18. Tag : Tibetisches Hochland und moslemisches Monument-Valley
90 Kilometer über einen 3816 m hohen Pass von Qutan nach Shunhua bei 1 bis 16 Grad und viel Sonne, 1450 Höhenmeter
Am Abend hat uns Andreas schönes Wetter prophezeit und seine Voraussage trifft zu, es ist glasklar und ziemlich kalt. Wir haben alle etwas lange geschlafen und werden durch das Dröhnen des Lautsprechers geweckt, die Mannschaft des Restaurants ist draußen in Reih und Glied zum Frühsport angetreten.
Gleich von Anfang an geht es straff bergan, ein Pass wartet irgendwo links auf uns, genaue Höhenangaben kann keiner machen, die Aussagen schwanken zwischen 3000, 3800 und 5000 Metern, für den Radfahrer schon ein beträchtliches Anforderungsspektrum.
Hier unten im Tal sind die Bauern alle wieder fleißig auf den Feldern, die Felder werden mit Pferden oder Eseln umgepflügt, Kartoffeln geerntet oder Yakfladen an die Wände zum Trocknen geklebt.
Nach 10 Kilometern hört der Asphalt auf und wir bekommen erstmals den Pass zu Gesicht. Zwischen hohen Gipfeln Thront ganz weit entfernt eine Schneebrücke und ein Gebetshaufen. Mein Gott müssen wir weit hoch und es sieht verdammt kalt aus! Unten ist fast noch T-Shirt-Wetter und schönster Herbst, es gibt wunderschöne Nadelwälder und die Lärchen stehen kurz davor, die Nadeln abzuwerfen. Alles leuchtet in bunten Farben.
Der Weg führt in weiten Serpentinen nach oben, die Piste ist in gutem Zustand und es fährt sich fast so gut wie auf Asphalt. Fahrzeugen begegnen wir kaum. Einmal pro Stunde vielleicht ein Traktor und dann noch ein Minibus. Der Winter hat hier schon fast Einzug gehalten, selbst am frühen Nachmittag unter der Sonne tauen einige kleine Rinnsale auf der Straße nicht mehr auf. Bei Regen scheint die Straße sehr gefährlich zu sein, denn es bröckeln auch heute kleine Steine von der Böschung herunter, manchmal auch ein faustgroßer Brocken und große Steinhaufen und Felsblöcke am Straßenrand zeigen, dass auch noch mehr möglich ist. Ein einsamer Arbeiter hinter einer Kurve ist mit einer Schaufel bewaffnet und räumt das Geröll beiseite, kaum ist er ein paar Meter weiter, klappern hinter ihm die nächsten Steine auf die Piste.
Halb drei dann die letzte Kehr, die Temperatur ist jetzt bei einem Grad, aber in der Sonne erscheint es nicht so kalt, dann sind wir oben und für Andreas und Thomas wieder neuer Höhenrekord: 3816 Meter über dem Meer. Fünf Zentimeter Schnee liegen hier und am Gebethügel wehen bunt Fähnchen im leichten Wind.
Flugs schlüpfen wir in unsere wärmsten Sachen und dann geht es auf der anderen Seite in eine weite Ebene. Inzwischen hat sich der Himmel ein wenig zugezogen und die Wolkenfelder bilden einen tollen Kontrast zu den Bergen und der Hochebene. Überall weiden große Yakherden, aber die Tiere sind ziemlich scheu und wenn man sich langsam nähert traben sie von dannen und nur Yakärsche zu fotografieren, macht auch keinen Spaß.
Das erste Dorf ist rein tibetisch, jedes Haus eine kleine Festung und die Tibeter ganz emsig dabei sich auf die kalte Jahreszeit vorzubereiten.
Obwohl es schon halb fünf ist, beschließen wir, nicht im nächsten Städtchen zu bleiben, sondern noch 40 km weiter zu fahren. Es wird eine rasend Abfahrt durch ein schmales zerklüftetes Flusstal. Links und rechts ragen monumentale Türme in die Abendsonne, die der regen aus dem rötlichen Sediment gespült hat. Alle 100 Meter eine neue Aussicht und wieder ein Fotostopp. An einer Kurve treffen wir auf einen Chinesen, der schon drei Monate unterwegs war, bis Lhasa ist er vorgestoßen und sagt, dass er dieses Jahr komischerweise keine ausländischen Radler getroffen habe. Die Ursache ist natürlich die restriktive Genehmigungsvergabe für Tibet seit den Olympischen Spielen und den Unruhen im letzen Jahr, aber das gilt ja nicht für Chinesen. Seit letztem Jahr kommt man nur noch mit lokalem Führer und einer gebuchten Reise in die zentralen Regionen Tibets, lediglich die Randregionen und die Provinzen Qinghai, Sichuan und Gansu sind ohne Sondergenehmigung bereisbar.
Als sich die Schlucht nach 10 km wieder öffnet sind wir in einem fruchtbaren Tal, das von chinesischen Moslems, den Hui, bewohnt wird. Viele Moscheen und viel Kinder fallen sofort auf und Chinesisch spricht kaum jemand mehr. Selbst die Frage nach einem Hotel oder Guesthouse wird nicht verstanden. 10 Kilometer geht es noch weiter abwärts bis in einen Vorort von Shunhe. Hier gibt es eine große Kreuzung an der wir abbiegen müssen und auch ein schäbiges Hotel. In dem Städtchen, das auch sehr moslemisch geprägt ist, werde ich wieder verstanden und neben dem Hotel gibt es auch ein Restaurant mit zwei kargen Gemüsegerichten für Thomas und leckeren Fleisspießen für Andreas und mich. Im Restaurant gibt es kein Bier und auch in den Läden rundherum ist nicht eine einzige Flasche aufzutreiben.
Mächtig weit sind wir abgefahren in den letzen drei Stunden, fast 2000 Meter ging es herunter und es war eine Freude über die gute Straße in die Tiefe zu rasen, aber ich fürchte, dass es morgen wieder gut bergan geht. Genaueres können uns der Hotelier und die Leute im Dorf nicht sagen und so bleibt uns nichts anderes als abzuwarten.