129. Tag in Hanoi- Freitag, der 3.9.2010
Jubel und Enttäuschung an der Ho Chi Minh Straße-75 Kilometer von Sam Son nach Yen Cat
Heute haben wir die Wahl zwischen der Hauptstraße oder einem „Shortcut“. ich wäre kein echter „China by Biker“, wenn ich mich nicht für die Nebenstrecke entscheiden würde. Am Anfang geht es direkt am Meer entlang. Leider sieht man dieses nur ab und zu durch die Bäume schimmern, aber der Geruch nach salziger Seeluft ist einzigartig. Die Straße führt von Dorf zu Dorf und die Versorgungslage ist fast besser als an der Hauptstraße. An jeder kleinen Kreuzung gibt es ein paar Läden mit Getränken.
Der „Shortcut“ von der A1 führt dann auf einem schmalen Weg am Fluss entlang, dann wird es ein Feldweg, der im Zickzack durch die Reisfelder führt. Man kommt nur langsam vorwärts, aber man fährt den Bauern fast durchs Wohnzimmer. Es gibt viel zu Gucken und zu sehen, auch für die Bauern, denn Rad fahrende Ausländer kommen hier nur alle 15 Jahre vorbei, aber vielleicht im Februar schon wieder, wenn ich meine Gäste hier entlang führen kann. Leider hat meine kleine Freundin Pech und fährt in ein Loch und stürzt. Sie war zwar nicht schnell, aber für ein paar Schürfwunden und ein dickes Knie reicht es. Die Pedale kann im nächsten Dorf sofort wieder gerichtet werden, aber das Knie bleibt trotz Kühlung dick und schmerzt. Wir schaffen es aber bis ins nächste Städtchen und hier gibt es erst einmal Mittag, Reis und gebratenes Gemüse mit Reis. Im Lokal kann man sich auf ein paar Strohmatten ausstrecken und ein Nickerchen über die heißen Mittagsstunden halten. Dann soll meine kleine Freundin eigentlich auf den Bus steigen, aber es gibt keinen hier auf der Nebenstrecke. Die wenigen LKW sind beladen und in die ebenfalls spärlichen PKW passt kein Rad. Also radeln wir langsam weiter. Gegen Abend schmerzt das Knie aber noch mehr und so versuchen wir für die letzten Kilometer ein Xe Om, ein Mopedtaxi zu finden, aber die Leute haben die doppelte Preisvorstellung, wie in Hanoi, also radeln wir eisern weiter.
Fünf Kilometer vor dem Ziel werden die kleinen Hügel aber zu mittleren Bergen, aber auch hier hat niemand Interesse und obwohl meine Freundin Schmerzen hat, will niemand helfen. Wir sprechen vielleicht zehn Mopedfahrer an, acht wollen gar nicht fahren, Frau plus Fahrrad, das geht nicht. Und das in einem Land, wo sechs Personen, oder ein ausgewachsenes Rind oder sechs Schweine auf einem klapprigen Moped transportiert werden können. Die anderen beiden wollen fast 10 € für die vier Kilometer. Also schieben wir noch zwei Kilometer, dort trifft die Nebenstraße auf den Ho Chi Minh Pfad, der eine gut ausgebaute Trasse ist, allerdings fast ohne Verkehr. Auch hier zeigen wieder ein paar Mopedfahrer gesteigertes Desinteresse an einem 10 Minuten Job, doch endlich rettet eine Vietnamesin mit Kind die Ehre des Landes. Sie sieht meine leidende Freundin und ordnet ohne zu fragen an: Kind nach vorn, Freundin nach hinten, Fahrrad verkehrt herum dazwischen. Das ist der Pragmatismus asiatischer Länder, den ich liebe. Doch in diesem Augenblick stoppt doch noch der einzige Bus, der heute noch fährt. Wir bedanken uns noch einmal bei der Mutter mit Kind und ich komme nicht umhin, den beiden gelangweilten Xe Om Fahrern den Finger auszuklappen, denen die Geste allerdings nichts sagt.
Ich husche dann über den letzten Berg und genieße von oben eine tolle Aussicht übers Hügelland. Das Hotel ist erstaunlich angenehm für ein winziges Städtchen. Acht Dollar kostet das große Zimmer mit zwei riesigen betten, es gibt sogar Klimaanlage, das Zimmer ist sauberer als das in Sam Son und essen gibt es im Restaurant. Da wir die einzigen Gäste sind, such ich in der Küche ein wenig herum und finde Auberginen, dazu Schweinefleisch, eine Tomate, Zwiebeln, Knoblauch und Zitronengras. Das stelle ich dem Koch auf den Tisch. Meine Freundin erklärt kurz, was er machen soll, dann schlägt der skeptische Gesichtsausdruck in Eifer um und er zaubert ein frisches Gericht aus den Zutaten, fast schon chinesisch, aber doch südostasiatischer Einfluss, wegen des Zitronengrases und dem Limettensaft- Cross Over auf dem Ho Chi Minh Pfad.
Die Strecke war heute sehr abwechslungsreich, am Anfang die tolle Seeluft, dann querfeldein und zum Schluss sanfte Hügel und kleine Berge. Enttäuscht hat mich die Gefühllosigkeit und mangelnde Hilfsbereitschaft, hier ist in den letzten Jahren wohl einiges verloren gegangen, hier zählt nur noch der Dollar und das sind nicht mehr die Vietnamesen, die die Amerikaner in den Hintern getreten haben. Dies erinnert mich ein wenig an China vor vielleicht 15 Jahren, als sich dort ebenfalls eine Abzockermentalität durchgesetzt hatte und es nur noch um Geld ging, am besten ohne irgend einen gegenwert dafür zu erbringen, aber das hat sich glücklicherweise geändert und ich denke auch das wird hier im Lande noch passieren (müssen).