2. Tag: Sonntag, der 3. Februar 2013
Tag des Tofu
Ausflug nach Tray Lam und Besichtigung einer Tofumanufaktur
In den Vororten von Hanoi soll es noch einige Tofumanufakturen geben, die den Sojabohnenquark auf traditionelle Art und Weise herstellen und das will ich mir natürlich nicht entgehen lassen und deshalb bin ich extra ein paar Tage eher hier angereist.
Am Morgen kommt meine Hanoier Freundin Chung vorbei, sie hat noch einmal recherchiert, wo wir eine Manufaktur finden, ich hatte einen Ort im Blick namens Dai Lam, sie hat eine gefunden in Tray Lam und die ist näher an der Stadt und so machen wir uns mit dem Taxi auf den Weg, da nicht klar ist, wo die Busse für die Nebenstrecke nach Osten aus der Stadt starten. Das Dorf erreichen wir dann nach einer Stunde, erst geht es durch den dichten Verkehr, dann sind wir recht schnell auf dem Lande und es gibt kaum noch Verkehr.
Wie findet man nun den Tofumacher in einem großen Dorf: Wir starten auf dem Markt, denn dort sitzt die Tofufrau und verkauft die morgendliche Produktion und schon haben wir die Adresse. Zuerst treffen wir aber auf den Bruder des Tofumachers, er ist Bauer und der Schnapsbrenner des Dorfes.
In einem Schuppen stehen die Maischefässer aus Plaste, die mit gekochtem Reis gefüllt angesetzt werden und dann 2 Wochen vor sich hin gären. Auf dem Ofen im Hof brodelt auf kleiner Flamme ein Kupferkessel und es tröpfelt 35%ige klare Flüssigkeit heraus. Unter der Bedingung, dass wir nachher beim Schnapsbrenner zu Mittag essen, führt er uns zu seinem Bruder ein paar Häuser weiter. Wir haben Glück, denn er arbeitet den ganzen Tag und stellt drei bis vier Mal am Tag Tofu her und er ist gerade dabei, wieder mit einem Produktionsvorgang zu beginnen. Die Manufaktur ist ein schmaler Gang, der vom Haupttor in den Hinterhof führt, gerade einmal 5 Meter lang und nicht einmal 1,5 Meter breit. Gerade wird ein großer Kessel angeheizt mit einem Holzkohlefeuer.
In einem kleinen Raum im Hof werden die Sojabohnen eigeweicht, das dauert drei Stunden, da man heißes Wasser verwendet. Dann werden die Bohnen abgegossen und gemahlen, dafür steht eine elektrische Mühle zur Verfügung. Im Hof finden sich noch die alten Mahlsteine, bis in die 70er Jahre wurde per Hand gemahlen, eine harte Arbeit, dann kam ein größerer Mahlstein, der konnte mittels einer langen Stockes und einem Haken bewegt werden, nicht unbedingt viel leichter, aber etwas effektiver, Die größte Neuerung aber war, dass man einen Benzinmotor mittels eines Riemens anschließen konnte. Ende der 80er Jahre hatte man zuverlässig Strom und man konnte eine elektrische Mühle anschaffen und so dauert der Mahlvorgang nur noch 15 Minuten.
Die geschroteten Bohnen müssen nun ausgepresst werden, auch das geschah noch bis in die 80er Jahre per Hand in einem Sacke der mittels drehbarer Stecken ausgepresst wurde. heute erledigt das eine elektrische Schleuder in ein paar Minuten und unten kommt die fertige Sojamilch heraus, die Reste werden an die Schweine verfüttert, früher hat man auch Keks daraus geformt und an der Sonne getrocknet.
Die Sojamilch kommt nun in den vorgeheizten Kesel und wird erhitzt, bis sie kocht, dann wird sie in einen großen Tontopf abgelassen. Der Tofumacher betont, dass sie keinerlei Chemikalien zum Andicken verwenden, lediglich Salz wird zugegeben und die angegorenen Reste der „Molke“ von den Vortagen. fast augenblicklich verdickt sich unter ständigen Rühren die Masse. Auf einer langen Holzbank werden jetzt die Tofukästen vorbereitet. dabei hilft die ganze Familie, also die Frau und die Tochter und der 8jährige Sohn. Tücher werden eingelegt und der noch heiße, dampfende Tofu wird eingefüllt und in die Tücher eingeschlagen und dann wird die Packung mit einem Gewicht beschwert. Noch zwei oder dreimal wird nachgefüllt und weiter gepresst und dann ist der Tofu fertig und auch schon die ersten Leute vom Dorf kommen und holen den frischen, immer noch warmen Tofu ab.
Chung und ich haben bisher nur von der Sojamilch gekostet, sehr warm und sehr reich und dicker, als das was industriell angeboten wird und wesentlich runder im Geschmack ist das Getränk. Und auf den Tofu bin ich gespannt, wir bekommen drei große Stücke eingepackt und ziehen wieder zum haus des Schnapsbrenners, dessen frau hat eine dicke Sojasauce angerührt, die als Dipp gereicht wird, der Tofu wird geschnitten, gedippt und gegessen. Super lecker, aber in Deutschland schlecht nachzuahmen, denn der Sojabohnenquark ist bei und niemals so frisch zu bekommen. Auch macht sich geschmacklich bemerkbar, dass keine Chemikalien zugesetzt werden, die Struktur des Quarks ist feiner und softer und es fehlt der leicht säuerliche Nebengeschgmack unseres Berliner Tofus.
Auch interessant ist, dass das Salz erst nach Beendigung des Kochprozesses zugesetzt wird und vorher keine Abschöpfung der Tofuhaut vorgenommen wird. Das verkürzt natürlich nicht nur die Zeit des gesamten Prozesses, auch dürfte der Tofu wesentlich gehaltvoller sein. Ich bin begeistert über unser Erlebnis und der Schnapsbrenner freut sich besuch zu haben. Auch sein Reisschnaps ist nicht schlecht und wir spülen nach dem Essen noch ordentlich nach. Leicht angeheitert verabschieden wir uns von beiden Familien, vielleicht nehme ich die Tofumanufaktur in meine Tourenprogramm auf mit Übernachtung im Haus des Schnapsbrenners, zweifellos ein Erlebnis, aber nicht unbedingt ein guter Auftakt für eine harte Radtour.
Rückwärts im Bus werden wir ordentlich müde, auch wenn wir den ganzen Tag nur zugesehen haben, aber vielleicht lag das ja auch am Reisschnaps. Dann gab es da allerdings noch das Gerücht, dass Tofu der Manneskraft nicht unbedingt zuträglich sei, ich habe mich bereitwillig geopfert dieses zu wiederlegen und getestet und konnte keinerlei negative Auswirkungen nach dem Verspeisen von fast einem Kilo Tofu und einem halben Liter Sojamilch verspüren, eher wäre ich geneigt, das Gegenteil zu behaupten!