Donnerstag, 17. Juli 2008, Ruhetag in Xian
Morgens heißt es heute einmal ausschlafen und dann das reichhaltige Buffet genießen. Gegen 10 Uhr sind dann alle bereit zur Besichtigung der historischen Metropole, die diese Stadt schon immer gewesen ist.
Schon 200 Jahre vor Christus war hier eine riesige Metropole mit einer Millionen Einwohner innerhalb der Stadtmauern und noch einmal so vielen Menschen, die vor den Toren der Stadt lebten. Wenn man dies mit Städten in Europa oder im alten Griechenland vergleicht, zeigt sich wie weit die Entwicklung hier schon fortgeschritten war, denn hinter dieser Zahl steckt ja eine schier unmögliche logistische Leistung, da diese Stadt ja auch versorgt und verwaltet werden musste und lässt uns nur ahnen, wie belebt und geschäftig es auf den Straßen zuging. Auf alle Fälle wird verständlich, warum hier in der ursprünglichsten chinesischen Region überhaupt so intensiv Landwirtschaft betrieben wurde und werden musste.
Wichtigste Voraussetzung für ein Staatswesen solchen Ausmaßes war eine strenge Religion, die die Beziehungen zwischen den Klassen und Schichten fest regelt und wenig Spielraum für Individualismus und Revolutionen zuließ und da kam natürlich nur der Konfuzianismus in Frage, bei dem die Herrschaft der Edlen und Gerechten nicht in Frage gestellt wird. Allerdings erhebt der Konfuzianismus auch hohe Ansprüche an den Herrscher, als intellektuell und moralisch überlegenen Regenten.
Wir bewegen uns jedoch erst einmal durch das alte Stadtviertel, touristisch komplett erschlossen und ein Kitschladen reiht sich an den nächsten Fressstand. Von der chinesischen Fahrradklingel über Maoposter, Olympia-T-Shirts, Rolex-Kopien bis hin zu gerösteten Nüssen und anderen Leckereien ist hier alles zu bekommen. Versteckt in diesem Viertel, das hauptsächlich von den Hui, den chinesischen Moslems, bewohnt wird, befindet sich die alte Moschee, die in einem chinesischen Tempelkomplex untergebracht ist. Von außen sieht es aus wie ein schöner chinesischer Park mit Tempelchen und einer kleinen Pagode und nur die hintere Halle ist zum Gebetssaal umfunktioniert und für „Ungläubige“ nicht zu betreten.
Weiter führt uns dann der Weg an modernen Kaufhäusern und Einkaufstraßen vorbei, auf denen das leben tobt. Vom alten China ist hier zwischen den Hochhäusern wenig zu spüren, aber von einer boomenden Wirtschaftsmacht doch sehr viel.
Am Rande der Stadtmauer liegt dann der Stelenwald, eine der ältesten Bibliotheken der Welt. Oftmals getragen von Schildkröten gibt es hier Unmengen mit Steinstelen aus den verschiedensten Dynastien. In diese Stelen sind Texte eingraviert und damit für immer verewigt. Die ältesten texte stammen aus der Han-Dynatie und es gibt Abhandlungen zur Moral oder aber auch Wörterbücher, die den Sinngehalt einzelner chinesischer Zeichen erläutern, eine Fundgrube für Wissenschaftler und ein kryptischer Augenschmaus für Touristen wie uns.
In einer der hinteren Halle werden dann Abzüge von den schönsten texten gefertigt. Auf eine Stele wird ein grobfaseriges nasses Papier aufgelegt und mit der Bürste werden die Vertiefungen hineingearbeitet. Nachdem das Papier fast getrocknet ist, wird dieses mit Tusche überrollt und man bekommt so eine farbumgekehrte Kopie vom Text, wenn das Papier von der Stele vorsichtig abgezogen und zum Trocknen ausgelegt wird.
Xian ist eine der wenigen chinesischen Städte, in denen die Stadtmauer während der Kulturrevolution nicht abgerissen wurde und die noch vollständig erhalten ist. Wir heben uns einen Besuch für später auf und wollen dann einmal mit Fahrrädern auf der 13 Kilometer langen Mauer entlangfahren, doch vorher steuern wir die Kleine Wildganspagode an. Leider fängt es heftig an zu regnen und so brechen wir unser Besichtigungsprogramm in einem Lokal in der Nähe der Pagode ab und lösen uns auf und auch die Stadtmauerrundfahrt löst sich im Regen auf.
Mir bleibt dann endlich ein bisschen Zeit zum verschnaufen, ich beantworte meine Mails und mache ein Spätnachmittagsschläfchen und bereit mich auf ein gutes Abendessen vor, zu dem wir um 19 Uhr aufbrechen.
Wir gehen in ein teures Kultlokal, das auf Jiaotze, den gedämpften oder gekochten gefüllten Teigtaschen, spezialisieret ist und lassen ein 23 Gänge Menü über uns ergehen. Jiaotze in allen Varianten, große und kleine, gedünstete, gekochte, gedämpfte und sogar gebratene, die mit Huhn sahen aus wie kleine Hühnchen und die mit Fisch wie kleine Fische und alle total lecker.
Reichlich abgefüllt brauche ich noch einen kleinen Spaziergang und bewege mich schwerfällig noch einmal die belebte Hauptstraße hoch und runter. Auf den Bürgersteigen sitzen die Straßenhändler und verkaufen Handys, T-Shirts und Kitsch. Überall tobt das Leben, keiner möchte nach Hause gehen, nur ich bin müde und freue mich auf mein Bett im Hotel.