54. Tag: 19. Mai 2009 „Von Wasserstadt zu Wasserstadt“
86 Kilometer von Wuzhen nach Tongli durch flaches Land an kleinen Kanälen und auf winzigen Dorfverbindungen
Nach der neuen „Altstadt“ des gestrigen Abends wollen wir natürlich noch etwas von der alten Altstadt sehen und so machen wir uns nach dem Frühstück noch einmal auf den Weg und sind mit tausenden von Chinesen unterwegs, die auch durchs Weltkulturerbe stapfen wollen. Noch einmal löhnen wir 100 Yuan Eintritt und dann sind wir am Kanal, der längs durch die Stadt führt.
Normales Leben gibt es hier nicht mehr, aber in der Stadt gibt es zahlreiche Läden und kleine Handwerksbetriebe, in denen die Leute noch nach den alten Methoden arbeiten. So gibt es eine Bäckerei, einen Schuhmacher, Seidenstickerei, Färberei und viele kleine Museen. Man kann sehen wie Stoffe mit Batik-Muster versehen werden, welche Kleidung die Leute vor 100 Jahren trugen. Es gibt ein Museum zu der alten chinesischen Untradition des Füßebindens, ein Bettenmuseum mit wunderschönen mit Schnitzereien versehenen Betten und vieles andere.
Die Gebäude sind hier in der alten Altstadt nicht tot renoviert, sondern man kann sehen, dass hier noch jede Menge alte Substanz erhalten ist. Bis Mittag wandern wir noch am Kanal entlang und auf der anderen Seite wieder zurück und steigen dann punkt 12 Uhr auf die Räder, um die 80 Kilometer bis nach Tongli, einer weiteren Wasserstadt zurück zu legen. Auch unsere Freundin Meili aus hangzhou ist heute noch einmal dabei und aht sich noch einen Tag frei genommen.
In der Ecke bin ich schon ein paar Male gewesen, deshalb kenne ich einige schöne „Geheimwege“. Es geht weg von der Hauptstraße und auf Nebenstraßen entlang, die immer kleiner werden. An kleinen Kanälen entlang und durch die Hinterhöfe der Häuser, manchmal denkt man, dass es gleich mitten durch Küche und Schlafzimmer des nächsten Hofes geht, dann geht es durch Felder und dann ist die Brücke, die hier vor zwei Jahren noch war weg und wir stehen am Kanal. Zwei Kilometer weiter im Osten gibt es jedoch eine große Brücke und dann geht es wieder durch Felder und Haine mit Maulbeerbüschen. Noch gibt es kaum Reisfelder, dafür wird überall der Raps geerntet und auf diese Flächen kommt dann der Reis als zweite Kultur. Ein Weg ist nur 20 Zentimeter breit und führt in Zickzack durch die Felder, die Bauern schauen uns an, als kämen wir vom Mond, aber wir grüßen freundlich und verschwinden hinter dem nächsten Gebüsch. So geht es dann bis zum Mittag, immer auf kleinen Wegen, durch die Dörfer und fast querfeldein.
Der Kaiserkanal zwingt uns dann wieder auf eine größere Straße, dort gibt es dann auch wieder kleine Restaurants und wir bleiben in einer Malatang Küche und essen scharfe Suppe und scharfe Einlagen. Über eine große Brücke überqueren wir den Kaiserkanal, seit mehr als 1500 Jahren werden hier die Güter des Landes von Norden nach Süden transportiert. Die Anfänge reichen zurück bis in die Sui Dynastie im 8. Jahrhundert und seit dem 13 Jahrhundert ist es möglich auf dem Wasserweg von Hangzhou bis nach Beijing zu reisen. Auch heute noch herrscht reger Güterverkehr, schwere Kähne und Zugverbände folgen dicht an dicht, es ist mehr los, als auf deutschen Autobahnen.
Hinter dem Kanal suchen wir noch einmal kleine Straßen und die letzten Kilometer geht es dann auf der Schnellstraße mit Rückenwind bis nach Tongli. Tongli ist ebenfalls eine alte Wasserstadt und war bis vor 20 Jahren nur auf dem Kanal erreichbar. Heute werden Touristen von nah und fern in großen Bussen herangekarrt. Trotzdem hat die Stadt mit ihren kleinen Kanälen und hübschen weißen Häusern noch ihren Charme bewahrt. Wir steigen in einer alten Familienresidenz ab, die Zimmer befinden sich um einen kleine Garten mit Teich und Steinlandschaft und ein mit roten Laternen beleuchteter Wandelgang führt von einem Hof zum anderen.
Inzwischen ist es dunkel geworden und wir finden gerade noch ein offenes Jiaotze Restaurant, dann werden in der Stadt die Bürgersteige hochgeklappt und auch wir verschwinden in den Betten.