10. Tag: Ostermontag, der 25.4.2011
Spuren deutscher Geschichte
128 km von Ostyn nach Gizycko, zumeist ruhige Straße, Besuch des Klosters Heiligelinde und des Führerhauptquartiers-Ost „Wolfsschanze“, deftige 750 hm bei Sonne bis 25 Grad und anfangs leichtem Gegenwind
Es ist fast gespenstisch am Morgen, die Straßen und Plätze wie leergefegt. Niemand ist am Ostermontag so zeitig draußen wie wir. Deshalb brauchen wir nach Barczewo auch nicht die Nebenstraße zu nehmen. In Barczewo treffen wir dann auch wieder auf die erwachten Polen. Doch jetzt heißt es vorsichtig zu sein, denn am Ostermontag ist es hier Tradition für die Kinder und Jugendlichen, sich mit kräftigen Wassergüssen zu durchnässen. Ab und zu sehen wir kleine wilde Jagden mit dem Wassereimer hinter dem Gartenzaun und die Teenies laufen alle schon recht feucht herum. Zum Glück sind die Kids alle ordentlich mit sich selbst beschäftigt und nehmen keine Notiz von uns. Auch die sonntäglich gekleideten Spazier- und Kilrchengänger scheinen nicht behelligt zu werden.
Landschaftlich ist es heute wieder richtig „masurisch“, endlich hin und wieder ein schöner See, aber natürlich auch ordentlich hügelig. Die meisten Dörfer machen einen gepflegten Eindruck und ab und zu sieht man mehr als schicke Häuser, hier kann man vom Tourismus also recht ordentlich leben.
Die kleinen Städte und Dörfer unterwegs sind recht sehenswert, überall gibt es recht schöne Kirchen, wir haben schon die in Barczewo besichtigt, relativ einfach ausgestattet, aber trotzdem imposant durch die riesige Höhe im Kirchenschiff. Auch in Rezel leuchtet uns wieder ein größere Kathedrale entgegen, sowie die Reste einer Ordensburg. Aber wir lassen diese links liegen, da wir heute noch mehr Programmpunkte haben.
Die meisten Städte haben neben den polnischen Namen auch noch die deutschen Namen. Die meisten größeren Siedlungen wurden vom Deutschen Orden im 13. Jahrhundert gegründet und gehörten dann je nach der politischen Situation zu Deutschland oder Polen. Meistens hielt sich der polnische und deutsche Bevölkerungsanteil die Waage. Das letzte deutsche Kapitel begann hier mit dem Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg, einige Städte wurden dem „polnischen Korridor“ zugeordnet, andere konnten per Volksentscheid abstimmen, zu welchem Staat sie gehören.
Gegen 13 Uhr sind wir in „Swieta Lipka“, am Kloster der heiligen Linde, einem Wallfahrtsort. Entsprechend viel Trubel ist hier, leider ist der Dom eingerüstet. Die Linde, an der es eine Marienerscheinung gegeben haben soll ist nicht auf Anhieb zu finden. Um sie wurde die Kirche gebaut und der Baum steht nun verdorrt in einer Ecke und wir bekommen ihn nicht zu Gesicht, denn in der wirklich mehr als prachtvoll mit Decken- und Wandgemälden ausgestalteten Kirche läuft gerade eine Messe und wir wollen uns nicht durch die Betenden wühlen, nur um die vertrocknete Linde zu fotografieren. Um die Kirche herum gibt es zahlreiche kleine Läden mit Devotionalien wie kleine Jesusse und Marien und pseudoreligiösen Kitsch in bunten Farben, wie sich doch die Religionen dieser Welt ähneln.
Bis zu einem dunkleren punkt der deutschen Geschichte sind es nicht einmal 25 Kilometer, bei Rastenburg befindet sich das ehemalige Führerhauptquartier-Ost „Wolfsschanze“, ein Areal von gesprengten Bunkern tief im Wald gelegen. Selbst die Bevölkerung in der Umgebung hat nicht einmal geahnt, dass der Führer hier mehr als 800 Tage in den „Farbwerken Askona“ verbracht hat. Seite dem Stauffenberg Film „Operation Walküre“ mit Tom Cruise als Graf Stauffenberg sollte den Ort jedoch jeder kennen, auch wenn der Film in den Babelsberger Studios in Potsdam gedreht wurde.
Die Bunkeranlage ist beeindruckend, obwohl mehrere hundert Tonnen Dynamit verplempert wurden, um die Anlage beim Rückzug 1945 zu sprengen, ist es nur zum Teil gelungen, den bis zu 20 Meter dicken Stahlbeton zu spalten.
Heute führt ein fast romantischer Waldweg mit vielen Blumen an den düstern Bunkerruinen vorbei, überall prangen Warnschilder, die Anlagen nicht zu betreten oder zu weit in den Wald zu schlendern, bisher hat man schon 54.000 Mienen entschärft.
Leider ist meine Gruppe verschwunden, als ich noch ein paar Fotos machte und so muss ich alleine meine Runde ziehen, um zu sehen in welchem düstern Loch sich Hitler vor Bombenangriffen schützte. Mit einiger Wahrscheinlichkeit boten die Bunkeranlagen keinen großen Komfort oder Luxus. Auf dem Parkplatz treffen wir uns alle wieder. Die Kilometer gegen den Wind am Morgen machen sich langsam bemerkbar und so schleppen wir uns dann mehr oder weniger die letzten 25 Kilometer bis nach Gizycko. Währenddessen wird es noch einmal richtig schön, die Sonne steht schon tief am Horizont und leuchtet rot über den Seen vor der Stadt.
Wir kommen also wieder einmal ordentlich müde an und schaffen es gerade noch in die nächste Pizzeria und vernichten drei riesige Family-Pizzen, bevor wir dann zurück in Richtung Bett schleichen.