Freitag, 8. August 2008, zweiter Tag in Beijing: „Brot und Spiele“
Heute ist für die Chinesen der Tag der Tage. Die Ziffer „8“ ist an sich schon glücksverheißend und im heutigen Datum ist sie dann gleich drei Mal zu finden. Und aus genau diesem Grunde wird heute die Olympiade eröffnet und es ist natürlich nicht schwer zu erraten, zu welcher Uhrzeit das olympische Feuer hier entzündet werden wird.
Ich habe mir inzwischen auch schon ein wenig diesen 8er Tick zugelegt und übernachte gern in Zimmern mit einer 8 und weniger gern mit einer 4, denn das klingt ein wenig wie „sterben“ auf chinesisch und aus diesem Grunde fehlt in manchen Hotels sogar die vierte Etage und der achte Stock ist dann dagegen mit teureren Zimmern bestückt.
Vorher ist jedoch noch jede Menge Zeit und wir beschließen einen langen Bummel durch die Einkaufstraßen der Stadt zu machen und da bietet sich immer die Wangfujin Straße an. Hier gab es vor 15 Jahren den ersten McDonalds in Beijing und im ganzen Lande und die Eröffnung der Filiale mit kilometerlanger Schlange war ein Zeichen für die Umbruchstimmung die das Land Anfang der 90er Jahre erfasst hatte. Der erste McDonalds musste heute schon wieder einem modernen Shoppingcenter weichen und hat eine größere Filiale dahinter eröffnet. Inzwischen scheint mir Beijing die heimliche Hauptstadt des amerikanischen Boulettenimperiums, denn in Beijing gibt es mehr als 200 Filialen.
Heute ist die Wangfujin eine Fußgängerzone und alles ist auf die Spiele orientiert, überall prangen große Poster und Plakate, Viedeoleinwände und Getränkestände bereiten sich auf den großen Ansturm der nächsten Tage vor.
Dahinter in kleinen Läden sieht es noch aus wie bei Harry Potter, ein ganzer Laden voller Essstäbchen in allen Variationen, Farben und Materialien und auch bei den Preisen gibt es nach oben keine Grenzen. Daneben dann Teeläden, leider nicht mehr kleine Stübchen, sondern eher moderne Kaufhäuser, in denen man keine Möglichkeit hat, das Gebräu vorher einmal zu probieren, wie wir es in Zhangye getan haben. Und so ist nur für den Profi zu erkennen, dass die Auswahl der Teesorten gar nicht so übel ist.
Auf der Straße tobt jetzt ganz besonders das Leben, Touristen aus allen Ländern und noch fünf Mal so viele chinesische Touristen sind unterwegs. Straßenhändler verkaufen Chinafähnchen und Aufkleber mit chinesischen Flaggen, „Vorwärts China“ und „I love China“ T-Shirts werden allerorts von jedem getragen. Alle sind glücklich, dass die Spiele hier stattfinden und dass sie dabei sein dürfen und die Chinesen lassen uns spüren wie stolz sie auf dieses olympische Spektakel sind.
Auf einer Welle der Begeisterung sind wir seit der kasachischen Grenze hier ins Land geritten und der olympische Gedanke war überall zu spüren und die Freude mit der wir allerorts aufgenommen wurden, die Begeisterung als die Leute hörten, dass wir aus Europa den ganzen Weg per Fahrrad gekommen sind, um hier an der Olympiade teilzuhaben.
Unser Einkaufsbummel wird somit zur Vorfeier des heutigen Abends, nur ab und zu verschwinden wir in einem kühlen Laden, um uns ein wenig umzusehen und die längste Zeit verbringe ich natürlich wieder im Buchladen, natürlich nicht ohne einige Käufe gemacht zu haben.
Mit den Rädern geht es dann wieder ins Hotel und dort bleibt gerade einmal Zeit für eine Dusche und dann geht es schon wieder weiter. Die ganze Gruppe zieht los und wir wollen zu einer der großen Leinwände auf der Wangfujin zurück, müssen aber durch das ganze Zentrum laufen. In Erwartung eines großartigen Abends sind Millionen von Menschen auf der Straße und es geht nur langsamen Schrittes vorwärts.
Auf dem Tiananmen Platz werden es noch mehr Menschen, die hier auf das Feuerwerk warten wollen und als wir an der Uhr hier vorbeikommen, die die Zeit rückwärts bis zur Eröffnung zählt, ist nur noch etwas mehr als eine Stunde verblieben. Das erste Mal stand ich vor dieser Uhr, als diese noch mehr als zwei Jahre zu zeigen hatte und nun ist im Handumdrehen alles vorbei.
Heute morgen im Internet zeigten die deutschern Medien hauptsächlich Interesse an zwei kleinen Ereignissen, Zwei Engländer haben eine Free-Tibet Flagge gehisst und ein Amerikaner hat Zettel für die Menschenrechte verteilt. Nur das hat unsere Medien interessiert. Von der tollen Stimmung und der Begeisterung aller Chinesen für diese Spiele war keine Rede. Von der perfekten Vorbereitung und Organisation, das ganze Land und besonders Beijing ist bis zum letzten Winkel geputzt worden. Die sonst mitunter ruppigen Polizisten verhalten sich korrekt und freundlich bis zum Umfallen. Sicherheit ist überall zu spüren, nicht aufdringlich, sondern höflich und zurückhaltend und eher bereit mitzufeiern, als für einzugreifen.
Kurz vor acht erreichen wir die Videoleinwände und natürlich kann man kaum noch treten, überall dichtgedrängt Menschen, geschminkt und mit Fähnchen und überall kleine chinesische Flaggen als Aufkleber, eine tolle Stimmung brandet durch die Straße, immer wieder wird „Zhong gua jia you! Vorwärts China!“ skandiert und ab und zu tauchen auch Flaggen anderer Länder auf.
Um acht schauen dann alle fasziniert auf das gigantische Spektakel im Stadion. Ein Heer von Trommlern läutet den Beginn der Spiele ein und die Masse wogt mit. Wohl Milliarden Menschen auf der Welt verfolgen dann die gigantische Tanz und Kulturshow, den elektronischen Lichterzauber und die Feuerwerke über der chinesischen Hauptstadt. Da ich eh keine tollen Platz habe sehe ich mit eher die andere Seite an und schaue den Leuten in die bewegten Gesichte und so manchem Chinesen stehen die Tränen in den Augen. Mehr als zweihundert Mannschaften sind angetreten und marschieren ins Stadion ein und selbst nach einer langen Stunde wird immer noch jede kleine Mannschaft und selbst wenn sie aus dem hinterletzten Zipfel dieser Welt stammt, immer noch mit großem Jubel begrüßt. Nur wir sind schon zu müde und gegen halb 12 rücken wir dann ab, eine Hälfte ins Hotel, die anderen noch in eine Kneipe.
Mitternacht ist es dann so weit und das große Feuerwerk startet auf dem Platz des himmlischen Friedens. Zehn Minuten lang wird aus allen rohren gefeuert und die Nacht verwandelt sich in ein feuriges Blütenmeer vor der Kulisse der historischen Bauten und obwohl ich eigentlich eine Abneigung gegen Massenveranstaltungen habe, freue ich mich doch heute diesen umwerfenden Tag hier erlebt zu haben.