9. Tag: Königsetappe mit Hindernissen
100 Kilometer von Yingjiang nach Longchuan, 1130 Höhenmeter auf ruhiger Straße mit kurzen Baustellenabschnitten, 10 bis 20 Grad
Das Frühstück auf der Straße ziehe ich immer dem Hotelfrühstück vor. In jeder kleinen Stadt gibt es morgens zahlreiche kleine Frühstücksimbisse. Hier gibt es dann verschiedenste Sorten von Nudelsuppe oder Baotze und das gibt wirklich Kraft für den Tag.
Joost hat nach der gestrigen Anstrengung keine zu große Lust auf viele Höhenmeter, aber mit seinen 75 Jahren hat es sich gestern mehr als wacker geschlagen und so sei ihm ein Ruhetag und Bustransfer zugestanden. Die Busse hier fahren im 20 Minuten Takt und so findet sich sofort ein Fahrzeug, das Rad kommt aufs Dach und schon geht es los in Richtung Longchuan, ich habe gerade noch Zeit, die Hoteladresse aufzuschreiben und Joost kurz den Weg zu beschreiben.
Dann geht es auch für uns anderen aus der Stadt hinaus und für gut 30 Kilometer ist das Bild noch von Zuckerrohrfeldern geprägt. Nach einer knappen Stunde Fahrt entscheidet sich dann auch das Wetter, Sonne und Wind haben die dicken Wolken vertrieben und so sehen wir den bergen optimistisch entgegen.
In einem kleinen Dorf gibt es einen riesigen Wochenmarkt. Viel buntes Völkchen treibt hier Handel. Ich liebe solche Märkte, auf denen es nicht einen einzigen Stand mit Souvenirs oder Kitsch gibt, dafür kann man unendlich zwischen Haushaltswaren, Gemüse, Fleisch und Tofu spazieren gehen und den Leuten beim Feilschen zusehen. Nach ein paar Keksen und Mandarinen geht es dann an den ersten Berg, eigentlich ist die Straße wegen weiterer Baustellen gesperrt, aber mit dem rad kommt man wohl durch. Seit ein paar Monaten sind hier die großen Bagger unterwegs und schaffen Platz für eine größere Straße. Vor allem in den Kurven treffen sich dann alte und neue Trasse und hier haben dicke Bagger und Baufahrzeuge dann alles aufgewühlt. Ab und zu müssen wir ein paar Minuten warten, bis ein Dumper den Weg durch die Baustelle frei gibt, aber dann ist die alte Straße wieder für ein paar Kilometer in Ordnung. Die Baustellen haben den Vorteil, dass es außer uns fast keinen Verkehr gibt, nur ab und zu knattert ein Motorrad vorbei oder ein kleiner Traktor, der eine Fuhre Holz ins nächste Dorf transportiert.
Gegen Mittag haben wir dann die fast 600 Höhenmeter hinter uns gebracht und erreichen eine große Hochebene. Hier leuchtet zwischen zwei Dörfern ein erster Stupa. Diese buddhistisch-religiösen Gebäude werden seit dem Tod des historischen Buddha an heiligen Plätzen errichtet und in Burma wird dies fast inflationär betrieben. Hier ist es für uns der erste dieser glockenförmigen Tempelbauten und den müssen wir natürlich aus nächster Nähe bestaunen.
Vor dem zweiten Berg machen wir Mittagspause, doch es dauert ewig, bis das Essen kommt. Wir hatten nicht beachtet, dass hinten im Garten schon zahlreiche Tische mit Gästen besetzt waren und so müssen wir noch eine knappe Stunde vor uns hin hungern, bis wir unsere Gerichte serviert bekommen.
Schon etwas spät starten wir dann in den zweiten Berg, aber die noch einmal 400 Höhenmeter sind nicht zu steil und lassen sich hervorragend fahren, dafür gibt es dann auf der anderen Seite jede Menge Baustellen mit schwerem Gerät und einmal müssen wir dann sogar noch eine halbe Stunde warten bis der Weg für uns und drei weitere Fahrzeuge frei gegeben wird.
Ansonsten geht es in schönen Kurven 600 Meter runter bis fast nach Longchuan, das wir mit den lketzten Strahlen der Abendsonne gerade noch im Licht erreichen. Joost ist schon gegen Mittag nach einer holprigen Busfahrt wohlbehalten hier angekommen und auch wir sind froh, nach dem langen Fahrtag das Ziel erreicht zu haben. Unser Hotel sieht zwar etwas schäbig aus, aber die familiengeführte Herberge hat freundliches Personal, die Betten sind sauber und die Duschen funktionieren, was wollen wir mehr.
Halb Acht rücken wir ins Lokal ein, das ist für die hiesige Gegend schon sehr spät und wir sind die letzten Gäste und in der Küche wird gerade begonnen, alles sauber zu machen. Auch wenn die Auswahl nicht mehr grandios war, zaubert uns die Köchin doch noch acht oder neun schöne Gerichte auf den Tisch und wir können die Energiereserven, die wir heute auf den langen Anstiegen verballert haben, wieder gut auffüllen. Auf besonderen Anklang stieß ein Kartoffelgericht, eine Art Mischung aus deutschem Reibekuchen und Schweizer Rösti.
Auf dem Weg zurück ins Hotel merke ich, dass auch meine Knochen recht müde sind und falle sofort ins Bett und setze mich nicht mehr an den Computer, das kann bis morgen warten.