Tag 0: Sonntag, der 29. Juli 2012
„Leto bes Letu“ (Sommer ohne Sommer)
Langer Weg von Berlin über Sankt Petersburg nach Sibirien, Berlin in strömendem Regen, St. Peterburg sonnig mit 32 Grad und in Irkutsk soll es morgendlich frisch 12 Grad sein
Grau hängen die dunklen Wolken über Berlin und meine Wohnung übergebe ich fast schon steril sauber an meine Untermieter. Also nichts wie weg hier. In der Nacht habe ich noch bis morgens am Computer gesessen, ich will im Flieger richtig müde sein, sonst kann ich nicht schlafen.
Kurz bevor mein Taxi zum Flughafen kommt, öffnet der Himmel alle Schleusen und es regnet mehr als in Strömen. Da ich wieder einmal nur die Sandalen an den Füßen und keine weiteren Schuhe im Gepäck habe macht mir das knöcheltiefe Wasser nichts; wenn es noch einen Tag so weiter gießt, sieht es aus wie in Beijing vor zwei Wochen, Land unter und man muss in der Badewanne zum Supermarkt rudern.
Gegen 9 Uhr bin dann am Provinzflughafen für das Dorf Berlin, ich hatte eigentlich vorgehabt meine Taschen noch einmal in Plastikfolie einwickeln zu lassen, aber so etwas gibt es nur in zivilisierten Ländern, wie in China zum Beispiel, ebenso wie logistisch einigermaßen funktionierende Flughäfen. Vorgestern sprach ich mit Christoph von China-by-Bike noch über den neuen Flughafen von Kunming, der ist von der Idee über die Planung bis zur pünktlichen (!) Eröffnung in nicht einmal drei Jahren aus dem Boden gestampft worden. Hätte man dort die Eröffnung wegen technischer Probleme, sagen wir mal um zwei Wochen, verschieben müssen, dann wären einige Funktionäre abgesägt worden, bei einer Verschiebung von einem Jahr, hätte der amtierende Bürgermeister die Einweihung aus der Gemeinschaftsbaracke eines Arbeitlagers die Feier verfolgen dürfen; aber Berlin ist eben nicht China- zur Orientierung: Kunming ist eine mittlere Großstadt im Süden von China mit 5 Millionen Einwohnern.
Die drei Mädels am Eincheckschalter stehen unter der Diktatur einer „Svetlana“, die mit haarigen Zähnen die drei Schalter überwacht. Aus der Schlange heraus kann man schön beobachten, wie die Leute mit Übergepäck ordentlich abgezogen werden, ein armer kleiner Japaner darf seinen Koffer noch mal umschichten, vor den Augen aller Umstehenden. Dann bin ich an der Reihe und Svetlana will mir nicht glauben, dass mein Fahrrad nur 15 kg wiegt, irgendwie muss ich dann mein Rad noch auf das Förderband stellen und die Waage zeigt…..schlaffe 11 kg an. Mein Restgepäck wiegt auch noch mal 15 kg, also bin ich im Limit von 30 Kilogramm. Tja, Svetlana, in Physik nicht aufgepasst, hatte meine Tasche noch so gestellt, dass der Fahrradkarton mit einer Ecke noch drauf steht. Aber nicht ärgern, es wären eh nur drei oder vier Kilo drüber gewesen und so dünn wie ich bin, habe ich da nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Aber das Svetlana dann wegen der ganzen Aufregung vergessen hat die 50 € fürs Rad zu kassieren, das ist schon peinlich.
Dafür ist ja auch der Service lausig, es gibt nur Wasser an Bord, kein Bier, keine Cola, keine Fanta und dazu ein lausiges Sandwich.
Auch die Russen in Berlin sind nicht zufrieden mit dem Wetter in Berlin, „Leto bes Letu“ („Sommer ohne Sommer“) titelt die Berliner Zeitschrift für Exilrussen, trozdem gibt es in der Zeitung leckere Rezepte für kalte Suppen an heißen Tagen, die Hoffnung ertrinkt zuletzt. Die Suppen interessieren mich aber trotzdem und ich denke ich werde in Russland dann noch ein paar kalte Suppen probieren und dann gibt’s auf meinem Tomtomtofu Blog dazu einen „leckeren“ Bericht.
Drei Stunden später in St. Petersburg ist mir dann bei 32 und strahlender Sonne nach einer kalten Suppe zumute. Der zu klein geratene Flughafen ist eine Baustelle und es ist mehr als hart sich mit dem Wagen und dem Rad drauf durchs dichte Gedränge zu wühlen. Leider kann ich nicht gleich wieder einchecken, und muss fast 5 Stunden mit den Sachen zubringen in dem übervollen Flughafen. Zwei Stunden döse ich dann draußen und noch einmal zwei Stunden verbringe ich im „Planet Sushi“ bei nur mäßigen Rollen. Dann geht es wieder durchs Gedränge und die schwitzenden Massen, aber das Einchecken geht völlig reibungslos, es gibt hier wohl keine „Svetlana“. Um 20.30 steigen die Fluggäste dann vom Airport-Shuttle in die Maschine und stehen zwischendrin im Sturm. Etwas 100 Meter weiter steht ein anderer Flieger mit dem „Hintern“ zu uns und gibt ordentlich Schub, dass die Basecaps nur so fliegen.
In der Nacht geht es dann über Sibirien hinweg, richtig dunkel wird es nicht, so weit nördlich zieht die Maschine über die unendlichen Weiten, die wir im letzten Jahr noch durchradelt haben……ich erinnere mich dann wieder an Moskitos, Wodka, Pferdebremsen, unendlich lange und gerade Straßen, staubige Pisten und lausige Hotelzimmer und dann zieht es mir doch die Augen zu.