigen schönen Prellungen und Abschürfungen (wird nicht genannt). Bei der Abfahrt von Drepung hatten wir nämlich unseren ersten Sturz, zum Glück nicht zu viel passiert, bis zum urlaubsende in Katmandu sind die Wunden wieder verheilt.
Unterwegs gibt es dann nur eine Felswand zu sehen mit einem großen Buddhabildnis, danach entgehen wir einem kräftigen Regenschauer durch die Mittagspause. Zu essen gibt es Momos, also tibetische Teigtaschen oder etwas bissfeste tibetische Nudeln, dazu die global üblichen Kaltgetränke und tibetischen Buttertee, wobei Lecbe und ich immer noch die einzigen sind, die sich gern an dem Getränk laben, das aus Ziegeltee mit Salz und Yakbutter hergestellt wird. Hier in der Höhe löscht es allerdings zuverlässig den Durst, der sich aller halben Stunde einstellt.
Gegen 16 Uhr sind wir ganz froh, als wir in den kleinen Straßenort Qushui einrollen. Die Überraschung kommt im Guesthouse, der Wirt darf keine Gäste aufnehmen und schon gar keine Ausländer, neues Gesetz vom Anfang des Jahres. In Lhasa weiß von der lokalen Regelung niemand etwas, denn der Übernachtungsort ist ja in unseren Papieren aufgeführt und dreifach genehmigt und gestempelt worden. Also schwingen sich Lecbe und ich auf die Räder und machen uns auf den Weg zur ersten Polizeistation. Die Polizisten dort sind weder interessiert, noch zuständig oder hilfsbereit: wir dürften halt hier nicht übernachten, Alternativen gibt es nicht, vielleicht ist die andere Polizeistation zuständig, aber auch hier sieht es ähnlich aus. Die einen sind nur für Verkehrsdelikte zuständig, die anderen nur für Diebstähle, der Chef ist nicht auffindbar. Man schickt uns also von einer Stelle zur anderen und wieder zurück. Lecbe hat inzwischen mit seiner Reiseagentur telefoniert und Lhasa hat bestätigt, dass wir übernachten dürfen, nur gibt es hier niemanden, der das wissen will und es dem Wirt sagen kann, dass er bei unserer Beherbergung keine Probleme bekommt. Also ein regelrechter Catch 22, bei dem man keine Möglichkeit hat, den Knoten irgendwie zu lösen.
Auf dem Rückweg zum Guesthouse erwischen wir dann auf der ersten Polizeistation den Chef, nach meinem Einwurf, dass er ja wohl nicht will, dass sieben Ausländer hier in seinem Gebiet auf der Straße schlafen und einen schlechten Eindruck von China bekommen, nimmt er sich dann zögerlich des Problems an, die Lösung ist eine echt chinesische: natürlich dürfen wir nicht in diesem Guesthouse übernachten, aber an der Hauptstraße gibt es eine zweite Absteige und die bekommt eine Sondererlaubnis.
Da wir sowieso mit einer sehr einfachen Übernachtung gerechnet hatten, nehmen wir das Fehlen jeglichen Komforts in Kauf, wir haben Schlafsäcke dabei, so dass wir nicht auf frische Wäsche pochen müssen, die Toiletten sind ok, aber fließendes Wasser gibt es nicht, lediglich einen Bottich, aber zum waschen ist es eh zu kalt. Als ich dann Zähne putzen will, lasse ich auch das sein, denn die Wasserschüssel wird nun von zwei Goldfischchen bewohnt, die dem Sohn einer Verwandten des Wirtes gehören.
Das Abendessen in einem Restaurant an der Straße ist in Ordnung und in einem großen Laden besorgen wir Proviant für den nächsten Tag. In meinem Bett entdecke ich eine elektrische Heizdecke, die sogar funktioniert und habe trotz der widrigen Umstände eine ruhige Nacht tiefen Schlafes, die erste hier in dieser Höhe.