35. Tag in Hanoi
Wieder eine Woche gelaufen, die Aussicht auf die neue Wohnung beschwingt, aber wir wachen am Samstag total müde auf, einmal hat es in der Nacht wieder mindestens zwei Stunden stark gewittert, zum anderen startet die Baustelle nebenan schon wieder um 7 Uhr mit der Arbeit und die Sandhaufen für den Beton liegen direkt vor meinem Fenster.
Wir haben wieder einmal eine Verabredung. Gegen 9 Uhr kommt Hoa mit ihrer Tochter vorbei, aber Peter hat richtig finstere Laune, gestern Abend wollte er nicht so zeitig ins Bett und ich habe ihn dann auch bis nach 10 aufbleiben lassen. Auf alle Fälle will Peter heute Morgen gar Nichts machen, doch ich kann ihn mit Mühe überzeugen uns wir fahren zu einem Park in der Nähe des Westsees. Dort wird gerade aufgebaut für eine große Werbe- und Kinderveranstaltung am Sonntag, gesponsert von einem holländisch-vietnamesischen Joint Venture. Hier scheint es morgen einen Riesentrubel zu geben. Endlich taut auch Peter auf und hat mit Hoas Tochter auch Spaß an dem bunten Treiben. Heute finden hier die Proben fürs Programm statt und ein drittklassiger Zauberer zieht sich reihenweise armselige Täubchen aus dem Ärmel. Großen Zuspruch findet die Hüpfburg, gnadenlos überfüllt, Peter will gar nicht drauf und Hoas Tochter kommt nach drei Minuten mit einer Schramme zurück. Mit Entsetzen beobacht ich, wie zwischen den hüpfenden Kids ein Baby von vielleicht anderthalb Jahren krabbelt, aber dem Kleinen passiert wie durch ein Wunder nichts.
Auch die Bühnenvorrichtung wird gerade sehr wackelig zusammengeschraubt, am besten man sieht gar nicht hin, wie lausig die „Sicherheitsabspannung“ dort verknotet wird, kein Haken, keine Schlaufe, kein Karabiner, sondern ein paar Schlaufen halten den schweren Mast gerade.
Aber Sicherheit steht hier eben nicht unbedingt an erster Stelle.
In dieser Woche hat sich Peter zum Ho-Chi-Minh-Fan entwickelt. Peter zählt die hunderte von Postern und Bildern in der Stadt und wir müssen jeden Tag am Mausoleum vorbei fahren und Peter fragt mich jeden Tag zwei Mal, ob er immer noch tot ist. Heute erzähle ich ihm, dass er auch immer tot bleiben wird, aber in den Herzen der Vietnamesen weiter lebt. Peter mag den Spruch und ich lache mich fast kaputt, wenn Peti das nachplappert, naja, waren die vier Jahre an der Offiziershochschule bei der NVA nicht ganz umsonst, wenigstens bei Kindern zieht die Propaganda noch.
Am Donnerstag waren die Kids vom Kindergarten auch im Onkel Ho Museum und dort gab es Tanz und Trubel, Peti war beeindruckt und ich werde wohl den gang durchs Mausoleum mit dem Kleinen irgendwann aufs Wochenendprogramm setzten müssen. Aber im Moment sind hier einfach zu viele leute, nächste Woche ist Kindertag und Busladungen von Pionieren werden täglich durch den Marmorpalast mit der Mumie geführt, außerdem hatte der alte Mann am 19.5. Geburtstag, 95 wäre er geworden und es ist schwer abzuschätzen, ob er mit dem heutigen Vietnam zufrieden wäre oder ob sich Vietnam so entwickelt hätte, wie Kuba oder Korea, wenn er noch am Leben wäre.