91. Tag: Freitag, der 15. Juli 2011
Wir sind im Fernsehen!
Ruhetag in Nishne Udinsk, Fernsehinterview, Frisör- und Waschtag und viel Nichtstun
Ab 4 Uhr morgens plätschert der Regen draußen. Ich mache mir die Mühe und erschlage die 15 oder mehr Mücken in meinem Zimmer und schlafe dann bei dem beruhigenden Geräusch noch einmal ein. Eigentlich hätte man jetzt aufs Rad springen müssen, es fängt an hell zu werden und die Sonne wird wohl nicht hervorkommen, aber unser Hotel ist schon bezahlt und den Ruhetag haben wir auch dringend nötig und eigentlich nicht nur einen, aber das muss bis zum Baikal noch warten. Weit ist es ja nicht mehr, so ziemlich genau 500 Kilometer.
Pünktlich kurz nach 10 kommt das kleine Kamerateam, sehr professionell sind sie nicht, doch wir drehen im regen extra eine kleine Runde. Barbara muss leider zusehen, denn ihr Fahrrad hat vorne einen Plattfuß. Der lässt sich dann fernsehwirksam reparieren und ich muss noch ein paar belanglose Fragen beantworten, das ganze soll heute Abend um 19 Uhr laufen, wir werden es uns ansehen.
Obwohl das Internet nicht funktioniert wird es für mich ein langer Arbeitstag, fünf tage sind nachzuschreiben. An den Abenden nach 130 kilometern kann ich immer gerade noch die Daten des Tages aufschreiben, habe aber keine Lust mehr kreativ zu sein. Zwischendrin besorge ich mir dann noch eine neue Karte fürs Handy, hoffentlich nun die letzte hier, das System in Russland ist wirklich chaotisch, für jedes Gebiet braucht man eine neue Karte, ansonsten bezahlt man sich dumm und dämlich.
Mittags veranstalten wir noch einmal eine Kartoffelpufferorgie und ich wasche den Rest meiner Wäsche und lasse mir die Haare schneiden, es ist definitiv zu warm für die dicke Wolle auf dem Kopf und nächste Woche in Irkutsk kommt meine Freundin, da möchte ich ja wenigstens wieder jung und dynamisch aussehen!
Am Nachmittag mache ich dann einen weiteren kleinen Rundgang durch die Stadt, es gibt eigentlich wirklich Nichts weiter zu sehen als die russisch-sowjetische Trostlosigkeit und Petuschki liegt eigentlich hier in Sibirien (siehe 27.05.11): Überwiegende Dominanz von Pfusch und Schlamperei und einer großen Portion Unordnung. Aber das ist ja kein Wunder, wenn hier in der Region über 40% der Bevölkerung arbeitslos sind und ein Großteil der beschäftigten von Zeitarbeit lebt. Kein Wunder, dass man sich die „guten, alten Zeiten“ zurück wünscht, als das Bildungs- und Gesundheitssystem noch funktionierten. „Heute musst du schon bezahlen, bevor dich der Doktor einmal ansieht!“ hat mir vorgestern der Polizist erklärt. Also greift man zur Selbstmedikation mit Wodka. „ Es ist besser im Wodkarausch zu sterben, als an irgendeiner Krankheit zu krepieren, weil man die Arztrechnung nicht bezahlen kann.“ Trotzdem stößt man mit „Na sdarowje!“ immer noch auf die Gesundheit an, obwohl das Totsaufen hier System hat. Russische Männer sterben 11 Jahre früher als deutsche.
Zurück im Zimmer setze ich mich noch einmal an meine Bilder und bearbeite eine Reihe von Fotos, die ich mit einem kleinen bericht an den Spiegel schicken will, natürlich eine Auswahl der trostlosesten Bilder des Landes schön deprimierend in Schwarz- Weiß gehalten.
Unser Fernesehbeitrag soll nun doch erst am Montag gesendet werden und wir sind etwas enttäuscht. Abendbrot gibt es in alter Manier auf dem Zimmer und wir schmieren gleich Stullen fürs Frühstück, wir wollen um 6 Uhr los. Der letzte Sturm, noch 5 Tage und 520 Kilometer bis Irkutsk: Herrlicher Baikal, wir kommen!
Am 21. Juli 2011 um 23:01 Uhr
Der Kartoffelpufferberg sieht ja ordentlich lecker aus-hast du den etwa ganz aufgegessen-?,ob wir dich nach dem Frisörgang auch wiedererkennen werden auf den Bildern?!
Ich hoffe die beißenden Insektenviecher haben euch nicht ganz ausgelaugt und es bleibt noch genügend Kraft für die jetzt nur noch 200? km,
Ich versuche es am Samstag mal mit skybe.-ich hatte neulich nicht an die Zeitverschiebung gedacht
herzliche grüße an alle
Karin