2. Tag: Montag, der 15.11.2010
Ab in die Provinz
Flug nach Tengchong und Stadspaziergang, schönes Wetter bei 25 Grad
Nach dem Frühstück geht es dann schon wieder zum Flugplatz. Heute Morgen hat uns die freudige Mitteilung erreicht, dass Ernsts Tasche nun doch noch angekommen ist und ein wenig später hält er sie dann auch glücklich in den Händen. Für Verwirrung hatte die unterschiedlichen Nummern auf Ticket und Tasche gesorgt, doch als Ernst den Schlüssel für das Schloss zieht und dieser passt, sind alle Zweifel seitens des Personals ausgeräumt.
Eine Stunde geht es recht huppelig nach Tengchong, dort erwartet uns nach dem regnerischen Kunming strahlender Sonnenschein. Unser Hotel ist frisch renoviert und strahlt mit einem 70er Jahre Charme. Leider wieder eine Katastrophe, die Räder sind nicht da. Ich sende schnell ein paar Suchmails ab und statte eine telefonische Rundfrage, ohne Ergebnis. Wir warten aber nicht lange, sondern machen uns zu Fuß auf den Weg in die vielleicht 200.000 Einwohner zählende Lokalmetropole.
Das Leben in den kleinen Städten spielt sich auf der Straße ab, die ganze Stadt schein ein einziger Markt und Handelsplatz zu sein, Laden an Laden sind wir ich China schon gewöhnt, aber hier gibt es auch noch ungewöhnlich viele Märkte mit Lebensmitteln.
Teile des Zentrums sind recht modern mit kleinen Kaufhäusern und modernen Gebäuden, in den letzten Jahren sind jedoch auch Teile der Altstadt auf Tourismus saniert worden. Die Stadt liegt am Beginn der Burmastraße und auf der Teestraße, war also schon immer eine Handelsmetropole. Tee verließ hier in langen Karawanen das Land, aus Burma wurden vor allem Jade und Edelsteine importiert. Während des Antijapanischen Krieges war die zurecht gezimmerte Route Chinas einzige Verbindung zum Ozean und Nachschubweg, nachdem sich die Japaner an der chinesischen Küste ausgebreitet hatten.
In der Umgebung der Stadt gibt es heiße Quellen und einen Vulkan-Landschaftspark. Mit Ausbrüchen ist nicht mehr zu rechnen, die Feuerberge sind schon seit langer Zeit nicht mehr aktiv und die Tuffsteine dienen als Baumaterial für Häuser und Straßen. Auch die Hauptstraße im Zentrum ist aufgerissen und wird neu gebaut, an einer Stelle arbeiten gerade die Bagger und vielleicht 30 Chinesen wühlen mit kleine Schäufelchen oder mit Löffeln in der frisch aufgeworfenen Erde: Jade heißt das Gold, das hier gesucht wird, vielleicht nicht die beste Qualität, aber ein Mann zeigt uns einen faustgroßen Brocken, der schon 10 Euro bringen kann. Meine Goldgrube findet sich um die Ecke, nach 8 monatiger Abstinenz an gedämpften Teigtaschen ist hier einer der besten Baotze und Jiaotze Läden der Region und wir halten hier unser spätes Mittagessen ab, mit allgemeiner Begeisterung.
Dann gehen wir in die alte Altstadt, die noch nicht renoviert wurde, niedrige Holzhäuser, zwei Etagen, unten ein Laden, oben ein enges Schlafzimmer und das Leben spielt unten im laden und auf der Straße davor. Hier gibt es Barbiere, Zimmerer, Korbflechter und Mechaniker und daneben der muslimische Schlachter. Bilder und Szenen wie aus einem Märchenbuch
Ein Bettler, gekrümmt und leidend ergaunert von Andre einen Yuan und geht aufrecht und fröhlich davon, wir lachen und freuen uns über die schnelle Heilung des Leidenden.
Am Abend tauchen dann auch meine Räder auf, sie sind im falschen Hotel ein paar Straßen weiter gelandet, also kein Problem und wir können entspannt zum Feuertopf essen gehen. Auf einer Gasflamme in der Mitte des Tisches brodelt eine Hühner-Tintenfisch Brühe und dazu kommen jede Menge an verschiedenem Gemüse, Tofu, Fleisch und Enteneier. Zu Beginn der Tour gibt es noch eine milde Variante, für den letzten Tag plane ich dann einen pfeffrig scharfen Sichuan Feuertopf. Fast zwei Stunden sitzen wir beim Essen und probieren auch noch ein paar chinesische Schnäpse, bis wir reif fürs Bett sind. Die Chinesen, die sich allerdings in der Kneipe dem Hotel gegenüber betrinken und lautstarke Trinkspiele veranstalten sind dies nicht und ein Teil der Gruppe kann nun die Zahlen auf Chinesisch von eins bis zehn, denn die erklingen bis morgens drei Uhr auf der Straße, die chinesische Variante eines Brunnen-Stein-Schere-Papier-Spiels, der Verlierer muss trinken oder der Gewinner, ist aber auch egal, denn es ist ja schließlich ein Trinkspiel.