8. Tag: Hinter sieben Bergen
85 Kilometer von Rehai nach Yingjiang, 860 anstrengende Höhenmeter über unasphaltierte Straße, 10 bis 22 Grad, Sonne und Wolken
Zeitig starten wir heute, denn ein langer Tag liegt vor uns. Nach dem Frühstück interview ich noch einmal das Hotelpersonal und alle greifbaren lokalen Chinesen nach einer Abkürzung. Der geplante Weg wäre wieder nach Tengchong zurück und dann einen großen Bogen nach Süden zu fahren, doch die Karte zeigt, dass wir den großen Zirkel eventuell auslassen können. Die Gruppe ist mit der Erkundungsaktion einverstanden und so biegen wir gleich hinter dem Hotel in eine kleine Straße ein, die steil nach oben führt. Über den Bergkamm müssen wir so oder so und so gehen wir gut motiviert in die Steigung. Nach zwei Kilometern kommt die „Grüne Gurken Quelle“ ein weiteres Ressort mit heißer Quelle und dann hört die Straße auf und wird zur Piste. Noch ein paar Mal steigt die Straße richtig an, bis zu 12 Prozent Steigung zeigen die Bordcomputer und man darf sich nicht zu weit nach hinten lehnen, sonst steigt das Vorderrad in die Höhe. Die Landschaft ist toll, fast dschungelartiger Wald mit Koniferen und Bambus umgibt uns und die Steigung lässt uns schnell die recht kühlen Temperaturen vergessen. Bei Hitze ist der Trip wohl eine Qual und bei Regen dürfte sich die Piste in eine schlüpfrige Schlitterbahn verwandeln, aber heute stimmt alles und so erreichen wir nach weiteren drei oder vier Kilometern den höchsten Punkt. Der Pass ist nur zehn Meter höher als der eigentlich geplante und es gab keine Zwischensteigungen. Zur Belohnung liegt nun eine tolle Aussicht über das weite Tal mit dem Daying Fluss vor uns.
Die Abfahrt ist ebenso holprig wie der Anstieg und beansprucht uns jeden Augenblick, auch hier geht es sehr steil hinunter und schneller als 20 km/h kann man das rad nicht laufen lassen. Nach einer halben Stunde Abfahrt erreichen wir dann wieder die Hauptstraße und haben knappe 30 Kilometer gespart, anstrengen war es, aber auch sehr schön. Aber noch schöner ist es wieder Asphalt unter dem Rad zu haben. So gleiten wir dann gute 25 Kilometer immer noch ganz leicht abwärts. Mit dem Pass haben wir wieder eine Klima und Landschaftsscheide hinter uns gebracht. Es ist ein wenig wärmer als noch in Tengchong und auch die Botanik hat sich verändert, hier ist es schon fast subtropisch. Gab es drüben im Land der Vulkan hauptsächlich Mais und Rapsanbau und nur ein paar Reisfelder, ist der Mais nun hier ganz verschwunden und zu den vielen Reisfeldern kommen ganze leuchtend grüne Meere von Zuckerrohr. Das ist noch nicht ganz reif, so dass die Zuckerfabriken am Straßenrand noch nicht wieder arbeiten, die sonst süßlichen, fast weihnachtlichen Duft verbreiten.
Im nächsten Städtchen finden wir ein nettes Restaurant mit einem idyllischen Hinterhof. Hier rücken wir uns den Tisch in die warme Sonne und haben eine unserer besten Mahlzeiten auf der bisherigen Reise. Eigentlich gibt es nichts Außergewöhnliches, aber alles ist superfrisch und mit einer beschwingten Leichtigkeit zubereitet, nicht zuviel Sojasoße, aber auch nicht blass im Geschmack sind unsere Gerichte. Das Lokal habe ich dann natürlich gleich auf dem GPS Gerät markiert und so wird es mir eine Freude sein, hier auch mit der nächsten Gruppe einkehren zu können.
Nach dem Städtchen erwartet uns eigentlich nur ein kleiner Pass, aber die Polizei hat die Straße gesperrt und wir müssen die alte Straße nehmen, die ist aber grob gepflastert oder hat gar keinen Straßenbelag. Wieder geht es bergan, nicht ganz so heftig, wie am Morgen, aber immer wieder gibt es kleine Anstiege und Abfahrten und so sammeln sich schnell die Höhenmeter. Dazu kommt, dass der gesamte Verkehr über die Piste geleitet wird und so teilen wir die schmale Straße mit vielen Autos und Bussen, die versuchen, den Umweg durch höhere Geschwindigkeit auszugleichen. Ich bin derart konzentriert auf Weg und Verkehr, dass ich nur im Augenwinkel mitbekomme, wie schön die weite grüne Landschaft hier eigentlich ist. Die Dörfer sind klein und beschaulich und die Leute, die hier leben haben mit den ethnischen Chinesen sehr wenig zu tun. Kleine Statur und kleine runde Gesichter mit Stupsnase dominieren das Bild auf den 25 Kilometern Baustellenumfahrung, hauptsächlich verschiedenen Dai-Kulturen leben hier. Bei einer Pause werden wir umstaunt und angefasst, eine Bäuerin erklärt, dass sie noch nie einen Ausländer zuvor gesehen habe und kann gar nicht fassen, wie viel größer Menschen so sein können.
Die letzten 30 Kilometer sind wir dann wieder auf der Hauptstraße zurück, die Umfahrung hat uns viel Zeit gekostet und mit den letzten Strahlen der Abendsonne erreichen wir die kleine, belebte Stadt Yinjiang. Auf dem großen Platz treffen sich schon die Menschen zum abendlichen Sport, als wir in den Hof des Hotels einrollen.
Zum Glück funktioniert das warme Wasser tadellos und es ist ein wahre Freude, den Staub des Tages vom Körper spülen zu können. Und auch zum Abendessen ist es nicht weit, gleich auf der anderen Straßenseite befindet sich ein gehobeneres Lokal, das heißt, am Eingang stehen acht junge Männer und Frauen und begrüßen die Gäste. Unser Mahl ist wieder lecker, auch wenn der mit sauer-scharfem Gemüse gewürzte Fisch nicht auf jedermanns Geschmack traf, haben wir doch wieder exzellent gespeist. Vor allem die gegrillten Garnelen waren sehr lecker. Trotz des gehobenen Services zahlen wir nicht viel mehr als sonst, nicht einmal 30 Euro inklusive diverser Biere und einer Runde angesetzten Schnapses. Für jeden BWL Studenten wäre es eine interessante Hausarbeit, die Rentabilität eines solchen Restaurants zu untersuchen, aber lohnen muss es sich, denn den Laden kenne ich schon seit drei Jahren.