95. Tag in Hanoi- Freitag, der 30. Juli 2010
Ausflug nach Ninh Binh – Flucht aufs Land, 68 km nach Kim Boi
Die halbe Woche war ich schon wie elektrisiert, am Wochenende endlich aufs Rad steigen und längere Touren machen. Seit März war ich nicht mehr „richtig“ mit dem Rad unterwegs, für mich eine halbe Ewigkeit. Der Unterricht am Freitag flutscht und dann werfe ich zu Hause meine Packtasche an Rad, schlüpfe noch mal schnell unter die Dusche und dann geht es los, auf der Kim Ma Straße entlang, dann links dem Kanal folgen und dann rechts auf die Ausfallstraße Richtung Hoa Binh.
Der Verkehr hier aus der Stadt heraus ist heftig, aber nach drei Monaten Hanoi bin ich ja schon einiges gewöhnt. Schlimmer ist die Hitze, es sind heute wieder gut 35 Grad, beim Fahren geht es, aber wehe denn, die nächste rote Ampel kommt. Auf der Ausfallstraße wird gehupt, was das Zeug hält, diese ist in eher schlechtem Zustand, das heißt es gibt in der Mitte einen Asphaltstreifen, der genau für zwei Fahrzeuge reicht, also gibt es eigentlich kein Platz zum Überholen mehr. Deshalb wird versucht, den langsameren Verkehr auf den staubigen Seitenstreifen zu hupen, das klappt aber bei den wenigsten Vietnamesen und auch nicht bei mir. Ab irgendeinem Punkt ist man resistent gegen die Huperei und es kommt nur einmal mein Temperament durch. Als ich gerade ein wenig nach rechts will, um einen Truck passieren zu lassen, beginnt der zwei Meter hinter mir mit seinem Megahorn zu blasen, das es mich fast aus den Latschen haut. Nach meinem bösen Blick nach hinten, hupt er noch einmal schön lange und genüsslich und da denke ich: „So nicht mein Freund, genüsslich kann ich auch!“ Und das tue ich dann auch fast zwei Minuten auf meiner Spur, gemütlich radelnd und das inzwischen immer wütender werdende Hupen komplett ignorierend und es ist interessant, dass Reaktionsschemen bei deutschen, italienischen und vietnamesischen Autofahrern gleich sind. Er zieht wütend seinen Truck in den Staub nach rechts und überholt mich holpernd auf dem Seitenstreifen. Nach 25 km ist die Stadtgrenze erreicht und ich gönne mir eine Pause in einem kleinen Bia Hoi unter einem schönen großen Baum. Nach dem Absteigen beginnt der Schweiß in Strömen zu fließen und will gar nicht wieder aufhören und zwei Flaschen Eistee gehen auch runter wie nix.
Aus der Stadt heraus wird es landschaftlich gleich sehr angenehm. Viele Reisfelder links und rechts heißt gerade in dieser Jahreszeit viel sattes Grün. Vorbei geht es an viel langsam fließenden Gewässern, die mit allerlei Wasserpflanzen, wahrscheinlich Wasserlilien bewachsen sind, also noch mehr Grün. Lang ziehen sich die Städtchen und Dörfer hin, groß sind sie nicht, aber konsequent an der Straße gebaut und dort spielt sich dann auch das ganze Leben ab. Ein Laden nach dem anderen, viele kleine Cafes und erstaunlich viele Bia Hois.
Mir läuft der Schweiß schon wieder in Strömen und ich verspüre Hunger, aber in dieser Hinsicht ist die Strecke eine einzige Katastrophe, in den Nudelbuden bekommt man auf den Nachmittag keine Nudeln mehr und andere Restaurants fehlen komplett. Mit Keksen uns Süßkram kann ich mich nicht anfreunden, also stoppe ich in einem kleinen Bierladen auf ein kleines Bier und einen Teller gekochter Erdnüsse. Inzwischen ist es auch schon halb fünf und ich habe Luong Son erreicht. Hinter dem Ort biege ich nach links ab und bin nun auf einer kleinen Nebenstraße. Fast kein verkehr mehr und die Straße schlängelt sich durch einen Karst- Canyon. Nicht gigantisch und spektakulär, eher beschaulich und malerisch. Zwischen den kleinen Dörfern wieder Reisfelder und dahinter die bewaldeten Karstformationen. Auf den späten Nachmittag ist viel Volk unterwegs, meistens in Begleitung von Wasserbüffeln, die nach Hause getrieben werden müssen, nicht ohne vorher noch einmal am Fluss auf ein Bad vorbei getrieben worden zu sein. Die Hügel, die ich zu fahren habe hier auf meinen letzten Kilometer, sind eigentlich kein großer Akt, aber die Hitze steckt mir in den Knochen und es sind immer noch gute dreißig grad und dazu kommt die hohe Luftfeuchtigkeit, da heißt es dann wirklich ganz weit runterschalten und um Gottes Willen nicht aus dem Sattel gehen, nach solchen kleinen Sprinteinlagen ist man dem Herzinfarkt ganz nahe. Ganz nahe bin ich dann auch an meinem Ziel. bei Kim Boi gibt es ein nettes kleines Ressort mit Swimmingpool und heißer Quelle und gutem Essen. Das V-Ressort hat zwar seinen Preis, aber man gönnt sich ja sonst Nichts und obgleich ich eher ein Bademuffel bin, ist es doch genial, auf den Abend noch ein paar runden im lau-kühlen Wasser zu drehen und den Körper wieder auf normale Betriebstemperatur zu bringen. Trotz der nur 68 Kilometer auf den Nachmittag fühle ich mich recht müde und ausgelaugt und so vertilge ich im Restaurant eine große Portion gebratenen Reis mit Seafood und einen Salat mit Hühnerfleisch und Bananenblüten. Hier in dem Lokal ist es wirklich gut mit einer Gruppe zu sein, denn es gibt auch lokale Spezialitäten, zu denen Wildschwein und Ziege zählen, aber das sind mir etwas zu schwer und viel.
Wem die Bilder gefallen, der kann im nächsten Jahr hier mit mir zusammen entlang radeln, denn dies wird die erste Etappe der Tour von Hanoi nach Saigon. Sobald man aus der Stadt heraus ist, wirklich gut zu radeln und zum Schluss richtiggehend malerisch, der krönende Abschluss dann, Pool und Quellen und das dürfte im Februar, wenn es hier merklich kühler wird, sehr angenehm sein.